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Dienstag, 14. März 2023

Brennender Zorn - Line Holm und Stine Bolther


Das ist schon nicht ganz einfach mit der Vergangenheit, vieles kann man verdrängen, ignorieren, ausblenden, und sich doch in Sicherheit wiegen, dass es niemals an die Öffentlichkeit kommt, oder sowieso einen einholt. Doch die Realität beweist, dass es oftmals ganz anders ist. Und Jahre, womöglich Jahrzehnte später geht diese stille Zeitkapsel dann mit einem Knalleffekt hoch, und es ist laut, unangenehm, unfreundlich und verdammt unpassend.

Schicksal – oder ist diese eine Methode des Universums uns daran zu erinnern, dass es universelle Gesetzmäßigkeiten gibt und uns die lange Nase zeigt?

Es passiert immer wieder, dass ein alter „Cold Case Fall“ gelöst, oder der Täter durch Zufall überführt wird. Ja, sicherlich wird nicht alles aufgeklärt, aber die Schatten der Vergangenheit werden immer mal wieder ausgeleuchtet.

In dem vorliegenden Band „Brennender Zorn“ geht es um ein Verbrechen, das über 70 Jahre zurückliegt, also faktisch im Zweiten Weltkrieg geschehen sein musste. Ein Kriegsverbrechen, oder nur ein Mord und kann man das Opfer und den Tathergang noch rekonstruieren? Der erste Handlungsstrang verspricht also eine mysteriöse Spannung. Zurück in unsere Zeit, mit aktuellen Themen, die auch in Dänemark mit einer gewissen Brisanz zu sehen sind. Die Kritik am Staat, seinem Rechtssystem, seinen polizeilichen Behörden, inmitten einer sowie politischen unruhigen Zeitenwende. Die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung ist ansteigend, die personelle Besetzung bei der Polizei fällt immer schwächer aus. Die Behörden sind nicht planlos, nur manchmal bis an die Grenzen unterbesetzt. Die Willkür der Bürger wird geweckt, viele nehmen sich das Recht heraus: Staatsanwalt und Richter spielen zu können und zu wollen und bewegen sich mitunter jenseits aller Gesetze und reden wir doch erst gar nicht von einem moralischen Kompass.

In Jütland wird das Skelett einer jungen Frau gefunden. Sie starb durch einen Schuss in den Nacken. Die Tat liegt über siebzig Jahre zurück, Polizeihistorikerin Maria Just übernimmt die Ermittlungen. Währenddessen wird der Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen in Kopenhagen überfahren und beinahe getötet. Die Polizei steckt in einer tiefen Krise, und in diesem aufgeheizten Klima soll Kommissar Mikael Dirk herausfinden, wer den Anschlag auf seinen Chef verübt hat und das Land destabilisieren will. Als es zu einem weiteren Attentat kommt, erhält Mikael unerwartete Hilfe von Maria. Wer profitiert davon, wenn die Polizei ihr Gewaltmonopol verliert, und was verbindet die tote junge Frau mit den Tätern von heute? (Verlagsinfo)

Vergangenheit und Gegenwart im Staate Dänemark. Vor 70 Jahren war Europa vom Krieg überschattet und eine gewisse grausame Eigendynamik entwickelte sich. Rache, Vergeltung, alte Rechnungen und totale Willkürlichkeit einzelner militärischer und paramilitärischer Gruppen und aus Opfern konnten so auch Täter werden.

„Brennender Zorn“ ist der zweite Band um die Polizeihistorikerin Maria Just und dem Kriminalbeamten Mikael Dirk. Der erste Band „Gefrorenes Herz“ war als Debütroman schon sehr gelungen, doch der vorliegende ist vielseitiger, die Charakter intensiver dargestellt, die Kombination von historischer Gegenwart und aktuellen Herausforderungen ausgewogener.

