Samstag, 30. Mai 2020

Undercover - Ein V-Mann packt aus - Jörg Diehl, Roman Lehberger und Fidelius Schmid.


Wir alle erinnern uns an den fürchterlichen, terroristischen Anschlag in Berlin am 19.12.2016. Der tunesische, radikalisierte Terrorist Anis Amri fuhr mit einem gestohlenen LKW direkt in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin. 12 Menschen starben, über 55 weitere Besucher wurden zum Teil schwer verletzt. Der Attentäter floh zu Fuß, wurde aber wenig später in Italien bei einer Ausweiskontrolle von zwei Beamten erschossen, da Anis Amri sofort zu seiner Waffe gegriffen habe, mit der auch den polnischen Fahrer des gestohlenen LKWs getötet hat. Kapitel und Fall abgeschlossen!?

So einfach ist es nicht – ganz und gar nicht. Ein V-Mann der Kriminalpolizei in Nordrhein-Westfalen warnte das LKA schon ein Jahr vor dem Anschlag in Berlin vor Anis Amri. Er beschwor  und warnte die Beamten, dass dieser Hochgefährlich sei und schlug vor, ihn vorzeitig bei einem fingierten Waffenkauf zu verhaften. Diese Warnungen wurden nicht ernst genommen – vielleicht von seinen Führungsagenten, nicht aber vom LKA, oder dem Innenministerium. Das LKA zieht den V-Mann Murat Cem aus der Salafistenszene ab und verfrachtet ihn und seine Familie in ein Zeugenschutzprogramm. Er gilt als sehr gefährdet – es gibt einen Tötungsaufruf. Als V-Mann ist er vielleicht nun für immer „verbrannt“. Dies ist seine persönliche Geschichte.

Murat Cem ist der Deckname – VP01 heißt er in den Akten. Als türkischer „James Bond“ ermittelte er verdeckt für die Kriminalpolizei. Ihm ist es zu verdanken, dass viele Mörder, Dealer, Diebe und schließlich auch idealisierte, islamische Terroristen aus dem Verkehr gezogen wurden. Die Spiegel-Reporter erzählen in dem vorliegenden Band seine „Lebensgeschichte“.

Der V-Mann Murat Cem wächst im Ruhrgebiet auf. Schon als Kind und Jugendlicher wird er mit Verbrechen konfrontiert. Seine Umgebung ist ein kleiner Kosmos von türkischen Familien - durchsetzt von Drogen- und Waffenhandel, von täglicher Gewalt und Straßenkämpfen. Ende der 90er Jahre wird er als Dealer beim Drogenschmuggel verhaftet und vor die Wahl gestellt – Gefängnis – oder verdeckter Ermittler. Er ist hochtalentiert, kann sich gut auf andere Menschen einstellen, ist erfindungsreich, wortgewandt und sensibel. Er überredet, manipuliert, hinterfragt seine Zielpersonen und wird so zum erfolgreichsten Polizeispitzel der deutschen Kriminalgeschichte. Murat Cem genießt seinen „Job“ und geht völlig in ihm auf, er wird zum Adrenalin-Junkie, er braucht den Nervenkitzel und den lebensgefährlichen Tanz auf dem Vulkan. Ein Fehler könnte seinen Tod bedeuten – dass weiß er. Seine Kalkulation geht auf, auch wenn er manches Mal Kopf und Kragen riskiert. Eine Anerkennung bekommt er von seinen Führungsagenten, auch Geld – letzteres ist ihm nicht wichtig – was zählt ist der „Kick“. Von seiner „Arbeit“ weiß seine Frau nichts, sie ahnt etwas, aber äußert sich nicht. Seine „Erfolge“ werden zwar in den Nachrichten thematisiert – aber als V-Mann ist er eine Person, die immer im Schatten steht.

Nahezu 60 Einsätze gehen auf sein Konto, dass in 17 Jahren als V-Mann.
Das Buch bezieht sich auf den persönlichen Schilderungen von Murat Cem. Die Autoren vom Spiegel – haben aber durch die Recherche von Justizakten und Gesprächen, den Wahrheitsgehalt geprüft.  

