Sonntag, 9. Juli 2023

Im Kopf des Bösen - Der Sandmann - Petra Mattfeldt und Axel Petermann

Was geht in den Köpfen von Serienmördern vor? Welche Rituale zwingen den Mörder zu seinem persönlichen Modus Operandi? Diese psychologischen Hintergründe zu analysieren, die Methodik ist in der Kriminalistik noch relativ neu und ist bei Beamten ggf. ein polarisierendes Thema. Muss man die Motive und Hintergründe, die im Kopf des „Bösen“ rotieren, verstehen, um ggf. die nächsten Schritte des Täters vorauszusehen? Kann man den Täterkreis so weit einengen, dass der Querschnitt alle potenziellen Verdächtigen sich reduziert? Diese operative Fallanalyse, so umstritten sich auch sein mag – ist interessant und deren Akzeptanz wird nicht nur in Deutschland immer höher. Die Analyse eines Kriminalfalls ist komplex – es zählt nicht nur sich in den Gedankenpalast eines Täters hineinzudenken, sondern auch den Tatort und deren Spuren zu interpretieren. Ebenfalls stellt ein erfahrener Profiler in der Zeugenbefragung andere Fragen, wie ein Kriminalbeamter und selbst die Betrachtung des Opfers und dessen Persönlichkeit kann helfen den, oder die Täter zu ermitteln.

Axel Petermann ist Kriminalist, und ein ausgebildeter und erfahrender Profiler, der in Bremen und darüber hinaus an vielen Ermittlungen bei bekannten Mordfällen beteiligt war. Als Dozent der Kriminalistik gibt er sein Wissen an verschiedenen Hochschulen der Polizei an junge Beamten weiter.

Petra Mattfeldt ist eine sehr bekannte Autorin, die auch unter vielen Pseudonymen erfolgreiche Bücher veröffentlicht hat.

Beide haben nun ihren ersten gemeinsamen Roman „Im Kopf des Bösen – Der Sandmann“ veröffentlicht. Der echte Kriminalfall basiert auf einer Reihe von Morden, die vor 100 Jahren stattgefunden haben. Interessanter Aspekt also, dass die Autorin und der Schnüffler diese Ereignisse in unsere Zeit transportiert haben.

Einen Teddybären fest an sich gedrückt, liegt der Junge wie schlafend auf einem Feld. Doch er ist tot, erfroren. Bereits sechs Jungen wurden auf diese Weise gefunden, die Körper drapiert und ohne Anzeichen von Gewalteinwirkung. Die gebildete Sonderkommission ist ratlos, der Druck der Medien hoch. Als kurz darauf das siebte Opfer des »Sandmanns«, wie die Presse den Täter nennt, überlebt und im Koma liegt, hat die ambitionierte Fallanalytikerin Sophie Kaiser zum ersten Mal eine heiße Spur. Sophie, die durch ihr Asperger-Syndrom Zusammenhänge anders bewertet als andere, entdeckt eine Ähnlichkeit mit einer Reihe von Fällen, die Jahrzehnte zurückliegt. Damals überlebten einige der entführten und wieder freigelassenen Jungen, konnten sich aber an nichts erinnern. Hängen die Verbrechen zusammen? (Verlagsinfo)

Der Story merkt man sehr schnell an, dass der Schwerpunkt sich auf die Fallanalyse der Ermittlungen bezieht. Dieser konzentrische Kreis dreht sich auch um die beiden führenden Beamten, die sich gut ergänzen.

Auffällig ist dabei allerdings, dass man in diesem Genre mehr und mehr beobachten kann, dass solch ein Duo immer einen sehr eigenwilligen Protagonisten trägt. In diesem Fall ist es die Fallanalytikerin Sophie Kaiser, die selbstbewusst und nervend ambitioniert ermittelt. Die junge Kriminalbeamtin hat eine leichte Ausprägung des Asperger-Syndroms und kann mit ihrer Insellösung – die Sichtweise und detailreiche Analyse des Tatorts eine ganz andere Perspektive sehr hilfreich sein. Allerdings ist der persönliche und soziale Umgang eine ganz andere Herausforderung.

Als Partner an ihrer Seite fungiert Kommissar Leonhard aus Lübeck, der von Sophies eigenartigen, aber erfolgreichen Methoden fasziniert ist. Sein Fall bezieht sich auf einen erweiterten Suizid, der im Zusammenhang mit dem Sandmann stehen könnte. Was hat diese Familientragödie, bei der vier Erwachsene und drei Kinder getötet worden sind, mit einer Mordserie zu tun, die sich über viele Bundesländer erstreckt?

Irgendwie ist es anscheinend ein Trend, dass ein Kriminalbeamter das Asperger-Syndrom hat und seine „Krankheit/Talent“ sich als nützlich erweist!?

„Im Kopf des Bösen – Der Sandmann“ ist ein Krimi – wenig, bis gar keine Actionmomente. Die Spannung wird erzeugt, doch die Methoden der Fallanalytik, die sich wie ein komplexes Puzzle durch die Handlung bewegt. Wenn Sophie mit den Fotos der getöteten Kinder redet, oder sie zusammen mit Leonhard die fast schon minutiöse Tat rekapituliert – erzeugt diese eine unterhaltsame Spannung, die fesselt.

