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Mittwoch, 11. Mai 2022

Das zweite Geheimnis - Titus Müller


Die DDR gehört zur deutsch-deutschen Geschichte. Ein marxistisches, kommunistisches System, dass im Kalten Krieg zwischen den damaligen Großmächten, der USA und der Sowjetunion, eine wesentliche Rolle spielte. Der Klassen- und Systemfeind der BRD steht stellvertretend für eine koordinierte und systematische Kontrolle ihrer Bevölkerung. Mit allem Mitteln wurden alle Register gezogen, alles an kriminelle Energie aufgewendet, um ein idealistisches, politisches System durchzusetzen. So, oder so war es zum Scheitern verurteilt – auch die Führung wusste es, sie bediente sich gerne aus dem Warenkorb des Westens und verdrängte den Schrei nach Freiheit – der immer lauter wurde. Jetzt 33 Jahre später gibt es noch immer den Schatten dieses Staates in den Köpfen vieler Bewohner. Es wird noch Generationen benötigen, bis Vorurteile, Vorbehalte und Klischees aus dem Weg geräumt sind. Wer waren diese Menschen, die systemtreu Verbrechen verübten? „Das zweite Geheimnis“ von Titus Müller ist der zweite Band der Trilogie, die dieser furchtbaren Beziehung zweier Bruderstaaten eine Stimme gibt.

„Die fremde Spionin“ – spielt kurz vor dem Mauerbau – der vorliegende spielt im Jahr 1973 – die Weltfestspiele der Jugend werden in der DDR ausgetragen. Diese „Tor“ zum Westen ist auch für die DDR ein Versuch, an Prestige zu gewinnen. Mit dem Wohle der Jugend, der sportlichen Fairness und der Freiheit hat es weniger zu tun. Titus Müller erzählt die Geschichte von Ria Nachtmann und ihrer Familie konsequent weiter. Die ehemalige Spionin reaktiviert sich selbst, nachdem ihr Schwager, ein Grenzsoldat auf der Flucht angeschossen und nun inhaftiert wurde. Auch ihr innerer Drang sich an dem Regime zu rächen ist nicht gänzlich verschwunden, aber die Liebe zu einem westdeutschen Journalisten und die Schwierigkeiten mit ihrer Tochter Annie lassen sie ein zweites Mal zwischen die Fronten der beiden deutschen Lände kommen.

Zwölf Jahre nach dem Mauerbau führt Ria Nachtmann ein weitgehend angepasstes Leben in Ostberlin. Niemand würde vermuten, dass sie einst als Spionin für den Bundesnachrichtendienst aktiv war. Nur eines hat die Jahre überdauert: ihre Liebe zu Jens, einem westdeutschen Journalisten. Doch Verbindungen mit dem Klassenfeind sind streng verboten. Als Ria ein geheimes Treffen arrangiert, wird sie bereits beobachtet. Ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt ...(Verlagsinfo)

Titus Müller gibt dieser Epoche eine bildgewaltige, auch brutal ernste Atmosphäre. Themen wie Folter in der Haft, Verhör- und Beschattungstechniken, die erpresserische Manipulation von Freunden und Familienmitglieder, der Verrat usw. spielen wichtige Rollen in dem vorliegenden Roman. Natürlich wird auch das Doping thematisiert und sowieso die Hintergründe und Methoden dieses Systems angesprochen. Für viele Leser sind diese geschichtlichen Aspekte und Details schwer zu verstehen. Sie sind nicht nur spannend und unterhaltsam, insgesamt sind diese auch emotional aufwühlend. Besonders die erzählerische Perspektive einer Stasi-Agentin die verbissen Rita jagt, um diese zu entlarven – ist unglaublich intensiv beschrieben.

Titus Müller erzählt auch von Spionage und Gegenspionage – von gefährlichen Unternehmungen und Situationen, die ggf. Lebensgefährlich sind, aber mit Sicherheit zu einer langen Haftstrafe führen könnten. Neben der Stasi-Agentin, lässt auch Rias Schwager – der verräterische Grenzsoldat, ein ehemaliger Offizier tief in seine Seele blicken. Seine Verzweiflung, sein Begreifen seines eigenen Versagens lassen auch die Szenen um Rita etwas in die zweite Reihe driften.

