Samstag, 5. September 2020

Der Chirurg und die Spielfrau - Sabine Weiß

Das Leben junger Adliger Söhne und Tochter im Mittelalter war meistens schon durch das Familienoberhaupt vorbestimmt. Die Familienehre, der Besitz von Ländereien, von Titeln und natürlich auch Einfluss und Macht am Hofe eines Königs, oder Herzogs, motivierte die Väter Ihre Kinder höchstbietend zu verkaufen.

Junge Frauen gingen Ehen ein, die für ihre Familie Macht und Einfluss ggf. bedeutete. Für die Söhne, wenn es denn mehrere gab, war die Zukunft methodisch geplant. Einer erbte den Titel, die Burg, den Landsitz, oder ähnliches und schlug die Ritterlaufbahn ein. Den Zweit- und Drittgeborenen war es bestimmt eine klerikale Laufbahn eines Priesters einzuschlagen, oder wenn sie Glück hatten studieren konnten. Ein individueller Berufswunsch war überwiegend schwer durchzusetzen. Eine Alternative war natürlich mit seiner Vergangenheit und seiner Familie zu brechen. Eine Rückkehr war dann meistens nicht mehr denkbar.

Die in Hamburg lebende Autorin Sabine Weiß hat vor wenigen Monaten im Verlag Lübbe ihren Titel: „Der Chirurg und die Spielfrau“ veröffentlicht. Die Story eröffnet sich genau mit dieser Thematik. Ein junger Ritter, der seinen Bruder auf einem idealistischen Kreuzzug folgt und durch eine Krankheit sein Augenlicht verliert. Chirurgisch behandelt durch einen berühmten Arzt fasziniert ihn die Welt der Medizin und Wissenschaft und er wird ein Meister seines Fachs. Doch auch durch die Sklavin und Spielfrau Elena, die seine körpereigenen Heilkräfte durch ihren Gesang und ihre Stimme aktiviert, verändert sich sein Leben. Er will die Frau aus der Sklaverei retten, die Frau die er liebt.

1217. Weil sein Vater ihn ins Kloster geben möchte, flieht der junge Bremer Adlige Thonis und schließt sich einem Kreuzzugsheer an. Doch er kommt nicht weit: Schon auf dem Weg ins Heilige Land erblindet er, wird zum Sterben zurückgelassen. Dass er gesundet, verdankt er allein dem betörenden Gesang einer Spielfrau, der ihn im Leben hält, und der Kunst des Chirurgen Wilhelm. Fasziniert lässt sich Thonis selbst zum Chirurgen ausbilden und spürt die Frau auf, die ihn einst rettete: Elena, eine Sklavin. Beide wollen sie den Menschen helfen – und geraten in einer Zeit der Kreuzzüge und Ketzerverfolgung in tödliche Gefahr ...(Verlagsinfo)

Sabine Weiß erzählt ihren neuesten historischen Roman sehr geschickt. Thematisch befasst sie sich mit der Medizin – der „klassischen“ und sagen wir es mal, einer alternativen Musiktherapie. Aber auch andere Themen, wie z.B. ein idealistischer Kreuzzug der zum Scheitern verurteilt ist, familiäre Familienfehden, die Sklaverei und die politischen Anmaßungen von Bischöfen und Königen, werden verarbeitet.

Menschliche Facetten und Beziehungsebenen sind in diesem Roman emotionale Minenfelder, die situativ gekonnt hochgehen. „Der Chirurg und die Spielfrau“ ist ein sehr spannender, und atmosphärisch dichter Roman, dessen Melodie überzeugt. Besonders gut gelungen, ist die Beschreibung der medizinischen Ausbildung, der Laufbahn, die Erkenntnisse und der Fortschritt der damaligen Behandlungsmöglichkeiten. Hier gelingt das Storytelling hervorragend. Auch die Figurenzeichnung ist realistisch und sehr gut gelungen. Das nach alter Rezeptur eines historischen Romans, natürlich die gute, alte Liebesgeschichte nicht fehlen darf, liegt auf der Hand. Wie der Titel schon sagt steht hier eine „Spielfrau“ im Fokus, eine Sklavin, die natürlich nach tragischen Erlebnissen ihren Mann stehen muss.