Man merkt, dass Axel Petermann hier der führende Part gewesen sein muss, um die Handlung zu erzählen. Petra Mattfeldt hat dies hervorragend umgesetzt. Bis auf wenige Situationen ist dieser Roman sehr authentisch. Sophies Aktionismus kann man ggf. als eine wilde Räuberpistole bezeichnen. Aber schließlich steht die Unterhaltung im Vordergrund. Der historische Kriminalfall wird sehr gut aufgearbeitet und die beiden Autoren zeigen auf, dass die Dynamik des Täters in dessen eigener Vergangenheit zu finden ist. Stellt also die These auf – können Missbrauchsopfer zu späteren Täter werden?

Fazit

Gekonnte Fachexpertise meets Unterhaltung und fertig ist eine spannende, fesselnde Story. Hochklassiger True Crime Thriller.

Michael Sterzik



Samstag, 8. Juli 2023

Attika - Die Schlacht von Marathon - Conn Iggulden


Griechenland in der Antike hat die europäische Entwicklung stark mitgeprägt. In der Blütezeit müssen wir die Philosophie von Platon und Aristoteles erwähnen und auch in der Politik entstanden Begriffe wie Demokratie, Aristokratie, oder Oligarchie. Kunst und Kultur waren auch wesentliche Merkmale dieser Epoche und all das wirkt bis heute nach. Die historischen Quellen von Herodot und Thukydides sind ein wichtiges Zeitzeugnis. Doch auch in der akademischen Welt – gerade in der Mathematik und Physik wurden Erkenntnisse deutlich, die wir noch jetzt in der Schulbildung einsetzen.

Doch Griechenland griff auch zu den Waffen und zog in den Krieg wenn es nötig war. Gerade die Perser unter den Großkönigen Deiraos und Xerxes versuchten mit brutaler Gewalt Griechenland in ihr Reich zu integrieren. Unter der Führung von Athen und Sparta versammelte sich alle „Stämme“ Griechenlands und warfen die Invasoren zurück ins Meer, allerdings unter großen Verlusten. Der Sieg über die Perser wurde zu einem Mythos auf vielen Ebenen, auch natürlich auf der politischen.

Conn Iggulden lässt das antike Griechenland in seinem neuesten Roman: „Attika – Die Schlacht von Marathon“ aufleben.

Nie war Athen einer Niederlage näher: 490 vor Christus dringt der mächtige Perserkönig Dareios der Große mit seinen kampferprobten »Unsterblichen« tief ins Land der Griechen vor. Die Athener sind hoffnungslos in der Unterzahl, und die Götter schweigen zu ihren Bitten.

Xanthippus, der oberste Feldherr der Griechen, lässt seine Männer bei Marathon einen Schildwall errichten, der die Perser um jeden Preis aufhalten soll. Denn eine Niederlage würde Sklaverei bedeuten.(Verlagsinfo)

„Die Schlacht von Marathon“ ist der Auftakt des Romans – aber nicht der alleinige Schwerpunkt und ist auch nicht das einzige Schlachtfeld. Conn Igguldens Talent ist alle Komponenten eines guten Romans genau auszubalancieren. Ein historischer Roman muss unterhalten, und spannend sein, dabei eine Atmosphäre erzeugen in der, der Leser eine Reise zurück in diese Vergangenheit antreten kann. Conn Igulldens Interpretation von historischen Ereignissen ist immer wieder etwas frei und manchmal sehr abenteuerlich. In diesem vorliegenden Roman hält er sich allerdings sehr genau an die historischen Überlieferungen.

Der Roman wird aus verschiedenen persönlichen Perspektiven erzählt. Der Wahnsinn und den Größenwahn übernimmt selbstverständlich die Persische Partie dieses Krieges. Die selbsternannten Gottkönige regieren mit einer harten, kompromisslosen Brutalität und ihre Untertanen sind deren Willkür in vielen Abstufungen ausgesetzt. Der andere Part nimmt dann selbstverständlich die griechische Seite ein, die alles andere als „geeint“ ist. Die Stämme konkurrieren politisch miteinander und besitzen alle ein strapazierendes Ego. Militärisch sind sie geeint, auch wenn das Königreich Sparta gerne die Führung übernehmen möchte.

Interessant ist die Figurenzeichnung, denn keine Person ist ein wirklicher Sympathieträger. Die charakterlichen Merkmale: Ehrgeiz, falscher Stolz, Egoismus, Überheblichkeit…usw. haben allesamt einen großen Auftritt mit ihren Figuren.

Es gibt viele actionreiche Szenen, dass impliziert der Titel ja schon, aber es werden auch Schlachten in der Politik und vor dem Gericht ausgetragen. Demokratie hin und oder her, politische Ränke, Manipulationen und Machtmissbrauch –  sind unsterblich.

