Sonntag, 31. August 2025

Die Sommergäste - Tess Gerritsen


Ferien und Urlaub – eine willkommene Auszeit und Gelegenheit zur Erholung, nach der wir uns alle sehnen. Es ist ein Ort der Ruhe und des Rückzugs, ein Zeitfenster, um mit der Familie zur Ruhe zu kommen, dem Alltag zu entfliehen und gemeinsam innezuhalten, um über zukünftige Wege nachzudenken oder den aktuellen Stand zu reflektieren.


Wenn man immer wieder an den gleichen Ort reist, trifft man natürlich auch immer die gleichen Menschen: Einheimische, die dort wohnen, wo andere Urlaub machen, und ganze Ortschaften, die von den Touristenströmen leben, in der Hoffnung, dass diese viel Geld in Restaurants, Geschäften, Hotels oder Pensionen ausgeben.


Diese Sommergäste werden oft polarisierend betrachtet. Es entstehen viele tiefe Freundschaften, aber auch Vorurteile und Abneigungen zwischen den Einheimischen und den Besuchern, die manchmal aus einer ganz anderen Welt kommen.


Tess Gerritsens zweiter Roman um den „geheimnisvollen Martini-Club“ greift dieses Thema im Titel „Die Sommergäste“ auf.


Jahr für Jahr kommen die Sommergäste nach Purity und beziehen die imposanten Ferienhäuser am Maiden Pond – misstrauisch beäugt von den Anwohnern, die den reichen Großstädtern nicht über den Weg trauen. Als eines Tages ein Mädchen aus einer der Urlauberfamilien verschwindet und kurz darauf menschliche Überreste aus dem See geborgen werden, spitzen sich die Ereignisse in der Kleinstadt zu. Die Polizei ermittelt erfolglos – bis Maggie Bird und der „Martini-Club“ ihre Expertise zur Verfügung stellen. Der Club mag zwar aus Spionen im Ruhestand bestehen – doch das Ermitteln verlernt man nie … (Verlagsinfo)


Der zweite Roman um den Bücher- und Kochclub der ehemaligen CIA-Agenten – dem „Martini-Club“ – ist ein unterhaltsamer Feel-Good-Roman. Er ist spannend, wenn auch etwas weniger actionreich als sein Vorgänger, bietet aber eine tolle Unterhaltung.


Die vertrackte Kombination von Vergangenheit und Zukunft bildet die Grundlage des Thrillers. Tess Gerritsen versucht immer wieder, den Leser durch Wendungen, neue Ereignisse und Szenen und mancherlei Überraschungen in der Geschichte zu fesseln – diese sind allerdings mehr oder minder abenteuerlich und auch vorhersehbar.


Dass die ehemaligen Spione also Profis in der Ermittlungsarbeit sind, liegt auf der Hand. Interessant ist allerdings, dass hier auch aufgezeigt wird, dass sie sich täuschen können, selbst wenn sie der ansässigen Polizei immer einen Schritt voraus sind. Wird also der Club der alternden Ex-Spione mit dem aktuellen Fall überfordert sein und sein unerschütterliches Selbstbewusstsein verlieren?


Es menschelt in dem Titel „Die Sommergäste“; man könnte fast meinen, dass die Protagonisten und ihre Schöpferin Tess Gerritsen ermüdet sind. Zu konstruiert wirkt manchmal die Handlung, und am Ende stellt sie sich als zu wenig originell heraus.


Das Zusammenspiel der Figuren ist allerdings toll aufgebaut – allein schon die Beziehungsebene zur jungen, ansässigen Polizeibeamtin Jo ist nicht ohne Humor. Eine Zweckgemeinschaft – wobei Jo wirklich alle Augen zudrückt, wenn es um die manchmal aufdringlichen Ermittlungsmethoden der ehemaligen Spione geht.


