Mittwoch, 27. Juni 2018

Legenden des Krieges - Der grosse Sturm - David Gilman

Der britische Autor David Gilman veröffentlichte nun im Verlag Rowohlt den neuesten Titel um seinen Helden Thomas Blackstone. Es ist der vierte Teil einer noch nicht abgeschlossen Reihe. 

Der 100jährige Krieg zwischen den Erzfeinden der beiden Königreiche England und Frankreich geht in die nächste unerbittliche Runde. David Gilman spricht eine allzu deutliche Sprache und er rechnet ab – mit vielen Vorurteilen und Klischees, die wir aus Film und Fernsehen kennen. Die Ritter – meist stolze, edle Recken getrieben von moralischen Werten, gesteuert von Ehre, manchmal sogar mit Verstand – in seiner Reihe interpretiert er die Ritterlichkeit authentisch. Die edlen Recken sind bei dem Autor nichts anderes als egozentrische, brutale und rücksichtslose Kämpfer. Getrieben von der Gier nach Beute und der Aussicht mit dem Ruhme und der Ehre ganz nebenbei sich bei ihrem König zu profilieren. Vielleicht gibt es ja noch einen netten Adelstitel und ein Stück Land, dass man auspressen kann. 

Ich will nicht sagen, dass alle Ritter so wunderbare, sozial eingestellte Kämpfer waren. Sicherlich gab es auch Männer, die den Ehrenkodex etwas mehr lebten und diesen nicht in Richtlinien interpretierten. David Gilman gibt dem Krieg eine brutale Fratze. Auch Gewinner einer Schlacht können rücksichtslos sein und den Schrecken und das Elend der Zivilbevölkerung eher verschlimmern. Nach unseren Maßstäben können wir Entscheidungen und Motive nur sehr schwerlich nachvollziehen. 

David Gilman verwendet manchmal auch eine herbe Sprache, aber die ist der Situation und ihren Protagonisten angemessen. Überhaupt und sowieso legt der Autor viel Wert auf die Entwicklung seiner Charaktere. Thomas Blackstone – ist nach dem gewaltsamen Tod seiner Tochter und seiner Frau kalt und unberechenbar geworden. Sein Charakter wurde mit Blut, Tränen und einer verdammten Wut in den Schlachten geschmiedet. Relativ rhetorisch unbewaffnet hat er auch wenig Talent für die Diplomatie und  so stößt er jedem vor dem Kopf, auch gerne gekrönten Häuptern. 

In „Der große Sturm“ wird ebenfalls auch gerne wiederholt auf das Leben und Sterben der Zivilbevölkerung eingegangen. Auch diese waren nicht immer Unschuldslämmer und nahmen sich gerne, was sie kriegen konnten, selbst wenn es das denunzieren von Heilkundigen war. Der Glaube an schwarze Magie und teuflische Hexerei ist einer der Nebenhandlungen in dem vorliegenden Roman. 

Es gibt wenige Autoren – die den Verlauf einer Schlacht so authentisch, und sprichwörtlich gewaltig wiedergeben können. Sein Kollege Bernard Cornwell ist einer dieser Autoren – David Gilman allerdings toppt das manchmal. Trotz all dieser blutigen und brutalen Szenarien, driftet der Autor nicht in überzeichnete Schilderungen ab. Immer wieder blitzt die Menschlichkeit und der Verstand auf, immer wieder klopft das Gewissen an. Diese Abwechslungen geben der Handlung den besonderen Flair, die besondere Stimmung, der man sich nicht entziehen kann. 

Historisch betrachtet macht David Gilman alles richtig. So wie es auch sein muss – verwendet der Autor historische Ereignisse und baut diese passgenau und unterstützt mit fiktiven Personen ein.

Man kann sicherlich noch weitere vier Bände und mehr schreiben und Thomas Blackstone den 100jährigen Krieg ausleben lassen. Doch hoffentlich wird dies nicht geschehen. Thomas Blackstone ist „erwachsen“ geworden, seine Seele dürfte in mehr wie ein Teil gesplittert sein. So hoffe ich doch, dass diese Reihe zeitnahe ein Ende finden wird. Gerne mit einem grandiosen Schrecken – aber immer noch besser, als wenn der Protagonist sich selbst und die Spannung überholt. 