Nur die religiöse Komponente wird vom Autor nicht intensiv beschrieben, was auch gemessen an der Anzahl der zahlreichen Götter und ihren Eigenschaften/Aufgaben unnötig kompliziert sein dürfte.

Wenn man über die persischen Kriege schreibt, wird man unweigerlich an Spartas König Leonidas mit seinen 300 Spartanern erinnert und an seine Schlacht bei den Thermophylen, deren Ausgang jedem Leser schon klar sein dürfte. Auch dieser Part wird von Conn Iggulden gegen Ende des Romans erzählt.

„Die Schlacht von Marathon“ ist ein spannender und vielseitiger Roman, deren Unterhaltungswert hoch skaliert ist. Abwechslungsreiche Perspektiven, ausgewogenes Verhältnis von Krieg und Politik bilden das Grundgerüst. Es gibt auch emotionale Situationen gerade in der Familie von Xanthippus, die den Leser aber nur am Rande berühren. Der Fokus liegt woanders. Dies ist die größte Schwäche des Romans – die emotionale, tiefgehende Figurenzeichnung. Das geht besser und weniger oberflächlich.

Trotzdem kann ich den Roman gut empfehlen. Spannende Unterhaltung wird geboten und am Ende wird zwar nicht alles gut – aber man merkt, dass sich die Handlung mit den Personen im zweiten Band intensivieren wird.

Fazit

Starker Auftakt. Hohes Tempo das gute Unterhaltung verspricht und schon jetzt zeigt, dass es noch spannender weitergehen wird.

Michael Sterzik


 

 



Samstag, 17. Juni 2023

Finsternebel von Camilla Läckberg und Henrik Fexeus


Mentalisten sind Zauberkünstler im entfernten Sinne. Es sind keine traditionellen Bühnenmagier, sie praktizieren eher mit psychologischen Tricks, ihrer Intuition, ihrer geschulten Wahrnehmungsfähigkeiten und manche von Ihnen erkennen Symbole, Muster und Botschaften. Man kann diese Fähigkeiten erlernen – aber zum größten Teil müssen diese Fähigkeiten schon vorhanden sein, um dessen Wirkung beim Publikum entfalten zu können. Viele sind Hypnotiseure, einige haben sicherlich ein Talent für die Mathematik – fasst man alles zusammen – so sind es also weniger die Taschenspielertricks, sondern geistige Manipulation und verschärfte Wahrnehmung.

Menschenleser – wäre auch ein Ausdruck. Cold Reading – Beobachtung und die Wahrnehmung in Gesprächen, Muster, Wahrscheinlichkeiten usw. sehr schnell zu verarbeiten. Das gezielte Führen des Gespräches, die Beobachtung von Gestik, Mimik, der Stimmfarbe u.ä. lassen oftmals den Eindruck zu, dass der Mentalist hellseherische Fähigkeiten besitzt. Ein Trugschluss – und auch hier wieder die Kombination von Talent und angelernten Methoden.

Schon der erste Band „Schwarzlicht“ des Autorenduos war überaus „Originell“. Das Duo einer introvertierten, geheimnisvollen Polizistin und einem Mentalisten, der mit seinem Autismus eine außergewöhnliche Wahrnehmung für Muster und Symbolik besitzt – war erfrischend im Genre Thriller.

Nun ist im Verlag Knaur mit „Finsternebel“ der zweite Band dieser Reihe veröffentlicht worden.

Unter Hochdruck ermitteln die Stockholmer Kommissarin Mina Dabiri und ihr Team im Fall einer Kindesentführung – es gab bereits einen ähnlichen Vorfall, und der endete drei Tage später in einer Tragödie. Doch auch diesmal können sie das Kind nicht retten. 

Als Mina auf einen dritten Fall stößt, ahnt sie, dass etwas Großes, Dunkles im Gange ist: Menschenhandel, ein Pädophilenring, gar eine Sekte? Da jede Spur in eine Sackgasse zu führen scheint, wendet sich Mina erneut an den genialen Mentalisten Vincent Walder. Nur gemeinsam kann es dem ungewöhnlichen Duo gelingen, das Rätsel hinter den Fällen zu entschlüsseln. Aber die Uhr tickt …(Verlagsinfo)

Die Welt ist voller Symbole, versteckten Botschaften, zweideutigen Aussagen, von Mustern und Geheimnissen – und doch die meisten erkennen wir nicht. Vielleicht weil wir uns damit nicht befassen, weil uns die Zeit fehlt, weil wir nicht daran glauben. Alles richtig, doch die Faszinationen zeigt sich, wenn wir darauf aufmerksam werden.

Serienmörder folgen einem Muster. Erkennt man dies, kann man ggf. die Mordserie beenden und den Täter fassen – doch die Zeit kann sich als die größte Herausforderung herausstellen.

Die Handlung von „Finsternebel“ befasst sich mit einer Mordserie an Kindern. Erschreckend, denn gerade sie sind es doch, die das Leben noch vor sich haben. Die unschuldig sind und die wir beschützen sollten. Zwangsläufig ist also jeder Ermittler stärker involviert – da er selbst Vater oder Mutter ist.