Derer Stärke ist ihre unvergleichliche Stimme, ihr Talent mit Gesang und Instrumenten zwar keine Heilung, aber Linderung zu verschaffen. Man mag darüber schmunzeln, aber eine Musik- und Klangtherapie ist medizinisch faktisch bewiesen. Doch dieser Part ist deutlich schwächer, nicht weniger dramatisch – aber gleicht inhaltlich manchmal einem Klischee, dass man mit vielen anderen historischen Romanen vergleichen kann. Es ist nicht langweilig, aber halt theatralisch überzogen und nimmt der Stärke der eigentlichen Geschichte enorm viel.

„Der Chirurg und die Spielfrau“ wäre um ein vielfaches besser, wenn Sabine Weiß den Weg einer dramatischen, überzeichneten, schicksalshaften Liebe nicht eingeschlagen hätte. Ja – klar – der Zielgruppe verlangt es nach Romantik, nach graziöser Schönheit einer Sklavin, nach harten Schicksalsschlägen, die man erträgt und noch stärker hervorgeht. Sorry – nichts Neues.

Sehen wir von diesem schwachen Part einmal ab – ist der Roman hochklassig. Sabine Weiß Talent und Stil eine Spannung zu erzeugen gelingt. Feinfühlige Figuren, tolle Dialoge und selbst die Kampfszenen sind sehr, sehr gut verarbeitet.

Die ersten 2/3 des Romans sind perfekt – gutes Tempo, aufbauende Spannung und die Figuren handeln wie man es erwartet, oder eben auch nicht. Die wechselnden Schauplätze sorgen für verschiedene Perspektiven und sind dabei behilflich, die Protagonisten zu charakterisieren. Auch hier hat mir die Darstellung und Interpretierung der historischen Figuren weitaus besser gefallen, wie die der fiktiven. Die Spielfrau ist die schwächste Figurenzeichnung, da sich hier jeder bekannten Klischees bedient wird. Unterschiedliche Berufe – gleiche Schicksale- gleiche Dramatik – gleiches Happy End.

Die Autorin Sabine Weiß kann durchaus mehr. Interessant wäre es einen Roman von Ihr zu lesen, dessen Aufbau nicht immer der gleiche ist – bei Ihren auf Sylt spielenden Romanen gelingt ihr das mehr als großartig. Diese Reihe kann ich absolut empfehlen.

Fazit

„Der Chirurg und die Spielfrau“ überzeugt durch die Melodie der Medizin. Spannende, perspektivische Wechsel, die mittelalterliche Wissenschaft sehr atmosphärisch interpretiert. Sehr zu empfehlen.

Michael Sterzik  

Sonntag, 30. August 2020

Odins Vermächtnis - David Leadbeater


Im Kino faszinierten uns schon immer Filme wie: „Jäger des verlorenen Schatzes“ – ein Peitsche schwingender Indiana Jones, ein draufgängerischer Schatzsucher, ein Archäologe mit dem Charme eines Abenteurers und einem Hauch von James Bond. Jahre später beeinflusste die Figur Lara Croft, die Spielewelt und auch den Film – Tomb Raider. Beide Figuren sind Garanten für grandiose Popcorn-Unterhaltung. Der Fokus liegt sicherlich bei der Unterhaltung, denn die Handlungen sind mehr wie unrealistisch – überzogen, jegliche Grenzen der Physik, der Naturgesetze enthoben. Und ach ja…..ein moralischer Kompass? Vergessen wir diesen bitte ganz schnell.

Einen ganz großen Anteil an der Story haben oftmals mystische, legendäre Elemente. Legenden, Sagen, Paranormale Phänomenen bilden den Stoff aus dem diese Träume entstehen, die man wenig später auf der Kinoleinwand sieht, oder in Comics, oder in Büchern liest. Trotzdem steckt in solchen Legenden und Sagen mitunter ein Körnchen Wahrheit, eine Mythologie – die man weder beweisen, noch wiederlegen kann.