In diesem Roman erhält der Leser leider auch keine weiteren oder überhaupt neuen Informationen zu der Vergangenheit des “alten” Spionage-Clubs. Eigentlich hätte ich hier erwartet, dass man mehr aus deren aktiven Zeit erfährt. Aber vielleicht werden diese Themen in den nächsten Romanen aufgefasst. 


Fazit


Bei gutem Essen, mit einem guten alkoholischen Getränk und viel Konversation über Literatur – ja, genauso kann man diesen Roman genießen. Er ist nicht so spannend wie sein Vorgänger, aber eine Story, die jeden Sommer- und Feriengast in seiner ruhigen Komfortzone überzeugen kann.


Michael Sterzik


Donnerstag, 21. August 2025

Der Totengräber und die Pratermorde - Oliver Pötzsch


Der vorliegende vierte Band der Totengräber-Reihe führt die bekannten Haupt- und Nebenfiguren fort. Dass Oliver Pötzsch die Charaktertiefe zeitlich auch hervorragend ausarbeitet, ist für die Geschichte enorm wichtig, denn auch die Figuren werden älter, wenn auch nicht unbedingt weiser. Schauplatz ist das Wien um 1896, genauer gesagt das Vergnügungsviertel mit dem venezianischen Themenpark, den Kinematographen und anderen Attraktionen, die die Bühne dieser Geschichte bilden.

Diese literarische Zeitmaschine funktioniert ausgesprochen gut: Wenig später ist man mitten in den Vergnügungen und spürt die atmosphärische, historische Kulisse der österreichischen Hauptstadt. Oliver Pötzsch recherchiert und beschreibt diese Szenen hervorragend und vervollständigt mit seinem Verständnis für die kleinsten Details den Unterhaltungswert.

Der Prater war damals eine eigene Welt und Schauplatz der skurrilsten Attraktionen. Damit war er auch ein Sammelsurium von Menschen, die ausgegrenzt wurden und unter ihresgleichen eine Familie fanden. Glücksspieler, Zauberer und Menschen mit Missbildungen lebten und starben in dieser parallelen Zwischenwelt.

Wien, 1896: Ausgerechnet bei dem Zaubertrick „Die zersägte Jungfrau” stirbt die junge Bühnendarstellerin vor dem schockierten Publikum. Inspektor Leopold von Herzfeldt ermittelt. Ihm dicht auf den Fersen ist die Reporterin Julia Wolf, seine unglückliche große Liebe. Rund um den Prater werden weitere Frauen getötet. Junge Dirnen und Dienstmädchen, die niemand groß vermisst. Jede der Toten ist anders verkleidet. Ist es ein und derselbe Mörder? Leo braucht Unterstützung und wendet sich an seinen Freund Augustin Rothmayer. Der Totengräber des Wiener Zentralfriedhofs arbeitet an einem neuen Buch mit dem Titel Was uns die Toten erzählen und ist in Experimente vertieft. Doch nur gemeinsam können Leo, Julia und Augustin das grausame Spiel des Mörders aufhalten. (Verlagsinfo)

In diesem vierten Band stehen eher das Ziehkind des Totengräbers, Anna, und die junge Reporterin Julia Wolf im Mittelpunkt, die nun für eine Zeitung arbeitet. Dabei entstehen langatmige und ziellose Szenen und Dialoge, die überflüssig sind und die Handlung nicht wirklich vorantreiben.

Dadurch wirkt die Spannung wenig steigerungsfähig. Manchmal ist das Privatleben eines pubertierenden Mädchens und einer verschmähten Frau eben doch nicht von Interesse – zumindest nicht für Leser, die sich spannende Unterhaltung wünschen. Die Perspektiven der anderen Personen werden dagegen weniger intensiv aufgezeigt und wie immer kommt der sympathische Totengräber Augustin viel zu kurz. Selbst die Kollegen von Leopold von Herzfeldt haben nur minimale Auftritte, was schade ist, denn sie waren in den letzten Bänden doch außerordentlich vielversprechend.