Die persönlichen Nebengeschichten der Figuren sind im vorliegenden Band sehr, sehr stark ausgeprägt, bis an die Grenze des zumutbaren. Ja, die Charaktere sind tiefgründiger, vielleicht sympathischer gezeichnet, aber vieles davon war leider auch zu viel und drängte damit die eigentliche Handlung ins Abseits. Besonders die persönlichen Herausforderungen von Mina und Vincent wiederholen sich immer und immer wieder. Wer Band 1 gelesen hat, dem wird diese unweigerlich auffallen, dass hier der Bogen überspannt wurde.

Die unterhaltsame Spannung allerdings bleibt bestehen. Besonders in der zweiten Hälfte des Romans intensiviert sich mit dem Auftritt des Mentalisten Vincent Walder die Spannung. Mathematik, versteckte Botschaften, Symbolik, Hypnose – all diese Details transportieren einen so hohen Unterhaltungswert, dass das Schicksal der Kinder ebenfalls abgedrängt wird.

Manipulation des menschlichen Geistes spielt ebenfalls auf dieser Bühne mit. Eine Sekte, deren Motto „Schmerz wirkt reinigend“ klingt nicht unbedingt vertrauensvoll und damit ist dann auch relativ fix klar, aus welchem Kreis der Hölle die, oder der Täter kommt.

Wie realistisch es ist, dass Serienmörder kryptische Botschaften verstecken, um ein Muster zu erschaffen – ist schwerlich nachvollziehbar, doch ist es gegenüber anderen Romanen eine originelle und tolle Abwechslung.

Fazit

Der Zauber dieses Buches zeigt sich durch die Symbolik, der Mathematik, die versteckten Botschaften innerhalb der Handlung. Eine systematische Unterhaltung, die ein großartiges Kopfkino erzeugt. Ein Mentalist – der hoffentlich noch in vielen weiteren Bänden auf und hinter der Bühne eine Rolle spielen wird.

Sehr starker zweiter Band – der auch wieder überzeugt.

Michael Sterzik



Samstag, 3. Juni 2023

Liar - Seve Cavanagh


Es gibt Justizthriller, deren Story sich nicht auf die Tat konzentriert, sondern auf den Schlagabtausch im Gerichtssaal. Verteidigung gegen den Staatsanwalt – die Geschworenen sind das Schlüsselelement und entscheiden oftmals auch zwischen Leben und Tod. Das amerikanische Rechtssystem im Gerichtssaal inkludiert auch viel Theater, viel Dramatik und die Knöpfe der Emotionalität, die man bei den Geschworenen oftmals aktiviert, entscheiden zwischen Schuld und Unschuld.

Was ist Lüge und was ist Wahrheit? Nicht immer einfach – und es gibt ein sattes Minenfeld an Halbwahrheiten, perspektivischen Grauzonen und schmerzhaften Tatsachen, denen man sich nicht stellen möchte – aber ausweichen ist auch keine Option.

Hier wird manipuliert und Verteidigung und Staatsanwalt bauen sich lange vor Prozessbeginn eine Strategie auf – ein fast schon minutiöses Drehbuch. Das größte Risiko ist die Unwissenheit – die versteckten Lügen der Zeugen, die Wahrheiten, die sich ggf. vor den polizeilichen Behörden noch nicht offenbart hatten, die aber jetzt auftauchen könnten. Ein Rotstift – der das Drehbuch einäschern könnte.

Der Autor des vorliegenden Titels: „Liar“ – Steve Cavanagh ist Jurist. Seine Schwerpunkte Strafrecht und Prozessführung machten ihn zu einem erfolgreichen Bürgerrechtsanwalt. Er weiß also sehr genau, wovon er schreibt.

Leonard Howells durchlebt einen Albtraum: Seine Tochter Caroline wurde entführt und dabei lebensgefährlich verletzt. Nur einem Mann traut Howell zu, sie zu retten: Eddie Flynn. Eddie weiß, wie es ist, eine Tochter zu verlieren. Und als ehemaliger Betrüger und jetziger Spitzenanwalt kennt er alle Tricks, um seine Gegner hinters Licht zu führen. Doch als die Lösegeldübergabe scheitert und Leonard Howells selbst unter Verdacht gerät, sind plötzlich zwei Leben in Gefahr. Irgendjemand zieht im Hintergrund die Fäden in einem Spiel, das vor vielen Jahren begann. Und in dem Eddie bald nicht mehr weiß, wer die Wahrheit sagt, und wer lügt ...(Verlagsinfo)

Inzwischen gibt es 7 Bände um den ehemaligen Trickbetrüger und jetzigen New Yorker Anwalt Eddie Flynn. „Liar“ ist der dritte Band – die Titel kann unabhängig voneinander lesen.