Neben der Unterhaltung sind die Charaktere erstklassig konzipiert. Haupt- und Nebenakteure bilden ein komplexes Gesamtkonstrukt, das jeglicher Erwartungshaltung entsprechen sollte. Wie schon im ersten Band kommen auch historische Ereignisse und Personen.

Die Guillaume-Affäre, der wohl politisch bedeutsamste Spionagefall wird, hier erzählt. Günter Guillaume war einer der engsten Mitarbeiter im Bundeskanzleramt unter Willy Brandt. Ein DDR-Agent im Kanzleramt. Das Leben schreibt eben doch die besten Geschichten.

„Das zweite Geheimnis“ ist atmosphärisch ungemein gut. Beim Lesen entstehen allerhand Fragen, auf die Titus Müller noch keine Antwort gibt. Wer waren diese Menschen bei der Stasi – die linientreu Verbrechen begingen? Was machen diese wohl zu Zeit und wie gehen diese mit ihrer Vergangenheit um. Diese Trilogie wird viele Menschen dazu animieren, hinter den eisernen Vorgang der DDR zu schauen. Sie werden erstaunt sein, sie werden überrascht sein, sie werden sich erschrecken.

Titus Müller erzählerischer Stil ist großartig. Konzentriert entwirft er gleich mehrere Spannungsbögen und jongliert damit fehlerfrei. Der dritte Roman dieser Reihe erscheint im Mai 2023 und wird im Jahre 1989 spielen – der Fall der Berliner Mauer, der das Ende der DDR einläutet und wenig später zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten führt.

Im Nachwort geht Titus Müller auf die historischen Ereignisse ein und bietet dem Leser damit viele, sehr interessante Hintergrundinformationen.

Fazit

„Das zweite Geheimnis“ ist ein Echo der deutsch-deutschen Vergangenheit. Spannende Unterhaltung mit viel Emotionen, die unter die Haut gehen. Diese Trilogie gehört zu den wichtigsten Romanen in diesem Jahr. Pageturner.

Michael Sterzik

 

Dienstag, 11. Januar 2022

Todland von Kim Faber und Janni Pedersen


Nach „Winterland“ hat nun das dänische Autorenpaar den zweiten Titel „Todland“ im Münchner Verlag
  Blanvalet veröffentlicht. Die Storyline knüpft unmittelbar an den ersten Teil an. Der inländische dänische Geheimdienst PET hat der Mordkommission und seinen Beamten einen Maulkorb angelegt und Beweismittel wie Rechner etc. beschlagnahmt. Mit der Gesamtsituation nicht zufrieden, verstricken sich die Ermittler Martin Juncker und Signe Kristiansen dennoch tiefer in den brisanten Terroranschlag.

Das Autorenehepaar versteht es imposant seine Leser urplötzlich in die Handlung zu schleudern. Das geschieht so schnell und plötzlich – und zack findet man sich wieder in einem Schattenkrieg der Geheimdienste und der politischen Ströme. Die Reihe zeigt sich allerdings nicht als eine klassische Agenten-/Spionagereihe. Das Autorenduo legt viel Wert auf eine authentische und realistische Atmosphäre, die nicht mal ansatzweise fiktional klingt. Damit zeigt sich auch eine gewisse Aktualität und offenbart, dass das Thema „Terrorismus“ auch in den skandinavischen Ländern durchaus eine Bedrohung darstellt – und nicht nur islamischer Terror, sondern auch rechtsextreme Nationalisten, die jedes kriminelle Element und jede Methode dafür verwenden, ihre Interessen zu zeigen.