Matt Drake, SAS-Offizier im Ruhestand, ist einem Rätsel auf der Spur, so alt wie die Menschheit selbst – dem Vermächtnis des Göttervaters Odin. Neun Puzzleteile, vor Äonen in alle Winde verstreut, sollen der Legende nach den Weg zum geheimnisumwitterten Grab der Götter weisen. Eine Entdeckung dieses Ausmaßes wäre die größte archäologische Sensation aller Zeiten.

Matts Suche nach den ältesten Schätzen der Welt führt ihn dabei an wildromantische Orte, und von einem Raketenangriff auf den Louvre und einem Hubschrauber-Überfall auf das National History Museum in New York, bis zu einem Angriff auf eine Gangstervilla auf Hawaii.(Verlagsinfo)

David Leadbeater wandelt auf den Spuren eines „Indiana Jones“ – seine Figur des ehemaligen Soldaten einer Spezialeinheit Matt Drake ist zwar keine Kopie, aber weist durchaus parallelen auf. Matt Drake ist eine Ein-Mann-Armee – ein konsequenter, gewalttätiger Charakter, mit einer klassisch geprägten Verlustvergangenheit und einigen psychischen Störungen.

Das Setting bilden Odins Reliquien, sein Leben und Sterben – sein Vermächtnis. Sicherlich verwendet der Autor hier gemäß der Quellenlage, diese historischen Elemente – aber es ist auch mehr, oder weniger nur das Grundgerüst. Die Handlung ist Action pur…Verfolgungsjagd, wilde Schießereien mit großen und kleineren Kalibern und natürlich eine Reise durch viele Länder, damit es wenigstens etwas Abwechslungsreich wirkt. Hinzu natürlich eine sich entwickelnde Liebesgeschichte, die so linear und simpel aufgebaut ist, dass sie fast schon billig wirkt. Das Trio wird um den Nerd Ben komplett, der ein Profi im Bereich der IT ist.

Was dem Autor allerdings gelingt ist, dass Interesse an Odin zu wecken. Wer war dieser allmächtige Gott, der durchaus Parallelen zu Jesus aufweist. Religion und Götter waren schon immer geradezu dafür prädestiniert sich unsterblich in den Medien zu verwirklichen. Auch hier keine Ausnahme – David Leadbeater hangelt sich zwar sehr lose an der Figur Odins – aber Ziel erreicht – er beschreibt es interessant.

„Odins Vermächtnis“ ist ein Actionroman – Punkt und aus. Die Dialoge sind peinlich, unlogisch, überzeichnet, und ganz ehrlich – verfügen diese über ein absolut billiges Niveau.  

Die Feinde sind natürlich grobschlächtige Deutsche – also auch ein gerne genommenes Klischee denen sich der Autor bedient.

Mit weniger Action, mit einer durchdachten Handlung, mit Logik, mit komplexen Charakteren wäre dieser Roman großartig. Leider hat er nicht davon. Selbst das Popcorn würde beim Lesen des Romans fade schmecken. Intelligente Handlung ? Originalität? Charaktere, in denen man sich wiederfindet? Nichts davon erfüllt „Odins Vermächtnis“.

Fazit

Bitte schalten Sie den Kopf aus, wenn Sie diesen Titel lesen. Bitte erwarten Sie keinen spannenden Roman, bitte keine intelligente Handlung, oder Originalität. Das Buch wird Ihnen kostbare Zeit stehlen. Willkommen in der Riege der schlechtesten Bücher, von einem der schlechtesten Autoren, das ich je gelesen habe.

Michael Sterzik

Samstag, 22. August 2020

Der Würfelmörder - Stefan Ahnhem

Die Würfel sind gefallen – oder Gott würfelt nicht – sechs Seiten eines Würfels mit Symbolen, oder Zahlen, die uns ein Ergebnis zeigen und uns gewinnen, oder verlieren lassen. Der Preis ist individuell hoch, oder niedrig.

Würfel sind neutral – sie unterscheiden nicht im Ergebnis wer die Würfel fallen, oder rollen lässt. Der schwedische Autor Stefan Ahnhem lässt in seinem Roman – Der Würfelmörder – den Zufall entscheiden. Der Tod ist gewiss, der Umstand, die Ausführung, die Mordwaffe nicht.

