Sonntag, 4. Mai 2025

Die Tribute von Panem L. Der Tag bricht an – Suzanne Collins


Brot und Spiele - wenn in einer Arena getötet wird, nur um sich zu amüsieren, ist das für uns schwer vorstellbar. Und doch gab es dieses makabre Spektakel eines morbiden Vergnügens vor Tausenden von Jahren, und wahrscheinlich gibt es diese im Schatten unserer ethisch-moralischen Welt immer noch.

Suzanne Collins hat vor einigen Jahren eine Dystopie veröffentlicht, die genau dieses Thema behandelt. Kinder oder Jugendliche aus verschiedenen Distrikten müssen sich in einer kontrollierten Arena gegenseitig töten. Eine Strafe und Mahnung an die Distrikte, sich nie wieder einer Rebellion anzuschließen - „Die Tribute von Panem“.

Für Jugendliche und Junggebliebene eine sehr erfolgreiche Buch- und Filmreihe. Nicht nur, um eine gewisse gnadenlose Brutalität zu zeigen, sondern auch, um zu zeigen, was solche staatliche Gewalt mit jungen Menschen machen kann und wie daraus ein Funke der Rebellion und des Aufbegehrens gegen ein totalitäres System werden kann.

Wenn du dazu bestimmt bist, alles zu verlieren, was du liebst, wofür lohnt es sich dann noch, zu kämpfen? Als der Tag der Ernte anlässlich der Fünfzigsten Hungerspiele anbricht, erfasst Angst die Distrikte von Panem. In diesem Jahr werden zu Ehren des Jubel-Jubiläums doppelt so viele Tribute aus ihrem Zuhause gerissen. In Distrikt 12 versucht Haymitch Abernathy, nicht allzu sehr über seine Chancen nachzudenken. Alles, was ihn interessiert, ist, den Tag zu überstehen und bei dem Mädchen zu sein, das er liebt. Als Haymitchs Name aufgerufen wird, spürt er, wie all seine Träume zerbrechen. Er wird von seiner Familie und seiner großen Liebe getrennt und zusammen mit den drei anderen Tributen aus Distrikt 12 zum Kapitol gebracht: einer Freundin, die fast wie eine Schwester für ihn ist, einem besessenen Quotenmacher und dem arrogantesten Mädchen der Stadt. Als die Spiele beginnen, wird Haymitch klar, dass er nur verlieren kann. Aber etwas in ihm will kämpfen - und diesen Kampf weit über die tödliche Arena hinaus klingen lassen. (Verlagsinfo) 

In dem vorliegenden Roman werden verschiedene Figuren aus der Trilogie aufgegriffen, die dem Rezipienten bereits aus vorhergehenden Werken bekannt sind. Die Handlung setzt jedoch zu einem früheren Zeitpunkt ein. Allerdings manifestiert sich bereits eine Rebellion. Obwohl die Saat erst Jahre später aufgeht, gelingt es der Autorin, die Welt von Panem inhaltlich viel komplexer darzustellen.

Suzanne Collins hat es durch die Schaffung von charakterstarken Figuren ermöglicht, eine nachhaltige psychologische Bühne zu erschaffen. Der Kampf in der Arena nimmt das letzte Drittel des Romans ein, davor wird die Hauptfigur Haymitch mit den Vorbereitungen beschäftigt und eine Vielzahl von Haupt- und Nebenfiguren werden vielseitig um ihn gruppiert und in Position gebracht. Des Weiteren begegnen wir Präsident Snow sowie Plutarch, der die Situation mit einer gewissen souveränen Gelassenheit zu kontrollieren scheint, als sei er ein erfahrener Marionettenspieler, der die Fäden seiner Marionetten in seiner Hand hält.

Die Autorin zeigt klar auf, wie Menschen für eine übergeordnete Idee instrumentalisiert werden. Die Liebe zu einer Person, einer Sache oder dem Ideal der Freiheit ist der zentrale Gedanke der gesamten Handlung sowie der Reihe.Das totalitäre Regime des Kapitols zeigt noch viel mehr: Es ist menschenverachtend und brutal. Ich sage euch: Das ist alles Show! Das ist eine einzige große Manipulation, mit der sie dem Volk einen Gedanken von Wohlstand und Freiheit suggerieren. In den Distrikten wird mit dem Tod bestraft, wer auch nur den Hauch von Widerworte zeigt oder den geringsten Verdacht einer Auflehnung äußert.

