Montag, 6. Oktober 2025

Assassins Anonymous - Rob Hart


Der ernsteste Job der Welt trifft auf die absurdeste Therapiegruppe.
Das Genre ist bekannt für seine ernste Miene. Doch "Assassins Anonymous" bricht alle Regeln. Dieses Buch liefert nicht nur die spannenden Entwicklungen und raffinierten Täter, die Sie erwarten, sondern auch eine emotionale Tiefgründigkeit und einen unerwarteten Humor, der entwaffnet.


Im Mittelpunkt: die ultimative Sucht. Es geht nicht um Geld oder Rache – es geht um den Rausch des Tötens, der sich wie ein kurzfristiges Gottgefühl anfühlt. Die Täter jagen ihren nächsten Kick, aber sie jagen auch eine Lösung.
Und genau hier wird es verrückt: Statt Ermittlern, Zellen und Verhören gibt es nun... Gruppentherapie.


Kann tödliche Sucht geheilt werden? Ist der Mord zur Rettung vieler Leben eine Rechtfertigung oder nur eine Ausrede? Packend, provokant und brillant gemischt. Bereiten Sie sich auf einen Roman vor, der Sie lachen und nachdenken lässt, oft innerhalb derselben Seite.


Einst war Mark der gefährlichste Auftragskiller der Welt. Doch inzwischen hat er dieses Leben hinter sich gelassen und ist den Assassins Anonymous beigetreten, einer geheimen Selbsthilfegruppe für reumütige Auftragsmörder, und folgt deren Zwölf-Stufen-Programm.
Kurz vor seinem einjährigen Jubiläum wird Mark von einem mysteriösen Russen angegriffen, der ihn schwer verletzt und halbtot zurücklässt. Wissend, dass sein Angreifer zurückkehren wird, muss Mark schleunigst herausfinden, wer ihn umbringen wollte und warum. Aber wie soll er überleben, ohne rückfällig zu werden und selbst jemanden zu töten? (Verlagsinfo) 


Assassins Anonymous" ist ein Pageturner, der Ihre Erwartungen nicht erfüllen will.
Im Zentrum steht Mark, ein Mörder auf dem schmerzhaften Weg der Besserung. Sein verzweifelter Kampf, bei jeder körperlichen Auseinandersetzung nicht in die alten, tödlichen Muster zu verfallen, ist gleichzeitig amüsant und zutiefst rührend. Denn hinter der Fassade des Killers steckt ein Mann mit Empfindungen, der sich schmerzlich bewusst wird, was er getan hat.
Das Figurenensemble: Mörder, ja. Aber nicht Schwarz und Weiß.


Rob Hart verweigert die einfache Kategorisierung in Gut und Böse. Stattdessen beleuchtet er eine Selbsthilfegruppe voller Mörder – nette, vielschichtige Menschen, die alle vor dem gleichen Problem stehen: Der Drang zur Normalität ist ein endloser Maskenball, der ihre Seele zu zersplittern droht. Das überdimensionierte Puzzle dieser zerbrochenen Seelen wird zur Therapiestunde auf Lebenszeit mit ungeahnter Eigendynamik.


Philosophische Tiefe ersetzt den Betondeckel über die Taten.
Wer sind die Auftraggeber hinter den bestellten Tötungen? Sind sie nicht auch Handlanger des Todes, damit ebenso schuldig? Der Roman stellt die fundamentalen Fragen: Wann ist ein Mord gerechtfertigt? Die Antworten darauf gibt er uns nicht – die müssen wir uns selbst geben.
Mit Actioneinlagen von hervorragender Choreografie und dem konzentrierten Blick auf Marks persönliche Entwicklung (der Fokus liegt ausschließlich auf ihm und seiner prägenden Vergangenheit) zieht Hart Sie unwiderstehlich in die Geschichte. Am Ende werden Sie mit den Überlebenden sympathisieren und traurig sein, dass die Handlung zu Ende ist.


Fazit: Ein origineller Roman, der Spannung, eine Prise schwarzen Humors und tiefgreifende philosophische Gedankengänge vereint. Ein unterhaltsamer Pageturner, der anders ist – und gerade deshalb auf ganzer Linie überzeugt.

