Montag, 30. April 2018

Die Medizin der Könige - Sabine Weiß

Die Lebenserwartung im Mittelalter war gemessen an der unseren, sehr niedrig. Hatte man die 40 hinter sich, galt man als „alt“. Aber das ist relativ gesehen und natürlich davon abhängig, wie man sein Leben führte. Bauern, Gesinde, Handwerker und auch Soldaten waren alleine schon durch ihre körperlichen Arbeiten dem Grab etwas näher, wie Kaufleute, Mönche oder Menschen von Adel. Letztere hatten mehr Möglichkeiten, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen – auch damals konnte Medizin teuer sein und nicht jeder konnte sich einen Medicus, oder einen kundigen Bader leisten, geschweige denn ggf. irgendwohin reisen, um sich medizinisch versorgen zu lassen. 

Medizin im Mittelalter – in Europa hinkten wir zu der Zeit den byzantinischen und arabischen Regionen weit hinterher. Hygiene, Chirurgie, Anatomie spielten schon eine wesentliche Rolle und nur sehr wenige europäische Ärzte wurden dort ausgebildet, oder befassten sich mit derartigen Schriften und sonstigen Dokumenten. 

Krebs-/Herzerkrankungen, selbst Allergien konnten wenig, bis gar nicht diagnostiziert und behandelt werden. Eine Entzündung des Blinddarms, ggf. ein vereiterter Zahn konnte das Todesurteil bedeuten. Es gab einige Berufsgruppen, die sich mit der Medizin auseinandersetzen mussten. Natürlich der Medicus einer Stadt, oder eines Landkreises, ein fahrender oder auch ortsansässiger Bader besaßen rudimentäres, teils gutes Wissen. Hinter Klostermauern verbargen wahre Schätze der Naturmedizin, oder der Homöopathie in Kräutergärten. Nonnen und Mönche, mit viel angesammeltem Wissen waren als Heilkundige anzusehen. Und auch der unehrliche Henker mit seinen anatomischen Kenntnissen, war oft nebenberuflich Apotheker, oder machte vielerorts den Medicus, oder dem Bader das Leben als Konkurrent sehr schwer. 

Die bekannte, in Hamburg lebende Autorin Sabine Weiß widmet sich in ihrem neuesten, historischen Roman: „Die Arznei der Könige“ – dem Thema Medizin. Sabine Weiß, die schon in ihren Romanen: „Die Hansetochter“ und „Die Feinde der Hansetochter“ bewiesen hat, übergreifend fantastisch gut und sauber zu recherchieren, gelingt es auch in ihrem aktuellen Roman, nicht nur spannend, sondern auch lehrreich zu erzählen. 

Wie so oft geht es im historischen Genre um ein dramatisches Frauenschicksal. Ort und Zeit der Handlung ist Lüneburg, später dann Paris im 14 Jahrhundert. Die junge Adelige Jakoba, die nach dem Tod ihres ersten Mannes, in einem Kloster ihre Berufung als heilkundige Krankenpflegerin gefunden hat, wird von ihrem Bruder aus wirtschaftlichen Gründen zwangsverheiratet. Die selbstbewusste Frau flüchtet nach einem Unfall ihres Mannes und schließt sich dem fahrenden Krämer Arnold und seiner Frau Mona an. Im Laufe der Zeit vertieft sich ihr Wissen rund um die Medizin, die Theriak genannt wird. Schließlich gelangt sie auf Umwegen nach Frankreich, am Hofe des kranken Königs....

„Die Arznei der Könige“ von Sabine Weiß ist ein guter, spannender Roman der sich allerdings nicht auf das Basisthema „Medizin“ konzentriert, sondern sich eher mit den Behandlungsmethoden um das Medikament „Therarik“ befasst. Grundtenor ist wieder einmal, eine Frau, die ihrem Mann steht und über sich und andere hinauswächst. Die Atmosphäre des Buches ist rundweg spannend, allerdings ohne viel Höhen und Tiefen. Stabil halt. Der Grundgedanke – der rote Faden der Story entwickelt sich sehr langsam und rückt erst im letzten Drittel in den Fokus. Natürlich gibt es einige Nebengeschichten, natürlich darf auch das Element Liebe nicht fehlen, aber Sabine Weiß verliert sich nicht dabei in wohlbekannte, weitere Klischees. Als sehr schade, empfand ich es, dass die „Medizin“ als umfassendes und sehr interessantes Thema faktisch die zweite Rolle spielte. Etwas intensiver und vor allem breiter gestaltet wäre es auch für die Story an sich besser gewesen. Die Medizingeschichte, Behandlungsmöglichkeiten, Chirurgie, andere Berufsgruppen usw. – wo finde ich diese in dem vorliegenden Roman? 