Kommen wir also zurück zum Thema „Justizthriller“. Seve Cavanagh beweist als Autor ein hohes Talent. Seine unkonventionelle Art eine nachhaltige Spannung zu erzeugen, ist brillant. Seine Trickkiste, die er bei seiner Figur Eddie Flynn öffnet, ist ebenfalls eine kleine Schatztruhe. Eddie Flynn ist und bleibt ein Trickbetrüger, aber ein ehrlicher, der vor Ort alle seine Tricks sehr gezielt einzusetzen vermag: theatralische Überzeugungskraft, Ablenkung und Irritation und zum Schluss weiß selbst der Zeuge, der Angeklagte, der Richter und der Staatsanwalt nicht mehr, was hier eigentlich passiert. Eddie Flynn zieht seine persönliche Show durch.

Sei es drum – er hat ein starkes Verständnis für die Wahrheit, verfügt über einen genialen Verstand und er ist und bleibt ein talentierter Trickser.

Das Tempo der Handlung ist ausgewogen. Der Fall ist recht kompliziert und jede Partei verstrickt sich selbst in diesem Netz voller falschen Verdächtigungen, voller schauspielerischer Manipulation und letztlich auch Überraschungen die plötzlich da sind.

Es zieht sich ein wenig hin, bevor man Eddie Flynn in den Gerichtssaal  begleitet. Da die Story sehr, sehr komplex ist, muss man sich stark konzentrieren und sehr aufmerksam lesen, um auch nur zu erahnen, wie das Verbrechen wirklich stattgefunden hat. Trotzdem ist man am Ende sehr, sehr positiv überrascht über das Konstrukt, dass sich Steve Cavanagh ausgedacht hat. Gerade vor Gericht zeigt sich die Klasse der Protagonisten und der komplexen Handlung.

Auch die anderen Figuren brillieren in Ihrer Darstellung und manchmal auch in ihrer Verwandlung. Special Agent Harper ist wieder mit von der Partie und auch Eddie Flynns Freund und Mentor Richter Harry Ford hat eine wichtige Nebenrolle. Starke Figuren, die viel dazu beitragen, der Story eine Tiefe zu geben. Auch die Ermittlungsarbeit, die wie ein Puzzle aufgebaut ist, wirkt sich stark auf die Intensität aus. Es folgen immer wieder neue Elemente, die alles wieder gekonnt auf einen neuen Ausgangspunkt setzen.

Der Trick des Erfolges ist der Trick eine Atmosphäre zu schaffen, der das „Böse“ vielfältig zeigt, aber den Wahrheiten ebenfalls viel Perspektive gibt.

Fazit

Das Gesicht der Lüge und der Wahrheit – so spannend erzählt, dass sich wünscht im Gericht zu sein. Perfekte Unterhaltung dank toller und vielseitiger Figuren.

Michael Sterzik

Donnerstag, 1. Juni 2023

Die Verborgenen - Linus Geschke

Was wissen wir über die Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung? Kennen wir all ihre Geheimnisse, all ihre Sünden? Was wissen wir über die Wünsche, die Sehnsüchte und Hoffnungen unserer Lieblingsmenschen? Diese „Verborgenen“ Emotionen sind ein Teil eines jeden Menschen. Wir alle haben Empfindungen, die man gleichwohl auch als besagte „Leichen im Keller“ bezeichnen könnte. 

 

Wie be- und verurteilen wir die Menschen, die wir meinen, so gut zu kennen? Sind wir so tolerant wie man es erwartet, wie wir es selbst von uns erwarten? Wir sind alle Schauspieler und wir übernehmen die Regie für unser eigenes Leben. Wir manipulieren, verbiegen, verbergen Wahrheiten und Lügen vor uns selbst und vor anderen. Niemand kennt uns so gut, wie wir selbst. 

 

Das führt selbstverständlich zu Konflikten in Freund- und Partnerschaften, wenn vielleicht nur ein Bruchteil dessen, was wir verschleiern wollen, an die Oberfläche treibt. Diese persönlichen Offenbarungseide können alles zerstören und diese leidenschaftlichen Tsunamis können auch viele andere Menschen mitreißen.

 

Selbst in unseren Wohnungen und in unseren Häusern verstecken wir Teile unserer Vergangenheit und Gegenwart. Das kann vieles sein; Gegenstände, Tagebücher, Urkunden, Schmuck, Erinnerungen usw. – es gibt kein Haus und keine Wohnung, in denen nichts vor den Augen anderer versteckt wird. 

 

Stellen wir uns nun vor, dass, wenn wir schlafen, jemand im Schatten, in der Dunkelheit stehend uns beobachtet. Wir sind schutzlos ausgeliefert und ahnen nichts von einer Gefahr in unmittelbarer Nähe. Stellen wir uns vor, wir verlassen unsere Wohnung und jemand schleicht durchs Haus und sucht systematisch unsere materiellen Schwächen. Vielleicht bedient sich die Person an unserem Essen, duscht und kleidet sich mit unseren Sachen ein? Ein unvorstellbarer Gedanke – aber leider auch Realität. 