Suzanne Collins schildert die erbarmungslosen Kämpfe in der Arena drastischer und blutiger als noch in der ersten Trilogie. Hier findet ein guter Ausgleich zwischen vielen Emotionen und blutigem Aktionismus statt. Das hält die Spannung und den Unterhaltungswert auf hohem Niveau.

Es ist egal, ob dem Leser der Ausgang und natürlich Haymitch als Sieger bekannt ist. Es geht nicht um das, worum es scheint. Es geht um seine persönliche Entwicklung und darum, später zu einer Schlüsselfigur der Rebellion zu werden.

Der vorliegende Titel dieser Reihe ist damit der wichtigste und auch der beste. Inhaltlich außerordentlich emotional und auch mitunter brutal drückt die Autorin sehr konsequent und kompromisslos auf unsere Emotionsknöpfe. 

Zum Teil finde ich es immer noch sehr schade, dass man nicht über die Vergangenheit von Panem erfährt! Wo liegt Panem? Was ist mit der übrigen Welt? Es gibt hier noch unzählige Fragen, auf die wir bislang keine Antwort erhalten haben. Vielleicht hält sich die Autorin auch noch hier zurück, um zu einem späteren Zeitpunkt erzählt zu werden. 

Fazit

„Der Tag bricht an“ ist inhaltlich der spannendste Teil dieser großartigen Reihe. Emotional nachhaltig, eine konsequente atmosphärische Härte, mit wenig Überraschungen, dafür einen durchaus kritischen Blick auf ein kriminelles Regime. 

Michael Sterzik

Freitag, 2. Mai 2025

24 Stunden unterwegs alten Rom - Philip Matyszak


Die ewige Stadt - der Mittelpunkt der Welt - das antike Rom - so und noch viel mehr lässt sich diese Stadt beschreiben. Eine Metropole, die eigentlich auch ein einziges großes Freilichtmuseum ist. Hinter jeder Ecke verbirgt sich ein Monument, sei es eine Statue, ein Denkmal, eine Säule, vielleicht auch ein Triumphbogen oder eine historische Ruine, die in der römischen Kaiserzeit ein imposantes Gebäude des ohnehin schon großen Stadtzentrums war.

Die Stadt und ihre Bewohner haben Geschichte geschrieben, Politik, Kultur und Religion auf unserem Planeten beeinflusst. Rom ist unsterblich geworden und wird immer die Aura einer gewissen Mystik um sich haben. Die Römer waren besessen von ihrer Macht, von ihrem Einfluss, den sie anderen Ländern mit brutaler Überzeugungskraft aufzwangen, und die Geschichtsbücher und Quellen zeugen vom Aufstieg und Fall dieser Weltmacht.

Doch wer waren diese Menschen in dieser multikulturellen Metropole und wie lebten, dachten und fühlten sie? Inzwischen haben Forschung und Wissenschaft plausible Antworten auf die Gestaltung des einfachen Alltags dieser Menschen, die so waren wie du und ich - oder doch etwas anders.

Die römische Epoche war eine aufregende Zeit, in der es viele einfache Berufe gab, die auch heute noch existieren. Außerdem gab es zahlreiche Männer und Frauen, die sich in der Politik und Intrige wiederfanden. Schon vor zweitausend Jahren gab es gesellschaftliche Zwänge und eine gewisse Erwartungshaltung – wie spannend!

Wir kennen sie aus Filmen und Büchern: die Wirtsleute, die Kaufleute oder sogar die Priesterinnen. Aber was wissen wir wirklich über ihren Alltag? Absolut richtig! Da fehlt es eindeutig an etwas! Der Historiker Philip Matyszak hat sich auf die römische Geschichte spezialisiert und lässt uns in einer atemberaubenden Zeitreise 24 Stunden lang teilhaben am Leben von Menschen, die zwar historisch unwichtig waren, die aber durch ihre Arbeit maßgeblich dazu beitrugen, dass Rom zur Weltmacht aufstieg.