Murat Cem ist kein Engel – er hat mehrere Vorstrafen, er ist ein Krimineller, aber einer mit Herz und Verstand. Er hatte die unterschiedlichsten Jobs, nie lange Zeit – seine Berufung ist die eines professionellen, verdeckten Ermittlers. Tragisch ist – dass er von verschiedenen Polizeibehörden und auch dem Innenministerium fallen gelassen worden ist. Er ist depressiv, die Bilder des Anschlages auf den Berliner Weihnachtsmarkt werden ihn immer begleiten. Er hatte gewarnt – seine „Schuld“ wird er nicht los, es lässt ihn nicht los, der Job besonders der in Salafistenszene hat ihn körperlich und geistig über seine Grenzen verbrannt. Noch immer im „Fegefeuer“ stehend versucht er wieder Anschluss zu finden – er will wieder ermitteln. Er darf „noch“ nicht.

Doch sein Kapitel ist noch nicht gänzlich beendet. Vielleicht sagt er vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags aus – das könnte unangenehm werden, besonders für das LKA und das Innenministerium.

„Undercover – ein V-Mann packt aus“ ist ein brisanter Titel, der auch hoch spannend ist. „True Crime“ in seiner reinsten Form. Informativ – bewegend – und eine indirekte Anklage, dass man V-Männer, die ihr Leben riskieren um andere zu schützen zu retten, nicht einfach nackt im Regen stehen lassen sollte. Gerade dieser Aspekt – die soziale, menschliche Verantwortung ist ein direkter Laserpointer auf das Gewissen der Polizei- und Justizbehörden.

Fazit

Pageturner – der manchen Thriller und Krimi der Belletristik einäschert. Spannende Unterhaltung – Authentizität ist hier das Zauberwort – dass den Leser in eine Zelle mit dem „Gewissen eines V-Mannes“ einsperrt und flugs den Schlüssel wegwirft.

Murat Cem – verdient ein solches, gegenwärtiges Schicksal nicht. Er hat Leben gerettet – Mörder überführt, Drogen und Waffen aus dem Verkehr gezogen, die viele Leben zerstört hätten. Als V-Mann ein Täter und Opfer in einer Person. Er ist „Türke“ aber in seinem „Herzen“ Deutscher – eigentlich nicht wichtig – viel wichtiger ist, dass er als Mensch in Stich gelassen wird. Dieser Aspekt verärgert, wirft Fragen auf, lässt Misstrauen gegenüber den Instanzen zu, die uns eigentlich schützen sollen.

Lesen Sie diesen Titel – vielleicht werden sie sehen das Justizia zwar nicht blind ist – aber durchaus ein fieses Miststück sein kann.

Michael Sterzik


Freitag, 29. Mai 2020

Die Henkerstocher und der Fluch der Pest - Oliver Pötzsch


Der vorliegende historische Roman von Oliver Pötzsch ist inzwischen der 8 Band der „Henkerstochter-Reihe“. Diese historische Kriminalreihe brilliert in vielerlei Hinsicht. Das Setting, dass Storyboard, die Figuren sind faszinierend detailreich aufgestellt. Eine feine Abstimmung, die dem bayrischen Autor gelingt und die folgerichtig eine Atmosphäre erzeugt, der man sich schwer entziehen kann.

Der achte Band befasst sich mit der Pest und eine Mordserie in Kaufbeuren. Adaptiert wurde hier viel vom Märchen, bzw. der Legende – Der Rattenfänger von Hameln“ – Schauplatz ist aber hier der beschauliche Ort Kaufbeuren. Mit der Beschaulichkeit ist es aber schnell vorbei. Der medizinische Rat der Stadt wird dezimiert – alle Toten sind an der Pest gestorben, aber so richtig breitet sich der schwarze Tod, wie Jahrzehnte vorher nicht aus.

Sommer 1679. Die Pest, die bereits in Wien wütet, breitet sich in Bayern aus. Der Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl wird von einem Pestkranken aufgesucht, der kurz darauf zusammenbricht. Bevor er stirbt, flüstert er Jakob Kuisl noch ein paar rätselhafte Worte ins Ohr: Kuisl muss Kaufbeuren retten, ein schwarzer Reiter spielt dort mit seiner Pfeife zum Tanz auf, der Mörder hat zwei Gesichter. Gemeinsam mit seiner Tochter Magdalena geht Jakob Kuisl den geheimnisvollen Andeutungen nach. Ein gefährliches Unterfangen, denn inzwischen gibt es immer mehr Tote in Kaufbeuren. Doch was steckt dahinter – die Seuche oder ein raffinierter Mörder? (Verlagsinfo)