Michael Sterzik

Sonntag, 28. September 2025

Mörder unter uns - Hariett Drack


Hariett Drack entführt uns in ihrem neuesten Werk "Mörder unter uns" in eine Welt, in der das Böse oft ein vertrautes Gesicht trägt. Der nette Nachbar von nebenan, die langjährige Freundin, der eigene Partner – Menschen, die wir zu kennen glauben, entpuppen sich als Protagonisten düsterer Dramen. Drack beleuchtet die rätselhaften Facetten unserer Existenz, jene Momente emotionaler Überreaktion, die uns zu Taten treiben, die wir weder von uns selbst noch von anderen erwartet hätten.


Oft begegnen uns solche Individuen im Alltag, ohne dass wir ihre dunkle Seite erahnen. Wir neigen zu vorschnellen Urteilen, betrachten Taten als isolierte Momentaufnahmen und verurteilen, ohne die verborgene Vergangenheit zu kennen, die ein Verbrechen möglicherweise erklären könnte. Doch die Tat bleibt bestehen, während die Motive im Dunkeln verweilen.

Die vermeintliche Gleichheit vor Gericht und die Neutralität des Gesetzes entpuppen sich als Halbwahrheiten. Ebenso die Annahme, dass Verbrecher stets moralisch verkommene Individuen sind. Drack entlarvt diese Klischees und präsentiert uns Menschen, die wir alle kennen könnten – ob als Täter oder Opfer.

Als Gerichtsreporterin saß Harriett Drack in der ersten Reihe bei den bizarrsten und spektakulärsten Kriminalfällen, die vor dem Kölner Landgericht verhandelt wurden. Sie erzählt von einem rachesüchtigen Patienten, der seine Therapeutin entführt, einem Pädophilen, der seine Neigungen als Erzieher auslebt, und einer verzweifelten Mutter, die aus Angst vor ihrem rechtsradikalen Lebensgefährten ihr Kind tötet.

Mit prägnantem und klarem Blick erklärt sie, wie Täter ticken und warum nicht immer alle Motive einer Tat aufgedeckt werden können. Ihre Einblicke sind zugleich erschütternd und fesselnd, indem sie von wahren Verbrechen berichtet, die unweigerlich Fragen über Schuld und Verantwortung aufwerfen. (Verlagsinfo)

Die zwanzig Geschichten in diesem "True Crime"-Titel sind ein Wechselbad der Emotionen. Einige sind schwer zu ertragen, da die Motivation und Erklärung der Täter vor Gericht nicht mit unserem Empfinden von Gut und Böse in Einklang zu bringen sind. Andere wiederum lassen uns schmunzeln oder erstaunt nachdenken.

Dracks schriftstellerischer Stil ist packend, doch die Kürze mancher Fälle hinterlässt offene Fragen und den Wunsch nach mehr Tiefe. Einige Geschichten, die nur auf zwei Seiten beschrieben sind, hätten zugunsten ausführlicherer Darstellungen weggelassen werden können. Es sind leider zu kurz geratene Kurzgeschichten.

Fazit:

"Mörder unter uns" ist ein spannender und unterhaltsamer Titel – ideal für kurzweilige Leseerlebnisse. Es sind kleinere Gute-Nacht-Geschichten, die man auch zwischendurch genießen kann. Ich persönlich würde mir wünschen, einen umfangreichen Roman von Harriett Drack zu lesen, um noch tiefer in ihre faszinierende Welt der Kriminalfälle einzutauchen.

Michael Sterzik

Montag, 22. September 2025

Der Trailer - Linus Geschke


Das Böse zu definieren, gleicht dem Versuch, einen Schatten zu fassen. Obwohl es in jedem Leben seine Spuren hinterlässt, entzieht es sich einer klaren Kontur. Wir sind Mitschöpfer dieser Negativität, oft verfangen in ihrem Netz, manchmal suchen wir sogar ihre Unterstützung und nutzen sie als Versteck.