Im September 2018 geht es mit dem Titel: „Das zerrissene Land“ weiter. Wir dürfen also weiterhin gerne beobachten wie Thomas Blackstone und seine posttraumatischen Wunden nicht behandelt werden und sein Wolfsschwert Tod und Verderben bringt. 

Fazit

„Legenden des Krieges – Der große Sturm“ von David Gilman ist ein brutal, gutes Buch. Rücksichtslos spannend und emotional wie ein Richtschwert. Trotz allem ein Pageturner. 

Michael Sterzik






Dienstag, 26. Juni 2018

Mit aller Gewalt - Tom Clancy - von Mark Greaney

Im Oktober 2013 verstarb der Bestsellerautor Tom Clancy. Berühmt geworden ist er mit seiner berühmten Politthriller Reihe um den CIA Analysten Jack Ryan, der auch als Außenagent und später als Präsident der USA agierte. 

Tom Clancy war ein Experte für Militärtechnik, er verfasst auch etliche Sachbücher über dieses Thema und verwendete natürlich einiges Wissen in seinen belletristischen Titeln. Die Basis seiner Romane waren aktuelle, politische Themen, die Sonnen- und Schattenseiten der Geheimdienste, sowie auch die neueste Militärtechnik. 

Wer seine Romane über die letzten 20 Jahre verfolgt hat, musste leider feststellen, dass die Storys des Autors nahezu prophetisch waren. Verdammt realistisch und meisterhaft gut recherchiert – wurden einige seiner auf Papier gebrachten Szenarien grausame Wirklichkeit. Nach 9/11 wurde Clancy als externe Berater der Regierung berufen.

Inzwischen ist das Universum seiner Protagonisten mächtig gewachsen. Jack Ryans Sohn ist ebenfalls Analyst geworden, zieht es allerdings vor mit der Waffe in der Hand die westliche Welt zu retten. Das Besondere an den Romanen Clancys und seinen Co.-Autoren ist die Aktualität. Der Kalte Krieg wurde genau wie der Krieg gegen den organisierten Drogenhandel in Südamerika thematisiert. Aber auch Terroranschläge durch islamische Gruppen und die Bedrohung durch ein erstarktes Russland wurden als Storyline aufgegriffen. 

Auch nach seinem Tod wird es weitere Romane um Jack Ryan und Sohn geben. Der amerikanische Autor Mark Greaney, der internationale Beziehungen und Politikwissenschaften studiert hat, ist einer seiner Erben.  Im Heyne Verlag wurde nun der Titel: „Mit aller Gewalt“ veröffentlicht. 

Thema des vorliegenden Bandes ist die Bedrohung durch eine neue Atommacht – Nordkorea. Und schon haben wir wieder ein aktuelles Thema in der Hand. Dieser internationaler Konflikt bedroht nicht nur die Nachbarstaaten, sondern in erster Linie natürlich auch direkt die USA. Mark Greaney schreibt brillant, und vor allem sehr, sehr realistisch die politische und geheimdienstliche Perspektive.  Plakativ und konzentriert wird die Story aus der individuellen Sicht von vielen verschiedenen Protagonisten erzählt. Vom einfachen Feldagenten, über Nordkoreanischen Politiker, von privaten Sicherheitsagenten, die mit Krisen das große Geld wittern, bis zum Präsidenten selbst, erhält hier jeder das Wort. Das alleine ist mit der Grundstein für eine allgegenwärtige Spannung. Weitere wichtige Steine ist die angespannte Innenpolitische Situation und die Einschüchterung des einfachen Nordkoreanischen Volkes, sowie die Schattenwelten der Geheimdienste – insbesondere wenn private Sicherheitsfirmen sind in internationale Konflikte aktiv einmischen. 