Blickt man zurück auf die ersten Bände, die ebenfalls im Verlag Ullstein erschienen sind, so stellt man schnell fest, dass sich die Familie Kuisl um einige Personen erweitert hat. Der alternde, bärbeißige Henker Jakob Kuisl ist älter geworden, vielleicht weiser, aber nicht ruhiger. Noch immer neugierig, noch immer ein Sturkopf, der wie ein Patriarch seine Familie beschützen und lenken möchte. Schwierig – denn seine Kinder eifern den alten Henker in seinen Charakterzügen durchaus nach. Seit dem letzten Band, hat sich einiges getan. Die Kinder von Simon und Magdalena werden erwachsen und gehen eigene Wege. Dieser Generationswechsel ist nötig und realistisch erzählt. Oliver Pötzsch achtet sehr darauf, dass seine liebevollen Figuren in Würde altern, dabei überlässt er nichts dem Zufall und es ist gut so, dass deren Welt nicht immer einfach wirkt, oder ohne Schicksalsschläge erklärt wird.
Es zeichnet sich aber auch ab, dass die Reihe enden mag, oder das sich die eine oder andere Hauptfigur durch einen natürlichen, oder gewaltsamen Tod verabschieden wird. Für die Dramaturgie wäre dieser Schritt denke ich nun auch nötig.

Das historische Thema der Pest transportiert der Autor inhaltlich fabelhaft. Glaube und Aberglaube – zeitgemäße, fortschrittliche Wissenschaft, die nun ganze fast schon dogmatische Weltbilder einstürzen lässt. Intrigen am Kurfürstlichen Hofe und natürlich, die Serienmorde lassen keine inhaltliche Langeweile aufkommen – auch wenn der Band einer der seiten stärksten ist.

In der gegenwärtigen Situation einer Pandemie, gibt es Parallelen im Buch. Es gibt Ausgangssperren, abgeriegelte Städte, das soziale Miteinander wird eingefroren und auch übertriebene Verschwörungstheorien scheint es früher gegeben zu haben. Es ist aber ein Zufall, dass der Autor diese Pandemie thematisiert – die Story ist vor „Corona“ gestrickt worden.

Durch die erhöhte Anzahl der Kuisl-Familienmitglieder splittet sich auch die Handlung auf mehrere Perspektiven wieder. Das ist abwechslungsreich und steigert das Tempo, und die Spannung. Die Figur des alternden Jakob Kuisl gerät dabei leider etwas in die zweite Reihe – schade – denn dieser Charakter war lange Haupt- und Nebenperson zugleich und stahl jedem so ziemlich die Show.

Es gibt beim Titel „Die Henkerstochter und der Fluch der Pest“ nicht vieles zu bemängeln. Ich hätte es gerne zum Schluss dramatischer erzählt bekommen. Die Figuren positionieren sich schon für Band 9 und dieser wird hoffentlich noch dramatischer und spannender werden. Unbedingt.

Oliver Pötzsch hat diese historische Kriminalreihe bemerkenswert erschaffen – auch nach dem achten Band steigt die Erwartungshaltung weiter. Stil, Ausdruck und Sprache sind einfach gut, kommen aber an die „Faust-Reihe“ des Autors nicht heran.

Fazit

„Die Henkerstochter und der Fluch der Pest“ ist ein historischer Krimi, bei dem sich der Leser auf den besten Plätzen wiederfindet. Der achte Band und noch immer kein Stück langweilig – im Gegenteil ist die Reihe qualitativ hochklassig. Gehört für mich schon jetzt zu einen der Gewinner in diesem Jahr.

Michael Sterzik

Sonntag, 17. Mai 2020

Grave - Verse der Toten - Douglas Preston und Lincoln Child


Die spannende Reihe um die Fälle des Special Agent FBI Aloysius Pendergast überzeugen seit Jahren und sind fast immer ein Garant für eine sonderbar, wunderbare Unterhaltung. Analysiert man die Reihe stellt man schnell fest , dass diese durchdrungen ist von allerlei Mystik, Paranormale Themen und Wissenschaft ist. Gerade das macht diese Serie um den charismatischen Agenten erfolgreich. Nicht zuletzt auch dadurch, dass das Autorenduo immer wieder neue Protagonisten auf die Bühne stellt. Pendergast und seine Beziehungsebenen zu seiner eigenen Familie und seinen wenigen, aber engen Freunden steuern weiterhin viele originelle Themen dazu. Immer wieder tauchen genau diese Haupt- und Nebenfiguren auf – manchmal sind diese auch der Schlüssel und das Schloss der Handlung.

