Samstag, 19. Januar 2019

Rache der Orphans - Gregg Hurwitz


Auftragsmörder – Killer sind eine feste Größe in der Belletristik – vorwiegend im Genre Krimi/Thriller. Manchmal sind diese gar nicht so unsympathisch, gefallene Helden mit reduzierter Moral und Ethik. Enttäuscht vom Leben, traumatisiert durch ihren Beruf, ggf. gejagt von Behörden, von Konkurrenten, oder schlichtweg verlangt man nach Vergeltung. So oder so – sie polarisieren stark und als „outlaw“ strahlen diese eine gewisse faszinierende Attraktivität aus.

Gregg Hurwitz hat mit seiner erdachten Figur Evan Smoak einen Killer auf die literarische Bühne der Thriller gebracht, der nicht so einfach einzuordnen ist, und vielseitige Eigenschaften mitbringt. Sozial gesehen wandert der tödliche Killer allerdings noch immer mit Kinderschuhen durch die emotionale Welt und tritt auch gerne mal in diverse Fettnäpfchen. Tödlich – aber manchmal naiv hilflos.

„Rache der Orphans“ von Gregg Hurwitz ist der dritte Band dieser spannenden Reihe. Doch jetzt ist Evan Smoak ein gejagter Jäger – diesmal ist es persönlich. Als Nowhere Man bekannt ist er von Verbrechern gefürchtet – seine Lösungen sind endlicher Natur – sterben und sterben lassen – so oder so ist der ehemaliger Killer, der schon in Kindheitstagen dazu geformt wurde, einer der gefährlichsten Todesboten.

Diesmal sind seine Gegner ebenfalls Killer – wie er sind sie „Orphans“. Ausgebildete Killer der amerikanischen Regierung, effiziente Tötungsmaschinen, die die Drecksarbeit einer Demokratie erledigen. Das „Orphan-Programm“ ist beendet und in gewissen Kreisen der Regierung, möchte man diese ehemaligen Agenten loswerden. Orphan – gegen Orphan – und Evan Smoak ego Orphan X weiß viel zu viel.

Gregg Hurwitz Figur – „Orphan X“ ähnelt sehr der Figur des „Equalizers“ – es gibt hier durchaus Parallelitäten. Neben der Spannung, die der Titel: „Rache der Orphans“ garantiert, gibt es viel Action und überraschenderweise viel Sensibilität und selbst der Humor kommt nicht zu kurz. Manche Dialoge laden zum Schmunzeln ein – Evan Smoak ist immer bewaffnet, aber wenn es um alltägliche Situationen und soziale Verhaltensweisen geht – ist der Killer nichts anderes als ein hilfloses Kind. Seine Beziehung zu seinem gefundenen Mündel – ein junges Mädchen von 16 Jahren ist zugleich sehr ernst und humoristisch erzählt. Ebenfalls eine durch die Regierung ausgebildete Killerin, trotzdem noch immer hilflos, kindlich naiv und sich selbst suchend, erinnerst diese Evan daran, wie verletzlich er psychisch noch immer ist. Ein Fingerzeig „Menschlichkeit“.

Evan Smoak ist ein vielseitiger Charakter – dass zeigt sich in allen drei Bänden dieser großartigen Reihe. Weit entfernt davon ein Moralapostel zu sein, hinterfragt er sich ständig selbst, träumt von einem anderen Leben – weiß allerdings auch, dass es zu spät für ihn ist. Seine Taten sühnt er dadurch, für verzweifelte Menschen endliche Lösungen zu finden. Dies Lösungen sind verdammt brutal – skrupellos und kaltblütig tötet Evan Smoak, und Gewissenbisse hat er nicht. Seine Vorstellungen von Gut und Böse sind ziemlich einfach und geradlinig.

„Rache der Orphans“ ist so vielseitig wie die Hauptfigur es zeigt. Die Story ist es auch – allerdings weist diese auch keine Überraschende Wendungen auf. Geradlinig spannend – tolle Dialoge und gut eingesetzte Situationskomik, sowie ein trockener Humor sind die großen Stärken des vorliegenden Romans.

In der Reihe gibt es eine ganze Reihe von Protagonisten – viele davon Orphans und hier zeigt sich auch, wie selbstgefällig und eiskalt berechenbar sich die Regierung um seine ehemaligen und aktiven Agenten kümmert – Gar nicht. Werkzeuge – die benutzt und verschleißt ausrangiert werden.