Ein großer Kritikpunkt ist, dass die Nebenfiguren der Hauptfigur die gesamte Show stehlen. Arnold der „fahrende“ Krämer ist vielschichtig und mit vielen Talenten und einer Vergangenheit ausgestattet, die Jakoba in die zweite Reihe schicken. Ebenfalls die Rolle von Arnolds Frau Mona, ist interessanter. 

Oftmals sind die Nebenfiguren, auch der Bruder von Jakoba manchmal zu schlicht gezeichnet und viele Fragen die entstehen, werden nicht beantwortet, oder es wird nicht näher darauf eingegangen. Sehr ärgerlich ist die Verbindung, bzw. der Hintergrund von Arnold, die sich dann quasi als Haupthandlung rausstellt, ein Querverweis, den ich weder erwartet habe, den ich wenig nachvollziehen kann und mir etwas zu deplatziert wirkt.

„Die Arznei der Könige“ ist ein empfehlenswerter, kurzweiliger Roman, der nicht an die Atmosphäre der schon genannten Romane: „Die Hansetochter“ und der zweite Band herankommt. Etwas zu verfahren, einige Chancen nicht ausgespielt, die Nebenfiguren stärker als die Hauptfigur, oberflächige Betrachtung der Medizin. 

Fazit

Sabine Weiß ist eine großartige Autorin und ich werde die nächsten historischen Romane sicherlich auch lesen. Es wäre einmal schön, wenn man sich von dramatischen Frauenschicksalen lösen könnte. „Die Arznei der Könige“ ist solide Unterhaltung – keine literarische Schatztruhe, eher ein schönes Bronzestück, dass die Chancen hatte mit einigen Juwelen später glänzen zu können.

Michael Sterzik

Freitag, 20. April 2018

Scythe - Der Zorn der Gerechten - Neal Shusterman

Auch der zweite Teil der Jugendbuchreihe „Scythe – Der Zorn der Gerechten überzeugt. Der Autor Neal Shusterman hat eine Welt entworfen, ja eine Dystopie, die gar nicht so abwegig erscheinen mag, und die schon jetzt fingerzeigend auf unsere sehr aktuellen Bedrohungen, aber auch Chancen eingehen. Wie würde eine Welt aussehen, in der die Menschen faktisch unsterblich sind, es ein Grundeinkommen gibt, keine Armut, die großen Krankheiten ein für allemal besiegt?! Wohlstand und Frieden – ewige Jugend, wenn man sich möchte, unendliches Wissen und alles Leben gesteuert durch eine von Menschen geschaffene, künstliche Intelligenz. Natürlich gibt es Konflikte, andersartige Denkweisen – diese abstrakt und ggf. revolutionär erscheinen. 

Und dann gibt es die Scythe – die auf allen Kontinenten entscheiden, wer nachgelesen wird – wer wirklich über den Fluss Styx gehen muss und nicht wiederkommt. Ein endgültiger Tod – eine endgültige Auslöschung....
Den Sycthe bleibt es nicht nur überlassen, wen sie töten, sondern auch mit welchen Mitteln der Tod herbeigeführt wird. Da die Hüter des Todes, auch nichts anders sind wie gewöhnliche Menschen, gibt es hier Individuen denn es Spaß macht zu töten, und andere wiederum, die ihre Aufgabe mit einer gewissen Ernsthaftigkeit, und ja Menschlichkeit ausüben.

Nach dem ersten Band „Hüter des Todes“ gehen jetzt die beiden ehemaligen Lehrlinge des Todes getrennte Wege. Citra ist zu Scythe ernannt worden und trägt jetzt den Namen „Anastasia“. Ihr Freund und Ihre Liebe, Rowan dagegen ist ausgestoßen. Man nennt Rowan inzwischen Scythe Luzifer. Er richtet diejenigen Scythe, deren Tötungen grausam, willkürlich, oder für ihren eigenen Vorteil sind. Damit stehen die beiden auf gänzlich unterschiedlichen Seiten....

Der zweite Band schließt unmittelbar an den Ersten an, es sind nur wenige Monate vergangen. Anastasia, die noch immer bei ihrer Mentorin und inzwischen Freundin Marie Curie – der Granddame des Todes lebt, nimmt ihre neuen Aufgaben außerordentlich ernst. Rown auch, nur sieht er seine Aufgabe darin, gewisse Scythe nachzulesen. 