Eine äußerst morbide Mordserie wird zu einer ganz besonderen Herausforderung für Special Agent Aloysius Pendergast – denn dem erklärten Einzelgänger wird von seinem neuen Chef beim FBI ein Partner zur Seite gestellt.

Den Frischling Agent Coldmoon im Schlepptau, reist Pendergast nach Miami Beach in Florida, wo ein Serienkiller die Herzen ermordeter Frauen zusammen mit kryptischen Briefen auf Gräbern ablegt. Während es zwischen den Opfern des Killers keinerlei Verbindung zu geben scheint, stellt sich schnell heraus, dass in den Gräbern ausnahmslos Selbstmörderinnen beigesetzt sind. Doch was haben diese toten Frauen mit den neuen Morden zu tun?

Je tiefer Pendergast und Coldmoon graben, desto klarer wird ihnen, dass die Lösung des Rätsels weit in der Vergangenheit liegen muss – und dass ihr Gegner ihnen näher ist, als ihnen lieb sein kann. (Verlagsinfo)

Besonders gut gelingt der Ansatz auch wissenschaftliche Themen zu implementieren. Die Charakterzeichnungen sind hervorragend gestaltet und werden immer mal wieder ausgebaut, in vielen Romanen gibt es dann auch immer wieder Rückblicke in die Vergangenheit – aber das Autorenduo konzentriert sich ausschließlich auf aktuelle Handlung.

„Grave – Verse der Toten“ – geht nun im Storytelling viele, viele Schritte zurück. Weder gibt es Auftritte der bekannten und beliebten Personen aus den letzten Romanen, noch gibt die Story wissenschaftliche, mystische oder Paranormale Themen mit auf eine spannende Reise. Spannend ist „Grave – Verse der Toten“ allemal, aber kommt an inhaltlicher Qualität bei weiten nicht an die Vorgängerromane ran. Die Handlung beruft sich auf die gute, alte Ermittlungsarbeit und konzentriert sich Schritt für Schritt auf Pendergast analytisches Talent.
Doch ein Thema bleibt konstant auch in diesem Roman bestehen. Pendergast ist und bleibt eine literarisch interessante Person. Eine charismatische Nervensäge, der unabhängig agiert, investigativ ermittelt und immer das letzte Wort hat. Ein Quäntchen Glück, gehört natürlich auch immer dazu um die Story abzuschließen.

Die neuen Figuren sind interessant – der mit indianischer Abstammung neue Agent Coldmoon und eine junge, ehrgeizige Pathologin könnte man in den nächsten Romanen ggf. wiedersehen. Für weitere interessante Storys nahezu prädestiniert.

Der Unterhaltungswert ist da – konstant zwar, aber überzeugt nicht gemessen an das was man kennen- und schätzen gelernt hat. Man könnte sagen, dass Salz in der Suppe fehlt leider.

Trotzdem ist diese Reihe absolut zu empfehlen. Ich frage mich, an dieser Stelle auch, wann ggf. eine Verfilmung erfolgt – aber diese wäre für alle beteiligten Personen eine Herausforderung.

Fazit

„Grave – Verse der Toten“ ist ein stiller, spannender Roman. Durchschnittlich gut gelungen. Es ist nun aber an der Zeit – die alten und gewichtigen Personen wieder zu installieren.

Michael Sterzik

Sonntag, 10. Mai 2020

Der Weizen gedeiht im Süden - Erik D. Schulz


Postapokalyptische Untergangsszenarien gibt es in der Literatur viel. Gerade bei den Jugendbüchern und im Genre „Fantasy/Science Fiction“ gibt es dafür unzählige Beispiele. Glaubt man den Wissenschaftlern und den Politologen so steht die Uhr 5 vor 12 – die Gefahr eines Atomkrieges, der die gesamte Welt, oder Kontinente vernichtet nicht so abwegig. Die politischen und wirtschaftlichen Spannungen steigern sich – Großmächte wie die USA, Russland und China befinden sich derzeit sowieso schon in einem „kalten“ Schattenkrieg aus Gründen des Handels, aber auch wegen manipulativen Cyberangriffen, militärischen Drohungen, natürlicher Ressourcen  und Verletzungen der Menschenrechte….über das Thema könnte man fast schon endlos referieren.

Der vorliegende Roman „Der Weizen gedeiht im Süden“ von dem deutschen Arzt und Autor Dr. Erik D. Schulz erzählt vom Überlebenskampf einer kleinen Gruppe nach einem Atomkrieg, der die nördliche Hemisphäre vernichtet hat. Europa gibt es nicht mehr, und auch der amerikanische Kontinent gilt als verlorenes, verseuchtes Gebiet. Der Fallout – die atomare Strahlung und auch die Zerstörung der Umwelt lässt ein Überleben an der Oberfläche kaum mehr zu.