„Rache der Orphans“ ist der dritte Band, dieser bisherigen Trilogie. Es kann der letzte Band sein – muss es ggf. aber nicht. Der Grundgedanke des Autors lädt dazu ein, diese Reihe entweder weiterzuführen, oder neu – aus anderen Perspektiven zu erzählen.
Es gibt nur wenig zu kritisieren, dadurch das Evan Smoak nun persönlich involviert ist, geht sein Idealismus als Nowhere Man bis eine kleine Zwischensequenz verloren. Schade – denn das ist die eigentliche Stärke und Schwäche dieser großartigen Figur.

Fazit

„Rache der Orphans“ ist ein ganz starker, dritter Band dieser Reihe. Spannende Action, trockener Humor – großartige Figuren. Ein Thriller den man sich nicht entgehen lassen sollte – aber lesen fangen Sie bitte bei Band 1 an. Unbedingt.

Michael Sterzik



Samstag, 12. Januar 2019

Stream - Derek Meister

Derek Meister ist nicht nur ein erfolgreicher Autor, der mit seinen Krimi-Reihen: „Die Fälle des Patriziers Rungholt“, die als historischer Krimi in der schönen Hansestadt Lübeck spielen, oder der: „Knut Jansen und Helen Henning – Reihe“ großartige Erfolge feiern konnte. Nein, er schreibt auch Drehbücher zu abendfüllenden Serien und Filme fürs Fernsehen. 

Mit seinem neuesten Titel: „Stream“ lässt sich Derek Meister auf ein neues Genre ein. Waren die beiden letzten Reihen im Genre Krimi zu finden, geht nun die literarische Reise weiter in die Thriller-Landschaft. 

Schauplatz und Bühne der Handlung in „Stream“ ist die Millionenmetropole Berlin. Frank Banta gehörte mit einer Sondereinheit der Nato an. Jawohl „gehörte“ – denn nun arbeitet er zusammen mit seinem Partner Jan und weiteren Spezialisten als Freelancer in der Sicherheitsbranche. Darauf spezialisiert Entführungsopfer diplomatisch, wie auch mit undiplomatischer Waffengewalt zu befreien. Vor Jahren ging allerdings eskalierte ein Auftrag und er verlor unter dramatischen Umständen seine Frau Anna. Jetzt – inzwischen wieder aus der Lethargie und der Verzweiflung erwacht sieht er seine totgeglaubte Frau in einem Chat-Roulette, einem Videostream wieder. Sie wird gefoltert und ihr Ehemann Frank Banta erfährt, dass er nur noch 52 Stunden Zeit hat seine Frau ein zweites Mal zu retten....

Im Grunde überrascht die Handlung nicht, es ist nichts neues. Ein Katz-und-Maus Spiel unter Zeitdruck. Ein verzweifelter, ehemals gebrochener Held, der seine Liebste retten möchte. Soweit – so gut – allerdings feuert Derek Meister ein rasantes Actionfeuerwerk ab. Das ohne „Werbepausen“ und ohne langweilige nicht zum Ziel führende Dialoge. Klar, finden hier Ermittlungen statt – der Chat muss analysiert werden, gibt es Hinweise auf die Region, kann das Signal verfolgt werden etc. Neben der harten Action gibt es dann auch noch den Passus der freundschaftlichen Beziehungskisten und darüber hinaus. Wem ist zu trauen – wer von den Teammitgliedern weiß ggf. mehr, wer verheimlicht etwas und herzlich willkommen bei den Todsünden: „Gier“, „Hass“ und „Zorn“ diese sind ebenfalls personell vertreten. Es gibt Romane, da erkennt der Leser relativ fix – den Grundgedanken, den Weg und auch die Auflösung der Story. Derek Meister schleudert allerdings seine Leser in ein Labyrinthisches Mehrfamilienhaus – eine überschaubare Anzahl an Protagonisten, verteilt auf unterschiedlichen zwischenmenschlichen Ebenen, unterminierte Gedanken, Risikoreiche Ausgänge und  gefährliche Sackgassen.

„Stream“ von Derek Meister ist ungewohnt hart – zwar gab es in den letzten Romanen „Blutebbe“, „Die Sandwitwe“ u.a. schon Situationen, die neben einer grandiosen Spannung, auch eine Brutalität zeigten, die vieles abverlangte – doch mit „Stream“ verlässt der Autor auch diese (Komfort)Zone. „Stream“ ist brillant konsequent und kompromisslos – es ist keine heile Welt, die sich einfach weiterdreht. Sie dreht sich weiter – allerdings nicht für alle. 