Spätsommer 137 n. Chr. – das Römische Reich ist auf dem Höhepunkt seiner Macht und Blüte. Die Hauptstadt Rom ist der Nabel der Welt, ein prosperierender Hotspot, der Menschen aus allen Teilen des Imperiums anzieht. Doch wie gestaltet sich ihr Alltag? Welche Sorgen, welche Ängste, welche Hoffnungen und Wünsche treiben sie um? Dieses Buch führt uns 24 Stunden lang an der Seite von 24 Bewohnern durch das antike Rom. Vom Sklaven bis zum Senator, von der vestalischen Jungfrau bis zur Prostituierten, von der Wäscherin bis zum Gladiator – 24 Biografien, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, zeichnen ein faszinierendes und fesselndes Bild des pulsierenden Lebens der »ewigen Stadt« am Tiber unter Kaiser Hadrian.(Verlagsinfo) 

"24 Stunden im alten Rom" ist kein spannender Roman, sondern ein echt gutes Sachbuch. Es ist in 24 Kapitel unterteilt, die jeweils einen anderen Beruf behandeln. Die Biografien sind echt interessant und geben uns vielleicht ein besseres Bild vom Römischen Reich. Es geht nicht nur um die detaillierten Beschreibungen der Jobs, sondern auch um die Gedanken, Ängste und Hoffnungen der Menschen im Schatten von Rom. Ihre Gedanken waren da nicht anders als die unserer Zivilisation. Genauso wichtig war die gesellschaftliche Rolle, der eigene Einfluss und die Religion. Die Geschichten sind manchmal miteinander verwebt und manchmal komplexer als man denkt. Die Traditionen und der Aberglaube, der auch in der Religion eine Rolle spielte, waren schon interessant. Letztlich war das Leben aber nicht viel wert. Man hat überlebt und gelebt, um Rom zu dienen. Es ist echt wichtig, die richtigen Leute zu kennen. Ein einzelnes Wort, ein vergessener Gruß oder andere kleine Dinge können dir das Leben kosten. Es gab bestimmt viele gesellschaftliche Minenfelder.

Philip Matyszak erzählt all diese kleinen Schicksale auf sensible und feinfühlige Art und Weise. Er lässt uns hinter die Kulissen dieser Stadt blicken und in die Gedankenwelt seiner 24 Protagonisten. Diese haben uns sehr viel erzählt.

Historische Aussagen von Cicero oder Plinius dem Jüngeren bringen uns direkt in deren Gedankenwelt, wenn sie sich als "Notiz" in der Kurzgeschichte einmischen. Diesen Zeichnungen, Beschreibungen und Bildern von Menschen, Werkzeugen und Alltagsgegenständen, die uns bekannt sein dürften, kommt eine entscheidende Bedeutung zu.

"24 Stunden im alten Rom" mag uns zwar keine 24 Stunden Lesezeit bereiten, aber diese kleinen Geschichten wecken definitiv unser Interesse, eine oder andere zu recherchieren.

Geschichte kann nüchtern und uninteressant erzählt werden, hier finden wir das genaue Gegenteil von "langweilig" und zäh. Leser historischer Romane, die die römische Kaiserzeit interessant finden, werden von diesem Buch begeistert sein.

Fazit

24 brillante Momentaufnahmen, die uns via Zeitsprung in den Alltag der Menschen katapultieren. Lehrreich, interessant aufbereitet und ein Titel, der auch im Geschichtsunterricht in Schulen seinen Platz finden könnte. 

Michael Sterzik

Sonntag, 20. April 2025

Der Verräter - Anthony Ryan


Ein Freiheitskampf ist unberechenbar - die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen. Alle Motive und Ideale können eine gewisse Eigendynamik entwickeln, denn wenn man über Macht und Einfluss verfügt, kann das auch verführerisch sein. Es entsteht eine Radikalität, die alles in einem gewissen Umkreis völlig zerstören kann - unabhängig von den Zielen, für die man vorher eingetreten ist. 