Historische Themen wie der aufkommende Antisemitismus spielen eine tragende Rolle in der Wiener Soziologie. Besonders gut lässt Oliver Pötzsch die authentischen Personen, ihre Berufe und ihre Talente lebendig werden – und zeigt damit auch, wie gründlich er recherchiert hat. Augenzwinkernd wirft er auch einen Blick auf die Revolution der bewegten Bilder, also den technischen Fortschritt, der nicht nur Vergnügen verspricht. Betrachtet man die Figur der Julia Wolf, so sieht man die personifizierte Emanzipation.

Der vierte Band ist also leider der schwächste der Reihe, wobei die Reihe angesichts der Auswahl an historischen Romanen auf dem deutschen Buchmarkt noch immer zu den besten gehört.

Vielleicht sollte man den Schauplatz Wien austauschen und einen Ausflug in die Vergangenheit von Leopold machen. Denn noch immer weiß man nicht, warum er seinen besten Freund bei einem formalen Duell getötet hat. Auch die Vergangenheit des Totengräbers bleibt ein Rätsel.

Fazit

Ein souveräner historischer Spannungsroman, der leider einige Längen hat. Wenn Sie jetzt darüber nachdenken, diesen Titel zu kaufen, sollten Sie die Reihe unbedingt von Anfang an lesen. Sie werden überrascht sein, wie phänomenal gut die ersten drei Bände waren.


Michael Sterzik

Samstag, 2. August 2025

Thronräuber - Sharon Penman


Das englische Mittelalter? Puh, das war kein Zuckerschlecken! Eher ein blutiges Gemetzel, bei dem sich der Adel, aufgeteilt in schnieke Grafschaften und Herzogtümer, gegenseitig die Köpfe einschlug. Und als wäre das nicht genug, mischten sich noch machthungrige Kirchenfürsten ein, die das Chaos perfekt machten. Bürgerkriege und komplizierte Fehden waren an der Tagesordnung. Man fragt sich da unweigerlich: Hatten die eigentlich keinen König, der mal auf den Tisch hauen konnte? Tja, leider waren genau diese Könige oft der Zündfunke für die ganze Misere. Intrigen, Versprechen, Ehre und Verrat – alles wurde nach Belieben ausgelegt. Von diplomatischen Dialogen hatten die wohl noch nie gehört!


Ach ja, und nicht zu vergessen: Die europäischen Königreiche und der Adel waren nichts anderes als ein riesiges, egoistisches Familiennetzwerk, dem jedes Mittel recht war. Ob Irland, Schottland, Wales, Frankreich oder die Normandie – überall wurde gemetzelt und geplündert. Da braucht man schon einen guten Stammbaum-Navigator, um sich in diesem Verwandtschaftsdschungel zurechtzufinden!


Kein Wunder, dass Dynastien wie die Plantagenets oder die Tudors England immer wieder ins pure Chaos stürzten.


England, 1135. Als die Kirchenglocken den Tod von König Henry I. verkünden, stockt den Fürsten der Atem: Eine Frau auf dem Thron? Geht’s noch?! Kaiserin Maude, herrisch und aufbrausend, aber immerhin die rechtmäßige Erbin ihres Vaters. Ihr Gegenspieler, Stephen von Blois, ist der Ritter vom Dienst, beliebt, aber auch ein bisschen unentschlossen – dafür aber ein brillanter Befehlshaber und, ganz wichtig, ein Mann! Es entbrennt ein blutiger Konflikt voller Chaos und Entbehrungen, ein wahres Schachspiel auf dem Intrigen-Spielfeld des mittelalterlichen Europas. Am Ende kann nur einer auf dem Thron sitzen. (Verlagsinfo)


Die amerikanische Autorin Sharon Penman hatte eindeutig ein Faible für das turbulente englische Mittelalter. „Thronräuber“ ist der erste Band ihrer „Plantagenet-Saga“.


