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Samstag, 4. Februar 2023

Tanz mit dem Tod - Christian v. Ditfurth


Das Berlin der 1930 Jahre, war politisch, kulturell und sozial gesehen ein gefährlicher, unruhiger Ort. Als Machtzentrum liefen hier alle Fäden des anfänglichen, dritten Reiches zusammen. Die NSDAP, die SA, die SS – sie alle formierten sich, um ihrem Führer dienlich zu sein und um ein neues Deutschland zu erschaffen. Dafür waren diesen alle Mittel recht, sie scheuten nicht vor Mord zurück, ihre Weltordnung musste durchgesetzt werden. Ein totalitärer, verbrecherischer Staat, der in den 30-Jahren gebildet wurde, und der 1939 den zweiten Weltkrieg entfachen sollte. Die deutsche Bevölkerung war depressiv, verunsichert, in ihren Augen gedemütigt und hatte kein Ziel vor Augen. Eine hohe Arbeitslosigkeit herrschte vor, Veteranen des 1. Weltkrieges und demoralisierte Politiker waren sich uneins – einzig und allein einte sie die Verzweiflung und die Suche nach einem „Schuldigen“ für die Situation Deutschlands.

Es gab schon damals Widerstand in der Bevölkerung, sie sahen schon das schreckliche Antlitz eines neuen Krieges vor Augen, doch sie spielten fast alle mit, sie verrieten sich, ihre Mitmenschen, ihre Moral und Gerechtigkeit und Gesetzte wurden vielmehr zu Richtlinien, die nicht mehr die Kraft hatten, sich aufzulehnen.

Das vorliegende Buch von Christian v. Ditfurth „Tanz mit dem Tod“ spiegelt, die atmosphärische Angst der Menschen, aber nicht der Angst, sondern auch das verbrecherische Denken und Handeln.  

Berlin-Wedding, November 1932: Sieben SA-Männer stürmen eine Kneipe und erschießen Kurt Esser, Redakteur des KPD-Blatts »Rote Fahne«. Dem jungen Kriminalpolizisten Karl Raben gelingt es, den Anführer der Mörder, Gustav Fehrkamp, zu stellen. Doch kaum ist Hitler 1933 an der Macht, kommt Fehrkamp auf freien Fuß. Raben hat fortan nur noch einen Gedanken: Gerechtigkeit. Für sein Vorhaben geht er einen Pakt mit dem Teufel ein und arbeitet für die gerade gegründete Geheime Staatspolizei. Damit ist sein Leben in der Hand von Gestapo-Chef Reinhard Heydrich. Genauso wie das seiner Frau Lena, die jüdischer Herkunft ist. Wie kann ein Polizist für Gerechtigkeit sorgen, wenn das Unrecht die Macht ergreift?»Tanz mit dem Tod« ist der fulminante Auftakt einer historischen Krimireihe in Berlin. In den folgenden Bänden jagt Karl Raben Essers Mörder in den Zeiten des Aufstiegs und des Untergangs des Nationalsozialismus und löst den letzten Fall in der gerade gegründeten Bundesrepublik.(Verlagsinfo)

In der Geschichte begegnen wir einen Zeitgeist mit vielen Facetten und Christian v. Ditfurth öffnet die Büchse der Pandora und konfrontiert uns mit der Überlegung: „Wie hätten wir gehandelt“ – wären wir angepasste Mitläufer gewesen, oder Widerständler, denen jeden Tag bewusst ist, dass sie in Lebensgefahr sind?

Der Hauptcharakter Karl Raben vermischt sich in beidem. Sein Gerechtigkeitssinn lässt es zu, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen. Um den Roman geschichtlich zu intensiv wie möglich zu erzählen, begegnen wir den Schlüsselgestalten des Nazi-Regimes, Heydrich, Himmler, Röhm, Göbbels – die zusammen und gegeneinander um die Gunst des „Führers“ kämpfen, und natürlich auch eine Machtposition einzunehmen. Es ist erschreckend zu lesen, wie sehr diese Figuren die Menschen um sich manipulieren, verängstigen und wie Schachfiguren auf einem politischen Schachspiel ausnutzen. Kraftvoll, sensibel und verzweifelt kämpfend zeigen sich Karl Raben und seine Frau Lena, die sich mal anpassen, müssen, um nicht in den Mühlen des Regimes zerfetzt zu werden.