 

Es gibt diese Menschen, die in Häusern in verstaubten Dachböden und dunklen Kellern hausen und nur darauf warten, dass die Räumlichkeiten und Bewohner schlafen, oder diese das Haus verlassen. Diese Eindringlinge werden als „Phrogs“ bezeichnet, abgeleitet von englischen „frog“ (Frosch). Sie bleiben nicht lange an einem Ort, sie ziehen bald weiter, vielleicht wenn es langweilig wird, sie alles entdeckt haben, oder die Bewohner ahnen, dass sie ggf. nicht mehr alleine sind. 

 

Linus Geschke hat all diesen Themen eine Bühne in dem vorliegenden Roman: „Die Verborgenen“ gegeben.

 

Sven und Franziska Hoffmann haben alles, wovon sie einst träumten: eine wunderbare Tochter und ein traumhaftes Haus an der Küste. Alles könnte perfekt sein. Doch dann dringt jemand heimlich in ihr Haus ein. Der ungebetene Gast bedient sich an ihrem Essen, stöbert in ihren Schränken und steht neben ihren Betten, wenn sie schlafen. Als dann noch Gegenstände verschwinden und fremde Fußspuren im Keller auftauchen, bezichtigen sich die Eheleute gegenseitig. Je merkwürdiger die Vorgänge in ihrem Haus werden, desto mehr bröckelt die makellose Fassade der perfekten Familie. Und genau das ist es, was der Eindringling will …(Verlagsinfo)

 

Linus Geschke beweist mal wieder sein vielseitiges Talent. „Die Verborgenen“ ist kein Actionkracher, es ist ein eindrucksvoller und hoch unterhaltsamer Psycho-Thriller. Die Spannung liegt erst verborgen in diesem Haus der Familie, liegt versteckt hinter der Fassade jedes einzelnen Bewohners. Und genau hier fängt die atmosphärische Raffinesse an. Sven, Franziska und ihre Tochter Tabea lassen tief in ihr innerstes Selbst blicken. Sie alle nehmen eine erzählerische Perspektive ein, wie auch „Die Verborgenen“ selbst. Lügen, Wahrheiten, gespielte Emotionen und kriminelle Entgleisungen, Hass, Wut und auch die Liebe – all diese idealisierten Gefühle spielen über die Personen ausgedrückt die wesentliche Rolle. 

 

Tiefer und tiefer tauchen wir in die Psyche dieser Menschen ein und diese präsentieren uns viele verschiedene Abstufungen ihrer perspektivischen Wahrheit. 

Wir fangen unbewusst damit an, diese Menschen zu ver- und zu beurteilen, wir empfinden Sympathie und Antipathie, nur um wenig später festzustellen, dass alles verborgen ist – auch unser empfundenes Bild dieser Figuren. Auch in die Psyche der „Verborgenen“ dringen wir ein – aber langsamer. 

 

Die Spannung schleicht sich langsam, aber stetig in unsere Köpfe. In den einzelnen Kapiteln kommen immer mehr und mehr Wahrheiten auf den Flur der „Wahrheiten“. Diese sammeln sich in einem Kessel voll von brodelnden Gefühlen, der bald mit einer zerstörerischen Wucht explodieren wird. 

 

Lüge und Wahrheit – sind zwei Geschwister in diesem Roman. Sie zanken sich in jedem Kapitel, doch einen strahlenden Finalisten wird es nicht geben. Selbst ein Happy End –  ist nicht frei von Schuld. 

 

„Die Verborgenen“ ist komplex und komplett psychologisch aufgebaut. Linus Geschke beschreibt diesen Roman, als sein „Herzstück“ – ist es auch – ein Roman mit Verstand und Gefühl konzipiert. 

 

Es gibt nicht viel Kritik. Das Ende wird mit Überschallgeschwindigkeit erzählt, und leider bleiben hier die Charaktere der Familie etwas im „Abseits“ sehen. Einen insgesamt vollendeten Abschluss in Hinblick auf eine kleine Aussicht dieser Figuren auf die Zukunft wäre der Story dienlich gewesen. 

 

„Die Verborgenen“ ist eine abgeschlossene Geschichte. Einen weiteren Teil wird es nicht geben. Ich hoffe allerdings, dass Linus Geschke – den Psycho-Thriller für sich entdeckt hat. Intelligent und facettenreich – mit viel Gefühl, das manchmal lauter ist als der Schuss einer Waffe und auch vernichtender sein kann. 

 

Fazit

 

Eine intelligente Offenbarung von Wahrheit und Lüge, hinter der Fassade von Menschen. Perfektes Spiel, bei dem jeder gewinnt und verliert. Unbedingt lesen. 

 

Michael Sterzik



  

Freitag, 26. Mai 2023

Der letzte Auftrag - Titus Müller


Das geteilte Berlin war in der Vergangenheit ein Karussell der östlichen und westlichen Geheimdienste. Inmitten des Kalten Krieges und Jahre später als Michail Gorbatschow von Perestroika und Glasnost wurde der Fall der Berliner Mauer und der Zusammenschluss beider deutscher Staaten zu einem Symbol der Freiheit. 