Der vorliegende Roman „Thronräuber“ schildert den Kampf um den englischen Thron bis ins kleinste Detail. Wer hier auf ehrenvolle, überzeichnete Ritter und bildhübsche, holdselige Adelsfräulein hofft, die auf ihren Prinzen warten, wird bitter enttäuscht. Auch ist es kein fetter, actiongeladener Roman mit epischen Schlachtenbeschreibungen. Historisch erzählt und interpretiert gehört der Roman vielleicht zu den besten, die ich jemals gelesen habe. Aber Achtung: Es ist eher ein überzeichnetes Sachbuch als ein wirklich unterhaltsamer, spannender Roman.


Viele Dialoge und Beschreibungen? Absolut sinnlos! Sie tragen weder zum besseren Verständnis der Protagonisten bei, noch sind sie für den Aufbau oder die Tiefe der Geschichte relevant. Die Dialoge wiederholen sich ständig, genau wie die Charaktereigenschaften. Muss man wirklich zehnmal auf 800 Seiten lesen, dass sich Person A so fühlt und Person B eben anders ist? Das ist oft langweilig, oberflächlich und absolut nicht unterhaltsam.


Sharon Penman hätte fantastische Sachbücher oder Biographien schreiben können – aber dieser Roman reicht beim besten Willen nicht an das schriftstellerische Talent einer Sabine Ebert, Rebecca Gable oder Ken Follett heran.


Immerhin gibt es auch Nebenfiguren und Nebenhandlungen, und die sind tatsächlich interessanter und menschlicher beschrieben als die eigentlichen „Thronräuber“. Besonders spannend sind die Abhängigkeiten der Adelshäuser untereinander und die Rolle der Frau in dieser von Männern dominierten Welt.


Wenn man den Roman mal seziert und sich auf die wesentlichen Aussagen konzentriert, die auf knappen 800 Seiten verteilt sind, hätte man locker 500 Seiten überflüssiger Dialoge und uninteressanter Wiederholungen einsparen können.


Fazit


„Thronräuber“ sabotiert sich selbst in Sachen Unterhaltung. Die Geschichte ist an sich spannend – aber leider so kühl und sachlich, dass sie zäh und langatmig wird.


Michael Sterzik



Sonntag, 13. Juli 2025


Die Nacht – Marc Raabe:


Jedes Jahr verschwinden unzählige Menschen. Die Ungewissheit, die für Angehörige daraus entsteht, ist ein zermürbender emotionaler Marathon. Manche sind untergetaucht und melden sich später, andere bleiben für immer verschwunden. Diese Leere erzeugt immensen Druck auf die Suchenden: Wann ist genug gesucht? Und kann man irgendwann loslassen?


Marc Raabe greift dieses Thema in seinem dritten Band der Art Mayer-Reihe, „Die Nacht“, auf.


Ein kleiner Junche verschwindet spurlos, sein Fall findet sich in keiner Akte. Fünfzehn Jahre später verschwindet seine ältere Schwester, Dana Karasch. Niemand scheint sich für sie zu interessieren – außer BKA-Ermittler Art Mayer, der eine besondere Bindung zu Danas Tochter Milla aufgebaut hat.


Als Art einen mächtigen Freund um Hilfe bittet, stößt er auf ein Wespennest. Ein anonymer Hinweis führt ihn und seine Kollegin Nele Tschaikowski zu einer verlassenen Wohnwagensiedlung im Wald. Dort entdecken sie mehrere namenlose Tote und die grausam zugerichtete Leiche eines angesehenen Berliner Richters.


„Die Nacht“ konfrontiert die Leser erneut mit dem Ermittlerduo Art und Nele, die sich seit den Ereignissen der vorherigen Bände verändert haben. Ihre emotionale Belastbarkeit ist spürbar geringer, ihre Verarbeitungsstrategien sind „semiprofessionell“. Art bleibt der unkonventionelle Einzelgänger, wortkarg und schwierig. Nele, frischgebackene Mutter, zieht die Arbeit als Kriminalbeamtin der Rolle der fürsorglichen Mutter vor.