Christian v. Ditfurth zeichnet ein trauriges, aber reelles Bild dieser Zeit. Man braucht etwas an Zeit, um sich mit dem erzählerischen Stil des Autors zu akklimatisieren. Und auch wenn eine gewisse Hoffnungslosigkeit in jedem Kapitel zu finden ist – berühren einen die Dialoge der beiden Eheleute Karl und Lena – die auch nicht ohne Humor sind. Gerade der Part von Lena, ist aufmüpfig, frech und frisch und sehr, sehr selbstbewusst – doch auch sie kommt an ihre Grenzen.

Das „Richtige“ tun in einer Diktatur? Sich dem „Bösen“ bedienen, um eine andere „Bösartigkeit“ zu eliminieren? Heiligt der Zweck diese Mittel – der Roman gibt keine Antworten darauf. Alles in allem ist einer der Hauptdarsteller die „Dramatik“.

Die Ideologie der Nazis, die aus dem Quadrat Heydrich, Himmler, Goebbels und Röhm spricht, lässt einen schaudern. Allein dieser machtvolle Personenkult, der diese umgibt – und keiner sieht hinter den Kulissen und erkennt die Gefahr!? Erschreckend.

Das Buch besitzt durchaus Längen, da konnte der historische Kern des Autors, den Unterhaltungskünstler einfach mal ausstechen. Insgesamt aber animiert das Ende und des Romans den Leser sehr, auch zum zweiten Band zu greifen, wenn dieser veröffentlicht wird. Christian v. Ditfurth verleiht seinen Figuren eine so inhaltliche und charakterliche Tiefe, dass es ein Vergnügen ist, mit diesen zu leiden und zu leben.

Fazit

Der Pakt und der politische Tanz mit vielen Teufeln – ein spannendes Buch mit einem nachhaltigen, erzählerischen Echo.

Michael Sterzik



Samstag, 13. November 2021

Der Engel von Warschau - Lea Kampe


Die Zeitzeugen, die das Grauen des dritten Reiches, der Nazis in Deutschland erlebten, verstummen. Doch sie sind nicht vergessen – weder die Vernichtungslager, noch der entfesselte Krieg, der Angriff auf Polen, der den 2. Weltkrieg auslöste. Die systematische Todesmaschinerie der Nazis ist beispiellos – der antisemitische Hass auf die jüdische Bevölkerung und anderen sozialen Randgruppen ist schwer erklärbar. Wir können die Vergangenheit nicht ändern – aber wir müssen uns an diese erinnern – wir müssen den Menschen, die unter Lebensgefahr Menschen bei der Flucht halfen ein Ehrendenkmal setzen. Denn sie sind die wirklichen „Gerechten“ unter uns.

Irena Sendler, eine leitende Mitarbeiterin der polnischen Sozialbehörde in Warschau, rettete 2500 Kindern das Leben, indem sie diesen Kindern zur Flucht in Waisenhäusern, Klöstern, Gastfamilien usw. verhalf. Mit hunderten von gefälschten Papieren, mit Unterstützung der Kirche und ihren eigenen Freunden. Im Warschauer Ghetto trug die kaum 30-jährige junge Frau einen Judenstern. Bis zur Vernichtung des Warschauer Ghettos 1943 rettet sie unter Lebensgefahr diese Kinder. Doch ihre mutige Tat wurde verraten und die Gestapo verhaftete und foltere Irena Sendler, die aber keinerlei weiteren Kontakte an die Nazis verriet.

Lea Kampe gibt Irena Sendler in ihrem Roman: „Der Engel von Warschau“ eine Präsenz, deren Echo nachhaltig ist. Wir alle, oder viele kennen Oskar Schindler, den Unternehmer, der mithilfe einer Liste viele tausende Juden das Leben rettete, indem er dies als Arbeitskräfte für seine Fabrik beanspruchte und bei den Nazis freigekauft hatte. Doch wer war Irena Sendler? Ihr Schicksal und ihr Leben ging medial leider unter. Doch vergessen ist sie nicht.