Es gibt genug sehr actionreiche Momentaufnahmen, die mit Diplomatie allzu wenig zu tun haben und die aggressiv und sehr endlich ausfallen. Mark Greaney erzählerischer Stil ist atmosphärisch hochklassig. Es gibt überhaupt keine Kapitel, die in das Konstrukt nicht passgenau eingefügt wurden. Das der Autor die Story aus vielen Erzählungsebenen wiedergibt halten und fördern die Spannung  sehr  aufbauend. Großartige ebenfalls, dass der Autor die Figuren Clancys weiterentwickelt. Die charakterliche Ausprägung mit all seinen menschlichen Facetten finden genauso viel Beachtung, wie die Analyse und Interpretation von internationalen Beziehungen. 

Man muss die anderen Bücher des Jack Ryans Universum nicht unbedingt gelesen haben, aber es ist in jedem Fall sehr förderlich, da Mark Greaney immer mal wieder Bezug nimmt auf Ereignisse und Entwicklungen, die in früheren Romanen eine wesentliche Rolle gespielt haben. Auf den letzten Seiten hat der Verlag sich lobenswert mit der vollständigen Chronologie der Titel befasst und präsentiert diese in Reihenfolge. 

Kritik – es gibt kaum welche. Persönlich würde ich es gut finden und empfehlen, dass der Part um Präsident Ryan deutlich ausgebaut wird. 

Fazit

„Mit aller Gewalt“ ist ein aggressiver Roman. Nicht leise – sondern unschlagbar laut und einer effektvollen Stil. Spannung allgegenwärtig. Es gibt wenig Autoren, die einen politisch geprägten Roman so spannend inszenieren können. Das Erbe Tom Clancys ist in guten Händen.

Michael Sterzik

Sonntag, 17. Juni 2018

Eifersucht - Andreas Föhr

Vor zwei Jahren – 2016 erschien im Verlag Knaur der Titel: „Eisenberg“ von Andreas Föhr. Es war die Geburtsstunde der taffen Rechtsanwältin Rachel Eisenberg. Ähnlich wie dessen Protagonistin, hat der Autor ebenfalls eine juristische Laufbahn eingeschlagen und in München promoviert. 

Natürlich geht es hier nicht um eine versteckte, autobiografische Aufarbeitung des Autors. „Rachel Eisenberg“ ist eine fiktive Person – aber sehr realistisch dargestellt. 

„Eifersucht“ ist der zweite Teil einer Thriller-Reihe und überzeugt durch seinen Realismus und seine interessanten Figuren. Die Handlung des Romans ist schon eine ziemlich abgefahrene Räuberpistole, doch je länger man nachdenkt, nicht unbedingt speziell unglaubwürdig. Abwechslungsreich und manchmal überraschende Wendungen geben der Handlung eine solide Geschwindigkeit, in der die Spannung leicht folgen kann. 

Als gelernter Jurist gibt Andreas Föhr kurze, aber prägnante Momentaufnahmen aus dem Leben einer Rechtsanwältin. Der Autor konzentriert sich allerdings auch auf den Ausbau seiner Charaktere. Alleine die Angeklagte: Judith Kellermann ist eine Sympathische, wenn auch völlig konfuse Figur. Naiv, freundlich usw. menschelt sie sich durch die Handlung. Als Mensch echt nett – als Angeklagte ein kompliziertes Grusellabyrinth. Rachel Eisenberg muss also alle Register ziehen und sich durch einen Privatdetektiv helfen lassen in einen Dschungel aus Lügen und noch mehr Halbwahrheiten.  

„Eifersucht“ nimmt sich wenig Zeit, um auf seinen Vorgänger „Eisenberg“ einzugehen, dass muss er auch nicht. Einige Personen aus dem ersten Teil tauchen auch wieder auf und geben den Nebengeschichten interessante Spannungsmomente. Selbst der Täter aus dem ersten Band; ein alter Freund von Rachel Eisenberg, der nun im Gefängnis sitzt, spielt im Privatleben der selbstbewussten Anwältin, eine nicht unerhebliche Rolle.  

