Das ist schon nicht ganz einfach mit der Vergangenheit, vieles kann man verdrängen, ignorieren, ausblenden, und sich doch in Sicherheit wiegen, dass es niemals an die Öffentlichkeit kommt, oder sowieso einen einholt. Doch die Realität beweist, dass es oftmals ganz anders ist. Und Jahre, womöglich Jahrzehnte später geht diese stille Zeitkapsel dann mit einem Knalleffekt hoch, und es ist laut, unangenehm, unfreundlich und verdammt unpassend.
Schicksal – oder ist diese eine Methode des Universums uns
daran zu erinnern, dass es universelle Gesetzmäßigkeiten gibt und uns die lange
Nase zeigt?
Es passiert immer wieder, dass ein alter „Cold Case Fall“
gelöst, oder der Täter durch Zufall überführt wird. Ja, sicherlich wird nicht
alles aufgeklärt, aber die Schatten der Vergangenheit werden immer mal wieder
ausgeleuchtet.
In dem vorliegenden Band „Brennender Zorn“ geht es um ein
Verbrechen, das über 70 Jahre zurückliegt, also faktisch im Zweiten Weltkrieg
geschehen sein musste. Ein Kriegsverbrechen, oder nur ein Mord und kann man das
Opfer und den Tathergang noch rekonstruieren? Der erste Handlungsstrang
verspricht also eine mysteriöse Spannung. Zurück in unsere Zeit, mit aktuellen
Themen, die auch in Dänemark mit einer gewissen Brisanz zu sehen sind. Die
Kritik am Staat, seinem Rechtssystem, seinen polizeilichen Behörden, inmitten
einer sowie politischen unruhigen Zeitenwende. Die Gewaltbereitschaft in der
Bevölkerung ist ansteigend, die personelle Besetzung bei der Polizei fällt
immer schwächer aus. Die Behörden sind nicht planlos, nur manchmal bis an die
Grenzen unterbesetzt. Die Willkür der Bürger wird geweckt, viele nehmen sich
das Recht heraus: Staatsanwalt und Richter spielen zu können und zu wollen und
bewegen sich mitunter jenseits aller Gesetze und reden wir doch erst gar nicht
von einem moralischen Kompass.
In Jütland wird das Skelett einer jungen Frau gefunden. Sie
starb durch einen Schuss in den Nacken. Die Tat liegt über siebzig Jahre
zurück, Polizeihistorikerin Maria Just übernimmt die Ermittlungen.
Währenddessen wird der Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen in Kopenhagen
überfahren und beinahe getötet. Die Polizei steckt in einer tiefen Krise, und
in diesem aufgeheizten Klima soll Kommissar Mikael Dirk herausfinden, wer den
Anschlag auf seinen Chef verübt hat und das Land destabilisieren will. Als es
zu einem weiteren Attentat kommt, erhält Mikael unerwartete Hilfe von Maria.
Wer profitiert davon, wenn die Polizei ihr Gewaltmonopol verliert, und was
verbindet die tote junge Frau mit den Tätern von heute? (Verlagsinfo)
Vergangenheit und Gegenwart im Staate Dänemark. Vor 70
Jahren war Europa vom Krieg überschattet und eine gewisse grausame Eigendynamik
entwickelte sich. Rache, Vergeltung, alte Rechnungen und totale Willkürlichkeit
einzelner militärischer und paramilitärischer Gruppen und aus Opfern konnten so
auch Täter werden.
„Brennender Zorn“ ist der zweite Band um die
Polizeihistorikerin Maria Just und dem Kriminalbeamten Mikael Dirk. Der erste
Band „Gefrorenes Herz“ war als Debütroman schon sehr gelungen, doch der
vorliegende ist vielseitiger, die Charakter intensiver dargestellt, die
Kombination von historischer Gegenwart und aktuellen Herausforderungen
ausgewogener.
Beide Handlungen sind auf ihre Art brillant erzählt. Das
die gegenwärtige die Innenpolitik aufgreift und auch die Machtkämpfe der
Politiker thematisiert werden, ist ebenfalls hoch spannend. Die beiden
Autorinnen schildern ihre Story sehr authentisch und ziehen keine Grenze
zwischen Gut und Böse – oder Opfer und Täter. Diese „Neutralität“ verspricht
eine spannende Realität und katapultiert allerlei Themen aufs Podium.
Rechtspopulismus, die Wut und Anspannung innerhalb der Gesellschaft, die
verzweifelte Hilflosigkeit der Ermittlungsbehörden und letztlich die
verschiedenen Interessen einzelner Politiker.
Die beiden Hauptfiguren Maria Just und Mikael Dirk sind
„erwachsener“ geworden und agieren einzeln wie auch vereint sehr
nachvollziehbar. Das beider Privatleben immer mal wieder in kleinen Szenen
aufgeweckt wird unterstreicht nur die sowieso allgegenwärtige Spannung. Es gibt
wenig Nebenpersonen – eine tragende ist die des Kollegen von Mikael, der im
ersten Teil in Notwehr einen Menschen töten musste, um beider leben zu retten.
Die Spannungen zwischen diesen beiden schaukeln sich hoch und sind auch nach
Band 2 noch lange nicht am Ende. Dies ist auch für mich einer der wenigen
Kritikpunkte, denn diese nun platzierte Nebenfigur hätte man mehr einbeziehen
müssen.
Mikael steht im absoluten Fokus der Handlung und immens
unter Druck. Als inzwischen Leiter für das Dezernat für Gewaltverbrechen muss
er nun „Zähne“ zeigen, koordinieren, leiten und Entscheidungen treffen.
Spannung also innerhalb von diversen Spannungen. Auch zwischenmenschlich
geschieht also auf verschiedenen Ebenen, mehr als vergleichbar in Band 1 es der
Fall war.
Am Ende und es ist nicht das Ende dieser Reihe – gibt es
eine ganze Reihe von etwaigen Wahrscheinlichkeiten und Alternativen, die ggf.
den zu erwartenden dritten Band noch spannender gestalten könnte.
Sehr lobenswert auch, dass der Leser einen Blick in die
Vergangenheit Dänemarks werfen kann, die allerdings ähnliche Herausforderungen
hatten, wie andere europäische Länder, die unter deutscher Besatzung waren.
Fazit
Par exellence
- einer der spannendsten Kriminalromane in diesem Jahr und eine Reihe, die man
nicht verpassen sollte. Alles richtig gemacht.
Michael Sterzik
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