Der schreckliche Terroranschlag in Kopenhagen wirft immer noch seinen Schatten auf den Ermittler Martin Juncker: Während er im Fall eines toten Anwalts zu ermitteln beginnt, erhält seine Frau Charlotte einen anonymen Hinweis: Der Anschlag sechs Monate zuvor hätte verhindert werden können – und Martin soll in die Vertuschung verwickelt gewesen sein.

Als Journalistin konfrontiert Charlotte ihren Mann, doch der bestreitet alles. Insgeheim fürchtet er um sein eigenes und Charlottes Leben, wenn sie die Story weiterverfolgt. Einzig Martins ehemalige Kollegin Signe will der Reporterin helfen, doch ihr Antrieb ist ein persönlicher … Als Charlottes Informant brutal ermordet wird, beschließt Signe, dass es an der Zeit ist für die Wahrheit. Und so kommt sie einer unglaublichen Verschwörung auf die Spur, die bis in die höchsten Kreise der dänischen Politik reicht und in die auch Martin Junckers Mordopfer verwickelt ist …(Verlagsinfo)

Die Story teilt sich auf zwei Ebenen auf – der Kriminalfall, den Juncker bearbeitet und der ihn ein Stück weit in die kindliche Vergangenheit treibt und Signe, die Junckers Frau Charlotte behilflich ist. Die investigative Journalistin wird von einem Whistleblower kontaktiert, der geheimdienstliche Informationen zu dem Terroranschlag hat.

Man erahnt schon, wohin der Weg der beiden Ermittler geht – in ein lebensgefährliches Labyrinth, bei der an jeder Ecke der berufliche, oder auch der persönliche Tod winkt. Die Story ist insgesamt spannend, doch die Nebengeschichten und damit meine ich das Talent von Juncker und Kristiansen sich über Gebote, Anweisungen, moralische Etikette, und gut gemeinten Ratschlägen einfach hinwegzusetzen, sind faktisch die Schlüsselmomente. Das wirklich unterhaltsame ist bei den beiden, dass die kein emotionales, vergangenes und gegenwärtiges Minenfeld umfahren, sondern mit einer ignoranten Selbstverständlichkeit so mir nichts, dir nichts, mit Anlauf da reinspringen.

Diese Explosionen erzeugen dann wilde, verfahrene Situationen und erzeugen damit eine Spannung, der man sich nicht entziehen kann.

Die charakterliche Tiefe der beiden ist sympathisch, doch sind die beiden auch exemplarisch als typische Einzelgänger und Antihelden zu verstehen. Pragmatischer Egoismus in Kombination mit einer rebellischen Note und fertig sind die laufenden Katastrophengebiete.

Damit ist der Unterhaltungswert hochklassig. Man fragt sich allerdings am Ende des Buches – was die beiden im dritten, ggf. abschließenden Band anstellen werden. Abgesehen von einem Kriminalfall, haben beide noch private Herausforderungen, die es nicht leichter machen werden. Ideen sind also mehr als genug da und analysiert man die Eskalationsspirale, die sich in „Todland“ deutlich schneller bewegt, so könnte Band 3, der im Mai diesen Jahres im Buchhandel erscheint, noch spektakulärer werden.

Die große beschriebene Stärke ist ggf. auch der einzige Kritikpunkt, den ich habe. Die persönlichen Minenfelder der beiden sind zu ausufernd dargestellt. Die tatsächliche Storyline um den Terroranschlag, der Verwickelung des Inlandsgeheimdienstes stehen weit abseits in der zweiten Reihe. Schade.

„Todland“ hat auch kein Alleinstellungsmerkmal und vorher sollte der Leser definitiv zum ersten Band „Winterland“ greifen. Es gibt zu viele Ereignisse, Situationen und charakterliche Merkmale, die der Leser nur dann vollumfänglich begreifen kann, wenn er etwas informiert ist.

Fazit

Juncker und Kristiansen sind Chaos & Anarchie. Hochaktuell und originell unterhaltsame Spannung. Hier ist überhaupt nichts ruhig, selbst der Leser wird emotional eine Achter- oder Geisterbahn machen und wenig später nach „mehr“ schreien. Lesen.