Solche Szenarien kennt man aus der amerikanischen, oder englischen Literatur. Die erzählerische Perspektive von Erik D. Schulz in diesem mir vorliegenden Roman ist originell und vor allem absolut realistisch aufbereitet. Die daraus resultierende Konsequenz spiegelt eine realistische und emotionale atmosphärische Dichte nach sich – die nicht nur beängstigend ist – sondern auch Hochspannung garantiert.

Der beginnende Schauplatz ist die Schweiz – ein Bunker, eine Arche in der 300 Menschen eingeschlossen überlebt haben. Bewacht und beschützt von einem privaten Investor versuchen diese Überlebenden auf engsten Raum einen gewissen Alltag zu meistern. Als dem Arzt Dr. Oliver Bertram klar wird, dass das Wasser gefährliche Strahlenwerte aufweist und ein „künstlich“ geschaffenes Weizenfeld aufgrund dieser Vergiftungen verpestet ist, entschließt sich dieser mit einer Gruppe von Elitesoldaten und anderen Familien auszubrechen. Ziel ist der afrikanische Kontinent – auf dem Leben noch möglich sein könnte.

„Der Weizen gedeiht im Süden“ überzeugt, da der Autor immer wieder realistisch die zwischenmenschlichen Spannungen einer Gruppe, die feindlichen Umwelteinflüsse und der Kampf ums Überleben gegen andere „Flüchtlinge fantastisch gelungen interpretiert.

Erik D. Schulz detaillierter Blick für diesen postapokalyptischen Alptraum ist hochemotional. Die Ängste, die Hoffnungen und Träume der Protagonisten erzählt er mit einer brutalen Ehrlichkeit – die auch endlos sein kann. Es gibt Opfer unter den Flüchtlingen, es zeigen sich dramatische Überlebenskämpfe  - der Weg des Stärkeren der töten muss um zu überleben ist inhaltlich perfekt in Szene gesetzt. Medizin – Waffen – Nahrung- Kleidung – die alltäglichen Gegenstände, die es nun nicht mehr gibt lösen Konflikte aus.

Der Autor implementiert auch eine gewisse Symbolik. Das gelobte Land – Afrika – in unseren, aktuellen Augen, ein drittes Welt-Land mit Hungersnöten, Krankheiten, Bürgerkriegen nicht ein Land wo Milch und Honig fließen, wird zum Ziel ausgesucht. Diese Idee ist nicht nur originell, sondern auch faktisch intelligent und realistisch gezeigt. Auch die dort spielenden Szenen sind voller dramatischer Elemente.
Kommen wir zu den Charakteren. Alles richtig gemacht – eine gute Mischung aus Tätern und Opfern. Sie haben alle etwas gemeinsam – es sind Überlebende und der moralische Kompass, den wir kennen, den gibt es nicht mehr. Der Autor lässt hier eine Realität zu, die überzeugt – die Welt scheint zerstört zu sein, doch noch immer gibt es eine Hilfs- und Opferbereitschaft, noch immer Liebe zu Kindern und Partnern, noch immer eine unbändige Wut, die man nicht immer kanalisieren kann und eine Trauer, zu der man gezwungenermaßen wenig Zeit hat.

Es gibt nicht viel zu kritisieren. Gerne hätte ich mehr gewusst über die Entstehung des Konfliktes, der in einen Atomkrieg mündete. Ebenfalls war mir der erste Part im Bunker erzählerisch zu kurz geraten. Persönlich und das traue ich dem Autor inzwischen zu, hätte diese Geschichte ruhig über 420 Seiten hinausgehen können, ohne an Qualität zu verlieren. Schade – denn die Konzeption dieser Idee hätte Platz für eine Trilogie haben können.

Fazit

„Der Weizen gedeiht in Süden“ ist mit das Beste an postapokalyptischen Endzeiterzählungen, was ich bisher gelesen habe. Eine emotionale Härte – eine ungemein dichte Atmosphärische Spannung – und auch die brillante Charakterzeichnung versprechen eine Unterhaltungsqualität die überzeugt.

Erik D. Schulz schriftstellerisches Talent hat sich für meine Begriffe hier offenbart. Das war großartiges, intelligentes Kopfkino. Hochklassig und eines der Bücher, dass man lesen sollte und nicht nur geeignet für den jugendlichen Leser. Die Welt und das Überleben geht uns alle an.