Es ist eine polarisierende, intelligente Kraft, die uns unaufhaltsam verändert, wie ein stiller Tsunami, dessen mörderische Wellen alles in seiner Umgebung zu verschlingen drohen. Und doch liegt in diesem Abgrund eine verlockende Faszination. Wir bewundern die scheinbare Unabhängigkeit, das unerschütterliche Selbstbewusstsein und die Stärke, die das Böse auszustrahlen scheint – Eigenschaften, die wir uns so sehr wünschen. So korrumpiert die Macht, und das Böse versteckt sich oft hinter der verführerischen Maske des Guten.

Besonders charismatische Menschen, die scheinbar grenzenlos ihren eigenen Weg gehen, üben dabei eine besondere Anziehung aus. Doch hinter der selbstbewussten Fassade, in den stillen Momenten der Selbstreflexion, zerfließen die klaren Grenzen. Dort, wo man sich selbst schonungslos analysiert, offenbart sich die wahre, unscharfe Wahrheit über das Grenzgebiet zwischen Gut und Böse.

Der vorliegende Roman von Linus Geschke: „Der Trailer“ thematisiert den Begriff „Böse“ und das auf einem hohem Spannungsniveau. 

Ein abgelegener Campingplatz in den Ardennen. Eine Studentin, die dort unter mysteriösen Umständen verschwindet. Als der Fall auch 15 Jahre später noch ungelöst ist, nimmt die Hamburger Kommissarin Frieda Stahnke an einem True-Crime-Podcast teil, um den Fokus der Öffentlichkeit erneut auf die Geschehnisse zu richten. Sie ahnt nicht, dass sie damit nur weitere Morde auslösen wird.

Wout Meertens, ein schmieriger Barbesitzer aus Köln, hört diesen Podcast. Er war zur selben Zeit wie die verschwundene Lisa Martin in Camp Donkerbloem, aber er redet nicht mit der Polizei. Verurteilte Stalker tun das nie. Nicht, wenn sie sich nicht selber verdächtig machen wollen.

Als sich die Wege von Frieda und Wout kreuzen, wird klar, dass sie nur gemeinsam herausfinden können, was mit Lisa Martin geschah. Dafür müssten sie sich jedoch vertrauen – ohne es später zu bereuen …(Verlagsinfo) 

Manche Krimis fesseln uns durch die bloße Wucht ihrer Handlung, eine Sogwirkung, die uns das Buch nicht mehr aus der Hand legen lässt. Doch dann gibt es Romane, in denen die Charaktere so vielschichtig sind, dass die eigentliche Handlung zur Nebensache wird. „Der Trailer“ von Linus Geschke ist genau so ein Buch.

Die Geschichte an sich ist nicht revolutionär, aber das ist hier auch nicht der Punkt. Geschke scheint bewusst auf stereotypische Muster zu verzichten. Stattdessen tauchen wir ein in ein komplexes Spiel, in dem die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge fließend und verdammt groß ist. Es gibt keine einfache Moral, die uns am Ende beruhigt.

Das Herzstück dieses Romans sind die Charaktere. Sie sind meisterhaft und tiefgründig gezeichnet. Geschke überlässt es uns, sie einzuordnen – ein scheinbar einfaches Gut-Böse-Schema, das sich jedoch schnell auflöst. Denn in dieser Welt ist das Böse salonfähig und raffiniert, fernab von klischeehaften Bösewichten. Es gibt keine klassische Rollenverteilung. Stattdessen begegnen wir fehlerhaften Menschen, deren Handlungen oft unvorhersehbar sind und nicht unseren Erwartungen entsprechen.

Die Verwandlung vom Guten ins Böse wird hier als ein Prozess dargestellt, der nicht immer eine bewusste Entscheidung ist, sondern eine Reaktion auf erlittenes Leid. Wenn man gezwungen oder tief verletzt wird, kann sich eine Eskalationsspirale in Gang setzen, die das Fundament der eigenen Seele erschüttert. Verbrechen ist eben kein erlernbarer Beruf, sondern oft eine Konsequenz menschlicher Abgründe.