Michael Sterzik

Freitag, 3. Juli 2020

Oxen - Lupus - Jens Henrik Jensen


Die Danehof-Trilogie von dem dänischen Autor Jens Henrik Jensen im Genre Thriller war nicht nur in den skandinavischen Ländern ein großartiger Erfolg. Die entworfene Hauptfigur des Ex-Elitesoldaten Niels Oxen hat auch für weitere Teile noch einiges an Potenzial zu bieten. Er ist ein „Held“, der sehr widerwillig agiert. Aufgrund seiner Kriegseinsätze auf dem Balkan und in Afghanistan, für die er neben seinen Orden auch nun bitter posttraumatisiert ist, hat er mit sich selbst mehr als genug zu tun. Die Beziehung zu seinem Sohn ist mehr wie als schwierig zu bezeichnen. Die Jahre lassen sich nicht einfach nachholen, oder rückgängig machen und von der sozialen Perspektive aus gesehen, hat Niels Oxen arge Defizite. Er ist ein „Wolf“. Einsam – aber nicht alleine – unabhängig, einzelgängerisch….ein Raubtier mit Instinkten und Überlebenswillen. Bereit zu töten, wenn es sein muss.

Jens Henrik Jensen Schreibstil ist großartig. Locker, gut strukturiert, mit ironischen Untertönen vermengt und immer auf den Punkt fokussiert. Dies in einer mehrbändigen Reihe auszuarbeiten ist einfacher, als in einem späteren unabhängigen Titel – doch in dem vorliegenden Roman „Lupus“ hat der Autor auch dies gut konzipiert. Auch in „Lupus“ hat der Geheimdienst, wie auch in den Danehof-Titeln, dass eigentliche Storytelling in der Hand. Alte Verschwörungen – alte Rache und Rechnungen und alle schon bekannten Charaktere sind wieder mit von der Partie.

Der Geheimbund Danehof ist zerschlagen, doch der traumatisierte Ex-Elitesoldat Niels Oxen kämpft weiter mit seinen Sieben Dämonen. Für den Geheimdienstchef Axel Mossman soll er nun den vermissten Poul Hansen aufspüren. Die Suche führt ihn dorthin, wo er sich am besten auskennt: in den Wald. Anstatt nach Hansen Ausschau zu halten, interessiert er sich mehr für Wölfe - und trifft auf rätselhafte Spuren. Hansens Verschwinden scheint mit einer Entführung aus dem Jahr 1963 zusammenzuhängen. Und mit dem unaufgeklärten Fall, bei dem Oxens Partnerin Margrethe Franck ihr rechtes Bein verlor. Gemeinsam stellen Oxen und Franck Nachforschungen an. Aber das ruft dunkle Mächte auf den Plan.(Verlagsinfo)

Jens Henrik Jensen vierter Roman um „Oxen“ ist ein in sich abgeschlossener Titel. Das Tempo ist allerdings verhältnismäßig langsam und neben der eigentlichen Hauptstory, gibt es noch einige Nebengeschichten, die gut eingebaut sind, aber manchmal langatmig wirken. Interessant allemal – aber die Spannung wird dadurch nicht weiter ausgebaut. Eine Nebengeschichte befasst sich mit der Privatperson Oxen und dessen Beziehung zu seinem Sohn. Lässt aber auch charakterlich tiefer in seine ureigenen Probleme blicken.

Verschwörungen gehören einfach mit dazu – wenn man sich thematisch schon mit Geheimdiensten befasst. Auch hier keine Ausnahme.  Der Grundgedanke der Hauptstory birgt nicht viel Neues. Alles schon bekannt – alles auch schon in anderen Titeln verarbeitet. Zu kritisieren ist, dass die ganze Hauptstory so dahin köchelt. Zu schnell – zu unsauber aufgebaut – zu viele Chancen auf eine intensive Ausarbeitung schlichtweg leider nicht genutzt. Das Lesevergnügen ist dabei nicht sonderlich getrübt – vergleicht man „Lupus“ allerdings mit der vorhergehenden Trilogie, so kann dieser die Klasse nicht halten.