Aus diesen privaten „Minenfeldern“ der Protagonisten entspinnt sich die Handlung um das fünfzehn Jahre vermisste Kind und die verschwundene Mutter von Milla. Der spannende Krimi entfaltet sich in zwei Handlungssträngen und zwei Zeitebenen. Rückblenden in die Vergangenheit enthüllen Lügen, Halbwahrheiten und Verdrängung. Die fesselnde Vergangenheit dominiert die Gegenwart und lässt den Leser das Buch kaum aus der Hand legen.


Obwohl die Ereignisse in der Gegenwart manchmal etwas zäh wirken, bleibt der Krimi stets unterhaltsam. Die Entwicklung ist für die ungeduldigen Ermittler jedoch zu langsam.


Die Charakterzeichnung und Ausarbeitung der Figuren, ob Haupt- oder Nebenfiguren, ist hervorragend gelungen. Die Entwicklung der beiden Hauptfiguren und ihres Umfelds trägt maßgeblich zur Brillanz der Reihe bei. Story, Charaktere und Authentizität bilden ein stimmiges Gesamtbild, das zu keinem Zeitpunkt Raum für den „Kommissar Zufall“ lässt.


Die Fortsetzung „Im Morgengrauen“ erscheint im Frühjahr. Viele Fragen sind noch offen, und es bleibt spannend, ob die „persönlichen Minenfelder“ der Protagonisten explodieren.


Fazit:


„Die Nacht“ ist ein absoluter Spannungsgarant, der Sie die ganze Nacht wachhalten wird. Schlaf ist sowieso überbewertet! Absolut empfehlenswert.


Michael Sterzik


Sonntag, 15. Juni 2025

Nebelstille - Jan-Erik Fjell


Vieles holt einen ein: alte Sünden und Verbrechen, alte Liebe, alte Verfehlungen. Wir versuchen zwar, diesen Geistern der Vergangenheit zu entgehen, aber als wäre es ein Naturgesetz, erreichen sie uns in allen Situationen und Emotionen immer wieder – selbst Jahre oder Jahrzehnte später.

Und plötzlich kann sich das friedliche Leben inmitten der eigenen Familie in wenigen Sekunden ändern und alles infrage stellen. Es ist ein emotionaler Tsunami, der die eigene Welt einfach weg- und umspült.

Diese Thematik findet sich auch immer wieder in Romanen, unabhängig vom Genre, wieder. So auch in dem ersten Buch der Anton-Brekke-Reihe des norwegischen Autors Jan-Erik Fjell.

„Nebelstille“ ist der erste Band dieser sehr spannenden Reihe, die gerade im Münchner Goldmann Verlag veröffentlicht wurde. Es ist ein wenig merkwürdig, da in Deutschland beispielsweise die Bände sechs und sieben usw. veröffentlicht wurden.

Ein spektakulärer Mord in einer beschaulichen Seefahrtstadt gibt der norwegischen Polizei Rätsel auf: Der Milliardär Wilhelm Martiniussen wurde grausam in seinem luxuriösen Zuhause erdrosselt, seine Freundin blieb wie durch ein Wunder vom Täter verschont. Und wie hängt Martiniussens Tod mit einem geheimnisvollen Fremden zusammen, der kurz nach seiner Ankunft in Norwegen niedergeschlagen wurde und im Koma liegt? Mit der Aufklärung des Falls wird Anton Brekke betraut, herausragender, aber eigenwilliger Kriminalkommissar aus Oslo. Brekke muss tief in die Vergangenheit eintauchen und stößt auf eine Wahrheit, undurchdringlich und bedrohlich wie ein Nebel über dem Fjord …(Verlagsinfo) 

Zunächst sei angemerkt, dass „Nebelstille“ der Debütroman des Autors ist. Spannend und unterhaltsam stellt er Anton und seinen späteren Partner Torp für weitere Kriminalfälle vor. Magnus Torp ist beispielsweise noch Polizeischüler im letzten Ausbildungsjahr.