Obwohl „Der Trailer“ der erste Teil einer Trilogie ist, bietet er einen in sich abgeschlossenen Handlungsstrang. Die Weichen für die Fortsetzungen sind jedoch subtil gestellt. Die Spannung entsteht nicht durch unglaubwürdige Zufälle oder überdrehte Räuberpistolen, sondern durch die beklemmende Realität der Figuren und ihrer Motive. Nach der Lektüre wird man unweigerlich über diese Charaktere nachdenken müssen – sie lassen einen nicht so schnell los.

Fazit:

Die Monster in „Der Trailer“ sind verdammt menschlich und das Böse ist salonfähig. Ein großartiger Pageturner, der lange nachwirkt.

Michael Sterzik

Sonntag, 14. September 2025

Die Dolmetscherin - Titus Müller

In einer Zeit, da Deutschland unter den Trümmern eines verlorenen Krieges begraben lag, schlug die Stunde der Gerechtigkeit in Nürnberg. 1945 hatte die bedingungslose Kapitulation nicht nur das Ende eines grausamen Krieges besiegelt, sondern auch die Flucht und den Freitod vieler Nazigrößen ausgelöst, die sich der Rechenschaftspflicht entziehen wollten. Doch die Sieger waren unerbittlich, und so standen im November 1945 die Hauptkriegsverbrecher vor einem internationalen Militärgerichtshof – die Augen einer gespannten Weltbevölkerung ruhten auf ihnen, sehnend nach Gerechtigkeit und vielleicht auch einem Hauch von Rache.


Nürnberg, einst die Stadt der Reichsparteitage, wurde zum Schauplatz eines historischen Prozesses, der nicht nur das Schicksal der Angeklagten besiegelte, sondern auch die Geburtsstunde des modernen Simultandolmetschens markierte. Ein Dutzend Dolmetscher, Frauen und Männer, standen unter enormem psychologischen Druck, als sie die unfassbaren Grausamkeiten der Vergangenheit in Echtzeit übersetzen mussten.


Asta arbeitet als Dolmetscherin im Kurhotel »Palace« in Mondorf-les-Bains, wo die US-Armee gefangengenommene Nazi-Größen interniert. Am 20. Mai 1945 reist ein neuer Gast an. Er bringt 16 Koffer, eine rote Hutschachtel und seinen Kammerdiener mit. Es ist Hermann Göring, Oberbefehlshaber der Luftwaffe und Hitlers designierter Nachfolger. Asta übersetzt bei den Verhören, reist dann mit nach Nürnberg zu den Prozessen und wird jeden Tag im Gerichtssaal anwesend sein, die abscheulichsten Dinge zu hören bekommen und sie zudem ins Englische übertragen müssen. Umso empfänglicher ist sie für Leonhard, ein junger, sensibler Mann, der ihr sanft den Hof macht. Doch seine Vergangenheit ist undurchsichtig und er stellt verdächtig viele Fragen zu den Prozessen (Verlagsinfo) 


Titus Müller zeichnet ein erschütternd realistisches Bild des Deutschlands nach dem Krieg: Trümmerlandschaften, in denen Frauen und Kinder verzweifelt nach Überresten suchen, um auf dem Schwarzmarkt ein Überleben zu sichern. Die Überlebenden sind gebrochen, desillusioniert, ihre Zukunft düster. Sie haben Ehemänner, Brüder, Kinder verloren – auf den Schlachtfeldern Europas oder in den höllischen Bombennächten. Ihr Zuhause, ihre Zuversicht, ihr Glaube an einen „Führer“ sind zerbrochen. Sie fühlen sich betrogen, verlassen, gedemütigt – die glorreiche Zukunft, die ihnen einst prophezeit wurde, ist in Asche zerfallen.


Der Autor lässt uns teilhaben an den Sorgen und Ängsten der Menschen, die in den Ruinen von der Hand in den Mund leben. Er erzählt von heimkehrenden Kriegsgefangenen, die verzweifelt sind und sich nie wieder von den Schatten des Tötens und Sterbens lösen können. Müllers Recherchen sind beängstigend präzise, wenn er die Aussagen und Wortmeldungen der Kriegsgefangenen im Kreis Hermann Görings interpretiert. Alle plädierten auf „Nicht schuldig“, sahen sich als Opfer, als Befehlsempfänger, und beschuldigten sich gegenseitig.