Beide Handlungen sind auf ihre Art brillant erzählt. Das die gegenwärtige die Innenpolitik aufgreift und auch die Machtkämpfe der Politiker thematisiert werden, ist ebenfalls hoch spannend. Die beiden Autorinnen schildern ihre Story sehr authentisch und ziehen keine Grenze zwischen Gut und Böse – oder Opfer und Täter. Diese „Neutralität“ verspricht eine spannende Realität und katapultiert allerlei Themen aufs Podium. Rechtspopulismus, die Wut und Anspannung innerhalb der Gesellschaft, die verzweifelte Hilflosigkeit der Ermittlungsbehörden und letztlich die verschiedenen Interessen einzelner Politiker.

Die beiden Hauptfiguren Maria Just und Mikael Dirk sind „erwachsener“ geworden und agieren einzeln wie auch vereint sehr nachvollziehbar. Das beider Privatleben immer mal wieder in kleinen Szenen aufgeweckt wird unterstreicht nur die sowieso allgegenwärtige Spannung. Es gibt wenig Nebenpersonen – eine tragende ist die des Kollegen von Mikael, der im ersten Teil in Notwehr einen Menschen töten musste, um beider leben zu retten. Die Spannungen zwischen diesen beiden schaukeln sich hoch und sind auch nach Band 2 noch lange nicht am Ende. Dies ist auch für mich einer der wenigen Kritikpunkte, denn diese nun platzierte Nebenfigur hätte man mehr einbeziehen müssen.

Mikael steht im absoluten Fokus der Handlung und immens unter Druck. Als inzwischen Leiter für das Dezernat für Gewaltverbrechen muss er nun „Zähne“ zeigen, koordinieren, leiten und Entscheidungen treffen. Spannung also innerhalb von diversen Spannungen. Auch zwischenmenschlich geschieht also auf verschiedenen Ebenen, mehr als vergleichbar in Band 1 es der Fall war.

Am Ende und es ist nicht das Ende dieser Reihe – gibt es eine ganze Reihe von etwaigen Wahrscheinlichkeiten und Alternativen, die ggf. den zu erwartenden dritten Band noch spannender gestalten könnte.

Sehr lobenswert auch, dass der Leser einen Blick in die Vergangenheit Dänemarks werfen kann, die allerdings ähnliche Herausforderungen hatten, wie andere europäische Länder, die unter deutscher Besatzung waren.

Fazit

Par exellence - einer der spannendsten Kriminalromane in diesem Jahr und eine Reihe, die man nicht verpassen sollte. Alles richtig gemacht.

 

Michael Sterzik

Montag, 20. Juni 2022

Blutland - von Kim Faber und Janni Pedersen


Nach den beiden Titeln: „Winterland“ und „Todland“ des dänischen Journalistenpaares, folgt nun mit „Blutland“ der abschließende Band der Trilogie.

Die Autoren verstehen ihr Handwerk und wissen wie und worüber sie schreiben. Sie wissen, wie man eine unterhaltsame Spannung erzeugt und vor allem auch gewissen Überraschungsmomente einbaut. Der vorliegende Roman befasst sich nicht mit geheimdienstlichen Altlasten, oder akute Bedrohungen durch rechtsextreme Terroristen. Diesmal spielt die Vergangenheit zwar auch eine wesentliche Rolle – doch dreht sich jetzt alles um einen alten Kriminalfall, der durch einen neuen Mord wieder reanimiert wird. Diese Reihe um Juncker & Kristiansen gehört zu den derzeit besten skandinavischen Titeln aus dem Genre Krimi/Thriller.

Die Bestie im Menschen – es gibt sie! Sie ist manchmal zahm, man kann sie kontrollieren, zähmen – doch sie kann auch mit Gewalt ausbrechen und fürchterliche Taten vollbringen. Brutal – unmenschlich – rücksichtslos und vernichtet ggf. Existenzen und Leben. Kennen wir den Menschen, mit dem wir ggf. seit Jahren leben, vielleicht zusammenarbeiten, mit dem wir befreundet sind? Manchmal so nah, und doch so fern. Wenn Masken fallen – was bleibt dann übrig?