Das Sycthetum hat sich inzwischen in zwei Lager gespalten. Der traditionale Zweig sieht seine Aufgaben zum Wohle der Menschheit und hält sich an den Kodex und ihren eigenen Gesetzen. Die „Neue Ordnung“ dagegen, sehen sich als machvolle, instrumentalisierte, überlegene Hüter an, die gerne auch ihre eigenen Vorteile nutzen wollen und die überwiegend Spaß am töten haben. 

Die Spannungselemente sind also gesetzt und bieten dem Leser neben einer grandiosen Unterhaltung, noch viele Denkanstöße. Gerade in Bezug auf ethische, moralische Werte, wie auch Respekt, Liebe, Treue usw. legt der Autor viel Wert. 

Der vorliegende Band teilt sich allerdings diesmal in drei Handlungsstränge auf. Die Perspektiven von Anastasia und Rowan bilden den Grundstein, doch diesmal kommt auch der „Thunderhead“, die machtvolle künstliche Intelligenz hinzu. Zwar darf diese die Scythe nicht lenken, oder beeinflussen, aber trotz alledem hat er seine Meinung, und ggf. andere Mittel um einzulenken....

„Scythe – Der Zorn der Gerechten“ ist nicht so actionreich, wie der erste Band, allerdings gibt es viele Wendungen und Entwicklungen, die man nicht erwartet hat. Die Story wird demnach komplexer, da es ohnehin viele Interessengruppen und Konflikte gibt. Eine Charakterliche Entwicklung der beiden Hauptfiguren ist so weit einer der Themen, die wie schon im ersten Band weiter ausgebaut wird. 

Spannend ist er allemal, aber deutlich anders – teilweise ruhiger, aber es zeichnet sich bald ab, dass hier nur der Wind gesät wird – der Sturm, ein Orkan wird den Leser höchstwahrscheinlich in Band drei präsentiert werden. 

Weniger Action, dafür mehr Intrigen, mehr Politik und mehr über Themen, über die der Leser nachhaltig nachdenken wird. 

Neal Shusterman schriftstellerischer Blick in die Zukunft ist neben dem Paradies, dass er beschreibt, auch eine Hölle für seine Figuren. Wünschen wir uns nicht alle eine gewisse Sorgenlosigkeit, keine materiellen, oder finanziellen Nöte und kein welkender Körper, der ggf. durch Krankheiten oder Unfälle endlich ist?! Soziale Strukturen, eine künstliche Intelligenz ähnlich wie bei „Terminator“ nur nicht so böse....großartige Themen. 

Auf Risiken und Nebenwirkungen in dieser dystopischen Welt geht der Autor nur am Rande rein – so und das ist höchstwahrscheinlich gewollt, soll sich der jugendliche Leser mit den o.g. Themen beschäftigen. Er wird es – keine Sorge.

„Sycthe – Der Zorn der Gerechten“ ist ein kleiner, leiser Sturm, deren Ausläufer und spannungsvoll schon jetzt darauf vorbereiten, welcher Orkan im dritten Band erreicht wird.  Hochklassiger Roman, düster, hoffnungsvoll, und wie ich den Neuigkeiten entnehmen kann, soll dieser auch verfilmt werden. Schon jetzt ein hoffnungsvoller Garant. Wenn Ihre Kinder den Band lesen sollten, greifen Sie zu und gehen erziehungsberichtigt so vor, dass diesen annektieren. Die Reihe wird Sie so oder so überzeugen. Prädikat: Wertvoll. 

Michael Sterzik 

Montag, 16. April 2018

Ich bin der Hass - Ethan Cross

Ich bin der Hass – Ethan Cross

Es ist der fünfte Band der Reihe um den Serienmörder „Francis Ackerman jr.“ und seinem  kleinen Bruder Marcus Williams, der als Agent einer Sonderbehörde, die andere Seite der Medaille ist. Waren sie anfangs noch erbitterte Gegner, hat sich das Blatt nun förmlich gedreht und diesen Wechsel hat der Schöpfer dieses ungleichen Bruderpaars Ethan Cross unerhört gut vollzogen.

Im Genre „Thriller“ tummeln sich unglaublich viele Serienmörder, Killer und sonstige Monster. Jeder Autor dieses blutigen Genres möchte an der Beschreibung von möglichst vielen bestialischen Morden in Folge seine Leser schocken. Manchmal allzu offensichtlich, manchmal viel zu platt konzentriert sich der Schöpfer dieser Storys auf blutige Brutalität, Verstümmlungen und Ekelfaktoren. Die Story gerät aus dem Fokus und verliert sich in einer Ansammlung von überzeichnetem Horror. 