In „Die Dolmetscherin“ wird Hermann Göring zum Sinnbild der Angeklagten: menschenverachtend, polarisierend, psychopathisch, selbstverliebt – eine realistische Aufarbeitung des Verbrechers, die unter die Haut geht. Müller beleuchtet zahlreiche historische Nebenfiguren und erschafft ein facettenreiches Panorama dieser dunklen Zeit.


Trotz der objektiven Betrachtung des Romans bleibt ein kritischer Punkt: die Plausibilität der Dolmetscherin Asta. Ihre Figur wirkt überzogen, mitunter völlig unrealistisch, und es fehlt ihr an menschlicher Tiefe. Sie erscheint eindimensional und unglaubwürdig. Eine Liebesgeschichte, die eine Prise Dramatik und Emotionalität in die Erzählstruktur bringt, ist zwar sympathisch und gut integriert, kann aber die Schwäche der Hauptfigur nicht ganz ausgleichen.


Dennoch ist dieser Roman als thematischer Auftakt großartig. Er fängt die Kernaussagen der Angeklagten ein und spiegelt die beklemmende Atmosphäre im Gerichtssaal wieder. Besonders gelungen ist die Darstellung der „Zerrissenheit“ der Besiegten, ihrer hohlen Entschuldigungen, des fehlenden Wissens und der fehlenden Reue. Ein moralischer und ethischer Kompass scheint bei diesen Menschen deinstalliert worden zu sein. Auch die Interessen und Motivationen der Siegermächte werden thematisiert, ebenso die provokante Frage, ob die Bombardierung der Alliierten nicht auch ein Kriegsverbrechen war – eine philosophisch und politisch tiefgründige Frage.


Fazit:

 Ein wichtiges Buch, das auf eindringliche Weise zeigt, dass Gerechtigkeit ihren Weg findet, nicht nur im Gerichtssaal. Titus Müller versteht es meisterhaft, emotionalen Geschichtsunterricht zu erteilen, dem man keine einzige Stunde missen möchte. Ein tief berührendes Werk, das lange nachwirkt und zum Nachdenken anregt.


Michael Sterzik 






Dienstag, 9. September 2025

Totenbuch - Alex Thomas


Der Totenkult im alten Ägypten war recht komplex. Durch eine Vielzahl von Ritualen wurden die sterblichen Menschen darauf vorbereitet, nach ihrem physischen Tod in ein anderes Leben einzutreten. Es war ein ausgesprochen wichtiges Ziel, sich auf diesen Übergang vorzubereiten.

Der Weg ins Jenseits war nicht für jeden garantiert. Die Ägypter glaubten an ein Totengericht, das über das Schicksal der Verstorbenen entschied. Die Göttin Maat: Maat war die altägyptische Göttin der Wahrheit, Gerechtigkeit, Ordnung und kosmischen Harmonie. Sie wird oft als Frau mit einer Straußenfeder auf dem Kopf dargestellt. Diese Feder ist das Symbol für die Wahrheit und das Prinzip der Maat selbst.

Das alte Ägypten hält noch eine Menge ungelöster Geheimnisse und Fragen parat, auf die unsere moderne Wissenschaft noch keine abschließenden Ergebnisse vorweisen kann. Viele Thesen und Theorien unter Historikern und Ägyptologen gibt es zwar, und hier gibt es auch Ausflüge in populäre Spekulationen, dass beispielsweise die Pyramiden mithilfe von Außerirdischen gebaut worden seien. Eine interessante Theorie, die man hinsichtlich der modernen Forschung zwar nicht gänzlich ausschließen kann, die aber auch nicht unterstützt wird. Ein historischer, mystischer Gedanke wird sich also immer unter Verschwörungs- und paranormalen Hobbywissenschaftlern manifestieren.

In den spannenden Romanen des Autorenehepaares Alex Thomas spielt die Mystik immer wieder eine spannende Rolle.