Martin Juncker ist gerade zur Kopenhagener Polizei zurückgekehrt, da entbrennt in der dänischen Hauptstadt ein Kampf zwischen Neonazis und Rechtsradikalen auf der einen Seite und autonomen Gruppen und Einwandererbanden auf der anderen. Dabei wird ein Neonazi erstochen, und Junckers frühere Partnerin Signe Kristiansen übernimmt die Untersuchung des Mordes. Kurz darauf wird die Leiche einer Frau in einem Naturschutzgebiet gefunden: erdrosselt und sexuell missbraucht. Martin ermittelt in diesem Fall, und zum ersten Mal seit langer Zeit arbeitet er wieder mit Signe zusammen. Denn die beiden vermuten, dass die Taten von demselben Mann verübt wurden – einem eiskalten Killer, der es vermag, auch die erfahrensten Polizisten auf die falsche Fährte zu locken.(Verlagsinfo)

Ich hoffe, dass der dritte Band nicht der abschließende ist. Man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am besten ist – aber ein „Ende“ wäre zu verfrüht.

Die Charaktere sind gewachsen in den Storys. Sie sind gereift, aber lange nicht vollkommen und perfekt. Sie begehen Fehler, sind egoistisch, belügen sich und andere usw. Eine große Anzahl auf dem persönlichen Sündenregister – doch sympathisch findet man sie dennoch. Mal mehr – mal weniger.

Die Handlung bzw. die Sexualdelikte in denen Juncker & Kristiansen ermitteln zeigen die „Bestie“ im Menschen. Verbrechen – bei denen die Frauen, die vergewaltigt worden sind, den Tod vorziehen? Nicht nur der Körper ist vergewaltigt – die Seele auch und das mit irreparablen Schäden. Ein Schrecken, den das Buch direkt in die Köpfe der Leser transportiert, und das schonungslos.

Der dritte Band ist auch der spannendste, obwohl die Abgrenzungen eher verschwimmen. Nicht nur die Spannung gehört zum Lesevergnügen, denn auch die Charaktere übernehmen den zweiten Part. Haupt- und Nebenfiguren sind ausgewogen und genau so aufgestellt, dass sie sich weder behindern noch andere verdrängen. Der Fokus liegt bei Martin Juncker – auch sein Privatleben hat seine Kapitel, doch die Dramatik liegt bei diesem Kriminalfall, der auch ganz ohne den Nebendarsteller Kommissar Zufall zurechtkommt.

Zufälle klammern wir also nun aus – allerdings gibt es sehr gute Überraschungsmomente, die die beiden Autoren sich hier sehr raffiniert ausgedacht haben.

Alle Kapitel sind geschlossen – alles ist erzählt? Wenn, dass der Fall ist – so sollte man sich dennoch das Autorenpaar gedanklich notieren. Durch ihre berufliche Vergangenheit, wissen sie genau, welche „Knöpfe“ sie bei dem Leser drücken müssen, um diesen zu unterhalten.

Fazit

Wenn Masken fallen – was bleibt übrig? Vergangenheit und Gegenwart im schrecklichen Einklang. Eine Sinfonie des (Über)Lebens. Eine Thriller- Reihe, die man unbedingt lesen sollte. Prädikat: Pageturner

Michael Sterzik 

Samstag, 12. Februar 2022

Natrium Chlorid von Jussi Adler Olsen


Das Sonderdezernat Q mit Carl Mørck und Assad bewegt sich nun in seinen neunten, spannenden Kriminalfall. Die Reihe des dänischen Bestsellerautors Jussi Adler Olsen ist ein Spannungsgarant in dem Genre Krimi. Schon längst hat die erfolgreiche Reihe, die sich mit alten Cold Case Fällen beschäftigt, einen gewissen Kultstatus erarbeitet. Selbst die filmische Umsetzung ist bestens gelungen, was nicht selbstverständlich ist. Literatur und Film überzeugen absolut über ihre vielseitigen, und geheimnisvollen und manchmal schrulligen Protagonisten. Das nordische Ensemble ist mit den letzten Titeln gewachsen, und die Figuren reihen sich mühelos in Story und Beziehungsebenen ein.