Die vorliegende Reihe lebt von einer recht ungewöhnlichen Beziehungskiste zwischen den beiden Brüder. Zwar unterscheiden sie sich in ihrer Berufung, aber in ihrem innersten Selbst, tragen sie eine ähnliche Bürde und haben in den Reihen ihrer ganz persönlichen Dämonen bestimme Affinitäten. 

Die Entwicklung dieser beiden Figuren ist das Kernstück dieser spannenden Reihe. Physische und psychische Gewalt waren mit der Götterfunke, der ihren inneren Antrieb, das „Böse“ zu vernichten, den Antrieb gegeben hat. Marcus Williams kann seine Aggressivität kanalisieren und bändigen, sein Bruder dagegen war wie ein blanker, bloß gelegter Nerv. Francis Ackermanns Polarstern richtete sich aus, nach der Suche nach Tod, Gewalt und Schmerz. 

Trotz alledem sind Thriller von Ethan Cross keine Gute-Nacht-Geschichten. Grausamkeiten gibt es natürlich, aber nicht inflationär und wenn dann gut dosiert und nicht überzeichnet. Auf der gemeinsamen Suche nach Serienmördern – Ackermann ist nun etwas geläutert, kommt auch der Humor nicht zu kurz. Besonders dann, wenn Ackermann seine „menschliche“ Seite anerkennen muss und stolzer Besitzer eines kleinen, vorwitzigen Hundes wird. Auf den Hund gekommen, ist Ackermann allerdings noch immer ein Wolf im Schafspelz und es gibt Szenen, wo sich dieser zurückhalten muss um nicht gänzlich mit Gewalt eine endgültige Lösung zu finden. 

In „Ich bin der Hass“ stellte der Leser auch fest, dass Marcus Williams, sonst ein Fels in der Brandung, sehr dünnhäutig wirkt und wird. Seine berufliche Professionalität manifestiert sich immer wieder in kleinere Gewaltausbrüche. 
Ackermanns Wandlung zu „hellen“ Seite wird allzu offensichtlich, auch wenn er noch immer keine Angst verspürt und hochgebildet wie er auch ist, Freund und Feind immer ein paar Schritte voraus. 

Der vorliegende Band ist höchst spannend gehalten. Sicherlich ist die Story absehbar und ohne viele Wendungen oder Überraschungen, aber an Spannung verliert er zu keinem Zeitpunkt an Boden. Nicht unbedingt originell – aber alleine durch Ackermann jr, seine Überheblichkeit, seine naive Art jedermann zu nerven, und sein steinernes Selbstbewusstsein geben ihm verdammt viele Sympathiepunkte. 

„Ich bin der Hass“ von Ethan Cross ist temporeich, spannend ungewohnt witzig und verfügt bestimmt noch über viel Potenzial. Eine ganz starke Reihe, die durch eine intelligente Spannung verfügt, ohne abzuschrecken. Ackermann entwickelt sich dazu, zu einem sehr sympathischen Serienmörder, der seinesgleichen in Serie umbringen wird. Die Serie ist also Programm. Weiter geht es. 

Michael Sterzik 

Freitag, 6. April 2018

Die Gabe des Himmels - Daniel Wolf

Der vorliegende Band „Die Gabe des Himmels“ von Daniel Wolf ist der vierte Band der Fleury-Saga. Der in Speyer lebende Autor Christoph Lode hat unter seinem o.g. Pseudonym, eine herausragende und vielseitig, spannende historische Reihe geschaffen. 

Seit dem ersten Band um die Patrizierfamilie Fleury hat diese fiktive Familie für die kleine Stadt Varennes-Saint-Jacques viel erreichen können. 
„Das Salz der Erde“ spielte im historischen Zeitraum 1173 – 1206, der zweite Band „Das Licht der Welt“ umfasste die Jahre 1214-1248 und die Handlung von „Das Gold des Meeres“ spielt zwischen den Jahren 1256 – 1261. 

Inzwischen schreiben wir das Jahr 1346. Die Stadt ist gewachsen, der Wohlstand seiner Bürger ebenfalls, Handwerker haben sich in Zünfte organisiert, der nationale und internationale Handel floriert – doch es gibt es auch viele Probleme. Der Unmut der Bevölkerung wächst, der Rat der Stadt kann nicht jedem Berufszweig gerecht werden, eine gewisse soziale Unruhe breitet sich in den Straßen und Häusern von Varennes aus. Der Neid auf die „erfolgreichen“ Juden, die wie in vielen anderen Städten auch, in ihrem eigenen Viertel leben, entfaltet sich zu einem riskantem Hass.  
Auch die Familie Fleury hat ihre Probleme: Josseline Fleury, ein angesehener Kaufmann und Ratsmitglied verschenkt, große Teile seines Besitzes an die Kirche um seine Sünden reinzuwaschen. Sein Sohn Cesar, der ebenfalls Kaufmann ist, bekommt damit erhebliche wirtschaftliche Probleme und sieht berechtigterweise, die Existenz seiner Familie gefährdet. Adriannus, auch genannt Adrien Fleury studiert Medizin an der Fakultät Montpellier. Mit seinem wachem Geist, und seinem querdenkendem, aber wissenschaftlichem Fokus, gerät er in einem Konflikt mit der traditionellen Schulmedizin und wird kurz vor der Abschlussprüfung rausgeschmissen. Seine erworbenen, medizinischen Kenntnisse und seine tatkräftige Hilfe bei einem ansässigen Wundarzt bereiten ihn allerdings auf eine epochale Katastrophe vor, die Europa heimsuchen wird – der Pest. 

