Rezensionen zu aktuellen Büchern. Vorstellungen, Interviews mit Autoren und vieles mehr.
Freitag, 16. Dezember 2022
Schneegrab - Michelle Paver
Sonntag, 11. Dezember 2022
Geisterschrein - Andreas Gößling
Gibt es eine „Liebe“, die den Tod überdauern kann, oder kann sich auch „Hass“ wie ein Fluch über die Grenzen von Raum und Zeit hinwegsetzen? Mit der Quantenphysik müssen wir umdenken, wenn wir über Materie, Dimensionen und Realitäten sprechen wollen. Es gibt ohnehin mehr unbefriedigte Fragen und noch viel mehr unglaubliche Antworten, die wir uns im Ansatz zwar theoretisch vorstellen können, aber praktisch unser jetziges Wissen noch aushebelt.
Energie – kann sie jemals verloren gehen, oder
transformiert sich diese nur zu einem anderen Zustand? Wir sind wahrscheinlich
alles andere als nur pure Materie aus Fleisch, Blut und Wasser usw. – aber das
schlussendlich zu begreifen, dazu sind wir noch nicht bereit, oder wollen es
auch nicht.
Der Bestsellerautor Andreas Gößling schreibt neben
erfolgreichen Krimis und True Crime Thriller auch Sachbücher und Artikel zum
Thema der kulturellen und mystischen Geschichte. Magie und Wissenschaft – oder
ist Magie nur etwas was im Laufe der menschlichen Entwicklung verloren gegangen
ist!?
„Geisterschrein“ ist der neueste Roman, ein Psychothriller
von Andreas Gößling und genau diese Themen bilden das Fundament der Geschichte.
Pures Entsetzen erwartet Grete Reiter, als sie frühmorgens
in der Suite eines Bangkoker Hotels erwacht: Miko, der mysteriöse Thailänder,
in den sie sich nach nur einer Nacht rettungslos verliebt hat, wird eben aus
dem 12. Stock in den Tod gestürzt. Grete flüchtet panisch zurück nach
Deutschland, ebenso aus Furcht vor dem Mörder wie davor, dass man ihr den Mord
anhängen könnte.
Wochen später mitten in Berlin. Unvermittelt steht
Grete Mikos exaktem Ebenbild gegenüber: dem Archäologen Lenny Mong, der einem
uralten Geheimnis auf der Spur ist - einem Kult, der zu unglaublichen Dingen
imstande gewesen sein könnte. Auch dazu, die Grenze zwischen Leben und Tod zu
überwinden? Entgegen aller Vernunft wächst in Grete die Überzeugung, dass Lenny
Miko ist …(Verlagsinfo)
Wer sich mit diesen Themen noch niemals befasst hat und
auch wenig mit Religion, Philosophie etc. anfangen kann, für den wird dieser
Roman allzu verstörend sein. Den Sinn und die Botschaft der vorliegenden
Handlung bleibt ihm verschlossen.
„Geisterschrein“ ist anstrengend zu lesen und das ist auch
sehr der Hauptfigur „Grete Reiter“ zu verdanken. Sie könnte glatt einen Oscar
für ihren Auftritt verlangen – in der Kategorie „Panikmache, Selbstbetrug und
psychologische Labilität – andere literarische Konkurrenten hätten hier keine
Chance.
Ihre Handlungen wirken immer recht abrupt – wilder
Aktionismus vorherrschend. Das intelligente 1x1 von Ursache und Wirkung, und
überhaupt von Auswirkungen auf überhastete Entschlüsse katapultieren sie
fortwährend in eskalative Situationen. „Exit“ ausgeschlossen. Das mag
unterhaltsam sein, doch authentisch ist es zu keinem Zeitpunkt. Die Handlung
setzt sich auch von Krise zu Krise zusammen. Ein kurzes Luftholen gibt es
nicht. Die Vermengung von Vergangenheit – Gegenwart – und Zukunft machen es
nicht einfacher, der Story zu folgen.
Psychologischer Thriller sind schwierig zu schreiben.
Andreas Gößling weiß, wovon er schreibt, wenn auch sein wissenschaftlicher und
paranormaler Ansatz eher in einem Sachbuch besser platziert gewesen wäre, wie
in einem Thriller zwischen den Welten.
Die Handlung wirkt und ist absolut verfahren – dass liegt
wie oben beschrieben an der Hauptfigur „Grete Reiter“ – die absolut unlogisch
und unglaubwürdig handelt und das über die gesamte Storyline. Ihr
erzählerischer Raum nimmt auch so viel ein, dass alle anderen Figuren förmlich eliminiert
werden.
All das nimmt der Handlung fast alles an Spannung. Alles
läuft neben der Spur – alles querfeldein, ohne wissenschaftlich vielleicht
etwas tiefer zu gehen. Die Ausgewogenheit zwischen Aberglauben und Wissenschaft
ist in einer unbeschränkten Schieflage.