Der Autor hat an alles gedacht, und entstanden ist ein spannender Justizroman. Sehr lobenswert sind nicht nur die Actionszenen, sondern vielmehr die Rededuelle mit der Staatsanwaltschaft und dem Richter. Es wird argumentiert, verschwiegen, geschwindelt, geblufft – der nordische Gott Loki hätte seine helle Freude gehabt. Der Humor kommt auch nicht zu kurz, alleine schon die Handlungen und die Erlebnisse der Angeklagten werden den Leser, neben einem unglaubwürdigen Kopfschütteln, schmunzeln lassen. 

Ich hoffe sehr, dass der inhaftierte Mörder und Freund von Rachel Eisenberg, auch im nächsten Band einen Auftritt, oder mehr hat. Sehr charismatisch, intelligent und mit verdammt viel Potenzial Rachel Eisenberg das Leben sehr, sehr schwer zu machen. Warten wir also ab. 

Fazit

Intelligente und spannende Unterhaltung. Toller und informativer Ausflug in das deutsche Rechtssystem. Sympathische Figuren – Andreas Föhr könnte ein deutscher John Grisham werden. Bitte weitere Romane mit „Eisenberg“. 

Michael Sterzik 


Mittwoch, 13. Juni 2018

Forgotten Girl - von Eva-Maria Silber

Die Autorin Eva-Maria Silber veröffentlichte im Digital Publishers Verlag im März  2018 ihren titel: „Forgotten Girl“ - einen zutiefst schockierenden Thriller. 

Die ehemalige Rechtsanwältin und Strafverteidigern, die in 2014 ihr erstes Buch veröffentlicht hat, orientiert sich mit ihrem aktuellen Roman „Forgotten Girl an einem nicht aufgeklärten Mordfall aus Finnland. An dem See „Bodominjärvi“ wurden am 5. Juni 1960 vier Teenager die dort zelteten in der Nacht angegriffen. Ihr Zelt zerfetzt – drei Teenager wurden erstochen und erschlagen. Ein Junge überlebt den Angriff verletzt, konnte sich aber später an den Tathergang und die Ereignisse überhaupt nicht mehr erinnern. Medial wurde diese Tat durch Bücher, Filme und nicht zuletzt der Musik verwendet. Legenden und Schauermärchen entstanden aus dem sogenannten Bodem-Mord. 

Die Autorin Eva Maria Silber konzentriert sich in ihrem True-Crime Thriller auf das wesentliche. Es gibt keine Nebenhandlungen, keine Nebencharaktere, somit ist die Handlung übersichtlich und auf den Punkt gebracht. Allerdings schildert die Autorin den Fund der Leichen und den Ablauf der Tat sehr brutal und schockierend. Es könnte auch die nüchterne Beschreibung eines Polizeiberichts sein, die Autorin hält sich mit konkreten Beschreibungen nicht zurück.  Das ist auch gut so – den Schrecken, auch die emotionale, psychische Gewalt, die posttraumatisch immer wieder an die Oberfläche kommt – ist authentisch erzählt. Dadurch wird „Forgotten Girl“ zu einem konzentriert-spannenden Psychothriller. 

Das Verbrechen holt eine der überlebenden Protagonisten immer wieder ein. Ihre Persönlichkeit verändert sich, physisch und psychisch geht sie durch ihre eigene Hölle. Sozial grenzt sie sich aus und findet in ihrem Beruf einen Anker, der sie überleben lässt – immer an der Grenze des überhaupt erträglichen. 

Eva-Maria Silber offenbart und analysiert das „Leben“ und „Sterben“ ihrer Protagonisten. Ebenfalls genau wie in Handlung selbst – dreht es sich um die Überlebende, die sich Jahrzehnte später mit dieser traumatischen Nacht auseinandersetzen muss. Kriminiltechnik und Ermittlungsmethoden haben sich verändert – das Zauberwort „DNA-Analyse“ lässt es nun zu, dass alte Coldcase-Fälle wissenschaftlich neu betrachtet und interpretiert werden können. Für die Opfer bedeutet es nun mehrere Schritte, in die Vergangenheit zu gehen. Die Täter könnten allerdings beunruhigt sein. 