Entsetzen auf der weltbekannten Berliner Museumsinsel: Im Kuppelsaal der Nofretete wird eine grausam verstümmelte Leiche entdeckt. Augen, Ohren und Zunge wurden entfernt. Kurz darauf wird ein zweites Opfer gefunden. Die ganze Stadt spricht schon bald von einem Pharaonenfluch. Kommissarin Annetta Niedlich und ihr pensionierter Ex-Chef Magnus Böhm stehen vor einem Rätsel, denn der Täter hinterlässt keine Spuren – nur ein mysteriöses Symbol aus dem Ägyptischen Totenbuch. Dann schlägt der Killer im Pergamonmuseum zu, und es wird klar: Die Opfer verbindet ein dunkles Geheimnis. Aber was hat es mit der „Waage der Maat“ auf sich? (Verlagsinfo)

Es ist der zweite Krimi mit der jungen Kommissarin Annetta Niedlich und ihrem nun pensionierten Kollegen. Der erzählerische Stil dieser Fortsetzung ist bekannt, ebenso die Verwendung eines kleineren, aber sehr guten Geschichtsunterrichts in Kombination mit mystischen Punkten. Wer hier allerdings einen Verschwörungsthriller/Krimi erwartet, wird diesen nicht finden. Trotzdem sind die Themen rund um Geschichte und Mystik der Fokus der Geschichte. Krimis gibt es viele auf dem Buchmarkt – leider zu wenige, die Legenden, Rituale, Traditionen usw. so geschichtlich gekonnt einbauen.

Die Bühne der Ereignisse ist natürlich die Museumsinsel in Berlin. Wer diese Museen schon besucht hat, wird nachvollziehen können, dass die Räumlichkeiten eine gewisse Atmosphäre vermitteln. Nicht unbedingt negativ, aber eine Aura voller Zeitzeugen der Geschichte und ihren Geheimnissen ist mehr als deutlich spürbar.

Die Charaktere werden gut in Szene gesetzt und bilden demnach auch muntere Nebengeschichten. Allerdings erfährt man von Böhm wesentlich mehr als von seiner Kollegin Niedlich. Letztere ist damit schwer einzuordnen.

Es gibt ein paar Punkte, die leider nicht näher erklärt worden sind. Warum diese Verstümmelungen bei den Opfern? Das wurde leider ausgeklammert. Der Erzählfluss und die Logik dahinter sind plausibel und solide. Spannend ist der Roman, wenn er inhaltlich auch manchmal kleinere Längen hat. Ich würde mir wieder einmal einen klerikalen Thriller wünschen: Wissenschaft, Glaube, Mythos – vielleicht ist das Thema auch übersättigt – die Autoren können das beide sehr gut. Also bitte Mut zur Lücke.

Vermisst habe ich in „Totenbuch“ die Originalität – das Besondere, das diesen Titel von der großen Masse der Kriminalromane hätte abheben können.

Fazit

Niedliche Ermittlungsmethoden ohne böhmische Dörfer. Solider Kriminalroman mit einem guten Unterhaltungswert.


Michael Sterzik

Sonntag, 31. August 2025

Die Sommergäste - Tess Gerritsen


Ferien und Urlaub – eine willkommene Auszeit und Gelegenheit zur Erholung, nach der wir uns alle sehnen. Es ist ein Ort der Ruhe und des Rückzugs, ein Zeitfenster, um mit der Familie zur Ruhe zu kommen, dem Alltag zu entfliehen und gemeinsam innezuhalten, um über zukünftige Wege nachzudenken oder den aktuellen Stand zu reflektieren.


Wenn man immer wieder an den gleichen Ort reist, trifft man natürlich auch immer die gleichen Menschen: Einheimische, die dort wohnen, wo andere Urlaub machen, und ganze Ortschaften, die von den Touristenströmen leben, in der Hoffnung, dass diese viel Geld in Restaurants, Geschäften, Hotels oder Pensionen ausgeben.


Diese Sommergäste werden oft polarisierend betrachtet. Es entstehen viele tiefe Freundschaften, aber auch Vorurteile und Abneigungen zwischen den Einheimischen und den Besuchern, die manchmal aus einer ganz anderen Welt kommen.