So entstehen Bürgerkriege - und es ist vielleicht der schlimmste Krieg, wenn Brüder gezwungen werden, gegen andere Brüder zu den Waffen zu greifen.

Anthony Ryan nimmt diese Thematik in seinem abschließenden Roman der Reihe: Der stählerne Bund: „Der Verräter“ auf. 

Es war eine lange Reise für Alwyn Scribe. Als Bastard geboren und als Geächteter aufgewachsen, ist er jetzt ein Ritter und der engste Berater von Lady Evadine Courlain. Gemeinsam haben sie unzählige Schlachten gewonnen und dazu beigetragen, Ordnung in ein zerrüttetes Königreich zu bringen.

Evadine Courlain ist schon längst nicht mehr die Frau, die Alwyn einst kannte und für die er durchs Feuer gegangen wäre. Als puritanische Wut zunehmend ihren wohlwollenden Glauben ersetzt, beginnt Alwyn sich zu fragen, was ihre wahren Motive sind und ob er diesen eigentlich noch dienen will. Während sich das Königreich also für eine letzte Schlacht rüstet, kämpft Alwyns Gewissen seinen eigenen Krieg – mit seinem Herzen. Jetzt muss er sich final entscheiden, auf wessen Seite er wirklich steht.(Verlagsinfo) 

Die Grenzen fallen - die Grenzen zwischen einem „gerechten Krieg“, einer Prophezeiung, dem uralten Kampf zwischen dem elementar Guten und dem radikal Bösen, zwischen Freundschaft und verhängnisvoller Liebe. Im letzten Band konzentriert sich der Autor auf die Figuren, die sich ihrer Taten bewusst werden. Und so ein Aufschrei des eigenen Gewissens kann ein Echo erzeugen, das sich wie ein Tsunami ausbreitet. 

Kriege entstehen oft aus politischen und religiösen Motiven und verschwinden später hinter den Kulissen, weit weg von dem, wofür man gekämpft hat. Die Unschuld ist oft eines der ersten Opfer. 

Alywin Sribes Karriere und sein Schicksal lagen nie wirklich in seiner Hand. Wie eine Marionette, wie eine Schachfigur wurde er manipuliert und mal hierhin, mal dorthin geschoben. Und obwohl er ahnte und später wusste, dass sich die Eskalationsspirale drehte, konnte er sein eigenes Handeln nicht stoppen. Seine Perspektive zieht sich erzählerisch durch das ganze Buch - das ist manchmal etwas schade, denn es wäre von Vorteil gewesen, auch in die Gefühlswelt der anderen Hauptpersonen einzudringen.

Anthony Ryan lässt leider in allen seinen Romanen das Ende der Trilogie erahnen, es sei denn, es geht weiter - und das kann es durchaus. 

Interessant ist, wie Ryan uns eine Welt zeigt, in der vor allem Religion und alte Prophezeiungen die Ursache für unsägliches Leid und Tod sind. 

Anthony Ryan erzählt viel vom "Leben und Sterben" und auch in diesem Band endet das Leben für die eine oder andere Figur, was der Geschichte eine unfassbare Realität verleiht. 

Das Ende des Romans und der Reihe ist versöhnlich, nicht überraschend und der Autor nimmt sich die Freiheit, die Reihe fortzusetzen.

Fazit

Der Gesetzlose, der zum Ritter und Verräter wurde. Eine Serie, die zu den besten Fantasy-Veröffentlichungen der letzten Jahre gehört.

Michael Sterzik

Freitag, 18. April 2025

Einsteigen Warum das Bahnfahren immer noch die schönste Art zu reisen - Titus Müller


Ist Bahnfahren immer schrecklich, weil man vielleicht vergeblich auf den Zug wartet, der Zug zu spät kommt und man seinen Anschlusszug nicht mehr erreicht, oder weil die Mitreisenden nur nerven, vielleicht ist auch noch die Toilette defekt oder das Bistro verlangt Preise jenseits unserer Vorstellungskraft? Das ist sicher alles richtig, und als professioneller Bahnreisender habe ich in den letzten dreißig Jahren wohl so ziemlich alles an Katastrophen mit der Bahn erlebt. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn es gab auch schöne Erlebnisse, Züge, die mich tatsächlich pünktlich an mein Ziel brachten, tiefsinnige, ernste und lustige Gespräche mit meinen Sitznachbarn. Und bei rund 250 Stundenkilometern im ICE kann man beim Blick auf die Landschaft durchaus ein Gefühl der Entschleunigung bekommen. Und manchmal auch eine meditative Soziologie des Lebens selbst.