Die Gefühlsdimensionen der Teenager finden eine ausführliche und realistische Betrachtung in „Forgotten Girl“. Die Pubertät mit all ihren Nebenwirkungen, Gefahren und Herausforderungen werden thematisiert. Auch diese Erzählkunst beherrscht die Autorin außerordentlich gut. 

Die Handlung wird aus zwei Perspektiven erzählt – die dramatische Tat in der Vergangenheit 1984,  und die Ermittlungen die zwanzig Jahre später - 2014 erfolgen. Diese gliedert sich dann in zwei Abzweigungen auf – die damalige und jetzige Kriminalbeamtin und der Blickwinkel der Überlebenden Frau.

„Forgotten Girl“ ist ein starker und sehr spannender Psychothriller – kurzweilig und doch sehr empfehlenswert. Der Schrecken der Tat und das spätere Trauma wirken authentisch, packend und schockieren zumal. Sehr löblich allerdings, dass es die Autorin hier nicht übertreibt und der brutale Schrecken, die psychologische Spannung überholt.

Es gibt aber auch wesentliche Chancen, die die Autorin nicht wahrgenommen hat. Ich vermisse durchaus Nebenhandlungen und Figuren, dadurch wirkt die Story bisweilen oberflächlich und ähnlich verhält es sich mit den Charakteren. Der Roman hätte durchaus 200 Seiten stärker sein können. Dadurch hätte man die Jahre zwischen Vergangenheit und Gegenwart erzählerisch attraktiv beleuchten können. Die Charaktertiefe hätte dadurch nur noch mehr gewinnen können.

Weiterhin frage ich mich: Warum hat die Autorin nicht in einem Nachwort Bezug genommen auf diesen historischen Kriminalfall? Auch das erwarte ich, wenn man sich schon im Genre True Crime bewegt.

Fazit

„Forgotten Girl“ ist der erste Roman der Autorin Eva-Maria Silber, den ich gelesen haben. Hohes Tempo – authentische Spannung – düstere Atmosphäre.  Absolut empfehlenswert. Ich bin gespannt, auf das nächste Projekt. 

Michael Sterzik 




Montag, 11. Juni 2018

The President is Missing - Bill Clinton und James Patterson

Der frühere US-Präsident Bill Clinton und der Rekordinhaber für die meisten, regelmäßigen Bestseller im New York Times Ranking – James Patterson haben ihren ersten gemeinsamen Thriller geschrieben. Im Münchner Verlag Droemer ist dieser nun mit dem Titel: „The President is Missing“ veröffentlicht worden. 

Der Demokrat Bill Clinton regierte von 1993 – 2001 im Weißen Haus und steuerte einen der mächtigsten Staaten der Welt durch die politischen Höhen und Tiefen.
In diesen acht Jahren lernte er die Schattenseiten und Sonnenseiten seines Amtes kennen. Über seine Regierungszeit wollen wir aber nun nicht sprechen – dazu gibt es einige Sachbücher, auch von Clinton selbst verfasst. Nichtsdestotrotz war er im Zentrum der Macht in Washington. Der ehemalige Präsident kennt also viele Interna, viele geheime Prozesse und Abläufe. Wer kann diesen nicht geringfügigen Hochdruck nicht besser in Worte auf Papier bringen, wie jemand der dieses Amt jahrelang innehatte?!

In „The President is Missing“ werden solche Prozesse und Abläufe sehr stark in die Story eingewoben. Die Bürde und die Verantwortung für 300 Millionen Einwohner der USA auf den Schultern gesetzt, macht das Leben nicht leichter. Sich persönlich dem Kongress, oder einem Untersuchungsausschuss, gar einem Amtsenthebungsverfahren zu stellen, um für seine Entschlüsse einzustehen und sich zu verantworten, kann und wird nicht leicht sein.  Es sind zwei politische Haifischbecken der Innen- und Außenpolitik und die Haie sind verdammt hungrig. Gerade diese Atmosphäre spürt man – auf jeder Seite, in jedem Augenblick. Das ungewöhnliche Autorenduo, das sehr eng zusammengearbeitet hat ,um diesen Roman eine inhaltliche Seele zu geben, hat einen hochklassigen, politischen Spannungsroman veröffentlicht. 