Warschau, 1940: Die Nazis errichten das Ghetto. Die 29-jährige Sozialarbeiterin Irena versucht alles, um den jüdischen Menschen zu helfen. Sie versteckt ein kleines, von verzweifelten Eltern ausgesetztes Mädchen unter falschem Namen bei einer nicht-jüdischen Familie. Was als mutige Tat beginnt, wird zur groß angelegten Rettungsaktion. Irena schmuggelt immer mehr Kinder mit gefälschten „arischen“ Identitäten aus dem Ghetto. Sie denkt nie ans Aufgeben, obwohl sie in ständiger Lebensgefahr schwebt. Aber Irena muss nicht nur um ihr eigenes Leben bangen. Denn Adam, ihre große Liebe, ist Jude.(Verlagsinfo)

„Der Engel von Warschau“ ist ein gefühlvoller, sehr authentischer Roman und legt zum Glück nicht seinen Fokus auf eine hoch dramatisiere Liebesgeschichte einer überzeichneten Heldin. Wer hier viel Liebesschmerz erwartet, eine gefühlsbetonte Leidens- und Liebensgeschichte, wird enttäuscht sein. Das Buch ist weder das eine, noch das andere.

Der Fokus liegt auf das Wirken einer Frau, die ihr Leben riskierte – die Hauptdarsteller dieses sehr guten Buches sind die Protagonisten „Mitgefühl und Menschlichkeit“ in einer Zeit, in der ein Leben nicht viel wert war.

Lea Kampe orientiert sich an Fakten und verarbeitet wenig fiktionales. Das Buch ist keine Gute-Nacht-Geschichte – es berührt, es schockiert und hält uns die Vergangenheit wie einen Spiegel vor unseren  Augen.

Doch ist der Roman manchmal auch sehr oberflächlich. Das Schicksal der jüdischen Kinder berührt, aber ich hätte erwartete, dass man den Eltern dieser Kinder und auch die Personen, die Irena Sendler geholfen haben, mehr erzählerischen Raum gegeben hätte. Besonders gut gefallen haben mir auch die historischen Beschreibungen der Nationalsozialisten, ihre diabolischen Pläne, die Dialoge, die so beiläufig klingen – dabei ging es hier um Menschenleben. Auch das oder gerade diese Passagen sind großartig erzählt – nur leider viel zu wenig intensiv.

Die Handlungen von Irena Sendler wiederholen sich und wirken ab und an zu langatmig erzählt. Die Ängste, die Gefahren usw. alles schön und gut – doch der perspektivische Wechsel der Protagonisten ist allzu schwach eingebaut.

„Der Engel von Warschau“ ist ein Zeitzeugnis, dass Irena Sendler – ihrem Wirken, ihrer Menschlichkeit, ihrem Mitgefühl viel Respekt und Dank zollt. Lea Kampe schriftstellerischer Stil Emotionen in die Gefühlswelten ihrer Lesen zu aktivieren ist gut – aber könnte noch vielseitiger sein – konzentrierte in jedem Fall.

Fazit

Ein Titel, den man lesen sollte – der aber bei weitem nicht wunderbar unterhaltsam ist. „Der Engel von Warschau“ überzeugt durch die Protagonisten, Mitgefühl und Menschlichkeit – und das nicht nur personifiziert. Ein guter – wenn auch oberflächlicher Roman.

Michael Sterzik

Samstag, 1. Juni 2019

NSA - Andreas Eschbach


„Was wäre wenn...?“ oder „Was wäre passiert wenn es damals schon, dass .....gegeben hätte? Elementare Fragen – auf die wir keine Erklärung finden können, die Vergangenheit ist passiert, sie ist nicht wieder rückgängig zu machen – Die Würfel sind gefallen – Punkt – Fakt – Geschichte.

Andreas Eschbach muss sich diese Frage allerdings auch gestellt haben. Einfach mal ein Gedankenspiel – das Dritte Reich hätte in den Kriegsjahren und ggf. schon Jahre vorher die Vielzahl von multimedialen und technisierten Kommunikationsmöglichkeiten gehabt. Computer, Email, Internet, mobile Endgeräte...usw. Wäre der Krieg womöglich anders ausgegangen, wenn wir gegenüber den Alliierten diesen wesentlichen Vorteil gehabt hätten!?

In Andreas Eschbach vorliegenden Roman: „NSA“ (Nationales Sicherheits-Amt) ist dieses o.g. Gedankenspiel, die Grundlage für diesen Roman. Vorab sei zu sagen, es gibt beim Lesen dieses Titel ein Merkmal, dass man beachten muss. Wenn sich der Leser schon vorab mit der Thematik des Dritten Reiches, des Nationalsozialismus und dem 2.Weltkrieg befasst hat und sowieso schon weiß, welche technischen Überwachungsmöglichkeiten, die Geheimdienste der führenden Staaten einsetzen kann, für den wird der Roman nicht mehr wie unterhaltsam sein.