Die Hauptperson „Oxen“ könnte ausgedient haben. Jegliche Fortführung als Einzeltitel, oder Reihe gesehen, wäre überflüssig. Andererseits wäre es möglich Oxen in späteren Romanen – als Nebenfigur einzubauen. Alles andere wäre faktisch absolut unrealistisch und würde ihm nicht mehr gerecht werden.

Fazit

„Oxen – Lupus“ von Jens Hendrik Jensen ist bedingt empfehlenswert. Sollte man die anderen Titel als Vergleichsmöglichkeit nicht einbeziehen, so kommt dieser bei einer Wertung weit besser davon.

Es ist Zeit – neue Wege zu gehen, ohne „Oxen“ – aber ich bin mir sicher, dass der Autor Jens Henrik Jensen schon weitere Projekte in Planung hat.

Michael Sterzik

Dienstag, 12. November 2019

Opfer 2117 - Jussi Adler-Olsen


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Seit dem Jahr 2015 ist die Flüchtlingsdebatte in Europa nicht nur ein politisches, sondern auch ein kulturelles und soziales Problem. Das unser menschlicher Kompass mit dem Tod der Flüchtlinge im oder auf dem Weg zum Mittelmeer „out of order“ ist, bleibt mal dahingestellt. Wir diskutieren, wir argumentieren, wir haben Angst vor einer Überfremdung, einer anderen Kultur, wir haben Befürchtungen, dass unsere Komfortzone in Seenot gerät, wir haben große dramatische Angst vor Touristenterroristen - und dabei vergessen wir unsere „menschliche“ Verantwortung. Die Moral von der Geschichte – noch immer relativ unklar – die Folgen noch unabsehbar.
Langsam findet diese Flüchtlingsdebatte auch ihren unmissverständlichen Weg in die Unterhaltungsliteratur. Dabei schreibt die Geschichte doch die besten Vorlagen für authentische Romane. Aktuelle Themen – auf die man auch als Schriftsteller unterhaltsam und spannend zugreifen mag.
Der dänische Bestsellerautor Jussi Adler-Olsen verwendet in seinem neuestem Roman „Opfer 2117“ verschiedene hochaktuelle und brisante Themen. Der vorliegende Band ist der achte Fall für Carl Moerck und sein Sonderdezernat Q.
An Zyperns Küste wird eine tote Frau aus dem Nahen Osten angespült: Auf der ›Tafel der Schande‹ in Barcelona, wo die Zahl der im Meer ertrunkenen Flüchtlinge angezeigt wird, ist sie ›Opfer 2117‹. Doch sie ist nicht ertrunken, sondern ermordet worden. Kurz darauf beschließt der 22-jährige Alexander in Kopenhagen, Rache zu nehmen für ›Opfer 2117‹, dessen Foto durch die Medien ging. Bis Level 2117 spielt er sein Game ›Kill Sublime‹ − dann will er wahllos morden. Als Assad vom Sonderdezernat Q das Bild der toten Frau zu Gesicht bekommt, bricht er zusammen. Denn er kannte sie nur zu gut. Ein hochemotionaler Fall für Carl Mørcks Team, der nicht nur Assad an seine Grenzen bringt. (Verlagsinfo)
Wer die Reihe verfolgt hat, die nun schon auf ein kleines Jubiläum von 10 Jahren aufweist (deutsche Veröffentlichung), hat die Figuren aus dieser sehr erfolgreichen Serie schon längst ins Herz geschlossen. Diese Reihe ist natürlich so ausgelegt, dass sich die Protagonisten entwickeln können und das auf sehr realistischen Niveau mit allen menschlichen Höhenflügen und höllischen Abgründen. Exemplarisch und hochgeheimnisvoll ist die Person Assads. Ein Mann mit vielen Talenten, sehr intelligent, ein wacher Geist mit enormem Wissen und analytischen Fähigkeiten und durchaus im Stande konsequent und kompromisslos Gewalt auszuüben.