Spielte die Handlung des dritten Teils „Das Gold des Meeres“ größtenteils, wie der Titel schon preisgibt auf den Meeren, konzentriert sich der Autor mit nun auf die Stadt Varennes.  Fast alle Haupt- und Nebenhandlungen komprimieren sich innerhalb dieser Stadtgrenzen und mit ihnen alle Probleme. Das Thema Medizin im Mittelalter, ist uns spätestens seit Noah Gordons „Der Medicius“ wohlbekannt. Auch Daniel Wolf befasst sich zu einem großen Anteil mit diesem sehr interessanten und vielfältigen Beruf. Das ist auch gut so, denn wenn sich schon die ersten drei Bände fast ausschließlich mit kaufmännischen Herausforderungen befassen, warum nicht mal einen anderen Weg einschlagen. Doch es bleibt nicht nur bei der Medizin; auch Themen wie der aufkeimende und dann später eskalierende Antisemitismus gegenüber der jüdischen Bevölkerung, und der Unmut der Handwerkszünfte wird von Daniel Wolf hervorragend in die Handlungen eingepasst. Natürlich darf die Religion in einem mittelalterlichen Epos nicht fehlen, und so finden auch die Flagellanten und Geisler Einzug in die Handlung.

Daniel Wolf baut diese einzelnen Parts gewitzt und gekonnt auf, um diese dann innerhalb der Handlung zu einem Handlungsstrang zu verweben. Großartig gemacht – da sich der Spannungsbogen auf über 900 Seiten nicht abwärts bewegt. Im Gegenteil – die Erzählkunst des Autors ist ein verdammt imposantes Panorama, dem sich der Leser nicht entziehen kann. Größere und kleine Konflikte nicht nur der Hauptpersonen werden bestens in Szene gesetzt, ohne sich dabei in Langwierigkeiten zu verlieren. 

Die Haupthandlung neben der Medizin und dem „Schwarzen Tod – das große Sterben“ ist die Situation der Juden. Massive Einschränkungen und Übergriffe und spätere hasserfüllte Gewaltorgien werden thematisiert. Aber nicht nur diese Übergriffe, sondern werden vom Autor vielmehr auch die Gründe und Vorurteile auf dem literarischen Tisch gebracht. 

Auch die soziale Spaltung der Bevölkerung findet seine Gewichtung. Der Zwist zwischen den Patriziern und den Zünften mündet in einem gewalttätigen Aufstand, der auch die jüdische Bevölkerung angreift. 

„Die Gabe des Himmels“ ist ein großartiges Epos. Fakten und Fiktion feinsinnig miteinander kombiniert. Die Figuren mitunter und größtenteils nicht nur klassisch eindimensional, sondern facettenreich spielend aufgestellt. Die Spannung ist immer vorstellig – im gesamten Roman gibt es keine Passagen, die Langweile aufkommen lassen. Analysiert man die Verteilung der Themen, so hätte ich mir allerdings gewünscht, dass der Anteil der religiösen Massenhysterie weniger ausgebaut gewesen wäre, und der Handlungsstrang mit dem Pestausbruch deutlich mehr Beachtung gefunden hätte. 

Fazit

„Die Gabe des Himmels“ ist einer der stärksten, historischen Romane und nach „Das Salz der Erde“ wohl mit der interessanteste und spannendste dieser Reihe. Er ist nicht vergleichbar mit „Der Medicus“, auch wenn es natürlich wenige Parallelen gibt. Jedem Leser empfehle ich allerdings, die Reihe chronologisch zu lesen – es geht auch ohne, doch die Eigenarten und der Einfluss der Familie Fleury versteht man dann doch deutlich besser. 

„Die Gabe des Himmels“ von Daniel Wolf ist ein historisches Panorama, dass Spannung garantiert und die dunklen Kapitel des Mittelalters etwas heller beleuchtet. 
Pageturner und ein must-read-titel im historischen Genre.