Tess Gerritsens zweiter Roman um den „geheimnisvollen Martini-Club“ greift dieses Thema im Titel „Die Sommergäste“ auf.


Jahr für Jahr kommen die Sommergäste nach Purity und beziehen die imposanten Ferienhäuser am Maiden Pond – misstrauisch beäugt von den Anwohnern, die den reichen Großstädtern nicht über den Weg trauen. Als eines Tages ein Mädchen aus einer der Urlauberfamilien verschwindet und kurz darauf menschliche Überreste aus dem See geborgen werden, spitzen sich die Ereignisse in der Kleinstadt zu. Die Polizei ermittelt erfolglos – bis Maggie Bird und der „Martini-Club“ ihre Expertise zur Verfügung stellen. Der Club mag zwar aus Spionen im Ruhestand bestehen – doch das Ermitteln verlernt man nie … (Verlagsinfo)


Der zweite Roman um den Bücher- und Kochclub der ehemaligen CIA-Agenten – dem „Martini-Club“ – ist ein unterhaltsamer Feel-Good-Roman. Er ist spannend, wenn auch etwas weniger actionreich als sein Vorgänger, bietet aber eine tolle Unterhaltung.


Die vertrackte Kombination von Vergangenheit und Zukunft bildet die Grundlage des Thrillers. Tess Gerritsen versucht immer wieder, den Leser durch Wendungen, neue Ereignisse und Szenen und mancherlei Überraschungen in der Geschichte zu fesseln – diese sind allerdings mehr oder minder abenteuerlich und auch vorhersehbar.


Dass die ehemaligen Spione also Profis in der Ermittlungsarbeit sind, liegt auf der Hand. Interessant ist allerdings, dass hier auch aufgezeigt wird, dass sie sich täuschen können, selbst wenn sie der ansässigen Polizei immer einen Schritt voraus sind. Wird also der Club der alternden Ex-Spione mit dem aktuellen Fall überfordert sein und sein unerschütterliches Selbstbewusstsein verlieren?


Es menschelt in dem Titel „Die Sommergäste“; man könnte fast meinen, dass die Protagonisten und ihre Schöpferin Tess Gerritsen ermüdet sind. Zu konstruiert wirkt manchmal die Handlung, und am Ende stellt sie sich als zu wenig originell heraus.


Das Zusammenspiel der Figuren ist allerdings toll aufgebaut – allein schon die Beziehungsebene zur jungen, ansässigen Polizeibeamtin Jo ist nicht ohne Humor. Eine Zweckgemeinschaft – wobei Jo wirklich alle Augen zudrückt, wenn es um die manchmal aufdringlichen Ermittlungsmethoden der ehemaligen Spione geht.


In diesem Roman erhält der Leser leider auch keine weiteren oder überhaupt neuen Informationen zu der Vergangenheit des “alten” Spionage-Clubs. Eigentlich hätte ich hier erwartet, dass man mehr aus deren aktiven Zeit erfährt. Aber vielleicht werden diese Themen in den nächsten Romanen aufgefasst. 


Fazit


Bei gutem Essen, mit einem guten alkoholischen Getränk und viel Konversation über Literatur – ja, genauso kann man diesen Roman genießen. Er ist nicht so spannend wie sein Vorgänger, aber eine Story, die jeden Sommer- und Feriengast in seiner ruhigen Komfortzone überzeugen kann.


Michael Sterzik


Donnerstag, 21. August 2025

Der Totengräber und die Pratermorde - Oliver Pötzsch


Der vorliegende vierte Band der Totengräber-Reihe führt die bekannten Haupt- und Nebenfiguren fort. Dass Oliver Pötzsch die Charaktertiefe zeitlich auch hervorragend ausarbeitet, ist für die Geschichte enorm wichtig, denn auch die Figuren werden älter, wenn auch nicht unbedingt weiser. Schauplatz ist das Wien um 1896, genauer gesagt das Vergnügungsviertel mit dem venezianischen Themenpark, den Kinematographen und anderen Attraktionen, die die Bühne dieser Geschichte bilden.

