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Samstag, 28. September 2024

Winterwölfe - Dan Jones


Der vorliegende Titel ist der zwei Band der Essex-Dogs Reihe des britischen Historikers Dan Jones. 

Der Hundertjährige Krieg in seiner Anfangsphase zur Durchsetzung des Anspruchs auf den französischen Königsthron. Mit aller Gewalt - kompromisslos und konsequent wurde nicht nur auf dem Schlachtfeld gekämpft. Es waren nicht nur die edlen, meist adligen Ritter, die sich in einem Kampf auf Leben und Tod gegenüberstanden, sondern meist einfache Soldaten, zum Kriegsdienst gezwungene Vasallen der verschiedenen Herrscherhäuser. Aber auch Söldner kämpften gegen Bezahlung gegen den „Feind“.

Die französische Zivilbevölkerung wurde von den Invasoren in ihren Dörfern, kleinen und großen Städten misshandelt. Viele Städte wurden belagert, immer wieder angegriffen und endlos bombardiert. Eine psychische und physische Folter, die auch Hungersnöte mit sich brachte, wenn die Vorräte vernichtet oder aufgebraucht waren. Die hygienischen Verhältnisse verschlechterten sich, Krankheiten und Seuchen breiteten sich unter der verängstigten Bevölkerung rasant aus.

Der Krieg zerstört sehr schnell die Menschlichkeit - auf beiden Seiten - ob man nun Gewalt ausübt oder ihr zum Opfer fällt. Er hinterlässt unweigerlich Narben auf der Seele, die auch die Zeit nicht heilen kann. 

Der Autor Dan Jones erzählt sehr eindringlich und nachhaltig von den Schrecken des Krieges, von Belagerungen, Plünderungen, Kriegsverbrechen - aber auch von der psychischen Gewalt, von posttraumatischen Erlebnissen, die zerstörerisch sind.

Ende August 1346: Die große Schlacht bei Crécy ist geschlagen. Die erschöpften Essex Dogs wollen nach Hause, doch der englische König hat anders entschieden: Noch weiter im Norden liegt die reiche Hafenstadt Calais. Während der winterlichen Belagerung werden die Söldner zu einsamen Wölfen... Im zweiten Teil seiner Essex-Dogs-Trilogie lässt Dan Jones seine Leser ganz tief eintauchen in ein dunkles Mittelalter, in dem die zarten Flammen an Menschlichkeit, Sehnsucht und Liebe nur umso heller leuchten.

Mit französischem Terrain sind die englischen Söldner mittlerweile vertraut. Aber eine monatelange Belagerung einer Stadt und ihrer Bewohner – das ist auch für Männer, die schon alles gesehen haben, eine brutale Erfahrung. Wofür und gegen wen kämpfen sie hier? (Verlagsinfo)

„Winterwölfe“ ist etwas weniger actionreich als sein Vorgänger. Gekämpft wird natürlich auch, aber der Fokus liegt diesmal mehr auf den Charakteren, die durch ihre ganz persönliche Hölle gehen. Ehre und Ruhm, Pflichtbewusstsein und Kameradschaft - ja, all das kommt vor und wird auch thematisiert. Die „harten“ Essex Dogs zeigen nun auch ihre menschliche Seite. Immer wieder die Hoffnung, heil in der Heimat England anzukommen. Geld spielt als Motivation immer weniger eine Rolle. Das Überleben zählt, aber auch das verdammte Pflichtgefühl sich um seine Kameraden zu kümmern, egal wie aussichtslos das eine oder andere Himmelfahrtskommando auch sein mag. 

Es gibt Tote - von der einen oder anderen Figur muss man sich im Laufe der Handlung verabschieden. Von der ursprünglichen Zahl dieser Gruppe bezahlter Söldner ist nicht mehr viel übrig geblieben. Und diese dezimierte Zahl wirft die Frage auf, wie es im dritten Band weitergehen wird.

Historisch erzählt ist „Winterwölfe“ sehr gut. Das darf man von einem Historiker auch erwarten. Die Situation einer sehr langen Belagerung, und wir reden hier nicht von ein paar Tagen, wird sehr realistisch dargestellt. Das Eintreffen der Kanonen, das ständige Feuer auf die Mauern einer Stadt, deren Zivilisten unschuldig sind. Die Erwartungshaltung des herrschenden Adels, dem ein Menschenleben nichts bedeutet. Die Kluft zwischen dem Adel und dem einfachen Soldaten wird immer wieder thematisiert und dramatisiert, auch das Ausgeliefertsein, wenn absolut sinnlose Befehle ausgeführt werden müssen.

Manchmal wirkt die Geschichte ermüdend, vor allem dann, wenn die einzelnen Perspektiven der Figuren an der Reihe sind. Viele dieser Szenen zeigen die Verlassenheit, die Verzweiflung und den schwindenden Glauben, den Krieg überleben zu können.  

Die beiden historischen Romane von Dan Jones sind harte und grausam erzählte Momentaufnahmen des Hundertjährigen Krieges. Für Leser, die immer noch das Bild eines glorreichen und moralischen Ritters vor Augen haben, sorry - dieses idealisierte Bild taucht an keiner Stelle auf. Dan Jones erzählt das Töten, Sterben und Leiden absolut schonungslos und eine klassische, romantische Liebesgeschichte wird man hier auch nicht finden. 