Michael Sterzik

Freitag, 16. März 2018

Kalte Sonne - Sven Koch

Im Genre Thriller verkaufen sich die skandinavischen Thriller seit Jahren besonders erfolgreich. Egal ob die mörderische Handlung nun in Dänemark, Schweden, Norwegen oder Finnland spielt – gemordet und ermittelt wird immer. England hat seine Geister, und nun ja der Norden hat dann die Serienmörder für sich entdeckt. In Filmen und Büchern sind diese Geschichten, dann fast schon Garanten für eine spannende Unterhaltung.

Der deutsche Autor Sven Koch lässt seinen neuesten Thriller „Kalte Sonne“ in Dänemark spielen. Ein etwas außergewöhnliches Setting, die eigentlich kann die Story des Buches in jedem x-beliebigen Land spielen. Warum dann der Autor versucht als Trittbettfahrer auf dem skandinavischen Thrillerzug aufzuspringen erschließt sich nicht.

Die Handlung von „Kalte Sonne“ ist schlichtweg „einfach“ hingeschrieben. Eine junge, glückliche Familie – der Mann begeht aus unerfindlichen Gründen Suizid. Jahre später entdeckt seine Tochter in den Nachrichten den Mann wieder, den sie nur aus Fotos kennt. Die Ehefrau anfänglich noch skeptisch, recherchiert und ermittelt auf eigene Faust und findet sich wenig später in einer nationalen Verschwörung wieder.....

Atmosphärisch gesehen, geht der Handlung nach den ersten hundert Seiten, die Luft aus. Weder die Charaktere – egal ob Haupt- oder Nebenfiguren überzeugen emphatisch – egal ob negativ, oder positiv. Sie sind da ....- ja und? Innerhalb einer Handlung fast unsichtbar zu wirken – ist dem Autor gelungen. Aus jedem Charakter hätte man charakteristisch mehr modellieren können. Erste Chance vertan.

Die Handlung hatte überragende Chancen zu überzeugen. „Hatte“ – denn auch hier hat Sven Koch fließende Chancen vertan. So ein aktuelles und brisantes Thema, gesellschaftlich, kulturell und auch politisch nicht weiter auszubauen um sich dann haltlos nach einem Spannungsabbau inmitten der Handlung, überschlagend in einem Showdown wiederzufinden, wirkt einfach nur gehetzt.

Die Perspektive der Ehefrau und Mutter nimmt viel zu viel Raum ein. Keine Nebengeschichten, in denen sich die Figuren entwickeln und profilieren können – die Nebenfigur des pensionierten Polizisten wäre prädestiniert gewesen, um diesen in einem interessanten für die Handlung wichtigen Fokus zu bringen – aber nein – auch hier nicht genutzt.

Stattdessen viel Selbstmitleid der Hauptfiguren, viel Melancholie – und dann wieder wilder Aktionismus, der dramatisierend wirkt, aber am Ende nicht überzeugt. An meisten verärgert es mich, dass die Aktualität der oben genannten Themen nur beiläufig eingebaut wurde. Wenn man schon so etwas einbaut – dann bitte doch konzentriert und nachhaltig und nicht als Lückenbüßer.

Fazit

„Kalte Sonne“ von Sven Koch ist ein enttäuschender Krimi. Inhaltslos unauffällig – atmosphärisch undicht und die Figuren so schlecht konzipiert, dass ich diesen Roman nicht empfehlen kann.

Michael Sterzik


Dienstag, 13. März 2018

Die letzte Schlacht - Herrscher des Norden von Ulf Schiewe

Die Trilogie um den norwegischen Wikingerkönig Harald Hardrada von Ulf Schiewe findet nun seinen Abschluss mit dem gerade erschienenen Titel: „Die letzte Schlacht“.  Der dritte Band schließt unmittelbar an seinen Vorgänger an. Noch immer befindet sich der zukünftige König mit seinen Nordmännern in Konstantinopel inmitten einer Palastrevolte, einer Rebellion. Seinem Gewissen folgend, beteiligt sich der junge Krieger aktiv am Sturz des Herrschers um die Kaiserfamilie wieder an die Macht zu bringen. Es gelingt ihm unter Verlusten den Despoten abzusetzen, doch wenig später verlangt es Harald in dieser unruhigen Zeit, Konstantinopel zu verlassen. Mit seinem angesammelten Reichtum an Beute und Sold, ist er in seinem Heimatland Norwegen eine Bedrohung für seinen amtierenden Neffen Magnus, der inzwischen auch König von Dänemark ist.

Er ist bereit seinen Anspruch auf den norwegischen Thron notfalls mit Gewalt einzufordern....