Doch wie konnte er diese vielfältigen Talente perfektionieren? Wer ist dieser geheimnisvolle, humorvolle und sensibler Mann? Natürlich gibt es wilde Vermutungen und auch in Hinweise, die in den letzten Bänden zielgenau gestreut wurden, doch in dem vorliegenden Band „Opfer 2117“ wird Assad demaskiert.
Jussi Adler-Olsen lässt es in seinem neuesten Werk mal so richtig krachen. Nicht nur dass der Autor aktuelle Themen spannend verarbeitet, diesmal ist weniger kriminalistisches Geschick gefragt, sondern eher undiplomatische, mit Waffen unterstützte Verhandlungen mit Terroristen und einem alten Erzfeind Assads. Das wäre der erste Part – die zweite Storyline schildert den Versuch einen inländischen Terroranschlag aufzuhalten – hier spielen Gordon und Rose die tonangebende Rolle.
Auch die Schauplätze und Perspektiven wechseln oft – gerade die Rückblenden in die Vergangenheit Assads erklären viel Vergangenes, aber beantworten noch nicht abschließend alle Fragen. Die Handlung spielt sich nicht nur in Dänemark ab.
Mit „Opfer 2117“ eröffnet der dänische Autor auch neue Türen für seine Figuren – und zwar für alle. Man befindet sich sozusagen auf einen „Scheideweg“ und es wird mehr wie interessant sein, in welches Terrain sich die Charaktere begeben, oder bewegen müssen!?
„Opfer 2117“ ist mit „Selfies“ der persönlichste Fall dieser Reihe. An Dramatik und Spannung fehlt es nicht – und neben der Aktualität ist der Roman sehr authentisch gezeichnet. Einzig und alleine – dieser fast schon biblischer Racheakt, gegen die Person Assads wirkt etwas sehr überzogen.
Hingegen zeigt der Autor auch unmissverständlich auf unsere Verantwortung: der Tod im Mittelmeer, die Verrohrung der Gesellschaft und unser Versagen in Familienfragen. Ohne wirkliche Wertung des Autors – aber doch bezeichnet und nachhaltig thematisiert, dass diese Szenen den Leser nachdenken lassen werden.
Auch der Humor, der in den letzten Büchern immer wieder in den Dialogen locker hervorstach, ist deutlich weniger geworden. Aufgrund der Storyline, allerdings absolut gerechtfertigt.
Mit sehr großem Abstand ist der Roman: „Opfer 2117“ ein Actionfeuerwerk im Vergleich zu den anderen Titeln. Die nächsten Bände werden interessant – den die Positionen – beruflich und privat stehen in den Starlöchern mit unbekanntem Ziel.
Fazit
„Opfer 2117“ ist eine authentische Räuberpistole. Hochspannend – Brandaktuelle Themen und mit einem Assad der mit völlig aufdreht.
Damit gehört „Opfer 2117“ zu einem Highlight im Genre Thriller. Eines noch zum Schluss – bitte nicht „Opfer 2117“ als erstes lesen – dass würde die Wirkung völlig verfehlen. Lesen Sie die Reihe – diese gehört zu einem der besten im Genre „Thriller“.
Michael Sterzik

Mittwoch, 6. Juni 2018

Verrat - Leif GW Persson

In den letzten Jahren ist die Flüchtlingspolitik ein brisantes und noch immer aktuelles Thema geworden. Ist die islamistische Terrorgefahr dadurch stark vergrößert worden? Schon längst ein heikles, politisches Thema, dass viele Länder in ganz Europa betrifft. Die Rechtspopulisten wittern die Chance sich zu profilieren – Angst zu schüren und die inzwischen, doch entspannte Situation zu verschärfen und zu dramatisieren. Fakt ist leider allerdings auch, dass die Terrorgefahr allgegenwärtig hoch ist, allerdings gibt es dabei auch Einzeltäter, Amokläufer die nicht dem Islam angehören und auf ihrer ganz eigenen Frequenz leben und sterben wollen. 