 

Es gibt viele Vorteile, ebenso viele Nachteile und jeder muss für sich selbst entscheiden, wie und mit welchem Stress oder Vergnügen er Hunderte oder gar Tausende von Kilometern zurücklegen möchte. 

 

Titus Müller hat mit seinem neuesten Buch “Einsteigen“ - Reisen mit der Deutschen Bahn eine Lanze gebrochen. Als Autor reist er vor allem mit der Bahn von Lesung zu Lesung, von Interview zu Interview und erzählt von seinen Erlebnissen mit der Bahn in Europa, in den USA und natürlich in Deutschland. Es ist eine kleine Liebeserklärung und lässt Bahnkritiker darüber nachdenken, ob wirklich alles so dramatisch ist, wie es immer dargestellt wird. Um es vorweg zu sagen: Nein, das ist es nicht.

 

Für Bestsellerautor Titus Müller ist das Bahnreisen immer noch die schönste Art zu reisen. In Einsteigen erzählt er von eigenen Erlebnissen rund um das Zugfahren, nimmt uns mit in einen Nachtzug nach Venedig, begegnet Eisenbahn-Enthusiast:innen und erkundet, wie das Bahnfahren unser Lebensgefühl, unser Miteinander und übrigens auch unsere Zeitmessung beeinflusst hat. Mit feinem Humor, entwaffnender Menschenkenntnis und erzählerischer Raffinesse ermuntert er uns, sich auf die unwägbaren Begegnungen und Erfahrungen beim Bahnfahren einzulassen, denn im Zug sitzen wir selten allein. So kann jede Bahnreise zum Genuss werden - und unsere ewige Sehnsucht sowohl nach Verbundenheit als auch nach der Ferne stillen. (Verlagsinfo) 

 

Das kleine Buch ist großartig, und vielleicht ist Titus Müller mit diesem Titel zum Botschafter aller Eisenbahnen geworden. Mit viel Gefühl, noch mehr Humor und entwaffnender Ehrlichkeit erzählt er von seinen Erlebnissen und Begegnungen im Zug. Er öffnet seine Schranken und schenkt dem Leser eine Fahrkarte für unterhaltsame Stunden, die uns zeigen, dass Reisen uns immer auch das Gefühl gibt, selbst Ausgangspunkt und Ziel zu sein. 

 

Im Zug reisen Menschen unterschiedlichen Alters, Herkunft, Religion, Wissens usw. - und wo sonst haben wir die Möglichkeit, mit ihnen in einen heiteren Dialog zu treten? Die Sehnsucht des Autors, „Menschen“ zu beobachten, kennen zu lernen und vielleicht einen weiteren Blickwinkel zu bekommen, beschreibt er in vielen Erlebnissen, die wir auch haben könnten oder noch haben werden.

„Einsteigen“ hat auch etwas mit „Aussteigen“ aus dem Alltag zu tun. Mit den anderen Reisenden bilden wir eine Zweckgemeinschaft, eine Gruppe von Brüdern und Schwestern, eine Gruppe, die vielleicht nicht nur das gleiche Ziel vor Augen hat, sondern auch das gleiche Schicksal? Alles ist möglich und eine Reise kann sehr abenteuerlich sein. Man weiß, wo man hin will - aber die gedanklichen Umwege, die man nimmt, die kennt man nicht. 

 

Titus Müller lässt auch Vergleiche mit anderen Ländern zu, das ist sehr interessant und zeigt auch deutlich die Defizite auf, die wir in Deutschland haben. Aber auch hier geht es nicht um perfekte Technik auf Schienen - auch hier stehen die Menschen im Mittelpunkt, die uns helfen, von A nach B zu kommen.