Zufall hin, oder her. Zufällig ist „Der Würfelmörder“ von Stefan Ahnhem wenig originell. Die Idee ist großartig und weckt eine interessante Erwartungshaltung. Ein Serienmörder ohne Motiv, ohne einen gewissen Prozess, ohne ein Ritual, dass er durchführen muss. Wie soll man so jemanden finden – der alles dem Zufall überlässt, der mit den Opfern keine noch so ferne Beziehung hat, die ihn überführen könnte. Interessanter Ansatz, oder!?

Die Idee, die der Autor hier verfolgt ist löblich, die Ausführung ist mangelhaft bis ungenügend. Nebengeschichten gehören in einer komplexen Story, sie stützen das Konstrukt dieser Basis, sie konzipieren und bauen die Protagonisten aus. So immens wichtig für eine vielseitige, innovative Handlung sind nicht nur diese Nebengeschichten, sondern auch die begleitenden Personen. In dem vorliegenden Roman ist beides faktisch zu viel da und zu intensiv. Die Handlung ist labyrinthisch – es ist kein Weg erkennbar. Selten habe ich einen Thriller gelesen, der so inhaltslos und nicht spannend ist. Bei den privaten Sequenzen habe ich mich gefragt, was diese aussagen sollen. Den Sinn habe ich bei aller Analytik nicht gefunden.  

Die Dialoge sind überzeichnet und laufen oftmals absolut in ein inhaltliches Vakuum. Die Charaktere – und zwar alle sind nebulös und nicht greifbar. Keine Sympathie – kein Verständnis und erst recht keine Identifikation mit einer dieser Personen. Es gibt bloß Statisten mit einer Gewichtung – aber Haupt- und Nebenfiguren sind ungenügend konzipiert.

Da hilft es auch nicht aktuelle Themen wie Rassismus verarbeiten zu wollen. Auch hier eine tolle Idee sich zu positionieren – schade aber auch, dass auch dies nicht funktioniert.

Es gibt zwischen den Parteien – Ermittler und Mörder kein Duell auf Augenhöhe. Jeder handelt für sich und jeder alleine. Keine wechselnde Perspektive bei dem man konkrete, aufbauende Fortschritte feststellen kann. Die Perspektive des Mörder ist absolut ungenügend und unbrauchbar in Szene gesetzt.

Stefan Ahnhems Talent für das Schreiben von Thrillern zeigt sich hier nicht. Handwerklich fühlt sich das eher an, als wäre es eines seiner ersten Projekte mit dem er sich befasst. Stil, Ausdruck und Sprache sind durchschnittlich verwendet.

 

Fazit

„Der Würfelmörder“ Stefan Ahnhem ist so spannend wie ein Herzstillstand. Keine Bewegung im Roman. Protagonisten sind nichts anderes als Statisten. Dialoge sind überfrachtet und völlig losgelöst – wenn man die Handlung erklären möchte.

Absolut nicht zu empfehlen.

 

Michael Sterzik

Sonntag, 16. August 2020

Doppelte Spur - Ilija Trojanow

Wer die internationalen Nachrichten verfolgt, kann beobachten wie schmutzig die Politik doch sein kann! Aber war diese denn jemals transparent, war sie jemals ehrlich – zu der eigenen Bevölkerung, zu andern Staaten, zum eigenen Kabinett? Nein – Politik korrumpiert, manipuliert, steuert, lügt, verharmlost
  usw. alle Facetten der Menschen präsentieren sich in diesem Machtgefüge. Eine elitäre Gesellschaft – die manchmal viel zu individuell agiert – als Person bezogen, nicht als Gemeinschaft, die das Wohl anderer als Ziel gesetzt hat.

Ja, sie denken richtig. Politik kann durchaus verbrecherisch sein. Strukturelle politische Themen, die sich in der Wirtschaft und dem organisierten Verbrechen manifestieren? Ja gibt es – Verbrecher, die ggf. durch den Einfluss von Politikern eine besondere Behandlung erhalten, oder sogar werden die Ermittlungen ausgesetzt?! Ja auch das gab und gibt es aktuell. All diese Themen bedient sich der Autor Ilija Trojanow der seine Interpretation von Fakten in dem vorliegenden Buch: „Doppelte Spur“ fiktiv verarbeitet hat.