Spätestens seit 9/11 – ist Welt der Geheimdienste in und außerhalb Europas zu einem digitalen Dorf geworfen. Gemeinsame Datenbanken, die Verdächtige Personen identifizieren und jeden Ihrer Schritte dokumentieren und überwachen. Kameras in Großstädten, nicht nur auf öffentlichen Plätzen, die den Alltag der Menschen im Auge haben, von der üblichen digitalen Überwachung der Messangerdienste, Email usw. einmal ganz zu schweigen. 

Auch wenn wir es nicht gerne zugeben wollen – wir Normalbürger in ganz Europa wissen wenig, ein medialer Bruchteil eines Konstrukts, dass wir dimensional auch überhaupt nicht bewerten können. Das ist auch gut so – alles andere würde alle Kritiker, Angstmacher und Wutbürger – nur noch mehr außer Kontrolle bringen. 

Der schwedische Erfolgsautor Leif GW Persson thematisiert in seinem neuesten Thriller „Verrat“, die Bedrohung eines anstehenden Terrorangriffs und die akribischen Ermittlungs- und Überwachungstätigkeiten des Geheimdienstes. Der Autor ist ein Typ – der weiß wovon er schreibt – schließlich war er lange Zeit als Profiler im Polizeidienst tätig und ist Professor der Kriminologie. Ein perfekter Insider- der den Leser also kleinere Momentaufnahmen präsentieren kann. 

In seinem neuesten Werk „Verrat“, befasst sich der Autor mit einer Vielzahl von politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Themen – allerdings in Kombination mit einem geplanten Terrorangriff. Diese brisanten Themen sind komplex und nicht einfach in einem Thriller zu implementieren. Leif GW Perssons Versuch diese aktuellen Themen unterhaltsam und auch informativ, dem Leser beizubringen gelingt nur Phasenweise. 

Unterhaltsam? Na ja – wer sich sowieso schon mit dem Arbeitsumfeld der Nachrichten- und Geheimdienste beschäftigt hat, für den wird dieser Roman wenig unterhaltsam sein. Auch wenn das Thema interessant ist – der Autor verrennt sich in seiner Beschreibung und Schilderung der prozessualen Ermittlungs- und Überwachungsmethodik der Geheimdienste. Eine atmosphärische Spannung vermisst man. Obwohl die Bedrohung durch einen Anschlag allgegenwärtig zu sein scheint, verliert sich diese und ordnet sich faktisch einer akribischen Dokumentation unter. Wenigstens weiß der Leser am Ende des Romans, mehr über die gewissenhafte und anstrengende Tätigkeit der Außenagenten und sieht so manches politische Thema mit anderen Augen. 

„Verrat“ ist kein Highlight der Spannungsliteratur – vielleicht ein punktuelles Glühwürmchen. Es ist vielmehr ein Buch voller Fakten, dass kann ja auch gut sein, aber wenn die Ausarbeitung der Charaktere nur oberflächlich ist, die Spannung auf der Fahndungsliste auftaucht und es eigentlich doch nur ein Sachbuch ist – sieht eine spannende Unterhaltung anders aus. 

Der Autor schreibt dennoch gut. Stil, Ausdruck und Sprache sehr angenehm. 
„Verrat“ von Leif GW Persson ist mehr ein Sachbuch, wie ein Roman. Für seine Studenten der Kriminologie sicherlich ein Pflichtwerk, als Spannungsroman allerdings ein klassischer Versager. 

Selbst die Zeichnung der Charaktere sind nicht mehr als Oberflächlich. Die Ermittlerin so verspricht es das Cover: „hart im Nehmen, entschlossen, klug – und höllisch cool – wer das geschrieben hat, könnte eine Verwandtschaft mit Pinocchio dadurch erklären, dass seine Nase nun ein ganzes Stück länger ist. 

Sorry – Als Sachbuch absolut TOP, als Politthriller, oder auch Kriminalroman gesehen ist „Verrat“ nicht zu empfehlen. 

Michael Sterzik