Michael Sterzik

Samstag, 9. Mai 2020

Das neunte Haus - Leigh Bardugo


Der vorliegende Band von Leigh Burton, der im Genre Fantasy positioniert ist, birgt eine sehr interessante Story. Eine Protagonisten, die mediale Fähigkeiten vorweisen kann – sie kann „Geister“ sehen – im Buch auch beschrieben als die „Grauen“ (Greys). Eine Eigenschaft, die übrig magiekundigen Studenten der Elite Universität Yale nur möglich ist, wenn sie sich magischer Getränke bedienen.

Leigh Burtons erzählerische Bühne ist die amerikanische Elite-Universität Yale. Deren Studenten – die organisiert sind – in acht „Studentenverbindungen“, oder auch Häuser genannt. Jedes Haus verfügt nicht nur über eigene Grundsätze und Losungen, sondern haben sich auch verschiedenen Magischen Lehren angeeignet. Diese Rituale sind nicht ganz ungefährlich, ihre Macht manchmal schwer händelbar und die Auswirkungen können nicht nur für den Campus eine Katastrophe bewirken. Das „neunte“ Haus in der auch die Hauptprotagonisten Galaxy Stern – genannt „Alex“ studiert – überwacht als Kontrollinstanz die Regeln und die Beschwörungen dieser acht „magischen“ Häuser.

Der Plot klingt absolut faszinierend mit seiner Magie, Beschwörungen und ruhelosen Geistern, doch eine wirkliche spannende Atmosphäre kommt gar nicht erst auf, und wenn dann nur sehr sporadisch und situativ. Die Autorin Leigh Bardugo verrennt sich ein einem Labyrinth von Gegenwart und Zukunft, die nicht nur über proportionierte Längen aufweist, sondern auch inhaltlich in einer konstanten Langeweile ausartet. Die Charaktere sind so fahl konzipiert, dass sich eine Sympathie nicht entwickelt. Einzig und allein sind die „Geister“ interessant beschrieben, aber auch deren Potenzial bleibt eindimensional – was hätte man doch großartiges daraus entstehen lassen können!? Schade.

Ein Mord – eine Verschwörung und die dunkle Vergangenheit der ruhelosen Geister – alles Chancen, die die Autorin nicht aufgegriffen hat. Man hat den Eindruck, dass die Autorin von allen Geistern verlassen ist – so großes Potenzial und nicht wirklich strukturiert verwendet. Würde man die inhaltlosen Handlungen, die überflüssigen, ausufernden Dialoge mit einen Rotschrift streichen, so hätte man eine interessante Kurzgeschichte in den Händen. Ein wirklicher und das ist mitunter der größte Kritikpunkt ist, dass die magische Welt  dem Leser verschlossen bleibt. Zu wenig fokussiert sich Leigh Burton auf einen Punkt – erst zum Ende hin, wird es leidlich spannend und die Auflösung ist dann zwar innovativ, aber diese kommt mit einer so satten Verspätung, dass der Unterhaltungswert abschließend einfach negativ ist.

Fazit

„Das neunte Haus“ von Leigh Bardugo ist der erste Band einer Reihe. Leider klingt das negative Echo so intensiv nach, dass ich nicht zum zweiten Band greifen werde. Ich bin sehr enttäuscht, dass man aus einer so verdammt großartigen Idee nichts Vielversprechendes gemacht hat. Für mich ein sehr, sehr schwacher Fantasy-Roman – wenig Spannung, überflüssige Dialoge, keine Atmosphäre und eine enorme Anzahl von Ideen und Möglichkeiten die nicht erkannt wurden.

Michael Sterzik

Sonntag, 3. Mai 2020

Die Macht der Geheimdienste - Uwe Klußmann


Spione und Agenten – alles Schattenspieler, die für souveräne Staaten Wirtschaft und Politik unterwandern und ausspähen wollen. Schon seit Jahrhunderten bedienen sich Staatsmänner fast aller Regierungen dieser taktisch und strategischen Berufsgruppe. Doch die Tätigkeit dieser Agenten unterscheidet sich mitunter stark. Pläne zu neuen Technologien und Waffen sind äußerst interessant für die Männer und Frauen, die sich der Kultur, der Religion, der Gesetze usw. des jeweiligen Landes vielleicht auf Jahre hin anpassen müssen. Verlockend auch die politische Ausrichtung zu manipulieren um sie ggf. zu destabilisieren.