Derek Meister konzipiert meisterlich – Raffinierte Entwicklung, die ungemein fesselnd ist. Es gibt Rückblenden, die einzelnen Beziehungsebenen sehr offen zeigen und die Perspektive der Handlung konzentriert sich nur auf Frank Banta, sondern schlüsselt sich in andere Personen auf. 

Es ist nicht bekannt, ob „Stream“ der erste Band einer neuen Reihe ist, oder ob die Geschichte endet. Beides ist hier möglich – letztlich ist allerdings großes Potenzial. Allerdings muss Derek Meister dann seine „überlebenden“ Protagonisten völlig neu aufstellen – andere Stadt – eine Region und vor allem die zwischenmenschlichen Beziehungskisten müssen samt und sondern kalibriert werden. 

Fazit

„Stream“ von Derek Meister ist ein mehrstufiges Actionfeuerwerk, mit brillanter, orchestraler Dramatik. Hart – konsequent, kompromisslos und fürchterlich spannend. 
Ein Titel – der vielleicht nicht Stream heißen sollte – sondern einfach nur „HASS“. 

Absolut empfehlenswert. Hochklassiger Spannungsroman, in dem alles an passender Stelle eingearbeitet wurde.

Michael Sterzik


Samstag, 5. Januar 2019

Die Ballade von Max und Amelie - David Safier

Haben Tiere ein Bewusstsein? Und wenn ja – was denken und fühlen zum Beispiel Hunde, die treuesten Freunde des Menschen? Treue und Freundschaft – überhaupt die elementarsten Werte, die man geben, nehmen und überhaupt empfinden kann. 

David Safiers Helden in seinem Roman: „Die Ballade von Max und Amelie“ sind diesmal tierisch gute Protagonisten. Wir reden hier von zwei sehr unterschiedlichen Hunden: Max – ein Rüde und wohlbehütet wohnhaft bei einem liebenden Frauchen und Herrchen, nebst liebevoller Tochter und dann „Narbe“ – oder auch Amelie, die in ihrem Hundeleben nicht anderes kennengelernt hat, als das (Über)Leben im Rudel auf einer Müllkippe. 

Wer hier erwartet eine humorvolle Handlung wiederzufinden, sei gewarnt – er ist nicht vergleichbar, gar nicht vergleichbar mit Titeln wie „Mieses Karma“ und ähnlichen humorvollen Erzählungen des Autors. Der vorliegende Roman ist sehr emotional, dramatisch, bewegend und nachhaltig besinnlich. Das David Safier vielfältiges Talent hat, steht spätestens seit seinem fantastischen und erfolgreichen Roman: „28 Tage“ völlig außer Frage. 

Eine Geschichte zu erzählen aus der Perspektive eines Hundes ist nichts neues in der Belletristik, doch David Safiers Bühne und seine Figuren gehen auf diesen Roadtrip ungewöhnliche Wege. Eine Liebe für die Ewigkeit – eine Liebe in den Wogen von Zeit und Raum, die den Tod überleben?!  David Safier gibt seinem Thema: „Reinkarnation“ eine neue Perspektive. Die Suche der beiden so unterschiedlichen Hunde wird zu einer Odyssee, einer Reise zu sich selbst und zu den Werten Liebe und Freundschaft. Vielleicht sieht der eine oder andere Hundebesitzer seinen tierischen Freund mit anderen Augen – Tiere sind halt auch nur Menschen. 

„Die Ballade von Max und Amelie“ bewegt sich manchmal an den Grenzen zum Kitsch, aber schafft gerade noch so eben die Ausfahrt und belohnt den Leser am Ende des Buches. Denn dieser wird unweigerlich zum Nachdenken animiert. Kitsch hin oder her, traurig, lustig, eine Freundschaft und Liebe für die Ewigkeit – hier kein Mitgefühl aufkommen zu lassen, wird schwierig sein. 