 

Fazit

 

Nehmen Sie sich Zeit, steigen Sie ein in dieses Buch und begleiten Sie Titus Müller auf seinen Reisen. Vielleicht treffen wir ihn im Abteil, im Bistro oder auf dem Bahnsteig. Wir Menschen reisen immer - das liegt in unserer Natur, und wir lernen dabei immer dazu. Das ist großartig.

 

Michael Sterzik 

Mittwoch, 12. März 2025

Im Wind der Freiheit - Tanja Kinkel


Um 1830 waren die Rechte der Frauen außerordentlich eingeschränkt. Ihr Schicksal wurde ausschließlich von Männern bestimmt. Das Recht auf Bildung, auf ein selbstbestimmtes Leben, auf freie Meinungsäußerung, auf freie Berufswahl usw. - für uns heute in den Grundrechten verankert - mussten sich die Frauen damals erst erkämpfen. Und dieser Kampf war für Frauen wie Louise Otto, die unter anderem die Hauptrolle in diesem Roman spielt, mehr als schwierig. 

Politische, kulturelle und sozialkritische Themen wurden immer wieder torpediert, aber auch unterstützt, nicht zuletzt von Männern, deren intellektueller Zeitgeist zur Revolution beitrug. 

Louise Otto war zeitlebens Schriftstellerin, Vorkämpferin für Frauenrechte und später auch Gründerin und Leiterin von Frauenvereinen. 

Der vorliegende Roman “Im Wind der Freiheit“ von Tanja Kinkel greift diese Themen in einem informativen Roman auf.

1848: Die Menschen im Deutschen Bund erheben sich gegen die Macht der Fürsten und der Zensur. Während Deutschland die Morgendämmerung der Demokratie erlebt, finden in den Wirren der Zeit zwei ungleiche Frauen zueinander: Die arbeits- und mittellose Susanne, die sich auf einen gefährlichen Auftrag eingelassen hat – und die mutige Schriftstellerin und unbeirrbare Demokratin Louise Otto. Seite an Seite kämpfen sie für Freiheit und Selbstbestimmung in einer Revolution, die trotz ihres Scheiterns das Land für immer verändern wird. (Verlagsinfo)

Die Französische Revolution war einer der Funken, der diesen Sturm für die Gleichberechtigung der Frauen auslöste. Wir können uns heute nicht mehr vorstellen, wie die Arbeitsbedingungen in den Fabriken waren und welche Abhängigkeiten entstanden. Die Armut trieb viele Frauen in die Prostitution, ein Schicksal, das auch die zweite Hauptfigur Susanne erleidet, deren Weg sich mit dem von Louise Otto verbindet. 

„Der Wind der Freiheit“ ist leider nur ein spannender Luftzug. Der Unterhaltungswert ist eher spröde, die Atmosphäre leidenschaftslos erzählt. Die Emotionen der Frauen werden von der Autorin zwar beschrieben, aber zu nüchtern. 

Das Thema wird informativ und ausführlich erklärt, aber es gleicht eher einem mittelmäßigen Sachbuch mit vielen inhaltlichen Lücken. Man quält sich von Kapitel zu Kapitel durch das Buch, ohne mit den Personen oder dem Thema sympathisieren zu können.

Auch die Erzählweise ist zu eindimensional. Die Perspektive, die Ansichten und Ideale der dominanten Männerwelt werden kaum erzählt. Sie sind eigentlich die Bösen, bekommen aber keine Gelegenheit, sich zu positionieren. 

Die Recherchearbeit von Tanja Kinkel ist wie immer hervorragend, nur der Erzählstil hinkt deutlich hinterher. Auch vermisse ich ein Nachwort der Autorin. Wenn man ein so wichtiges, historisches Thema aufgreift - wo erklärt die Autorin dann Hintergründe etc. Es gibt nur ein kleines, überschaubares Quellenverzeichnis.

Fazit

Ein wichtiges Thema, leider ohne spannende Unterhaltung erzählt. Emotionslos, nüchtern - aber sachlich informativ. 

Wer sich für das Thema und die Hintergründe interessiert, dem empfehle ich ein Sachbuch.