Außenpolitisch gesehen – leben wir in einer sehr unruhigen Zeit. Es ist schon längst 5 vor 12 – Krisenherde gibt es genug und es gibt auch genug Präsidenten verschiedener Länder – nicht nur in Europa, deren Profilneurosen gefährlich sind. Standen wir bei der Kuba-Krise schon auf der Willkommensfußmatte zum 3. Weltkrieg – sind wir nun sicherlich bereits einen kleinen Schritt weitergegangen. Doch welche Art von Krieg könnte uns erwarten – ein Atomarer, ein konventioneller, eine kriegerische Auseinandersetzung mit biologischen, chemischen Waffen? 

Nein – Bill Clinton und James Patterson entwerfen ein uneingeschränkt realistisches Bedrohungsszenario. In unserer digitalen Welt sind abhängig geworden. Die Infrastruktur eines Landes ist totalitär darauf ausgerichtet. Globale Vernetzungen – nicht nur der sozialen Medien machen die Weltpolitik zu einem Dorf. Alles wird gesteuert, ist vernetzt und voneinander  abhängig – Selbst die Wasserversorgung, Stromversorgung, Atomkraftwerke – ohne eine 1 und 0 geht hier gar nichts mehr. Ein „Blackout“ würde die Zivilbevölkerung in Chaos und Anarchie stürzen. Die Folgen – auf Jahre hin militärisch, wirtschaftlich in den Grundfesten des Landes erschüttert. 

Ein Cyber-Krieg ist nicht abwegig. „War Games“ ist nicht so weit entfernt. Diese Thematik transportieren Bill Clinton und James Patterson meisterklassig. Natürlich geht es patriotisch zu. Natürlich gibt es den offenen Bezug zu aktuellen, politischen, wirtschaftlichen und militärscher Themen. Dieses mahnende Fingerpointing allerdings ist der Dreh- und Angelpunkt – Erschreckendes Szenarien über die der Leser auch noch lange nach Ende des Roman nachhaltig denken wird. 

Die fiktive Figur des Präsidenten Duncan ist großartig in Szene gesetzt. Ob nun realistisch gesehen, darüber lässt sich bestimmt streiten. Die Nebenfiguren, selbst die innenpolitischen bösen Buben, die Auftragskiller und befreundet-befeindeten Politiker sind faszinierend. Hier wird niemand in ein Klischee gedrängt. 

Die Außenpolitik ist das reale Spiegelbild. Die Bedrohungen allzu reell, aber auch die inneren Probleme werden aufgenommen und gut verarbeitet: Polizeigewalt gegen Afroamerikaner, Worte zur Gesundheitsreform, oder auch der Umgang mit Veteranen, die im Stich gelassen werden, finden hier Gehör. 

Schmunzeln musste ich bei zwei fiktiven Namen von den Protagonisten: Der BND-Chef heißt Kohl, der Kanzler Richter J

Fazit

Bill Clinton und James Patterson präsentieren mit „The President is Missing“ einen hochklassigen Politthriller. Deutliches Mahnen, eine versteckte Abrechnung mit aktuellen Themen – Spannung auf einem meisterklassigen Niveau. 

Brillant – Ein Titel, den man dieses Jahr gelesen haben muss.

Michael Sterzik 

Missing - Niemand sagt die ganze Wahrheit - Claire Douglas

Es ist in Deutschland das Debüt der britischen Autorin Claire Douglas. Ihr erster erschienener Titel: „Missing – Niemand sagt die ganze Wahrheit“ erscheint nun im Juni 2018 im Penguin Verlag. Es ist nicht der erste Roman, den die junge, ehemalige Journalistin veröffentlicht. Der o.g. Titel allerdings der Erste, der im deutschen Buchhandel erhältlich ist. 

Der Titel richtet sich eindeutig auf die weiblichen Leser aus. Es geht um Freundschaft, Verrat und Lügen. Aber auch um Schuld und alte Geheimnisse, die in einer kleinen verschlafenen Küstenstadt sehr unbequem sein können. Vor Jahren verschwand Sophie in einer Nacht fast spurlos. An dem längst schon maroden, baufälligen Pier fand man einen Turnschuh. War es ein bedauerlicher Unfall, ein Selbstmord, oder wurde die junge Frau Opfer eines Mordes? 