Diese literarische Zeitmaschine funktioniert ausgesprochen gut: Wenig später ist man mitten in den Vergnügungen und spürt die atmosphärische, historische Kulisse der österreichischen Hauptstadt. Oliver Pötzsch recherchiert und beschreibt diese Szenen hervorragend und vervollständigt mit seinem Verständnis für die kleinsten Details den Unterhaltungswert.

Der Prater war damals eine eigene Welt und Schauplatz der skurrilsten Attraktionen. Damit war er auch ein Sammelsurium von Menschen, die ausgegrenzt wurden und unter ihresgleichen eine Familie fanden. Glücksspieler, Zauberer und Menschen mit Missbildungen lebten und starben in dieser parallelen Zwischenwelt.

Wien, 1896: Ausgerechnet bei dem Zaubertrick „Die zersägte Jungfrau” stirbt die junge Bühnendarstellerin vor dem schockierten Publikum. Inspektor Leopold von Herzfeldt ermittelt. Ihm dicht auf den Fersen ist die Reporterin Julia Wolf, seine unglückliche große Liebe. Rund um den Prater werden weitere Frauen getötet. Junge Dirnen und Dienstmädchen, die niemand groß vermisst. Jede der Toten ist anders verkleidet. Ist es ein und derselbe Mörder? Leo braucht Unterstützung und wendet sich an seinen Freund Augustin Rothmayer. Der Totengräber des Wiener Zentralfriedhofs arbeitet an einem neuen Buch mit dem Titel Was uns die Toten erzählen und ist in Experimente vertieft. Doch nur gemeinsam können Leo, Julia und Augustin das grausame Spiel des Mörders aufhalten. (Verlagsinfo)

In diesem vierten Band stehen eher das Ziehkind des Totengräbers, Anna, und die junge Reporterin Julia Wolf im Mittelpunkt, die nun für eine Zeitung arbeitet. Dabei entstehen langatmige und ziellose Szenen und Dialoge, die überflüssig sind und die Handlung nicht wirklich vorantreiben.

Dadurch wirkt die Spannung wenig steigerungsfähig. Manchmal ist das Privatleben eines pubertierenden Mädchens und einer verschmähten Frau eben doch nicht von Interesse – zumindest nicht für Leser, die sich spannende Unterhaltung wünschen. Die Perspektiven der anderen Personen werden dagegen weniger intensiv aufgezeigt und wie immer kommt der sympathische Totengräber Augustin viel zu kurz. Selbst die Kollegen von Leopold von Herzfeldt haben nur minimale Auftritte, was schade ist, denn sie waren in den letzten Bänden doch außerordentlich vielversprechend.

Historische Themen wie der aufkommende Antisemitismus spielen eine tragende Rolle in der Wiener Soziologie. Besonders gut lässt Oliver Pötzsch die authentischen Personen, ihre Berufe und ihre Talente lebendig werden – und zeigt damit auch, wie gründlich er recherchiert hat. Augenzwinkernd wirft er auch einen Blick auf die Revolution der bewegten Bilder, also den technischen Fortschritt, der nicht nur Vergnügen verspricht. Betrachtet man die Figur der Julia Wolf, so sieht man die personifizierte Emanzipation.

Der vierte Band ist also leider der schwächste der Reihe, wobei die Reihe angesichts der Auswahl an historischen Romanen auf dem deutschen Buchmarkt noch immer zu den besten gehört.

Vielleicht sollte man den Schauplatz Wien austauschen und einen Ausflug in die Vergangenheit von Leopold machen. Denn noch immer weiß man nicht, warum er seinen besten Freund bei einem formalen Duell getötet hat. Auch die Vergangenheit des Totengräbers bleibt ein Rätsel.

Fazit

Ein souveräner historischer Spannungsroman, der leider einige Längen hat. Wenn Sie jetzt darüber nachdenken, diesen Titel zu kaufen, sollten Sie die Reihe unbedingt von Anfang an lesen. Sie werden überrascht sein, wie phänomenal gut die ersten drei Bände waren.


Michael Sterzik