In den Buch: „Doppelte Spur“ wird nicht mit Wahrheiten gearbeitet, es sind wahrscheinliche Wahrheiten und selbst diese würden bei einem Lügendetektortest völlig aus der Skala fliegen. Die Idee, dass ein Journalist sensible, vertrauliche Daten von einem Informanten  aus Amerika und einem aus Russland bekommt – zwei Leaks also, und die Wahrheit noch immer sucht, klingt interessant und originell.

Der investigative Journalist Ilija wird innerhalb weniger Minuten von zwei Whistleblowern des amerikanischen und des russischen Geheimdienstes kontaktiert. Ein großer Coup? Eine Falle? Er lässt sich auf das Spiel ein, zusammen mit Boris, einem amerikanischen Kollegen, folgt er der doppelten Spur nach Hongkong, Wien, New York und Moskau.
Die geleakten Dokumente eröffnen einen Abgrund von Korruption und Betrug, von üblen Verstrickungen krimineller Oligarchen und Mafiosi. Auch die Staatspräsidenten Russlands und Amerikas sind involviert. Was darf man glauben? Mit welcher Absicht werden Lügen verbreitet? Sind die beiden Reporter nur ein Spielball der Geheimdienste? (Verlagsinfo)

Der Autor Ilija Trojanow hat seinen Roman absolut überfrachtet. Natürlich gibt es offensichtliche Anspielungen zu aktuellen Themen und Personen und spiegelt damit ein erschreckendes Bild unserer heutigen Welt. Eindringlich geht er darauf ein, dass man schwerlich auseinanderhalten kann  - was nun Wahrheit, oder Lüge ist – alles ein Fake, ein Versuch zu manipulieren, oder eine originelle Legendenbildung?

Ilija Trojanows eigene Meinung bildet sich auch zwischen den Zeilen ab. Er möchte aufrütteln, auf diese Themen hinweisen – das Problem ist nur – die Geschichte ist so unspektakulär und wenig spannend erzählt, dass der Titel „Doppelte Spur“ nicht funktioniert.

Michael Sterzik

Freitag, 14. August 2020

The Expanse - Babylons Asche

„The Expanse“ gehört mit Sicherheit zu den besten Science Fiction Serien, die es gibt. Die Reihe hat soviel Potenzial um es ggf. endlos zu gestalten – was aber nicht zu empfehlen ist.

Babylons Asche – ist der sechste Band der Serie und inhaltlich leider auch der schwächste. Mit der Story geht es nahtlos weiter. Erde und Mars sind nicht völlig dem fürchterlichen Terroranschlag zum Opfer gefallen – es gab Milliarden Tote, die Kontinente sind verwüstet. Der Fallout wird noch zu weiteren Millionen von Opfern führen. Die militante Splittergruppe stößt allerdings auch in ihren eigenen Reihen nicht vollumfänglich auf Verständnis. Der Feind meines Feindes ist mein Freund – also Ärger an allen Ecken des Sonnensystems.

Die interstellaren Portale, gefeiert als Tore in eine neue Zukunft der Menschheit, erweisen sich als tödliche Falle. Kaum haben die Erde, der Mars und die anderen Planeten den Angriff des Alien-Protomoleküls einigermaßen überwunden, tritt es erneut in Aktion und lässt ein Schiff nach dem anderen im Inneren der Portale verschwinden. James Holden und seine Crew stehen kurz vor der Lösung des Rätsels, doch da zeigt sich die wahre Absicht des Gegners – und die Menschheit findet sich plötzlich als Spielball in einem Krieg zwischen galaktischen Mächten wieder …(Verlagsinfo)

Der Klappentext gibt allerdings einen Inhalt wieder, der nicht die eigentliche Handlung spiegelt. Leider spielen die entstandenen Tore und die Alien-Technologie eine absolut untergeordnete Stelle. Das ist leider auch der größte und einzige Schwachpunkt. Der innere Kampf um den Frieden im System ist wenig interessant und spannend beschrieben. Erhebliche Längen, übertriebene Dialoge, eine relativ unattraktive Atmosphäre, die auch die Figuren nicht retten können.