Achtzehn Jahre später erfährt die ehemalige, beste Freundin, die nun in London lebt und erfolgreich eine Hotelkette aufbaut, dass in ihrer Heimatstadt eine Leiche angespült wurde. Francesca und Sophie waren die engsten Freundinnen, zusammen mit ihren Freunden verbrachten sie viel Zeit am Strand, tanzten mit Alkohol im Blut zu den Rhythmen alter Popsongs und dachten, ihnen gehöre die Welt. Falsch gedacht. 

Beunruhigt, aber entschlossen die Vergangenheit aufzuarbeiten und abschließen zu können, fährt Francesca zurück in ein altes Leben, mit alten Wunden versehen und dem Wunsch zur Ruhe zu kommen..

Die Autorin Claire Douglas muss sich unzählige Notizen gemacht haben, um das Beziehungsgeflecht ihrer Figuren, dass enorm komplex aufgebaut ist, noch logisch nachzuvollziehen zu können. Auch wenn es sich um einen recht überschaubaren Kreis der Charaktere handelt, so wirkt es manchmal allzu verwirrend. Wiederum geschickt konstruiert die britische Autorin ein abstraktes Modell von Lügen, Halbwahrheiten, Fakten und Vermutungen. Es gibt einige Verzweigungen, einige Überraschungen, die dann doch dazu führen, dass der Leser schnell begreift, was auf den nächsten Seiten, in den nächsten Kapiteln passieren wird. Die Spannung allerdings bleibt merkwürdigerweise bestehen, und das sehr stabil. 

Aufgebaut ist die Handlung auf zwei zeitlichen Ebenen. Einmal aus der aktuellen Perspektive von Francesca, zu anderen lässt die Autorin die tote Sophie plaudern, die die Vergangenheit auf ihrer ganz eigenen Sicht definiert. Das funktioniert wirklich gut und lässt erahnen, wie es weitergehen könnte. Bei so vielen Andeutungen gibt es einige, ganz verschiedenen Ereignisse, die passieren könnten. Dreh- und Angelpunkt dieser ganzen Spannung ist das Verhältnis unter Freuden, nicht nur das freundschaftliche Verhältnis von Francesca und Sophie, sondern auch das mit ihren ersten, festen Freunden und ihren Eltern. 

Die Szenen beschreibt Claire Douglas sehr authentisch, sehr sensibel und voller Emotionen, im negativen wie auch positiven Sinne. Es gibt nicht viel auszusetzen – einzig und alleine, dass die Überreste einer Leiche nach Achtzehn Jahren auftauchen, lädt ein wenig zum Schmunzeln ein und die Erklärung dazu, ist etwas hanebüchen. 

Fazit

„Missing – Niemand sagt die ganze Wahrheit“ von Claire Douglas ist ein Roman, der das Interesse durchaus weckt, mehr von dieser Autorin lesen zu wollen. 

Die Grundidee des Romans ist nicht neu, verrennt sich aber auch nicht in den klassischen Klischees, die man ggf. erwartet.  

Absolut zu empfehlen – kurzweilig, interessant, spannend und nachhaltig. 
Könnte ein prima Roman für Strandkorbtage sein.

Michael Sterzik 

Mittwoch, 6. Juni 2018

Verrat - Leif GW Persson

In den letzten Jahren ist die Flüchtlingspolitik ein brisantes und noch immer aktuelles Thema geworden. Ist die islamistische Terrorgefahr dadurch stark vergrößert worden? Schon längst ein heikles, politisches Thema, dass viele Länder in ganz Europa betrifft. Die Rechtspopulisten wittern die Chance sich zu profilieren – Angst zu schüren und die inzwischen, doch entspannte Situation zu verschärfen und zu dramatisieren. Fakt ist leider allerdings auch, dass die Terrorgefahr allgegenwärtig hoch ist, allerdings gibt es dabei auch Einzeltäter, Amokläufer die nicht dem Islam angehören und auf ihrer ganz eigenen Frequenz leben und sterben wollen. 