Fazit

„Die Ballade von Max und Amelie“ von David Safier ist ein tierisch guter Roman. Eine hoch emotionale Handlung und eine Reise, auf die sich der Leser ruhig einlassen sollte. Hier ist der Weg das eigentliche Ziel und am Ende des Weges – sieht man vielleicht sein eigenes Schicksal und das des liebenden, mit ganz anderen Augen. Danke David Safier für Denkanstöße die sich Raum und Zeit einfach mal so Wiedersetzen.

Michael Sterzik  



Freitag, 4. Januar 2019

Headhunt - Feldzug der Rache - Douglas Preston & Lincoln Child

Douglas Preston & Lincoln Child haben mit Ihrer Figur des Special Agent Aloysius Pendergast eine Kultfigur geschaffen. Derartig wandlungsfähig und voller Überraschungen und Geheimnissen, ist dieser ambivalenter Charakter inzwischen ein spannender Part in den Romanen. 

Im vorliegenden Band „Headhunt – Feldzug der Rache“ ist der blasse, immer in schwarz gekleideter Bundesagent nicht persönlich involviert. 
Schauplatz der Handlung ist diesmal New York und hier treibt ein hochintelligenter Serienmörder sei perfides Spiel. Opfer des oder der Täter, sind mächtige Persönlichkeiten, die sich professionell darauf verstehen sich zu schützen – allerdings sind diese Sicherheitsmaßnahmen für den Mörder kein Hindernis. In Big Apple grassiert die Angst – wer ist das nächste Opfer des Mörders, der als Trophäe den Kopf des getöteten behält? Vincent D’Agosta und Aloysius Pendergast werden durch den Bürgermeister unter Druck gesetzt...die Mordserie muss beendet werden...schnellstens...

Der 17. Band entwickelt sich sehr langsam. Trotz der Ermittlungen geschehen weitere Morde und überwiegend ist das Ermittlerduo in der Defensive. Bei aller Intelligenz von Pendergast – ist dieser nun auf einen Gegner getroffen, der ihm wirklich gefährlich werden könnte?! Pendergast ist durch die jüngsten, persönlichen Ereignisse und seinen Gefühlen zu Constance aufgewühlt. Auch wenn er meint, immer Herr der Situation zu sein – diesmal nicht – diesmal muss sich Pendergast auf das konzentrieren, was ihm wichtig ist und gibt schon so im Epilog einen Fingerzeit, wie es mit ihm persönlich weitergeht.

„Headhunt“ ist weniger mysteriös oder paranormal wie vergleichbar andere Titel aus dieser Reihe. Der oder die Täter sind zwar hochintelligent, mit einigen Talenten versehen, aber bedienen sich nicht phantastischer Elemente oder Eigenschaften. Derartig weltlich ging es in wenigen Romanen des Schriftstellerduos zu. Auch bekannte andere Persönlichkeiten, aus den anderen Vorgängertiteln, stehen hier nicht unmittelbar auf der Bühne. Abwechslung muss sein, aber ein Titel bei dem alle anderen überlebende Feinde und Freund sich einfinden, wäre faszinierend. 

So schwach sich die Handlung auch entwickeln mag, zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse. Pendergast wäre nicht er selbst, wenn er hier keinen Ausweg finden würde, aber selten habe ich diesen so derartig ängstlich in einer Ecke stehen sehen. Seine altgewohnte, traditionelle Stärke offenbart sich erst, als es schon fast zu spät ist – und nicht alle von den „Guten“ überleben am Ende. 

D’Agosta ist ebenfalls nicht besonders stark involviert in der Handlung. Immer hinter Pendergast herlaufend ist seien Figur zu einer Nebenfigur korrigiert. Schade eigentlich – denn seine Figur hinkt den Anforderungen einer spannenden Handlung sprichwörtlich hinterher. Hier muss bald etwas geschehen, was in ggf. auch persönlich fördert und fordert. 

Fazit

„Headhunt – Feldzug der Rache“ ist nicht stärkste Band der Reihe. Der Showdown ist ein faszinierendes High Noon in einer spektakulären Kulisse. Spannendes intellektuelles Duell mit Kugeln und Köpfchen. Der Preis – innerer Frieden und ggf. nur nicht den Kopf verlieren. Starker Plot – schwache Handlung – brisantes Ende. 