Der Begriff „Natrium Chlorid“ steht schlicht und ergreifend für „Kochsalz“. In der Story begegnen den Ermittlern auch an vergangenen und gegenwärtigen Tatorten diese Substanzen und schnell wird es klar, dass hier eine gewisse Symbolik eine wegweisende Bedeutung spielt. Das „Salz“ in dieser Tatortsuppe führt das Team zu einem Serienmörder, der schon seit Jahrzehnten effektiv mordet.

An ihrem 60. Geburtstag begeht eine Frau Selbstmord. Ihr Tod führt zur Wiederaufnahme eines ungeklärten Falls aus dem Jahr 1988, der Marcus Jacobsen mit seinem besten Ermittler Carl Mørck zusammengeführt hat. Carl, Assad, Rose und Gordon ahnen nicht, dass der Fall das Sonderdezernat Q an die Grenzen bringt: Seit drei Jahrzehnten fallen Menschen einem gerissenen Killer zum Opfer, der tötet, ohne dass ihm ein Mord nachgewiesen werden kann. Er wählt Opfer und Todeszeitpunkt mit Bedacht und Präzision. Dreißig Jahre lang konnte niemand ihn stoppen. Und während die Corona-Maßnahmen die Ermittlungsarbeiten zusätzlich erschweren, bewegt der alte Fall sich auf Carl zu wie eine Giftschlange, die Witterung mit ihrer Beute aufgenommen hat …(Verlagsinfo)

Der Mörder präsentiert sich recht schnell in dem vorliegenden Band. Und seine Erzählperspektive ist im Vergleich zu den weiteren erzählenden Personen recht stark ausgeprägt. Die Handlung orientiert sich an einer gewissen Aktualität und damit ist „Corona“ auch hier in dieser Story angekommen. Und das auch nicht gerade wenig. Das Corona auch Polizeibeamten in ihren Dienst, ihn ihren Ermittlungen bremst, ist logisch, doch ich empfand diese Erklärungen und Anspielungen als zu präsent. Es nervte denn letztlich doch sehr und brachte inhaltlich die Story auch überhaupt nicht weiter.

Auch vergangene Situationen und Erlebnisse holen die Beamten des Sonderdezernats Q ein. Assad, der jetzt seine traumatisierte Familie in Dänemark hat, kämpft mit den Mühlsteinen der Bürokratie. Gegen Carl Mørck wird intern ermittelt. Damit sind die Nebengeschichten gesetzt und führen das Team am Ende an einen gewissen Scheideweg, der zwar nicht überrascht, von dem aber die Zukunft dieser Ermittlungseinheit und seinen Personen abhängen wird.

„Natrium Chlorid“ von Jussi Adler Olsen ist ein spannender Roman und vielleicht auch der einzige ohne wirkliches Tempolimit, denn die Ereignisse überschlagen sich.

Eine Tradition setzt sich souverän fort – die Running Gags von Assads „Versprechern“ lassen einen schmunzeln. Was leider etwas untergeht, ist die erzählerische Perspektive von Carl Mørck, auch seine Gedankenmodelle waren immer in den letzten Bänden dieser großartigen Reihe originell.

Originell verwendet Jussi Adler Olsen allerdings aktuelle medialen Themen. Ethik, Moral, Verantwortung, die Schnelllebigkeit und Brisanz von Einschaltquoten, Auflagen usw. Die Popularität hat Ihre Grenzen und tobt sich auch gerne an schwächeren Personen unserer demokratischen Gesellschaft aus. Hier entstehen irreparable Schäden, aber lesen sie am besten selbst.

Die Brücke zur Vergangenheit – zu dem ersten Band ist ausschlaggebend und nicht undramatisch. Aber die Quadratur des Kreises ist noch abgeschlossen und Carl Mørck wird im nächsten Band wohl seinen persönlichsten Cold Case-Fall erleben.

Assad, Rose und Gordon tendieren zwischen Neben- und Hauptfiguren, aber die beiden erstgenannten bekommen nicht ihre alte, bekannte Bühne zurück. Schade.