Die Story ist somit geparkt worden. Man findet auch keinen Fortschritt – keine Entwicklung bei den Charakteren wieder. Auch hier herrscht Sillstand.

Das deklassiert aber auch überhaupt und insgesamt die Reihe nicht. Nach diesem Ausflug auf eine „Parkbank“ wird die Rosinante und ihre Crew die Reise wieder aufnehmen. Es gilt Trümmer wegzuräumen – es gilt den Menschen auf Erde und Mars wieder Hoffnung zu geben und die Tore zu anderen Systemen könnten zu einer neuen Erde führen, oder zu dem Untergang der Menschen. Aliens – ja es gibt sie – aber momentan spielen sie auf dieser Party noch keine Rolle.

Es gibt noch unzählige Fragen, die auf eine Beantwortung warten – also wird man, wie ich auch mit Freuden zu Band 7 und 8 greifen.

Michael Sterzik

Montag, 3. August 2020

Der Aufstand von Treblinka - Michał Wójciks

Der Holocaust bleibt unvergessen – die systematische Vernichtung Millionen von Menschen. Eine Maschinerie des Todes – in der, der Tod dem Überleben in einem Vernichtungslager eine Erlösung war. Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, die von den schrecklichen Ereignissen erzählen können, von Mord, Folter, Menschenversuchen, Qual – nach und nach verstummen diese Stimmen, die weder vergessen, noch vergeben haben. Wir wissen, was diese Menschen in den Konzentrationslagern des Nazi-Regims erdulden mussten, aber wissen wir auch etwas davon, dass es Widerstände gab – Aufstände!? Der Aufstand im Warschauer Ghetto war eines dieser Ereignisse, in der Menschen sich auflehnten und mit Waffen versuchten der Tyrannei und der Vernichtung zu widersetzten. Der Aufstand wurde niedergeschlagen -  die Menschen, die ihr eigenes Schicksal in die Hand nahmen, sind Symbole und Botschaften, dass neben dem Willen zu überleben auch dazu aufgerufen wird, sich zu widersetzen, sich aufzulehnen gegen Verbrecher, gegen Unmenschlichkeit, gegen willkürliches Morden. Es waren so mutige Menschen. Doch sie waren nicht die einzigen. Der renommierte, polnische Journalist und Historiker Michał Wójcik  hat den Aufstand im Vernichtungslager Treblinka in seinem veröffentlichten Buch – „Der Aufstand von Treblinka“ thematisiert.

Am 02. August 1943 kam es im Vernichtungslager Treblinka zu einem unglaublichen und heute fast vergessenen Ereignis: Etwa 700 überwiegend jüdische Häftlinge nahmen an einem bewaffneten Aufstand teil. 300 von ihnen entkamen den Grauen des Lagers, etwa 85 überlebten den 2. Weltkrieg.

Der renommierte polnische Historiker und Journalist Michał Wójcik erzählt in seinem Buch die Geschichte eines Ausbruchs aus dem brutalen Alltag des Lagers, in dem innerhalb eines Jahres über eine Millionen Menschen getötet wurden. Gestützt durch zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen und Archivrecherchen malt er das Bild einer hoffnungslosen Situation, in der einige mutige Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen. (Verlagsinfo piper)

Es ist harter Tobak den der polnische Autor hier verarbeitet. Es geht an die Substanz, wenn der Autor vom täglichen Morden erzählt, von einer willkürlichen und bestialischen Grausamkeit, die den Schrecken mit einer atmosphärischen Erkenntnis transportiert und so eindringlich ist, dass man manchmal innehalten muss. Die Nachhaltigkeit dieses historischen Echos ist unsterblich.

Beim Lesen stellt man sich dennoch die Frage, warum kam es nur zur so wenigen Aufständen und warum wurde von Seiten der Alliierten – die von der Existenz dieser Vernichtungslager wussten, nicht aktiv eingegriffen wurden!? Das sind allerdings auch zwei Fragen, die das vorliegende Buch nicht abschließend beantworten kann.