Michael Sterzik 

Montag, 31. Dezember 2018

Die Blutchronik - Liliana Le Hingrat

Im Historischen Genre gibt es viele Länder, vor allen Europäische in denen die Handlungen spielen. Vorweg höchstwahrscheinlich England, aber auch Deutschland gewinnt durch immer mehr deutsche Autoren an Gewichtung. Ob diese nun historisch korrekt sind, der Unterhaltungswert soweit passt, ist immer individuell subjektiv in der Analyse. Doch was wissen wir über unsere osteuropäischen Nachbarn. Viel zu wenig – nur ein kleiner Bruchteil findet hier eine literarische und unterhaltsame Aufmerksamkeit.

Das Osmanische Reich – die Bedrohung die Europa jahrelang wie ein schwingendes Damoklesschwert durchschnitt. Seien wir ehrlich – wir wissen nicht wirklich viel.
Im vorliegenden Band: „Die Blutchronik“ von Liliana Le Hingrat, wird die Lebensgeschichte von Vlad III. Draculea abschließend erzählt. Es ist ein großes Stück mittelalterliche Geschichte, die sich die aus Rumänien stammende Autorin vornimmt. Es ist ebenfalls ein dunkles Kapitel – von dem wir nicht vieles wissen. Allerdings wissen wir, dass die historische Person „Vlad III.“ von irischen Autor Bram Stoker inspiriert wurde und dieser ihn sprichwörtlich „untot“ immer wieder durch seinen Welterfolgsroman „Dracula“ auferstehen ließ. Jede Legende, jede Sage hat einen wahren Kern und diesen thematisiert Liliana Le Hingrat wirkungsvoll.

Der Ritter des Drachenordens, den man in Quellen auch als „Sohn des Teufels betrachtet – ist ein rumänischer Volksheld. Soviel erstmals zu dem Personenkult. Im Film, in der Literatur, in Comics usw. wird Dracula als „Untoter“ dargestellt, als Vampir der gerne das Blut von jungen, schönen Frauen trinkt. Eine Schreckensgestalt, die unsterblich wurde. Es gibt aber auch Varianten, die den Ritter und Fürsten als tragische, traurige und betrogene Person darstellen. In der Kunst ist halt alles erlaubt. Aber kommen wir zurück zu den authentischen Fakten.

Liliane Le Hingrat gibt in „Die Blutchronik“ ihrer Figur Vlad III. Tepes – auch genannt der Pfähler, ein authentisches Bild. Widerstandskämpfer? Bollwerk gegen die Osmanische Eroberungspolitik? Ehrenvoller Mensch – mit Mann voll der edlen Werte? Ein brutaler Mörder? Ein Politiker, der über Leichen geht? Ein Kriegsverbrecher? Ein liebender Ehemann und Vater?

Ja und Nein – Der Leser wird sich ein eigenes Bild von dieser Person machen müssen. Die Autorin beschreibt die Lebensgeschichte sehr authentisch, wenn auch sehr komprimiert, dazu aber später mehr. Eines ist sicher: Liliana Le Hingrat räumt auf mit dem Mythos dieser stark polarisierenden Person. Die Autorin belebt dieses dunkle Kapitel sehr effektiv und drastisch. Sie nimmt dabei kein Blatt vor dem Mund und begibt sich erzählerisch plakativ gerne inmitten einer blutigen Schlacht. Sicherlich darf an dieser Stelle auch die „Liebe“ nicht fehlen, doch diese verschwindet im Strudel von politischen Machtkämpfen und Intrigen zur Bedeutungslosigkeit. Spannend ist „Die Blutchronik“ allemal und legt ein hohes Tempo vor.

Allerdings geht es in „Die Blutchronik“ primär um den eigenen Thronanspruch Vlad III, weniger um die Bedrohung durch die Osmanen. Hier drängt sich die historische Person: Janos Hunyadi deutlich hervor. Der ungarische Staatsmann und Heerführer ist das eigentliche Bollwerk gegen die Bedrohung. Er und andere Charaktere sind deutlich sympathischer und aktiver, als Vlad III. Leider ist diese Perspektive also relativ einseitig, erst in den letzten Kapiteln geht Vlad III. in die Offensive und stellt sich dem osmanischen Heer. Etwas mehr Perspektiven wären intensiver gewesen.

Historisch gesehen ist Vlad III. kein Volksheld – er war ein brutaler, egoistischer Mörder, ein Kriegsverbrecher der durch Angst und Abschreckung regierte. Auch das erzählt die Autorin sehr drastisch, ohne allerdings eine persönliche Wertung abzugeben.