 

Diese Reformen veränderten die perspektivischen, idealistischen Grundsätze von Meinungs- und Pressefreiheit und sie ließen die DDR in ihren Grundfesten erschüttern. „Wir sind das Volk“ – den Parteigrößen der DDR, war es sehr wohl bewusst, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Die Nato  - Europa und die wirtschaftlichen Verbindungen mit den USA haben den Kommunismus in die Schranken verwiesen. Alle wussten sie es, alle verdrängten die Tatsache, dass man Menschen auf Dauer nicht in ein staatliches Gefängnis einsperren kann, und der Schrei nach Freiheit nicht innerhalb der Staatsgrenzen der DDR blieb. 

 

Im dritten Band der hervorragenden Trilogie von Titus Müller – Der letzte Auftrag – springt die Handlung ins Jahr 1989. Der Widerstand der DDR gewinnt deutlich an Kraft und wieder einmal spielt die ehemalige Spionin Ria Nachtmann eine Rolle. 

 

1989. Ria Nachtmann hat ihre große Liebe geheiratet und sich als Spionin zur Ruhe gesetzt. Ihre Tochter Annie verfolgt derweil einen gewagten Plan: Sie will eine Doku des DDR-Widerstands drehen und sie in den Westen schmuggeln. Als sie und ihr Freund Michael dabei versehentlich zwei Männer einer KGB-Geheimoperation filmen, gerät alles außer Kontrolle. Der in Dresden stationierte russische Agent Wladimir Putin hängt sich an ihre Fersen. Mutter und Tochter stehen bald zwischen allen Fronten und müssen erkennen, dass es um nichts weniger geht als um den Sturz der DDR-Regierung und die Zukunft Deutschlands. (Verlagsinfo)

 

Titus Müller jongliert in „Der letzte Auftrag“ mit vielen historischen Themen, dem Widerstand und den innenpolitischen Krisen in der DDR, das letzte Aufbegehren der Staatsorgane und letztlich auch, die ersten Weichenstellungen eines Wladimir Putin, der als Außenagent in Dresden schon längst verstanden hat, die Weichen für seine persönliche Zukunft zu stellen.

 

Als KGB-Agent, und als Jurist erkennt er die Möglichkeiten sein Russland neu zu gestalten und kompromisslos und konsequent entwickelt er sich zu einer Machtfigur. Sein geheimdienstliches Netzwerk erweist sich als ein „Sesam öffne Dich“. 

 

Ria Nachtmann spielt allerdings in diesem Roman nur eine Nebenrolle. Sie nutzt ihre alten Kontakte zum BND, um ihrer Tochter und ihrem Freund dabei zu helfen, den Widerstand in der DDR zu unterstützen. Dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt und Annie sich in Schwierigkeiten befindet, liegt auf der Hand. Sie ist nicht weniger impulsiv und einfallreich wie ihre im Westen lebende Mutter. 

 

Es gibt viele weniger geheimdienstliche Aktivitäten als in den beiden Bänden zuvor. Hier übernehmen die politischen und sozialen Brennpunkte die Handlung. Ein Erich Honecker, die noch immer in seiner DDR-Blase lebt und sich seinen Rücktritt stellen muss. Die Kommunalwahlen der DDR, die zweifelsfrei keinesfalls „frei“ sind, und dessen Ergebnisse schon vor der eigentlichen Wahl feststanden. Und es gibt auch Menschen innerhalb der Politik und des Staatsschutzes, die sich jetzt die elementare Frage stellen: wozu das alles noch? Müssen die Demonstrationen mit Waffengewalt beendet werden. Die Grenzen und Reisewege nach Prag wieder geschlossen werden? Es ist der Anfang vom Ende und der Beginn der Wiedervereinigung. 

 

Titus Müller romantisiert das Schicksal seiner Figuren nicht. Es gibt keine Herz-Schmerz-Story zwischen feindlichen Agenten, oder anderen Menschen. Die Emotionen zeigen sich in der Wut, der Verzweiflung, der Angst und auch der Hoffnung von Menschen, denen es bewusst wird, dass es zu einem Wendepunkt kommt. Diese Flucht nach vorne – das ist die Botschaft des Buches – der Schrei nach Freiheit. 

 

Interessant ist die Perspektive und die Erklärung der Figur Wladimir Putins. Glaubt man den Quellen, so schildert Titus Müller diesen erzählerischen Part als sehr authentisch. Doch es geht hier nicht in eine persönliche Analyse über. Der Autor zeigt nur auf, wie der Plan des Mannes aussieht, der Jahrzehnte später für einen Krieg in Osteuropa verantwortlich ist. 

 

Spannend und unterhaltsam ist die Story, wenn auch diese nicht an die beiden vorherigen Teile dieser tollen Reihe herankommen. 

Mit dieser Reihe beweist sich Titus Müller als ein sehr, sehr guter Historiker, der unserer Vergangenheit eine Stimme gibt. Ich würde mich freuen, wenn Titus Müller ggf. eine weitere Reihe schreiben würde, z.B. wie kommen die Stasi-Mitarbeiter mit ihrer Vergangenheit klar? Welche posttraumatischen Erlebnisse dürften diese haben? Gerade in dem Bewusstsein, dass sie gedroht, gefoltert und ggf. auch getötet haben? Wie machen sich solche Erlebnisse in einem Leben in „Freiheit“ bemerkbar? 