Jeder Aufstand – egal ob nun in Auschwitz, Sobibór, oder in Treblinka – auch wenn diese scheiterten, waren es Symbole des Überlebens – aber auch um anderen Menschen zu offenbaren, welcher Schrecken in den KZ herrschten. Die Häftlinge wollten um jeden Preis überleben, um ein Zeitzeugnis zu sein. Eine Botschaft und eine Mahnung für die Nachwelt.

Michał Wójciks perspektivische Sicht auf diese Ereignisse ist grandios. Er verurteilt – oder beurteilt nicht. Er erzählt von Fakten – nicht willkürliche heroische fiktive Ereignisse – die vielleicht stattgefunden haben.  Er führt uns aber auch das moralische Dilemma des Holocaust vor Augen. Warum hat niemals von Außerhalb des Todestreifens – der Minen, Stacheldrähte und Wachtürme etwas gegen den Genozid aktiv getan? Haben womöglich niemand außer die Juden selbst für die Juden gekämpft?

Immerhin berichtet der Autor neben den Vorbereitungen für den bewaffneten Aufstand, der Durchführung auch von der Flucht durch die polnischen Wälder. Es gab tatsächlich helfen, die den Flüchtigen mit Essen versorgten, oder sie unterbrachten. Es gab aber auch Verräter, und Menschen die Hilfe verweigerten – vielleicht aus Angst vor den Besatzern – vielleicht aus Überzeugung…! Etwa 50 Häftlinge, denen die Flucht gelang, überlebten.

Der Autor spricht in den letzten Kapiteln auch von der Rolle Polens im Holocaust. Retter, und – oder Kollaborateure. Eine extreme Polarisierung dieser beiden Extrem. Helden oder Verbrecher selbst – eine Grauzone, die nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Fakt ist – Es gab keine aktive polnische Hilfe der „Armee“, oder des polnischen Widerstands.

Der Leser wird sich vielen Fragen stellen müssen, die er zweifelsfrei sich immer wieder selbst stellen wird. Wie konnte man derartiges Leid ertragen? Warum hat niemand von außerhalb geholfen? Was trieb die niederen Instinkte der Soldaten/Mörder an? Es gibt darauf kaum grundlegende und abschießende Antworten. Was übrig bleibt ist ein schreckliches Zeugnis – aber auch eine Botschaft ein Zeichen und Symbol des Widerstands. Darüber lohnt es sich einmal tiefer nachzudenken und das ermöglicht der Autor des Buches: „Der Aufstand von Treblinka“ -  Michał Wójcik.

Fazit

„Der Aufstand von Treblinka“ von Michał Wójcik geht unter die Haut. Ein nachhaltiges Echo der Vergangenheit, das berührt. Ein wichtiges Zeitzeugnis, dass immer noch zeitlos den Schrecken, aber auch Hoffnung transportiert.

Michael Sterzik


Mittwoch, 29. Juli 2020

The Fourth Monkey- Das Haus der bösen Kinder - J.D. Barker


Der vorliegende Thriller: „Das Haus der bösen Kinder – The Fourth Monkey“ von J.D. Barker ist der letzte Band einer dreiteiligen Reihe. Vorab sei schnell zu sagen – es macht keinen Sinn bei Teil 2, oder Teil 3 einzusteigen. Die Charaktere und Beziehungsebenen sind dermaßen kooperativ kombiniert, dass es fast schon Labyrinthisch wirkt. Ein komplexes Zusammenspiel von Gut und Böse ist noch untertrieben – und wer agiert und reagiert auch das ist dämmerig. Rache – Schuld - Sühne sind so arg verschweißt, dass man diese drei Elemente gar nicht auseinander dividieren kann. Keine Möglichkeit.

J.D.Barker lässt seinen „Fourth Monkey Killer“ nicht willkürlich morden. Bei diesem Killer schalten sich nicht alle Sicherungen aus. Eine organisierte Planung – eine fast biblisch orientierte Rache – lassen ihn zu einem Todesengel werden. Ein Marionettenspieler, der sein mörderisches Handwerk versteht. Seine hinterlassenen Botschaften auf den platzierten Toten sind grausam in Szene gesetzt – doch auch hier steckt ein tieferer Sinn hinter. Es ist keine Eleganz des Mordens – kein künstlerischer Akt – glauben Sie das wirklich? Sie werden sich täuschen.