Spätestens seit 9/11 – ist Welt der Geheimdienste in und außerhalb Europas zu einem digitalen Dorf geworfen. Gemeinsame Datenbanken, die Verdächtige Personen identifizieren und jeden Ihrer Schritte dokumentieren und überwachen. Kameras in Großstädten, nicht nur auf öffentlichen Plätzen, die den Alltag der Menschen im Auge haben, von der üblichen digitalen Überwachung der Messangerdienste, Email usw. einmal ganz zu schweigen. 

Auch wenn wir es nicht gerne zugeben wollen – wir Normalbürger in ganz Europa wissen wenig, ein medialer Bruchteil eines Konstrukts, dass wir dimensional auch überhaupt nicht bewerten können. Das ist auch gut so – alles andere würde alle Kritiker, Angstmacher und Wutbürger – nur noch mehr außer Kontrolle bringen. 

Der schwedische Erfolgsautor Leif GW Persson thematisiert in seinem neuesten Thriller „Verrat“, die Bedrohung eines anstehenden Terrorangriffs und die akribischen Ermittlungs- und Überwachungstätigkeiten des Geheimdienstes. Der Autor ist ein Typ – der weiß wovon er schreibt – schließlich war er lange Zeit als Profiler im Polizeidienst tätig und ist Professor der Kriminologie. Ein perfekter Insider- der den Leser also kleinere Momentaufnahmen präsentieren kann. 

In seinem neuesten Werk „Verrat“, befasst sich der Autor mit einer Vielzahl von politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Themen – allerdings in Kombination mit einem geplanten Terrorangriff. Diese brisanten Themen sind komplex und nicht einfach in einem Thriller zu implementieren. Leif GW Perssons Versuch diese aktuellen Themen unterhaltsam und auch informativ, dem Leser beizubringen gelingt nur Phasenweise. 

Unterhaltsam? Na ja – wer sich sowieso schon mit dem Arbeitsumfeld der Nachrichten- und Geheimdienste beschäftigt hat, für den wird dieser Roman wenig unterhaltsam sein. Auch wenn das Thema interessant ist – der Autor verrennt sich in seiner Beschreibung und Schilderung der prozessualen Ermittlungs- und Überwachungsmethodik der Geheimdienste. Eine atmosphärische Spannung vermisst man. Obwohl die Bedrohung durch einen Anschlag allgegenwärtig zu sein scheint, verliert sich diese und ordnet sich faktisch einer akribischen Dokumentation unter. Wenigstens weiß der Leser am Ende des Romans, mehr über die gewissenhafte und anstrengende Tätigkeit der Außenagenten und sieht so manches politische Thema mit anderen Augen. 

„Verrat“ ist kein Highlight der Spannungsliteratur – vielleicht ein punktuelles Glühwürmchen. Es ist vielmehr ein Buch voller Fakten, dass kann ja auch gut sein, aber wenn die Ausarbeitung der Charaktere nur oberflächlich ist, die Spannung auf der Fahndungsliste auftaucht und es eigentlich doch nur ein Sachbuch ist – sieht eine spannende Unterhaltung anders aus. 

Der Autor schreibt dennoch gut. Stil, Ausdruck und Sprache sehr angenehm. 
„Verrat“ von Leif GW Persson ist mehr ein Sachbuch, wie ein Roman. Für seine Studenten der Kriminologie sicherlich ein Pflichtwerk, als Spannungsroman allerdings ein klassischer Versager. 

Selbst die Zeichnung der Charaktere sind nicht mehr als Oberflächlich. Die Ermittlerin so verspricht es das Cover: „hart im Nehmen, entschlossen, klug – und höllisch cool – wer das geschrieben hat, könnte eine Verwandtschaft mit Pinocchio dadurch erklären, dass seine Nase nun ein ganzes Stück länger ist. 

Sorry – Als Sachbuch absolut TOP, als Politthriller, oder auch Kriminalroman gesehen ist „Verrat“ nicht zu empfehlen. 

Michael Sterzik