Gemäß dem Motto: Im Krieg und in der Liebe ist alle erlaubt, bedienen sich diese Schattenkämpfer allen Möglichkeiten – auch ein Mord, ein Attentat kommt in Frage und auch mit amourösen Überzeugungstaktiken ala „Der Spion der mich liebte“ - bei Sekretärinnen und Assistenten kann man mithilfe einer Romanze liebevoll Informationen sammeln.

Die Gegenwart, die Zukunft und auch die Vergangenheit der Spione behandelt der Spiegel-Redakteur Uwe Klußmann sehr lehrreich und unterhaltsam. Selbstverständlich dürfen historische Spionagethemen und Persönlichkeiten wie z.B. die erotische Verführungstänzerin Mata Hari nicht fehlen. Doch bei dieser sagenumwobenen Person rückt Uwe Klußmann mal die Legende Mata Hari zurecht. Spione sind auch nur Menschen und somit wird ebenfalls im Buch „Die Macht der Geheimdienste“ von Pleiten, Pech und Pannen gesprochen.

Geheimdienste haben ein schillerndes Image: Es changiert zwischen dem Glamour von James Bond, der Verruchtheit von Mata Hari und der Skrupellosigkeit des Mossad. Da Spione und ihre Organisationen auch in demokratischen Ländern der Kontrolle durch die Öffentlichkeit weitgehend entzogen sind, entfalten sie ihre Macht vor allem im Verborgenen – und agieren nicht selten an der Grenze der Legalität. SPIEGEL-Autoren und Geheimdienstexperten enthüllen anhand von berühmten Agenten und spektakulären, mitunter auch spektakulär gescheiterten, Missionen die Geschichte der Geheimdienste von den Höfen der Könige und Kaiser bis zum Cyberwar der Zukunft. Dabei zeigen sie auch, wie diese Organisationen seit dem 20. Jahrhundert so mächtig werden konnten wie niemals zuvor. (Verlagsinfo)

Die Kapitel sind kurzweilig, aber von den Redakteuren sprichwörtlich auf den Punkt gebracht. Behandelt werden viele Themen und Personen – nicht nur aus Europa, sondern auch von den Machtapparaten China und der USA. Das Buch stellt allerdings keinen Bezug zu Werken aus der Belletristik her – James Bond & Co. gehören obwohl dessen Schöpfer selbst Spione und Agenten waren, größtenteils der Fiktion an. Doch die Autoren erzählen auch von einer lebensgefährlichen Tätigkeit, eine Enttarnung könnte bestenfalls eine Inhaftierung bedeuten, schlimmstenfalls der endliche Gang zum Galgen.

Uwe Klußmann erzählt aber auch von kryptischen Geheimschriften und der individuellen und ideenreichen Möglichkeiten einer Chiffrierung. In den letzten Kapiteln befassen sich die Autoren mit dem Fluch und dem Segen der Digitalisierung, deren Transparenz neue Wege, aber auch neue Gefahren bergen.  

Der Kalte Krieg hat sich in einem Cyberkrieg verwandelt – aber auch hier gilt die Losung, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht – Wissen ist Macht.
„Die Macht der Geheimdienste“ ist beschränkt, sie können keinen Krieg entscheiden, aber durch eine Schlacht beeinflussen. Es ist ein gefährliches Geschäft zwischen Gesetz und Verbrechen. Ein situatives Geschäft  der Informationen – dessen Ehrlichkeit auch immer aus der Perspektive des jeweiligen Auftraggebers sich stark unterscheidet.

Fazit
„Die Macht der Geheimdienste“ von Uwe Klußmann ist unterhaltsam und lässt uns einen Blick hinter den Spiegel von Manipulationen, Idealen und zwischen Lügen und Wahrheiten werfen. Das Buch motiviert, wenn man an der Thematik interessiert sich , anderen Büchern zu widmen. Eine Empfehlung weitere Titel aus dem Ressort liegt bei.

Spannend und unterhaltsamer Titel  – ein Blick in einer Grauzone, deren Realismus nicht ungefährlich für die Spione und Agenten ist.

Michael Sterzik


Freitag, 1. Mai 2020

The Expanse - Cibola brennt - von James Corey


Das Autorenduo hat schon längst mit seiner Reihe: „The Expanse“ bewiesen, dass Science Fiction auch andere Möglichkeiten bereithält, wie märchenhafte Weltraumschlachten und exotische Aliens, die unsere Ressourcen verwenden möchten. „The Expanse“ ist ein eigenes kleines Universum und die wahrscheinliche „Realität“ der bisherigen drei Titel wirkt absolut überzeugend.