Geschickt konstruiert Jan-Erik Fjell seinen Mordfall, der sich um Anton Breeke dreht. Breeke ist Kommissar und Spezialist für das organisierte Verbrechen aus Oslo.

Die Charakterisierung ist nicht originell, aber interessant. Breeke ist ein brillanter Ermittler. Er verfügt über eine sagenhafte Beobachtungsgabe und denkt sehr komplex. Seine Erfolgsquote beträgt 100 %. Er polarisiert jedoch auch mit seinem Selbstbewusstsein, seiner direkten Kommunikation und nicht zuletzt wegen seines manchmal schrägen Humors. Durch seine Spielsucht hat er seine Frau verloren und kompensiert dies eben durch seine Arbeit.

Der Kriminalfall ist äußerst gut durchdacht und überraschend. Dabei sind die Rückblenden in die Vergangenheit das Unterhaltsamste und zugleich Spannendste in diesem Band. In diesen Rückblenden lässt der Autor uns einen Blick in die komplizierte Organisationsstruktur der Cosa Nostra werfen – vom kleinen Handlanger bis zur rechten Hand des Paten.

Fazit

Ein bemerkenswerter, authentischer Krimi der beste Unterhaltung bietet und zu dem man als erstes zugreifen sollte, wenn man diese Reihe lesen will. 

Michael Sterzik

Donnerstag, 5. Juni 2025

Vorsehung - Liane Moriarty


Es ist eine unausweichliche Tatsache, dass wir alle eines Tages sterben werden. Es ist uns nicht möglich, dem Tod zu entkommen, noch ihn zu täuschen – selbst wenn wir einen starken Lebenswillen an den Tag legen. Es ist uns bewusst, dass unsere Lebenszeit begrenzt ist, dennoch agieren und existieren die meisten Menschen nicht entsprechend dieser Tatsache. Es existiert immer ein später Zeitpunkt, ein Morgen, eine nächste Woche oder ein nächstes Jahr. Die Erledigung unangenehmer Aufgaben wird gerne aufgeschoben. Wenn das Leben zu Ende geht, gibt es stets Aspekte, die bedauert werden. Es werden viele Gedanken geäußert, wie zum Beispiel: "Hätte ich doch, oder warum habe ich nicht?" oder "Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte". Doch diese Gedanken sind vergebens, wenn wir uns auf dem Vorposten des Friedhofs wiederfinden.

Welche Konsequenzen hätte es, wenn wir über die Kenntnis unserer eigenen Sterbedaten verfügten? Würden wir eine radikale Änderung unseres Lebens in Erwägung ziehen oder dieser Prophezeiung keinen Glauben schenken und sie ignorieren? Ungeachtet dessen wäre dieses Wissen für uns von Einfluss, sei es bewusst oder unbewusst, und würde uns in höchste Sorge versetzen. Es ist durchaus vorstellbar, dass wir uns für unsterblich halten würden, wenn wir im Alter von 30 Jahren die Kenntnis darüber erhielten, dass wir 70 Jahre später an Altersschwäche versterben werden. Wir möchten das Leben in vollen Zügen genießen und uns vielleicht zu Extremsportarten verleiten lassen, in dem Bewusstsein, dass uns nichts passieren kann.

Liane Moriarty beschreibt diese Thematik in ihrem gerade veröffentlichten Buch: „Vorsehung“. 

Es ist ein ganz gewöhnlicher Flug nach Sydney – bis kurz vor der Landung eine alte Lady von ihrem Platz aufsteht. Langsam geht sie durch die Reihen, bleibt bei jedem einzelnen Passagier stehen und sagt schreckliche Dinge wie: »Dich erwartet einen tödlichen Arbeitsunfall mit 43«, »Dich erwartet Pankreaskrebs mit 66« oder »Dich erwartet Tod durch Ertrinken mit 7«.

