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Dienstag, 5. Juli 2022

Der Libanese - Clemens Murath


Das organisierte Verbrechen in Deutschland – eine kriminelle Schattenwelt in der auch die Politik, die städtische Verwaltung, wie auch die Wirtschaft involviert sind. Der Kampf der militanten, meist ausländischen Familien um die Vorherrschaft in einem Stadtteil, oder gar der Stadt selbst, wird mit harter und brutaler Intensität geführt. Der kriminellen Energie sind hier keine Grenzen gesetzt. An die Grenzen kommen jedenfalls die Polizeibehörden, die das organisierte Verbrechen als eine Hydra bezeichnen. Bekämpfen um jeden Preis – aufhalten ist unmöglich, aber dieser Maschinerie durchaus brauchbare Schäden zuführen – das kann gelingen. Der Preis für diese kleinen Erfolge ist allerdings viel zu hoch: Kaputte Ehen, Drogenmissbrauch mit Alkohol und sonstigen synthetischen Drogen ist nicht selten und als Staatsbeamter mit geringem Gehalt, aber viel persönlichen Risiko ist man vielleicht auch bereit, sich selbst an Drogen und Geldern zu bereichern. Der schmale Grat zwischen Legalität und Kriminalität ist hauchdünn und der Abgrund auf beiden Seiten tief.

Clemens Murath nimmt sich genau diesen Themen an – und zwar allen. Nicht nur dem Verbrechen, sondern auch die Vernetzung mit der Wirtschaft usw. und auch die Anspannungen und Risiken der Polizei werden mit klaren Worten erklärt.

Ein Stück Gegenwartsliteratur, dass dem Leser schonungslos und absolut radikal vor Augen führt, dass selbst die Polizei versucht unter dem Radar die Kriminalität zu bekämpfen, und zwar mit kriminellen Alternativlösungen. Nicht ungemein originell, aber zweckmäßig

Frank Bosman führt mit seinem Team vom LKA einen ziemlich hoffnungslosen Kampf gegen Arslan Aziz, den Kopf einer libanesischen Großfamilie, die das Drogengeschäft in Berlin weitgehend kontrolliert. Als die albanische Mafia aggressiv auf den Markt drängt und Arslans Bruder Tarik einen Konkurrenten ermordet, sieht Bosman die Chance, den ganzen Clan zur Strecke zu bringen. Doch die Festnahme endet blutig, und Bosman kommt schwer unter die Räder. Nicht nur hat er die internen Ermittlungen wegen der tödlichen Schießerei am Bein, sondern er muss sich einer blutjungen Augenzeugin erwehren, die ihn jederzeit in den Knast bringen kann. Als wäre das noch nicht genug, stellt sich heraus, dass sein Schwager Harry, ein windiger Filmproduzent, in den Fall verwickelt ist. Er schuldet Aziz eine Menge Geld, das er nicht zurückzahlen kann ...(Verlagsinfo)

„Der Libanese“ ein Roman, der sich nicht mit Nebenhandlung aufhält, der schnell und einfach erzählt wird, dass man kaum mehr merkt, ob es gerade spannend war, oder noch ist. Diese schonungslosen Beschreibungen, die sehr detailliert sind, diese Mischung aus Sex & Crime ist nicht für jeden etwas. Vielseitig sind die auch die Charaktere – dass Schema „Good Cop and Bad Cop“ wird man hier nicht finden – es sind alles Bad Cops. Alle sind erpressbar, jeder hat gewisse Leichen im Keller, mancher einen ganzen Friedhof voller Sünden, voller Geheimnisse, und Abhängigkeiten. Fällt also ein Beamter – kann er gerne wie ein Lemming gleich mal viele Mitwisser und Dulder mitreißen.

Doch auch die „Bösen“ sind nicht nur eindimensional schlecht. Die Motivation sich dieser kriminellen Spirale zu entziehen, sich auf die helle Seite der Macht einzureihen ist löblich, aber sich aus diesem Sumpf zu befreien kann ebenfalls ein Kampf gegen eine Hydra werden. Dem Autor Clemens Murath gelingt das fabelhaft überzeugend.

Für Action ist gesorgt – Sex und Gewalt findet man auch und diverse andere Todsünden finden sich auch ein. Wie schon gesagt, findet der Autor, aber auch neben seiner brachialen Rhetorik, auch sanfte Worte, die dem Menschen die Maske der Kriminalität entfernen. Darunter zeigt sich dann der Mensch, der ohne Hilfe seiner Familie und Freunde keinen Ausweg finden wird.

Neben der Spannung kommt auch der Humor nicht zu kurz. Dieser ist aber auch genauso schwer zu verdauen und oftmals tiefschwarz.