Michael Sterzik

Montag, 10. März 2025

Die Komplizin – Steve Cavanagh


Wann kennt man seinen Partner wirklich gut? Ab wann kennt man seinen „Lieblingsmenschen“ mit all seinen Facetten - seinen Licht- und Schattenseiten?  Wobei die „dunkle“ Seite manchmal erschreckend abgründig sein kann. Macht Liebe also blind - oder gaukelt man sich eine heile Welt vor, weil man wenig Lust hat, durch Scherben zu laufen? 

Ein geradezu dramatisches Worst-Case-Szenario wäre es, wenn sich herausstellen würde, dass der fürsorgliche, liebende Partner, vielleicht sogar Vater gemeinsamer Kinder, ein Krimineller ist! Vielleicht sogar ein Mörder, der seine dunklen, krankhaften Triebe auslebt? Wie tragisch, wenn der Stimmungsseismograph wild ausschlägt und sich der Frontalangriff auf ein glückliches Leben als Vorposten zum Friedhof entpuppt.

Dieser emotionale Tsunami zerstört dann alles im persönlichen Umfeld und die Wellen der Gewalt sind nicht mehr aufzuhalten. Wird man „mitschuldig“, wenn man die Tat für möglich hält, oder ist man zu feige, vielleicht auch zu ängstlich, um den Partner mit Verdachtsmomenten oder gar Beweisen zu konfrontieren? 

Vielleicht übt die Gewalt aber auch eine morbide Faszination aus und die Partnerschaft nimmt „neue“ Formen an? Ein wahrer Alptraum und wer ist nun Täter und Opfer oder vertauschen/erweitern sich die Rollen? 

Im vorliegenden 7. Band der Eddie-Flynn-Reihe konfrontiert uns der Autor und ehemalige Anwalt Steve Cavanagh mit dieser Thematik.

Carrie Miller ist die meistgehasste Frau Amerikas. Ihr Mann Daniel hat vierzehn Menschen ermordet, bevor er verschwand. Nun steht Carrie als Komplizin des »Sandmanns« vor Gericht. FBI, Staatsanwaltschaft und Medien sind überzeugt, dass sie von den Taten wusste und Daniel gedeckt hat. Für ihren Anwalt Eddie Flynn wird es schwer, allen das Gegenteil zu beweisen. Doch er glaubt Carrie, dass sie keine Ahnung von der dunklen Seite ihres Mannes hatte. Erst im Laufe des Prozesses kommt ihm der Verdacht, dass sie ihm nicht die ganze Wahrheit gesagt hat. Unterdessen verlässt Daniel sein Versteck, um seine Frau vor einer lebenslangen Haftstrafe zu bewahren. Und jeder, der mit dem Fall zu tun hat, wird zur Zielscheibe...(Verlagsinfo) 

„Die Komplizin“ ist ein spannender Roman, der seine Spannung aus verschiedenen Perspektiven aufbaut. Die Hauptfigur Eddie-Flynn, ein ehemaliger Trickbetrüger und nun erfolgreicher Anwalt, hat den größten Anteil an der Erzählperspektive, aber auch die Ehefrau des vermeintlichen Serienmörders Carrie Miller erklärt sich in Rückblenden mit Tagebuchaufzeichnungen, während der „Sandmann“ selbst über seine Taten spricht. Letzteres leider manchmal zu oberflächlich, ich hätte mir mehr Rückblenden gewünscht, die seinen Charakter und seine Motive etwas transparenter gemacht hätten.

Die offensichtliche Wahrheit über die „Komplizin“ ist dann doch verstörend und überraschend. Erwähnenswert ist auch, dass die Handlung ein hohes Tempo hat, die Ereignisse sich manchmal überschlagen und leider am Ende die Gedankengänge von Eddie Flynn etwas auf der Strecke bleiben. Es wird auch persönlich für Flynns Verteidigungsteam - und vielleicht wird das Team noch um eine Person erweitert - ein ehemaliger FBI-Agent, der erst schießt und sich dann als Staatsanwalt, Richter und Vollstrecker sieht. Eine ausbaufähige Figur. 

Der vorliegende Band ist der 7. dieser Reihe - man kann die Titel unabhängig voneinander lesen, aber das kann ich nicht empfehlen. Viele Charaktereigenschaften, Freundschaften und Feindschaften beziehen sich immer wieder auf die vorherigen Bände. 