Ist sie eine Hellseherin? Oder eine Verrückte? Was, wenn ihre Prophezeiungen tatsächlich eintreffen? Für alle Fluggäste stellen sich ab diesem Moment dieselben existentiellen Fragen: Gibt es ein Schicksal, und was wäre, wenn wir es verändern könnten? Was würde geschehen, wenn wir anfangen würden, unsere Träume tatsächlich zu verwirklichen?

Ob die Death Lady nun ein magisches Geheimnis hat oder nur die Statistik auf ihrer Seite – das Leben der Passagiere gerät bald auf völlig unerwartete Weise für immer aus den Fugen …(Verlagsinfo) 

In der Konsequenz ist diese ältere Dame zur Todesdame geworden und zu einer Agentin des Chaos.

Es steht die Frage im Raum, ob es sich bei der Person um eine wirkliche Todesprophetin handelt oder um eine durchgeknallte Mathematikerin, die sich in den Algorithmen von Wahrscheinlichkeiten und Statistiken wohlfühlt. Die Beantwortung dieser Frage erfolgt schließlich im Rahmen der Schlussfolgerungen des Romans.

Bis zu diesem Zeitpunkt fokussiert sich die Handlung auf die Passagiere des Schicksalsfluges, die sich entweder dem Tod entziehen oder ihn ignorieren. Das Leben der Protagonisten ist durch ein komplexes Chaos und eine Vielzahl von Ausweichmanövern gekennzeichnet, und die Lebensplanung hat sich grundlegend verändert.

Der Roman "Vorsehung" hätte das Potenzial gehabt, ein herausragendes literarisches Werk zu werden. Aus philosophischer Perspektive könnte man in diesem Kontext eine Vielzahl an tiefgründigen Narrativen entwickeln. Der vorliegende Roman zeichnet sich durch eine Überfrachtung mit sinnlosen Szenen, Dialogen und Beschreibungen aus, was die Spannung und den Unterhaltungswert des Werks erheblich mindert. Die Relevanz von Nebengeschichten und Nebenfiguren für die Tiefgründigkeit eines Romans wird dabei deutlich. Im vorliegenden Fall manifestiert sich jedoch das Phänomen, dass die Nebengeschichte das gesamte Werk als uninteressant erscheinen lässt.

Die zahlreichen privaten Rückblenden in die Vergangenheit der Todesdame sind jedoch als inakzeptabel zu betrachten. Die Charaktertiefe der Figuren bleibt dabei unangemessen flach und nach jedem Kapitel stellt sich eine gewisse Ratlosigkeit hinsichtlich der weiteren Handlung ein. Diese Analyse trifft gleichermaßen auf die weiteren "Erlebnis-/Überlebensgeschichten der Protagonisten" zu.

Selten wurde eine Geschichte mit derart viel Potenzial für eine ansprechende Erzählung verspielt oder überfrachtet dargestellt. Das Tempo der Handlung erzeugt keine Spannung, sondern lediglich eine gedämpfte Atmosphäre. Ebenso bleibt der Humor, sei er nun intelligent oder emotional, weitgehend aus.

Es sei an dieser Stelle auf den Umstand verwiesen, dass der Begriff "Emotional" im Kontext meteorologischer Vorhersagen eine größere emotionale Wirkung erzielt als der Begriff "Vorsehung".

Fazit

Zeitverschwendung – eine großartige Idee, deren Chancen ignoriert wurden. Trivial, überflüssig und überfrachtet und schlicht und einfach nicht unterhaltsam und zu keinem Zeitpunkt spannend. Nicht zu empfehlen. 