Fazit

Schnelle Story, dramatische Entwicklungen und ein Ende, dass einen zwingt, den nächsten Roman dieser hervorragenden Reihe lesen zu müssen. Es fehlt ein wenig die Ausgewogenheit – aber noch ist alles im positiven Rahmen.Damit empfehle ich diesen Roman „Natrium Chlorid“ gerne weiter.

Michael Sterzik

 

Dienstag, 11. Januar 2022

Todland von Kim Faber und Janni Pedersen


Nach „Winterland“ hat nun das dänische Autorenpaar den zweiten Titel „Todland“ im Münchner Verlag
  Blanvalet veröffentlicht. Die Storyline knüpft unmittelbar an den ersten Teil an. Der inländische dänische Geheimdienst PET hat der Mordkommission und seinen Beamten einen Maulkorb angelegt und Beweismittel wie Rechner etc. beschlagnahmt. Mit der Gesamtsituation nicht zufrieden, verstricken sich die Ermittler Martin Juncker und Signe Kristiansen dennoch tiefer in den brisanten Terroranschlag.

Das Autorenehepaar versteht es imposant seine Leser urplötzlich in die Handlung zu schleudern. Das geschieht so schnell und plötzlich – und zack findet man sich wieder in einem Schattenkrieg der Geheimdienste und der politischen Ströme. Die Reihe zeigt sich allerdings nicht als eine klassische Agenten-/Spionagereihe. Das Autorenduo legt viel Wert auf eine authentische und realistische Atmosphäre, die nicht mal ansatzweise fiktional klingt. Damit zeigt sich auch eine gewisse Aktualität und offenbart, dass das Thema „Terrorismus“ auch in den skandinavischen Ländern durchaus eine Bedrohung darstellt – und nicht nur islamischer Terror, sondern auch rechtsextreme Nationalisten, die jedes kriminelle Element und jede Methode dafür verwenden, ihre Interessen zu zeigen.

Der schreckliche Terroranschlag in Kopenhagen wirft immer noch seinen Schatten auf den Ermittler Martin Juncker: Während er im Fall eines toten Anwalts zu ermitteln beginnt, erhält seine Frau Charlotte einen anonymen Hinweis: Der Anschlag sechs Monate zuvor hätte verhindert werden können – und Martin soll in die Vertuschung verwickelt gewesen sein.

Als Journalistin konfrontiert Charlotte ihren Mann, doch der bestreitet alles. Insgeheim fürchtet er um sein eigenes und Charlottes Leben, wenn sie die Story weiterverfolgt. Einzig Martins ehemalige Kollegin Signe will der Reporterin helfen, doch ihr Antrieb ist ein persönlicher … Als Charlottes Informant brutal ermordet wird, beschließt Signe, dass es an der Zeit ist für die Wahrheit. Und so kommt sie einer unglaublichen Verschwörung auf die Spur, die bis in die höchsten Kreise der dänischen Politik reicht und in die auch Martin Junckers Mordopfer verwickelt ist …(Verlagsinfo)

Die Story teilt sich auf zwei Ebenen auf – der Kriminalfall, den Juncker bearbeitet und der ihn ein Stück weit in die kindliche Vergangenheit treibt und Signe, die Junckers Frau Charlotte behilflich ist. Die investigative Journalistin wird von einem Whistleblower kontaktiert, der geheimdienstliche Informationen zu dem Terroranschlag hat.

Man erahnt schon, wohin der Weg der beiden Ermittler geht – in ein lebensgefährliches Labyrinth, bei der an jeder Ecke der berufliche, oder auch der persönliche Tod winkt. Die Story ist insgesamt spannend, doch die Nebengeschichten und damit meine ich das Talent von Juncker und Kristiansen sich über Gebote, Anweisungen, moralische Etikette, und gut gemeinten Ratschlägen einfach hinwegzusetzen, sind faktisch die Schlüsselmomente. Das wirklich unterhaltsame ist bei den beiden, dass die kein emotionales, vergangenes und gegenwärtiges Minenfeld umfahren, sondern mit einer ignoranten Selbstverständlichkeit so mir nichts, dir nichts, mit Anlauf da reinspringen.

Diese Explosionen erzeugen dann wilde, verfahrene Situationen und erzeugen damit eine Spannung, der man sich nicht entziehen kann.