Die Verteilung der Haupt- und Nebenfiguren ist ausgewogen - konzentriert sich aber auf Eddie Flynn, der allen, aber auch wirklich allen, immer mindestens drei Schritte voraus ist. Gerade in diesem Band wirkt er manchmal nicht authentisch genug. Besonders interessant und abwechslungsreich ist aber seine persönliche Affinität, Zeugen, Richter und Staatsanwälte zu manipulieren - seine Trickkiste scheint hier keinen doppelten Boden zu haben. An originellen Ideen mangelt es hier also nicht - und flankiert von spannenden Ereignissen und Situationen macht er diese Serie zu einer der besten im Thriller-Genre. 

Auch „Die Komplizin“ ist kein reiner Justizthriller/Krimi. Als Leser nehmen wir zwar im Gerichtssaal Platz, aber leider gibt es dort viel zu wenige Szenen. Die rhetorischen Duelle zwischen den Zeugen oder zwischen Eddie-Flynn und dem Staatsanwalt sind nicht nur spannend, sondern auch eine Momentaufnahme, wie die Justiz und die Geschworenen mit Theatralik und gespielter Dramatik manipuliert werden.

Fazit

Ein raffinierter und origineller Spannungsbogen, der eine gewisse Sogwirkung entfaltet. Ein authentischer Thriller, der manchmal etwas Wildwest-Charakter hat, aber empfehlenswert ist, wenn man über Recht und Gerechtigkeit nachdenkt.

Michael Sterzik 

Freitag, 7. März 2025

Amsterdam - Reiseführer von Baedekers


Amsterdam ist die Hauptstadt der Niederlande und mit fast einer Million Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt des Königreichs. Die von Grachten durchzogene Residenzstadt ist kulturell, politisch und gesellschaftlich eine der einflussreichsten Städte Europas. 

In Amsterdam vermischt sich moderne Architektur mit historischen Gebäuden, die ihre eigene Geschichte erzählen. Alles hier hat eine spektakuläre Atmosphäre, die man sofort spürt, wenn man durch die Straßen schlendert, in denen das Leben immer pulsiert. In angesagten Hotels, innovativen Cafés und schicken Boutiquen findet der Besucher etwas, das er vielleicht gar nicht erwartet. Die Leichtigkeit des Lebens ist in Amsterdam zu Hause.

Mit diesem Reiseführer verlieren Sie nie die Orientierung in dieser wunderschönen Stadt, die Sie vielleicht mehrmals besuchen müssen, um auch nur einen Bruchteil von dem zu sehen, was auf Sie wartet. 

Der handliche Reiseführer ist in fünf Kapitel unterteilt, denen jeweils eine Farbe zugeordnet ist. In den Kapiteln sind die Sehenswürdigkeiten in einer Liste zusammengefasst - die Top 10 der jeweiligen „Stadtteile“!

Kleine Stadt-/Straßenkarten helfen bei der Orientierung. Tolle Momentaufnahmen von Museen, Straßen, Plätzen und Gebäuden sind fotografisch fantastisch eingefangen. Natürlich gibt es auch praktische Tipps, die das Leben etwas leichter machen, z.B. Übernachtungstipps oder eine Auswahl an Restaurants - hier kann man sich auch durch 55 Esskulturen schlemmen. Guten Appetit!

Die Beschreibungen der einzelnen Sehenswürdigkeiten sind informativ und auch sehr kurz - also auf das Wesentliche konzentriert. 

Ich kann den Reiseführer sehr empfehlen. Schnelle Informationen, die Lust machen, diese tolle Stadt wieder zu besuchen. Der Reiseführer passt in jede Tasche, auch in eine große Jackentasche. Trotzdem empfehle ich, diesen Reiseführer vor der Reise zu lesen, denn die Möglichkeiten sind vielfältig, egal ob man den Sehenswürdigkeiten nachjagt, auf eine ausgiebige Shoppingtour geht oder sich ins Nachtgetümmel stürzt, hier ist für jeden Besucher etwas dabei.

Michael Sterzik