 

Fazit

 

Der Schrei nach Freiheit – aufs Papier gebracht. Ein historisches Echo, dass wir noch heute hören. Eine Grenzerfahrung, die eine Tragödie war, und deren Auswirkungen noch immer spürbar sind. 

 

Eine Reihe – die man gelesen haben sollte – wenn man sich für die Deutsch-Deutsche Geschichte interessiert. 

 

Michael Sterzik


Sonntag, 14. Mai 2023

Blutnacht - Thomas Enger/Jorn Lier Horst


Im Gefängnis existieren Regeln, und es gibt unausgesprochene, aber von allen Häftlingen akzeptierte Verhaltensregeln. Fast schon ein Kodex. Es gibt eine Hierarchie unter den Männern, die wegen vieler Arten von Gesetzesbrüchen einsitzen. Ein kleines, komplexes Universum hinter Stacheldraht, Sicherheitstüren und Mauern. Es ist nicht ungefährlich für die Insassen, auch wenn diese sich „geschützt“ in den Zellen sicher fühlen. Nichts ist sicher dort. 

 

Wird man als Polizeibeamter zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, kann das lebensgefährlich werden, wenn man alte Freunde hinter diesen Mauern wiederfindet und selbst fix begreift, dass man ja selbst die Ursache, der Grund ist. Persönliche Empfindungen kann man weder ein- noch ausschließen. 

Und wer denkt, dass hier keine Kriminalität herrscht, der denkt leider sehr naiv. 

 

Im vorliegenden 4. Band der Ramm/Blix Reihe von Thomas Enger und Jorn Lier Horst spielt ein großer Teil der Handlung im Gefängnis. Nach dem Tod seiner Tochter und der Tötung ihres Mörders hat Alexander Blix die Seiten gewechselt: Freiheit gegen Gefängnis – ein Beamter wird zu einem Gefangenen abgestempelt. Sein Leben steht kopf. Er geht in Berufung, der Ausgang einer ungewissen Zukunft.

 

Alexander Blix, Kriminalhauptkommissar, sitzt in Haft. Eingesperrt mit Dieben, Vergewaltigern und Mördern, die er selbst hinter Gitter gebracht hat, erlebt Blix das dunkelste Kapitel seiner Karriere als Polizist. Doch dann erfährt er, dass außerhalb der Gefängnismauern Lebensgefahr für einen Mithäftling besteht: Ein Killer wartet darauf, dass der Insasse in vier Tagen in die Freiheit entlassen wird – um diesen dann zu ermorden. Nun muss Blix Polizeiarbeit hinter Gittern leisten, ein hochgefährliches Unterfangen, bei dem ihn nur seine Co-Ermittlerin Emma Ramm unterstützen kann ... (Verlagsinfo) 

 

Der vierte Band ist inhaltlich der schwächste, allerdings ist die Reihe hervorragend und auch der vorliegende Titel ist stark. Erzählt wird eine tragische Geschichte, in der Blix und Ramms nicht persönlich involviert sind. Ein Unfall aus längst vergangenen Zeiten ist die Verbindung zu einer aktuellen Bedrohung. Ein deutscher Gewalttäter ist flüchtig und die Beamten vermuten ihn Norwegen. Ein Mitgefangener von Blix wird deswegen mehr wie nur unruhig. Dieser Part zwischen Blix und dem Gefangenen ist spannend und bildet mit deren Konflikten und körperlichen Auseinandersetzungen den unterhaltsamsten Teil. Beide Charaktere verändern sich: aus Feindschaft entsteht zwar keine unmittelbare Freundschaft, aber beide respektieren sich, wenn auch auf eine animalische Art und Weise. Hier gibt es starke Momente, wenn beide Charaktere rückblickend sich ein wenig in die Seele blicken lassen, das sind erzählerisch starke Momentaufnahmen. 

 

Da Blix nun wirklich „Gefangen“ ist, ermittelt er auf seine individuelle Art, aber als guter Marionettenspieler lässt er Emma viele Freiheiten und tauscht sich immer mal wieder über den neuesten Ermittlungsstand aus. Dieses entfernte Zusammenspiel ist neu – und sonderbar und nimmt der Spannung etwas die Dynamik.

 

Der Kriminalfall ist nicht sonderlich originell. Es gibt immer wieder neue Entwicklungen und ein paar Abzweigungen, aber die Anzahl der möglichen Auflösungen ist an einer Hand abzählbar. 

Emotional ist der Band allemal – hätte aber auch tiefer ausfallen können. Ebenfalls die Handlung die manchmal allzu oberflächlich wirkt. 

 

Dachte man schon, dass der dritte Band ein Scheideweg darstellt, so ist der vierte am Ende offen – es kann in jede Richtung gehen. 

 

Fazit

 

Eingefangene Handlung – die zwar spannend ist, aber manchmal nicht gut genug ausgespielt wird. 

 

Michael Sterzik