Michael Sterzik

Mittwoch, 4. Juni 2025

Historische Waffen und Rüstungen – Liliane und Fred Funcken


Das Mittelalter stellt eine Besonderheit in der Geschichte der Menschheit dar. Es ist eine Epoche, die bis heute das Interesse der Menschen weckt und die oft romantisch verklärt wird, obwohl sie von Gewalt geprägt war. Die Bezeichnung "dunkles Mittelalter" ist zwar geläufig, jedoch ist diese Einstufung als zu eindimensional zu betrachten. In Film und Fernsehen, in Reportagen sowie in Blockbuster-Filmen präsentieren die Ausstatterinnen und Ausstatter der Filme gerne eine Vielzahl an Rüstungen und Waffen sowie Kleidungsstücken mit Verzierungen. Einiges davon wurde nicht einmal in einer falschen Weise dargestellt oder in historischen Romanen überzeichnet beschrieben, doch vieles entspricht dennoch nicht den Tatsachen.

Es stellt sich die Frage, ob eine mittelalterliche Rüstung tatsächlich in der Lage war, einen gut geführten Schwertstreich zu widerstehen oder einen abgeschossenen Pfeil abprallen zu lassen. Dies ist die Ursache für die Entstehung von Legenden, Missverständnissen und Vorurteilen.

Die moderne Wissenschaft, insbesondere der Bereich der Schlachtfeldarchäologie, ermöglicht uns einen faszinierenden Einblick in die Welt der waffenstarrenden Ritter und Soldaten. Obwohl sich ihre Bewaffnung und Kleidung in Europa zum Teil sehr ähnlich waren, wiesen sie doch auch zahlreiche individuelle Merkmale auf.

Dieses prachtvoll illustrierte Handbuch ist einem faszinierenden Kapitel der europäischen Geschichte gewidmet: dem Rittertum des Mittelalters. Auf 150 Tafeln wird das feudale Kriegswesen des 8. bis 16. Jahrhunderts mit all seinen Facetten und in seiner ganzen Vielfalt präsentiert – von der Tracht, Rüstung und Bewaffnung der Ritter und Landsknechte bis hin zum Aufbau der Burganlagen und der Taktik von Infanterie und Artillerie.(Verlagsinfo) 

Das Buch "Historische Waffen und Rüstungen – Ritter und Landsknechte vom frühen Mittelalter bis zur Renaissance" hat sich zu einem Standardwerk entwickelt. In diesem Band wird ein umfassender Überblick über die Bewaffnung von Kriegern über acht Jahrhunderte hinweg gegeben. Geschichtsstudierende, Cineasten und an der Welt der Literatur interessierte Personen erhalten auf diese Weise einen wertvollen Einblick in die Thematik. Es existieren zahlreiche gezeichnete Illustrationen, die die Entwicklung der Waffen und Rüstungen äußerst detailreich darstellen.

Es existieren zahlreiche Beschreibungen, die sich unter anderem mit der Herstellung und Verwendung dieser Waffen befassen. Darüber hinaus werden auch Nebengeschichten und Erklärungen zur Strategie und Taktik des Einsatzes von Kurz- und Langwaffen dargelegt. Zu den erwähnten Waffen zählen der englische Langbogen, die effektive Armbrust sowie die ersten Feuerwaffen und Kanonen.

Das mittelalterliche Kriegswesen manifestiert sich hier in einer eindrucksvollen Form. Bei Betrachtung der erwähnten Waffen und Rüstungen gebührt den Schmieden, welche diese Gegenstände erschaffen, hoher Respekt. Derartige Handwerkskunst lässt vieles in den Schatten treten und präsentiert die Waffentechnologie der vergangenen Jahrhunderte aus einer vollkommen neuen Perspektive.

Fazit

Die vorliegende Publikation präsentiert Kriegskunst in Form eines bebilderten Kunstwerks. Die zahlreichen Details und Beschreibungen vermitteln dem Leser eine historische Perspektive, mit der er sich unterhaltsam beschäftigen kann.

Michael Sterzik