Auch im letzten Band dieser großartigen Reihe lässt der Autor die Story aus ganz verschiedenen Perspektiven erzählen und selbst der „Fourth Monkey“ kommt dazu sich in alten Tagebucheinträgen zu offenbaren. Ja genau – zu Offenbaren – denn diese sind der Schlüssel zu seiner traurigen-dramatischen Vergangenheit.

Selten habe ich einen Thriller gelesen, in der, der Autor es schafft größtmögliche Verwirrung zu stiften. Man findet sich in keinem Spannungstau wieder, oder in einer Geschwindigkeitsbegrenzung – aber man wird das Gefühl nicht los – dass man sich ständig verfährt und dabei noch ständig geblitzt wird – möglichst mit einem Gesichtsausdruck zwischen einem Aha oder einen Oh….oder einen Jetzt-habe-ich-es-verstanden… und Das-kann-doch-nicht-sein – oder-doch!?

Diese Trilogie ist mit einer der originellsten, die ich jemals gelesen habe. Überraschend – sehr intelligent erzählt – methodisch interessant. Und zu guter Letzt bleibt es dem Leser selbst überlassen ein Urteil zu fällen. Perspektivische Selbstjustiz ist halt eine Klasse für sich und hat seine eigenen Gesetze.

Eine Obdachlose findet auf dem Friedhof von Chicago die Leiche einer Frau, deren Augen, Zunge und Ohren entfernt und in kleine weiße Schachteln verpackt wurden. Neben der Toten liegt ein Schild mit der Aufschrift »Vater, vergib mir«. Kurz darauf tauchen weitere, ähnlich zugerichtete Opfer auf. Für die Polizei von Chicago und das FBI ist klar, dass die Morde die Handschrift des immer noch flüchtigen Four Monkey Killers Anson Bishop tragen. Doch Detective Sam Porter glaubt nicht daran – die Tatorte liegen zu weit entfernt voneinander, als dass nur ein Täter infrage kommen könnte. Zudem stimmt auch etwas mit der Haut der Leichen nicht. Als sich Bishop aus heiterem Himmel stellt und beteuert, keines der Verbrechen begangen zu haben, die ihm zur Last gelegt werden, fällt der Verdacht auf Sam Porter selbst – denn er hat kein Alibi, dafür aber ein verheerendes Geheimnis …(Verlagsinfo)

Die eine Eigenschaft dieser Trilogie ist die sagenhafte Spannung – die andere ist der plötzliche Überraschungsmoment.

Gelungen ist auch die konzeptionelle Figurenzeichnung, obwohl diese außer bei Anson Bishop und Familie faktisch untergeordnet ist. Der Schwachpunkt der gesamten Reihe ist allerdings, dass man viel zu wenig von den Protagonisten erfährt. Deren Vergangenheit bleibt schlichtweg ungeklärt. Das wertet die Reihe nicht unbedingt herab, aber ist es dennoch mehr wie kraftlos konzipiert.

Die Dramatik und Tragik ist ebenfalls stark vorhanden. Wie schon in den beiden Bändern vorher auch, entwickelt man für den Killer ein gewisses Verständnis – Sympathie – ist halt verflixt mit der verdammten Selbstjustiz.

Der Fokus liegt halt bei den Faktoren: Spannung und Überraschung. Es wird wahrscheinlich auch keinen vierten Teil dieser Reihe geben, obwohl noch genüg Potenzial in der Familie „Bishop“ steckt. Auch diese hätte Material für eine ganz eigene Reihe.

Fazit

„Das Haus der bösen Kinder – The Fourth Monkey verfügt über eine qualitative Spannung, die man selten in dem Genre Thriller findet. Eine Klasse für sich. Ein mörderisches Monopoly mit vielen, bösen Ereigniskarten. Die Schlossallee ist das Haus der bösen Kinder – und der Preis übersteigt den Einsatz. Pageturner: Eine Reihe – die man unbedingt lesen muss – am besten nacheinander.

Michael Sterzik