Liliane Le Hingrat hat außerordentlich gut recherchiert. Natürlich ist sie durch ihre Nationalität äußerst motiviert und kann durch ihr Studium auf Quellen eingehen, die sich anderen ggf. verschließen. Viele historischen Begebenheiten und noch mehr historische Personen finden sich ein. Das wirkt sich natürlich sehr, sehr positiv auf die Handlung aus. Natürlich interpretiert die Autorin anhand ihrer persönlichen Recherchen die eine oder andere Situation, oder die politische Lage.

„Die Blutchronik“ umfasst knappe 680 Seiten und wirkt im letzten drittel außerordentlich gehetzt. Das liegt allerdings nicht an der Autorin, sondern am Verlag, der diesen Roman um knappe 250 Seiten kürzte. Schade – vielleicht kommt mal ein Directors Cut.

Die Figur des „Dracula“ ist vielseitig, aber so finde ich auch bei allen Grausamkeiten, die aufgezeigt werden, noch viel zu sympathisch gezeigt. Ambivalent in jedem Fall – aber er ist ein negativer Anti-Held – ein Monster – zwar kein Vampir – aber trotzdem machthungrig, brutal, tödlich, menschenverachtend.

Der Roman „Die Blutchronik“ ist großartig, wenn auch manchmal analytisch in der Perspektive gesehen zu eindimensional. Das Osmanische Reich – die Motivation des Sultans usw., die machtpolitischen Interessen anderer Könige, Regionen und nicht zuletzt der Kirche sind zu wenig ausgebaut.

Fazit

Liliana Le Hingrat ist eine großartige Erzählerin, die allerdings mit ihrem Talent nicht den Höhepunkt erreicht hat. Aber ich glaube, dass wird Sie und ich hoffe, dass das nächste Romanprojekt ein anderes Zeitfenster und einen anderen Mittelpunkt hat.

Empfehlung: Lesen Sie: „Das dunkle Herz der Welt“ und „Die Blutchronik“ schnell nacheinander. Prädikat: Empfehlenswert - historische Spannung wird garantiert.

Michael Sterzik

Sonntag, 23. Dezember 2018

Fünf plus drei - Arne Dahl

Arne Dahl ist mit einer der erfolgreichsten Kriminalautoren unserer Zeit. Seine Bücher um seine Ermittler – A-Gruppe und auch die Opcop-Serie verkaufen sich weltweit und wurden erfolgreich verfilmt. 

Der vorliegende Band: „Fünf plus drei“ ist der dritte Band um das Ermittlerduo Berger und Blom. Alle drei Bände sind im Verlag Piper erschienen. 

Vorab sei zu sagen, dass man bevor man zu diesem Band greift, die beiden vorherigen Teile: „Sieben minus eins“ und „Sechs mal zwei“ gelesen haben sollte. Arne Dahl schreibt hochkomplex und viele Ereignisse und sowie die Entwicklung der Charaktere – ob nun Feind oder Freund – sind in Summe gesehen, dass Produkt der ersten beiden Bände. 

„Fünf plus drei“ : ist ein wirklich verdammt raffinierter Politthriller, der allerdings auch seine inhaltlichen Schwächen hat. Die Konzeption der Charaktere ist gelungen, allerdings sind die Helden dieses Kriminalromans Berger & Blom – sehr blass entworfen, gegen die charismatischen Bösen, die außerordentlich tiefgründig erscheinen. Rückblickend mag das in den anderen Bänden anders gewesen sein. 

Die Handlung entwickelt sich wie zu einem Stau in der Hauptverkehrszeit. Man weiß, dass man irgendwann ankommt, aber welche Umgehungsstraße man fahren muss, und wann man letztlich ans Ziel kommt, ist relativ ungewiss. Die Storyline ist einfach, die Perspektiven teilen sich mit verschiedenen Personen auf – und das größte Manko ist, dass die erzählerische Ebene der Kontrahenten. 

Auf anderen Ebenen – die Verwicklungen geheimdienstlicher Interessen, kriminelle – mafiöse Vereinigungen, Waffengeschäfte und die Terrorgefahr – gar nicht schlecht erzählt, doch auch hier fehlt ein wenig der durchgehende rote faden. Allzu verworren, also inhaltlich nicht sauber. 

Spannend allemal und auch die Action fehlt nicht. Zuletzt im Showdown – kommt man sich vor wie in einer Wild-West-Show, wer hier Freund oder Feind ist, wer wie viele Sünden geparkt hat und wer letztlich doch nur eine Marionette ist, begreift man herzlich wenig. 