Nazis, die sowieso gezielte Propaganda einsetzen, die Medien zensieren, die Menschen überwachen, manipulieren und letztlich vernichten konnten – all das wissen wir schon. Die Eskalationsspirale hätte sich schneller gedreht, wenn diese Nationalisten instrumentalisiert alle Kommunikation in ihrer Monopolstellung eingesetzt hätten!? Ist dem so? Andreas Eschbach erzählt die Story in dem vorliegenden Band sehr eindimensional und nur aus der Perspektive des Deutschen Reiches um 1942. Die Menschen sind zumeist alle ausgestattet mit Handys und können aktiv und passiv von der NSA abgehört werden. Nebenbei natürlich geortet usw. Eine Welle von individuellen Daten der deutschen Bevölkerung, die analysiert werden um innere Feindseligkeiten und Kritiker des Systems auszuschalten.

Verbrecherisch in jedem Fall – aber ist das eine überraschende Botschaft?! Eine globale Überwachung unserer Kommunikationskanäle....oh Gott, welche brisantes Thema. Sorry – dass ist nicht „Neu“.

Die Protagonisten im Roman sind naiv, verbrecherisch, nicht weitsichtig genug und schlichtweg einfach zu dumm. Die Tiefe der Story lässt zu wünschen übrig, da die Perspektive nur sehr eindimensional ist und ganz ehrlich – unrealistisch.
Andreas Eschbach verbindet in seinem Titel viele Themen, Personengruppen und Situationen in einem Netz, die man schon kennt: Anne Frank, die Vernichtung der Juden, Stalingrad, die Weiße Rose u.a. Alle Themen werden mir einfach viel zu oberflächlich erzählt, inkl. den Protagonisten.

Wo hat der Autor die anderen Nationen ins Bild gerückt? So gut wie gar nicht – Das Deutsche Reich ist führend in der Welt – die anderen Staaten sind uns nicht gewachsen.....! Interessant wäre es gewesen, wenn wir schon über Globale Verhältnisse lesen und reden wollen – was hätten die anderen Nationen in dieser Situation gemacht!? Deutschland als großer, Global Player und die Alliierten laufen uns hinterher?!

„NSA“ von Anderas Eschbach ist wenn man die Zielgruppe erreichen möchte, ganz klar als „Jugendbuchroman“ anzusehen. Für den einen, oder anderen jungen Leser, der zwar auch ein Handy hat und damit kommuniziert, aber noch lange nicht weiß, was er da eigentlich in den Händen hält, vom Datenschutz einmal ganz abgesehen, mag der Roman interessant sein – für ältere Leser nur durchschnittlich gute Unterhaltung ohne wirklichen, nachhaltigen Mehrwert.

Interessanter wäre es vom Autor zu lesen, welche Einsatzmöglichkeiten, inklusiver hoch motivierte Krimineller Energie auf Staatsebene, vielleicht in einem totalitären System, gibt es denn nun wirklich. Was setzen Geheimdienste derzeit ein, welche Risikobereiche haben wir in einem Cyberkrieg? Was bedeutet das für die Menschen und ihre Infrastruktur? Unzählige Fragen die ich für mich selbst beantworten kann – aber über die eine Vielzahl von Leser gar nicht nachdenken möchte, oder will.

In dem Titel : „NSA“ gab es unglaublich viele Variationen die Geschichte wirklich interessant und spannend zu gestalten, stattdessen fokussiert man sich auf blasse Protagonisten deren Schicksal nicht nahegeht. Auch hier pure Eindimensionalität.

Fazit

„NSA“ von Andreas Eschbach ist ein netter Unterhaltungsroman für eine nette naive Zielgruppe von Lesern, die es noch nicht verstehen, dass die Welt an den Ränderns des Displays ihrer Handys etwas größer ausfällt als gedacht.

Spannung nicht wirklich – Nachhaltige Botschaften ? Nichts neues....
Chancen verpasst – ein Titel der mich persönlich enttäuscht hat und den ich nicht empfehlen kann.

Michael Sterzik