„Die letzte Schlacht“ von Ulf Schiewe ist der krönende Abschluss einer hervorragend erzählten Saga um König Harald, auch der Harte genannt. Insgesamt etwas leiser erzählt, überzeugt der Titel allerdings durch einen überlegenen Spannungsaufbau. Es wird weniger das Schwert und die Axt geschwungen, doch gibt es an dieser Stelle auch scharfe Dialoge und dramatische Entwicklungen, die überzeugen.

Macht korrumpiert – Macht verlangt nach Durchsetzung und Gewalt  - gerade diese Entwicklung, die seine Figur Harald nun alles abverlangt, ist spannender als jede erzählte blutige Schlacht. Die gab es in den letzten Bänden genug – „Die letzte Schlacht“ gibt uns den Einblick, dass die Königswürde eine Bürde sein kann, und ob diese nun glücklich, oder auch einsam macht, kann man so oder so interpretieren. Ulf Schiewe lässt Harald alle Himmel und Höllen durchlaufen. Die Atmosphäre des Romans ist demnach außerordentlich intensiv und auch hier hat der Autor stilistisch noch einmal nachgelegt.

Beschäftigt man sich mit der historischen Figur, stellt man fest, dass Ulf Schiewe sich brillant an die herkömmlichen Fakten und Quellen orientiert hat. Die Gewichtung an historischen Protagonisten, die hier zu Wort und Tat kommen, ist außerordentlich hoch – erdachte Nebenfiguren haben natürlich eine gewisse Daseinsberechtigung und fügen sich in die Rahmenhandlung gut ein.

Ulf Schiewe lässt Harald in einem sehr wirklichkeitsnahen Bild erscheinen. Sympathie für diese Figur kommt zwar auf, aber einige seine Handlungen und Entschlüsse lassen diesem in keinem rühmlichen Licht erscheinen. Aber diese Epoche lässt es auch nicht zu, dass man gerade auf den Thron sitzend nur mit Mitgefühl und Gnade herrschen kann – nicht in einer Zeit, nicht bei den Wikingern, bei denen Härte und Gewalt zum Alltag gehören. Ulf Schiewe lässt einen tiefen Blick auf einem weiten Eskalationsraum werfen. Jeder Funke, jede Handlung oder auch nicht Nichthandlung und schon entsteht ein Flächenbrand, der ggf. sich nicht nur in Norwegen, sondern auch Schweden und Dänemark breitmachen könnte. Das Recht des Stärkeren – ist die Botschaft der „Herrscher des Nordens“.

Dadurch, dass der Roman so nachhaltig gut erzählt wird, hätte ich mir gewünscht, dass gerade der Part um den „König“ Harald und seiner Herrschaft gründlicher und vor allem länger erzählt ausgefallen wäre.

Ulf Schiewe ist einer der Autoren von historischen Romanen, die den Kriegern auch eine menschliche und sensible Seite zeigen können. Nicht immer glorreich, sondern auch mit vielen Fehlern und Fehlentscheidungen lebendig erzählt.

Schlachten, Krieg, Gewalt, Blut, Opfer....ja klar, gehört alles zu den rauen Wikingern, aber die leisen Töne der „menschlichen“ Seiten dieser Nordmänner werden brillant geschildert.

Fazit

„Die letzte Schlacht“ aus der Reihe „Herrscher des Nordens“  von Ulf Schiewe ist der stärkste, dieser Reihe. Laute Kriegseinsätze, blutige Schlachten, fein gesetzte Dialoge und schwierige Politik und natürlich auch nicht immer die glückliche Liebe lassen diese Trilogie brillieren.

Ganz Stark Herr Schiewe. Ein lauter Wikingerroman mit leisen Tönen und perfekt orchestriert.

Michael Sterzik


Freitag, 9. März 2018

Odins Blutraben - Herrscher des Nordens - Ulf Schiewe

Nach dem ersten Teil der Wikingersaga um dem Norwegischen König Harald Hardrada ist nun auch der zweite Teil: „Odins Blutraben“ von Ulf Schiewe im Münchner Verlag Knaur erschienen.