Die charakterliche Tiefe der beiden ist sympathisch, doch sind die beiden auch exemplarisch als typische Einzelgänger und Antihelden zu verstehen. Pragmatischer Egoismus in Kombination mit einer rebellischen Note und fertig sind die laufenden Katastrophengebiete.

Damit ist der Unterhaltungswert hochklassig. Man fragt sich allerdings am Ende des Buches – was die beiden im dritten, ggf. abschließenden Band anstellen werden. Abgesehen von einem Kriminalfall, haben beide noch private Herausforderungen, die es nicht leichter machen werden. Ideen sind also mehr als genug da und analysiert man die Eskalationsspirale, die sich in „Todland“ deutlich schneller bewegt, so könnte Band 3, der im Mai diesen Jahres im Buchhandel erscheint, noch spektakulärer werden.

Die große beschriebene Stärke ist ggf. auch der einzige Kritikpunkt, den ich habe. Die persönlichen Minenfelder der beiden sind zu ausufernd dargestellt. Die tatsächliche Storyline um den Terroranschlag, der Verwickelung des Inlandsgeheimdienstes stehen weit abseits in der zweiten Reihe. Schade.

„Todland“ hat auch kein Alleinstellungsmerkmal und vorher sollte der Leser definitiv zum ersten Band „Winterland“ greifen. Es gibt zu viele Ereignisse, Situationen und charakterliche Merkmale, die der Leser nur dann vollumfänglich begreifen kann, wenn er etwas informiert ist.

Fazit

Juncker und Kristiansen sind Chaos & Anarchie. Hochaktuell und originell unterhaltsame Spannung. Hier ist überhaupt nichts ruhig, selbst der Leser wird emotional eine Achter- oder Geisterbahn machen und wenig später nach „mehr“ schreien. Lesen.