Fazit

Der Alptraum des Krieges - sehr menschlich und packend dargestellt. Realistisch und nachhaltig verstörend zeigt uns Dan Jones die Bestie Krieg, die alles verschlingt - Täter wie Opfer.

Michael Sterzik

Dienstag, 7. Juli 2020

Legendes Krieges - Der eiserne Schwur - David Gilman


David Gilman lässt seinen Protagonisten Thomas Blackstone zum inzwischen sechsten Mal im 100.jährigen Krieg zwischen dem englischen und französischen Königshaus kämpfen.  Der jugendliche Steinmetz ist inzwischen zum legitimierten Kriegsherrn aufgestiegen. Doch sein kriegerisches Leben hinterlässt eine Spur des Todes in seiner Vergangenheit. Seine Frau und Tochter wurden ermordet, ganz zu schweigen von vielen Freunden – Lehrern und Weggefährten, die nicht nahezu unsterblich wirken, wie Blackstone selbst.

Das dieser Krieg nicht nur lange, sondern auch von beiden Seiten unerbittlich und brutal geführt wurde, geben viele historische Quellen wieder. Die Opfer waren nicht nur Soldaten der beiden Länder, oder Söldner – sondern gerade die Zivilbevölkerung in kleineren Dörfern und Städten wurde fast schon systematisch abgeschlachtet. David Gilman lässt in dem vorliegenden Band dieser hervorragenden historischen Reihe eine Brutalität sprechen, die fast schon nicht mehr zu ertragen ist. Ein Leben, auch das eines einfachen Soldaten wird nicht wertgeschätzt – es kann natürlich sein, und es deutet ja auch alles darauf hin, dass es wirklich so gewesen sein mag – aber die erzählerische Kälte möglichst den Tod durch das Schwert spannend und blutig zu schildern, ist tendenziell zu stark. Dieses wiederum spiegelt sich auch im Charakter von Thomas Blackstone wider. In „Der eiserne Schwur“ zeigt er bis auf wenige Ausnahmen eine Gefühlskälte dar, bei der man sich fragt, wie es charakterlich mit der persönlichen Legende des Krieges weitergehen mag.

Der Autor hat gezeigt, dass er sehr, sehr spannend erzählen kann. Spannend ist der vorliegende Band auch – doch auch sehr vorhersehbar und allzu konzentriert darauf möglichst brutale Tötungen zu beschreiben. Kampfkunst hin oder her – auch hier beschreibt David Gilman anhand historischer Quellen verschiedene Schwerttechniken, die natürlich auch praktische Verwendung finden.

Trotz dieser vorherrschenden Kritikpunkte retten die Nebenfiguren den Unterhaltungswert. Die Dialoge sind manchmal sehr provokant witzig, ironisch und führen Thomas Blackstone zurück auf den unblutigen Weg des Kriegers.

Auch die Politik versteckt sich hinter der Bühne. Leider – denn auch das wäre ein spannendes Thema sein können. In puncto „Liebe“ – die hier sehr sekundär verwendet wird, findet man zum Ende hin eine interessante Dramatik, aber auch diese ist vorhersehbar und keineswegs überraschend. Gerade eine dramatische Auseinandersetzung fehlt hier – eine Person, oder überhaupt ein Feind, der Thomas Blackstone ebenbürtig ist. David Gilman stellt ihn als allzu selbstsicher, unbesiegbar und unsterblich dar. Letzteres ist ärgerlich – denn es ist nicht allzu realistisch, dass er einfach alles überlebt.  

Frankreich, 1362: Zwar wurde Thomas Blackstone, einst ein einfacher Bogenschütze, zum Kriegsherrn König Edwards III. ernannt – doch das schützt ihn vor Verleumdung nicht. Eine Gruppe Ritter des Deutschen Ordens trachtet nach Vergeltung an dem walisischen Söldnerführer Gruffydd ap Madoc, der für grausame Verbrechen im Elsass verantwortlich sein soll. Da wittert Simon Bucy, der raffinierte Berater des französischen Königs, seine Chance. Blackstone sei mit dem Waliser geritten und der eigentliche Schuldige, flüstert er ihnen ein, und die Ritter begeben sich auf die Suche. Blackstone kämpft derweil mit Entschlossenheit für den Anspruch seines Königs auf französischen Boden. Zugleich bangt er um die Sicherheit seines Sohnes Henry. Dann gerät nicht nur dieser, sondern auch der englische Prinz in größte Gefahr …(Verlagsinfo)

Fazit

„Legendes Krieges – Der eiserne Schwur“ von David Gilman ist ein brachiales, brutales Bild des 100. Jährigen Krieges. Erbarmungsloses Töten – kalt und emotionslos erzählt. Spannend ist es – wie geht’s denn nun weiter? Es wird Zeit für eine neue Herausforderung, die Thomas Blackstone dazu treiben muss, sich selbst zu reflektieren. Es wird Zeit – dass auch er wieder weiß – was Tot und Verlust bedeuten mag.

Der sechste Band ist, obwohl der Schwächen sehr empfehlenswert – wenn man sich auch die gesamte Reihe konzentriert. David Gilman hat auch mit diesem Band bewiesen, dass er ein guter Autor ist – gut recherchiert – guter Aufbau – gute Charaktere – aber insgesamt zu wenig Handlung.

Michael Sterzik