Aufeinander aufbauend stellt sich die Zukunft der Menschheit, die den Weltraum und andere Planten kolonisieren möchte, als wie immer uneinig dar. Aber neben der Erde, dem Mars und der Fraktion der Gürtler bringen die beiden Autoren unter dem Pseudonym James Corey nun auch Industrieunternehmen mit ins Spiel, die nach den Ressourcen der Planeten hinter dem Ring trachten. Eine Eskalation steht also in den Startlöchern, denn auch die Kolonisten, die eine neue Siedlung aufbauen wollen und natürlich die Wissenschaftler, die die sehr alten Ruinen der Aliens erforschen wollen haben eigene Pläne.

Ein interstellares Portal hat sich geöffnet. Angespornt von den ungeahnten Möglichkeiten, die sich damit bieten, bricht die Menschheit zu den Sternen auf und besiedelt fremde Welten. Inmitten der blutigen Raumschlachten um die Ressourcen der neuen Planeten stoßen die Siedler auf die Überreste einer uralten Zivilisation. Für Captain James Holden und seine Crew beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn das, was die außerirdische Zivilisation ausgelöscht hat, ist immer noch dort draußen…(Verlagsinfo)

Captain James Holdens Charakter ist auch im vierten Band interessant gezeichnet. Er mag sich noch immer in seiner Gedankenwelt als „neutral“ bezeichnen, doch ist er davon weit entfernt, eigene Entscheidungen zu treffen. Immer wieder lässt er sich instrumentalisieren – jetzt soll er auf der neuen Kolonie als neutraler Botschafter vermitteln. Dabei begegnet ihn ein Konzern, der sich der Rohstoffe bemächtigen könnte und dessen Vertreter auf dieser neuen Welt buchstäblich mit Waffengewalt sich durchsetzen möchte, hinzu befindet er sich noch auf einem fremden Planeten, auf dem nicht nur viel neues zu erforschen gibt, sondern auch tödliche Gefahren von jeder Seite alle Neubewohner bedrohen.

Die Autoren zeichnen somit ein nicht fremdes Bild einer egoistischen Menschheit, die visionär einfach versagen. Die Motivation nach „Das-gehört-jetzt-mir-und-niemanden-anders“ – durchdringt die ganze Geschichte. Wer also annimmt, dass sich die Menschheit im Zug der Eroberung in Bezug auf Ethik und Moral weiterentwickelt hat, liegt vollkommen daneben. Die Spannung im vorliegenden Roman ist eher durchschnittlich gemessen. Zwischen den Rivalitäten der Interessengruppen liegt der Fokus einzig und allein auf die Gefahren, die von diesem Planten ausgehen. Leider gibt es dann aber auch viel zu wenig neue Erkenntnisse über die Aliens, die auf diesen Planeten einst gelebt haben müssen. Ruinen, Abwehrmaßnahmen, Kraftwerke – aber wer und was waren die Erbauer. Nach dem vierten Band sollten die beiden Autoren jetzt einmal etwas Licht in diese hervorragende Space-Opera bringen.

Die üblichen Besatzungsmitglieder von James Holden spielen nicht unbedingt tragende Rollen. Auch hier wäre es vorteilhafter gewesen, diesen drei Crewmitgliedern mehr erzählerischen Raum zu geben.

Besonders gefallen hat mir der gute Geist dieser Geschichte – also die Figur „Millers“. Eine inzwischen unmenschliche „Kreatur“, mit menschlichen Zügen, einer bitteren und humoristischen Natur, deren Präsenz sich hoffentlich auch in den nachfolgenden Bänden einfindet.

Fazit

„The Expanse – Cibola brennt“ schafft den neuen Balanceakt zwischen Expansion und Wissenschaft so gerade eben. Die Möglichkeit die Story weiterzuentwickeln ist offener denn je! Werden andere Planeten erforscht? Wie verhalten sich die drei Fraktionen in Zukunft – und die alles entscheidende Frage – wer und was sind die Aliens und die Mächte, die sie anscheinend vertrieben, vielleicht getötet haben?!

Insgesamt ist „Cibola brennt“ ein sehr spannender und unterhaltsamer Roman mit leichten Schwächen. Die Neugier entwickelt sich dennoch und nimmt an Fahrt auf. Seien wir also gespannt in welcher Richtung sich dieses umfassende Universum bewegt.

Michael Sterzik