Michael Sterzik

Dienstag, 12. November 2019

Opfer 2117 - Jussi Adler-Olsen


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Seit dem Jahr 2015 ist die Flüchtlingsdebatte in Europa nicht nur ein politisches, sondern auch ein kulturelles und soziales Problem. Das unser menschlicher Kompass mit dem Tod der Flüchtlinge im oder auf dem Weg zum Mittelmeer „out of order“ ist, bleibt mal dahingestellt. Wir diskutieren, wir argumentieren, wir haben Angst vor einer Überfremdung, einer anderen Kultur, wir haben Befürchtungen, dass unsere Komfortzone in Seenot gerät, wir haben große dramatische Angst vor Touristenterroristen - und dabei vergessen wir unsere „menschliche“ Verantwortung. Die Moral von der Geschichte – noch immer relativ unklar – die Folgen noch unabsehbar.
Langsam findet diese Flüchtlingsdebatte auch ihren unmissverständlichen Weg in die Unterhaltungsliteratur. Dabei schreibt die Geschichte doch die besten Vorlagen für authentische Romane. Aktuelle Themen – auf die man auch als Schriftsteller unterhaltsam und spannend zugreifen mag.
Der dänische Bestsellerautor Jussi Adler-Olsen verwendet in seinem neuestem Roman „Opfer 2117“ verschiedene hochaktuelle und brisante Themen. Der vorliegende Band ist der achte Fall für Carl Moerck und sein Sonderdezernat Q.
An Zyperns Küste wird eine tote Frau aus dem Nahen Osten angespült: Auf der ›Tafel der Schande‹ in Barcelona, wo die Zahl der im Meer ertrunkenen Flüchtlinge angezeigt wird, ist sie ›Opfer 2117‹. Doch sie ist nicht ertrunken, sondern ermordet worden. Kurz darauf beschließt der 22-jährige Alexander in Kopenhagen, Rache zu nehmen für ›Opfer 2117‹, dessen Foto durch die Medien ging. Bis Level 2117 spielt er sein Game ›Kill Sublime‹ − dann will er wahllos morden. Als Assad vom Sonderdezernat Q das Bild der toten Frau zu Gesicht bekommt, bricht er zusammen. Denn er kannte sie nur zu gut. Ein hochemotionaler Fall für Carl Mørcks Team, der nicht nur Assad an seine Grenzen bringt. (Verlagsinfo)
Wer die Reihe verfolgt hat, die nun schon auf ein kleines Jubiläum von 10 Jahren aufweist (deutsche Veröffentlichung), hat die Figuren aus dieser sehr erfolgreichen Serie schon längst ins Herz geschlossen. Diese Reihe ist natürlich so ausgelegt, dass sich die Protagonisten entwickeln können und das auf sehr realistischen Niveau mit allen menschlichen Höhenflügen und höllischen Abgründen. Exemplarisch und hochgeheimnisvoll ist die Person Assads. Ein Mann mit vielen Talenten, sehr intelligent, ein wacher Geist mit enormem Wissen und analytischen Fähigkeiten und durchaus im Stande konsequent und kompromisslos Gewalt auszuüben.
Doch wie konnte er diese vielfältigen Talente perfektionieren? Wer ist dieser geheimnisvolle, humorvolle und sensibler Mann? Natürlich gibt es wilde Vermutungen und auch in Hinweise, die in den letzten Bänden zielgenau gestreut wurden, doch in dem vorliegenden Band „Opfer 2117“ wird Assad demaskiert.
Jussi Adler-Olsen lässt es in seinem neuesten Werk mal so richtig krachen. Nicht nur dass der Autor aktuelle Themen spannend verarbeitet, diesmal ist weniger kriminalistisches Geschick gefragt, sondern eher undiplomatische, mit Waffen unterstützte Verhandlungen mit Terroristen und einem alten Erzfeind Assads. Das wäre der erste Part – die zweite Storyline schildert den Versuch einen inländischen Terroranschlag aufzuhalten – hier spielen Gordon und Rose die tonangebende Rolle.
Auch die Schauplätze und Perspektiven wechseln oft – gerade die Rückblenden in die Vergangenheit Assads erklären viel Vergangenes, aber beantworten noch nicht abschließend alle Fragen. Die Handlung spielt sich nicht nur in Dänemark ab.
Mit „Opfer 2117“ eröffnet der dänische Autor auch neue Türen für seine Figuren – und zwar für alle. Man befindet sich sozusagen auf einen „Scheideweg“ und es wird mehr wie interessant sein, in welches Terrain sich die Charaktere begeben, oder bewegen müssen!?
„Opfer 2117“ ist mit „Selfies“ der persönlichste Fall dieser Reihe. An Dramatik und Spannung fehlt es nicht – und neben der Aktualität ist der Roman sehr authentisch gezeichnet. Einzig und alleine – dieser fast schon biblischer Racheakt, gegen die Person Assads wirkt etwas sehr überzogen.
Hingegen zeigt der Autor auch unmissverständlich auf unsere Verantwortung: der Tod im Mittelmeer, die Verrohrung der Gesellschaft und unser Versagen in Familienfragen. Ohne wirkliche Wertung des Autors – aber doch bezeichnet und nachhaltig thematisiert, dass diese Szenen den Leser nachdenken lassen werden.
Auch der Humor, der in den letzten Büchern immer wieder in den Dialogen locker hervorstach, ist deutlich weniger geworden. Aufgrund der Storyline, allerdings absolut gerechtfertigt.
Mit sehr großem Abstand ist der Roman: „Opfer 2117“ ein Actionfeuerwerk im Vergleich zu den anderen Titeln. Die nächsten Bände werden interessant – den die Positionen – beruflich und privat stehen in den Starlöchern mit unbekanntem Ziel.
Fazit
„Opfer 2117“ ist eine authentische Räuberpistole. Hochspannend – Brandaktuelle Themen und mit einem Assad der mit völlig aufdreht.
Damit gehört „Opfer 2117“ zu einem Highlight im Genre Thriller. Eines noch zum Schluss – bitte nicht „Opfer 2117“ als erstes lesen – dass würde die Wirkung völlig verfehlen. Lesen Sie die Reihe – diese gehört zu einem der besten im Genre „Thriller“.
Michael Sterzik

Dienstag, 18. September 2018

Oxen - Gefrorene Flammen - von Jens Henrik Jensen

Der skandinavische Autor Jens Henrik Jensen schließt mit dem vorliegenden Band um den Ex-Elitesoldaten Niels Oxen seine Trilogie um die dänische Geheimorganisation Danehof ab. 