Erzählte der erste Roman noch vom Fall seiner königlichen Familie und seiner Flucht ins Exil mit einigen seiner Freunde und Krieger, ist nun Harald erwachsen geworden. Bei einem Großfürsten der Rus erkämpfe sich der junge Wikingerfürst den Ruf eines kompetenten Söldnerführers. Mitsamt seinen Nordmännern die außer dem Kriegshandwerk nicht gelernt haben, wird dieser nach Kiew beordert. Die große Stadt befindet sich in enormer Gefahr. Ansässige Steppenreiter, Tausende von ihnen bedrohen die Region und die Stabilität des Reiches. Als der Großfürst wenig später familiäre Bande mit Harald schließen möchte und ihm die Hand seiner Tochter anbietet, treibt den jungen Mann die Gier, nach Reichtümern, ins ferne  Konstantinopel. Ebenfalls als Söldner bekämpft er die Piraten und befriedet das Mittelmeer, doch seine Vergangenheit holt ihn immer wieder ein, und als er als Spielfigur in die Machtkämpfe um den Thron einbezogen wird, findet er sich in einer mörderischen Schlangengrube wieder...

Der erste Teil der Trilogie hatte seine inhaltlichen Schwächen – atmosphärisch überzeugte er mich nicht unbedingt. Der zweite Teil ist neben seinem Hauptprotagonisten erwachsen geworden. Starke positive Entwicklung, keine überzeichneten Charaktere mehr und eine spannende Atmosphäre die nicht abfällt, sondern anhält. Auch wenn der Dreh- und Angelpunkt natürlich der spätere König Harald ist – so ist er seinen frechen Flegeljahren entwachsen und stellt sich seinen Herausforderungen. Ein selbstbewusster starker Anführer einer kleinen, aber effektiven Armee von Nordmännern. „Band of Brothers“ des Nordens.

Stärke hin oder her – auch Harald ist ein verletzbarer Mensch und auch in diesem Roman wird er persönlich leiden und an seine Grenzen stoßen. Betrachten wir die vorherrschenden Charaktere, so sind diese überschaubar positioniert und bilden einen engen Kreis. Allerdings gibt es in „Odins Blutraben“ keine Nebengeschichten – Figuren ja und eine Menge an Statisten, aber Ulf Schiewe konzentriert sich maßgeblich auf zwei Handlungsstränge – die Kämpfe um Kiew und zu guter Letzt die Unruhen in Konstantinopel, die in bürgerkriegsähnliche Zustände eskalieren.

Ein besonderes Verhältnis entsteht allerdings zu seinem Erzfeind und zeitweisen verbündeten Sigurd – dito ein Wikinger, verschlagen, grausam und verdammt unberechenbar. Augenzwinkernd nicht unbedingt der personifizierte Bad Guy, doch interessant und vielschichtig konzipiert. Natürlich darf sich das tragische Rad der Liebe auch mal drehen, aber Romantik sollte man nicht erwarten.

Der Autor befasst sich in diesem Roman nicht intensiv mit der Lebensart der Wikinger. Über die klassische Erwartungshaltung der wilden Männer aus dem Norden kommt man nicht hinaus, also wenige internes über die einflussreichen räuberischen und rauen Gesellen. Man vermisst das allerdings auch zu keinem Zeitpunkt.

Ulf Schiewe wandelt ein wenig auf den Spuren des erfolgreichen britischen Autors Bernard Cornwell, der mit seiner eigenen Wikingersaga Uthred eine Beachtungswerte Reihe erschaffen hat. Atmosphäre und detailreich bei der Darstellung von kriegerischen Auseinandersetzungen wird sich nichts geschenkt. Es geht brutal und blutig zugange – aber das erwartet man ja auch. Packend lässt Ulf Schiewe die Brutalität des Schlachtfeldes aufleben.
Doch es gibt auch ein Gewissen – das Harald und die starken Männer lenkt und antreibt. Als Söldner kämpft und tötet man fürs Geld – aber es gibt noch mehr für das man kämpfen mag. Diese leisen Töne und Dialoge die Ulf Schiewe hier präsentiert sind sehr gut und auch dieser Part ist wie die Verteidigung von Kiew und die Geschehnisse in Konstantinopel historisch mit Quellen belegt.

„Odins Blutraben“ ist ein historischer Roman – natürlich nimmt sich ein Autor immer etwas künstlerische Freiheit heraus, aber Ulf Schiewe hat perfekt anhand vieler Quellen und Überlieferungen recherchiert und geschichtliche Lücken passgenau interpretiert.

Fazit

„Odins Blutraben“ ist ein historischer Roman mit vielen Gesichtern. Außerordentlich gut recherchiert, noch besser erzählt und ungemein spannend, lässt er die rauen Männer auf die Leser los.

Ich freue mich auf den Abschluss der Saga um Harald – der Geschichtsinteressierte Leser wird sich mit seinem Schicksal schon befasst haben, aber der Weg nach Walhalla ist blutig und verlustreich.

Großartiger, spannender Roman. Axt und Schwert werden Odins Blutraben weitere Krieger in die nordischen Hallen schicken müssen.

Michael Sterzik