Vieles ist sehr gut an diesem Roman. Einiges bedient aber auch jedes klassische Vorurteil, an das man denkt – wenn das Wort „Clan-Kriminalität“ fällt. Viele Klischees werden ebenfalls bedient – trotzdem zeigt „Der Libanese“ schonungslos auf, welche internen Strukturen es gibt, wie schmal der Grat zwischen der höheren Gesellschaft und der Kriminalität ist.

Clemens Ausdruck, sein Stil eine Geschichte zu erzählen ist absolut offensiv. Knallharter Roman, der vielleicht mehr zeigt, als er muss und spannende Unterhaltung bietet. Die Figuren sind skurril, aber herrlich (un)sympathisch, dass man doch sehr neugierig ist, wie es denn mit den „Bad Cops“ so weitergeht.

 

Michael Sterzik

Donnerstag, 23. Juli 2020

Eisenblut - Axel Simon


Es gibt zurzeit viele Krimis auf dem Buchmarkt, die sich in der heutigen Gegenwart abspielen. Im Genre „Historischer Roman“ gibt es noch eine Unterkategorie „Historischer Krimi“ – diese spielen allerdings zumeist im Mittelalter und nicht wie der vorliegende Krimi von Axel Simon – „Eisenblut“  zur Zeit des Kaisers in der Hauptstadt Berlin im Jahr 1988. Ungewöhnlicher Zeitraum – aber auch nicht weniger spannender als die bekannten Krimis.

Der Autor Axel Simon gibt dem Berlin vergangener Tage ein komplexes und authentisches Bild. Es ist eine interessante Zeit – eine die Veränderungen mitbringt. Die technischen Entwicklungen verändern das Leben der Menschen und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse werden zunehmend alles in Frage stellten, was noch vor kurzen als Status Q galt. Die Atmosphäre hat der Autor wirklich gut eingefangen.

„Eisenblut“ von Axel Simon ist der erste Band einer Reihe um den Privatermittler Gabriel Landow. Dieser ist der jüngere Sohn einer alten ostpreußischen Adelsfamilie – der wegen einem Diebstahl aus der kaiserlichen Armee unehrenhaft entlassen wurde. So mit fristet der Grafensohn ein eher ärmliches, runtergekommenes Leben – zu stolz um wieder zu versuchen Anschluss an seine Familie zu finden – zu exzessiver Lebenswandel und immer wieder nur Gelegenheitsaufträge in seiner eher mies laufenden Detektei. So interessant dieser Charakter auch dargestellt ist – bedient sich der Autor doch einer zweifelsfrei bekannten Charakterkonzeption. Der verlorene Sohn, der talentiert ist, intelligent – aber zu eigensinnig um sich selbst zu reflektieren und Änderungen zu verfolgen. Also ein sympathischer Looser auf der typischen Verliererstraße – immer auf der Suche nach einem Ausweg. Auch wenn „Gabriel Landow“ seinen ersten Auftritt in „Eisenblut“ hat – so erkennt man das o.g. Muster schon nach wenigen Seiten. Schade – aber warten wir mal ab, welche Richtung er seinen Leben ggf. in einem zweiten Teil einschlägt.

Mit den übrigen Charakteren verhält es sich ähnlich. Also nichts neues – nicht originelles was dem Leser hier inhaltlich präsentiert wird.
Die Handlung splittet sich in mehreren Storys auf und auch die dramatische Vergangenheit von Landow, bzw. seiner Familie wird thematisiert.  

Kleine Seitensprung-Schnüffeleien sind der Alltag seiner schlecht laufenden Detektei im miesen Berlin-Kreuzberg im Jahr 1888: Gabriel Landow, schwarzes Schaf seiner ostpreußischen Getreidejunker-Familie, fällt der Erfolg nicht gerade in den Schoß. Aber dann fällt ihm ein Observierter direkt vor die Füße: Aus nachtschwarzem Himmel mitten aufs Sperrgebiet am Tempelhofer Feld. Wahrscheinlich wurde der aus dem Korb eines Militärballons gestoßen. Nur ein kleiner Ministerialbeamter, der allerdings mit einem geheimen Marineprojekt zu tun hatte. Und immerhin der dritte Tote dieser Art in letzter Zeit mit einem Buch der Gebrüder Grimm in der Hand. Aber weshalb die Regierung ausgerechnet Landow mit der Aufklärung betraut, ist auch ihm ein Rätsel. Genauso wie der Brandanschlag auf ihn kurz darauf. Wer sollte am Tod eines kleinen Ermittlers interessiert sein? Wo doch ganz Berlin, ach was, ganz Europa, nur gebannt auf das Sterben des todkranken Kaisers wartet, das einige aus ganz eigenen Motiven herbeisehnen. (Verlagsinfo)

„Eisenblut“ verfügt über eine solide Spannung – aber wirkt auch inhaltlich manchmal völlig verloren. Überfrachtet – zu langsamer Aufbau – keine wirklich zielführender Aufbau. Es entsteht der Eindruck als hätte der Autor Axel Simon sein Romanskript unzählige Male immer wieder überarbeitet. Sprachlich hat der Autor seinen Roman gut gestaltet – toller subtiler Humor, ironisch und manchmal düster.