Diese Thriller-Reihe überzeugt durch eine sehr intelligent aufgebaute Storyline und herausragenden Charakteren, die konzipiert wurden. Das alte Lied der Verschwörungen wurde neu orchestriert und entstanden ist eine spannende Sinfonie. 

„Gefrorene Flammen“ ist der abschließende Band und der eigentliche Hauptdarsteller Niels Oxen ist nur eine wichtige Nebenfigur in diesem Roman des dänischen Autors. Wir erinnern uns an das Ende des zweiten Teils – Das Imperium schlägt zurück – der Danehof hat sich gerächt und das Leben seiner Kontrahenten systematisch zerstört. Entlassen aus ihren Jobs, oder gezwungen abzudanken sieht die Zukunft eher düster für diese aus. Niels Oxen hat den Mordanschlag allerdings überlebt und wird zum Anlasser einer ausgeklügelten Rache. 

Leitend und federführend ist der Charakter des inzwischen kaltgestellten Geheimdienstchef Axel Mossman. Langsam aber stetig sammelt er Informationen, nutzt sein berufliches Netzwerk, analysiert und positioniert seine ehemaligen Kollegen und nun Opfer dieser elitären Geheimgesellschaft, die sich bereitmachen den „Danehof“ zu zerschlagen. 

„Gefrorene Flammen“ liest sich spannend, ist aber bei weitem nicht so actionlastig wie die beiden Vorgänger. Das Niels Oxen ist den Hintergrund verdrängt worden ist, mindert nicht die Spannung. Interessant ist es, wie die Machtstrukturen der Geheimgesellschaft verflochten sind mit der Justiz, der Wirtschaft und nicht zuletzt der Politik. Verschwörungen hin oder her – es wird der Zeitpunkt kommen, bei der sich der Leser fragen wird: Wie realistisch ist es, dass eine elitäre, im Schatten agierende Gesellschaft der Staat innerhalb eines souveränen Staates ist?! 
Kann die Politik, die Wirtschaft – die legislative, die Judikative und die exekutive Gewalt manipuliert und missbraucht werden, um den Staat in eine gewünschte Richtung zu lenken? Und wenn ja: Warum und wieso? Geht es um demokratische Werte, oder um die simple Motivation sich wirtschaftlich zu bereichern? Es gibt Länder in Europa – z.B. Italien mit einer Loge, die Elemente der Kriminalität schon längst erfolgreich implementiert haben. Die Mafia ist ruhiger geworden, eine neue Generation wächst heran und die Motivation der „Chefs“ verlagert sich allzu deutlich in Richtung der Wirtschaft und der einflussreichen Politik.  

Analysiert und bewertet man die Konzipierung der Charaktere, so überlässt der Autor ebenfalls nichts den Zufall. Es gibt allerdings auch keine neuen Erkenntnisse, oder Überraschungen. Fokussiert erzählt der Autor die Story zu Ende. Stil, Ausdruck und Sprache sind aufeinander abgestimmt. 

Der Autor Jens Henrik Jensen gibt dazu Antworten, ob diese nun befriedigend sind, oder nicht, überlässt der den Leser selbst. Der Abschluss dieser Reihe ist aber sehr gut inszeniert und lässt kaum offene Fragen zurück. 

Wie geht es denn nun weiter, oder geht es überhaupt weiter?! Ja es geht weiter – es geht auch weiter mit Niels Oxen – allerdings nicht mit dem Danehof. 
  
Fazit

„Oxen – Gefrorene Flammen“ von Jens Henrik Jensen ist ein perfekter, sehr intelligenter Thriller. Elementarische Einflüsse aus der Politik, der Wirtschaft, des Geheimdienstes und die gute alte Rache harmonieren hier perfekt. In Summe ein krönender Abschluss. 

Michael Sterzik