Fazit

Solider Kriminalroma – der vieles möchte und es dennoch nicht schafft. Gehetzt geschrieben – tolle Ideen, aber die Chancen nicht getan. Von Arne Dahl kann man mehr erwarten. 

Michael Sterzik 



  

Montag, 10. Dezember 2018

The Hunger - Alma Katsu

Es gibt viele Expeditionen, die voller Enthusiasmus gestartet sind, und schließlich mit einer hohen Anzahl von Leichen tragisch endete. Es entstanden Legenden um diese Frauen und Männer, die allen Herausforderungen zum trotz, mitsamt ein paar gut gemeinten Warnungen, in eine für sie unbekannte Region reisen wollten. Im vorliegenden Band: „The Hunger“ von Alma Katsu beschreibt die Autorin den Mythos „Donner Party – eine Gruppe von 87 Siedlern, die im Jahre 1846 nach Kalifornien aufbrachen um dort im Land von fließenden Milch und Honig ansässig zu werden. Die Eroberung des Wilden Westen scheiterte katastrophal für den Treck, dem natürlich auch Frauen und Kinder angehörten. 

Die Familien George Donner und James Reed wählten eine angebliche, geheime Abkürzung, von der niemand wusste, ob diese überhaupt mit den vielen Wagen passierbar war. Überrascht vom frühen Wintereinbruch in der Sierra Nevada, saßen die Siedler in der Falle und begannen langsam zu verhungern. Die Hälfte von ihnen starb und jeder Überlebende konnte den Tod nur entgehen, weil er zum Kannibalen wurden. 

Aus den Quellen von Tagebüchern, der dann doch Geretteten wurden dramatische Situationen geschildert. Die Menschen aßen als erstes ihre Zugtiere, dann Haustiere – Katzen und Hunde. Verzweifelt genug landeten später Tierfelle, Knochen- und Lederstücke in dem Topf. Am Ende – es ging nur noch ums Überleben verspeisten diese ihre eigenen Toten.  Ein Schock für das damalige Amerika, dass tief religiös war. Ist Kannibalismus unter solch extremen Bedingungen gerechtfertigt?! 

„The Hunger“ ist ein Parallelroman zu dem Titel: „Terror“ von Dan Simmons – nur halt nicht im ewigen Eis, sondern in der Prärie und den Bergen Amerikas. Der erzählerische Stil von Alma Katsu ist zwar authentisch, aber die Grundstimmung hat einen grundsätzlichen depressiven Charakter. Ähnlich wie bei ihrem Kollegen Dan Simmons kommt das „Grauen“ langsam, aber konsequent auf die Siedler zu. Die Ängste, die Kälte, die Verzweiflung werden gut erzählt, erreichen aber bei weitem nicht die Intensität wie bei dem Titel: „Terror“. Es gibt die eine, oder andere schockierende Szene, doch historisch gesehen erreicht mich diese Handlung nicht. 

Alleine die theoretischen Erklärungen über die grausamen Vorfälle sind total unrealistisch geschildert. Die Protagonisten überzeugen insgesamt auch nicht, dass beschwerliche Leben, die Erwartungshaltung werden nicht durch die Autorin transportiert. Ein Horrorroman in einer historischen Kulisse – mehr ist der Roman nicht – und auch nicht weniger. Eine historische authentizität wird auch nur leicht angekratzt. Tolle Ausgangssituation und etwas copy und paste und wir knüpfen an dem Roman: Terror an!? Weit gefehlt – meilenweit entfernt. 

Thriller, oder historischer Roman? Von beiden etwas – von beiden viel zu wenig. Für die Überlebenden, auch wenn sie denn schon lange gestorben sind, nicht gerade ein Denkmal. Eine historische Aufarbeitung ist „The Hunger“ letztlich auch nicht. Spannung – zäh wie gekochtes Leder. 

Fazit

„The Hunger“ ist der Versuch am Erfolg von: „Terror“ – Dan Simmons anzuknüpfen. Versagt aber und lässt alle fragend im Regen und Schnee stehen. Ein Mythos der sich selbst überholt hat – eine Handlung, die absolut unrealistisch ist. Stil, Ausdruck und Sprache nicht mehr wie durchschnittlich. Nicht empfehlenswert. 
Michael Sterzik