Spannung – damit meine ich das Lesevergnügen ist eher durchschnittlich. Auch wenn der charakterliche Aufbau der Personen einer Schablone entspricht – so retten diese den Roman und animieren dazu bestimmt auf zu einem zweiten Band zu greifen. Dieser sollte aber inhaltlich mehr überzeugen.

Überzeugen konnte Axel Simon absolut in der authentischen Darstellung von Berlin, was den wenigsten von uns auch aus anderen Romanen bekannt sein dürfte. Interessante Darstellung eines Milieus und seiner Gesellschaft. Großartig beschrieben.

Fazit

„Eisenblut“ von Axel Simon ist etwas verfahren im Aufbau und insgesamt in seiner gesamten Struktur. Mehr Konzentration auf den Grundplot – und bitte Charaktere deren Substanz überzeugen und die man nicht wahrnimmt, als würde man diese schon seit Jahren kennen.

Michael Sterzik

Sonntag, 11. Februar 2018

Kerkerkind - Katja Bohnet

Der zweite Band  „Kerkerkind“ der zwischen Köln und Frankfurt lebende Autorin Katja Bohnet wurde vor Kurzem im Verlag Knaur veröffentlicht.

Der Thriller spielt in der Metropole Berlin. Ein heißer Sommer, in der in einem Waldstück, eine verbrannte, schwangere Frau gefunden wird. Es bleibt nicht bei einem Todesfall – ein Verdächtiger verliert seinen Kopf. Die beiden sehr unterschiedlichen Ermittler des LKA Rosa Lopez und Viktor Saizew, werden mit diesem brisanten Fall betraut. Viktor leidet noch an den Folgen eines inzwischen entfernten Gehirntumors und entlässt sich selbst aus dem Charité. Seine Kollegin Rosa Lopez steht kurz vor ihrer dritten Entbindung und ist emotional stark belastet, da ihr todgeglaubter Sohn, nach acht Jahren wieder aufgetaucht ist, nur eben nicht in Berlin.

Es ist der zweite Roman von Katja Bohnet. „Messertanz“ habe ich noch nicht gelesen, sodass mir einige Passagen aus dem vorliegenden Buch natürlich völlig fremd sind, da diese sich auf den Erlebnissen aus dem ersten Band beziehen.
Der Einstieg in den Roman ist nicht leicht. Kurze, knappe Sätze, viele unnötige Umschreibungen verunsichern und man hofft, dass es nicht so weitergeht. Im Laufe der nächsten Kapitel, lernt der Leser die beiden sehr eigenwilligen Ermittler kennen. Ebenfalls lässt die Autorin das persönliche, private Umfeld der beiden Kriminalbeamten in einem sehr, sehr ausführlichen Fokus rücken. Dies ist einerseits hervorragend, andererseits verliert sich die Handlung und konzentriert sich auf das Privatleben, also den sehr reichhaltigen informativen Nebengeschichten.

Die Spannung ist nicht immer präsent. Sie taucht immer mal wieder sehr glänzend formvollendet auf, um dann in den vielen großen und kleinen privaten Herausforderungen, der Protagonisten unterzugehen. Die Handlung fächert sich auf, geht mal in diese, mal in eine andere Richtung. Viel Ermittlungsarbeit findet nicht statt, das verliert sich leider aus den gerade besagten Gründen.

Stil und Sprache sind hervorragend gestaltet. Emotional, sensibel, aber auch konsequent hart und kompromisslos, wenn es die Situation verlangt. Die Charakterfindung ist allerdings perfekt gelungen. Gerade die Person Viktor Saizew hat ungemein viel Potenzial und wirkt bei all seiner realistischen Vita und seiner harten Sensibilität und Hilfsbereitschaft sehr sympathisch. In „Kerkerkind“ spielt seine berufliche Partnerin Rose Lopez eine eher untergeordnete Rolle, die allerdings im letzten Drittel dichter wird.

Auffällig im Aufbau, sind die allzu vielen Beschreibungen und Vergleiche von Gefühlen, Situationen, Gegenständen etc. Klar, interessant und auch nötig – aber für meinen Begriff zu viel des Guten.

Fazit

„Kerkerkind“ von Katja Bohnet ist ein dichter Thriller mit herausragenden Charakteren, die die Handlung passgenau ergänzen. Ich hoffe, auf einen dritten Teil und diesen bitte hochkonzentriert auf die Haupthandlung auslegen. Den Namen der Autorin „Katja Bohnet“ muss man sich merken. Absolut empfehlenswert.

Katja Bohnert öffnet einen Kerker – und ans Tageslicht kommen Rache und Vergeltung in perfekter, faszinierender Form. Absolut zu empfehlen.

Michael Sterzik