Fazit
„Geisterschrein“ ist ein wilder, psychologischer Rodeo Trip
bei dem der Leser schnell abgeworfen wird. Aufsteigen empfohlen – aber
überzeugende Unterhaltung bringt er nicht rüber. Schade. Dafür lese ich dann die
lieber wissenschaftliche Artikel von dem Autor, die mich eher
ansprechen.
Michael Sterzik
Sonntag, 4. Dezember 2022
Die Besten Thriller/Krimis 2022
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und damit ist es an der Zeit rückblickend die Bücher zu betrachten, die ich in diesem Jahr am besten fand.
Die Besten Historischen Romane 2022
Es gab nicht viel historische Literatur, die mich absolut faszinieren konnte. Den Trend der Familiensagas konnte ich mich nicht anschließen.
Dienstag, 29. November 2022
Die Henkerstochter und die schwarze Madonna - Oliver Pötzsch
Seit dem ersten Band ist viel passiert. Jahre sind
vergangen und mit diesen Zeitstrahl sind inzwischen auch die Figuren dieser
historischen Kriminalreihe viel älter geworden. Die Henkerstochter Magdalena
hat zusammen mit dem ehemaligen Bader und jetzigen Arzt Simon eine Familie mit
drei Kindern gegründet. Ihr Ehemann hat in München eine eigene Praxis eröffnet,
die von den Mitbürgern ganz gut angenommen worden ist. Der alte Henker Jakob
Kuisl geht auf die 70 Jahre zu. Er ist alt geworden, sein Haar und Bart wird
grauer, und seine körperliche Stärke sowie seine bärenstarke Gesundheit wird
schwächer denn je.
Der Unterhaltungswert ist auch im aktuellen Band nicht
weniger hoch. Oliver Pötzsch konzentriert sich auf historische Ereignisse und
seine unterschiedliche Handlungsorte wirken immer einladend. Altötting und die
riesige Festung Burghausen sind die Schauplätze dieser Story. Wer die alte Burg
selbst mal besucht hat, wird sich gut an die imposante Architektur und die ganz
eigene Atmosphäre erinnern.
Wie schon in den vorherigen Bänden zuvor spielt die
bayrische Politik eine nicht unerhebliche Rolle. Kurfürst Max Emanuel und der
Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Leopold geben eine kurze Vorstellung,
wobei Max Emanuel, den man kennenlernen durfte, sich als talentierter
Politologe entpuppt.
1681: Trotz seines fortgeschrittenen Alters macht der
Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl noch einmal eine große Reise mit der
Familie, eine Wallfahrt nach Altötting. Zur gleichen Zeit sich hochrangige
Gäste im berühmten Pilgerort: Kaiser Leopold I. von Österreich und der
Bayerische Kurfürst Max Emanuel wollen im Angesicht der Schwarzen Madonna ihre
»Heilige Allianz« schmieden und sich im Kampf gegen die Türken verbünden. Doch
dann wird ein Mann ermordet, und Kuisl ahnt, dass die Allianz verhindert werden
soll. Zusammen mit seiner Tochter Magdalena und dem Rest der Familie macht er
sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Mörder. (Verlagsinfo)
Der 9. Band umfasst eine ansehnliche Anzahl von Ermittlern
– fast schon eine eigene, bayrische Sonderkommission aus Kuisl`s und
Fronwiesers. Das Gleichgewicht zwischen brachialer Muskelkraft und einer hohen
Intelligent ist somit auch hergestellt. Flankiert von viel Emotionen – allen
voran eine gewisse Naivität, dicht gefolgt von dem Talent, mit dem Kopf durch
alle Wände gehen zu wollen. Konflikte sind also vorprogrammiert, ebenso ein
altes Geheimnis, dass Jakob Kuisl seiner Tochter anvertrauen will.
Die Spannung ist wie gewohnt vorhanden, teilt sich aber auf
in viele Nebengeschichten auf. Jede Hauptfigur hat sprichwörtlich eine Aufgabe
übertragen bekommen – nein nicht vom Autor – sondern von anderen Figuren
auferlegt. Zählt man also die Familienmitglieder durch, kommt man auf eine
beträchtliche Summierung von Nebengeschichten. Die Hauptstory teilt sich somit
in vielen Einzelfragmenten auf. Spannung also vorhanden – aber etwas von einer
authentischen Realität entfernt.
An Dramatik fehlt es auch nicht – die steigert sich mit der
Anzahl der Leichen, die der Mörder hinterlässt. Doch auch Jakob Kuisl und sein
Enkel Paul tragen viel zu dabei, dass alle in Schwierigkeiten kommen. Und Simon
Fronwiesers Mundwerk ist traditionell viel lockerer, als es für ihn selbst gut
ist.
Das Motiv des mörderischen Attentäters ist etwas sehr
gewagt und allzu fantastisch vorgestellt und Rache und Neid sind sowieso nie
gute Ratgeber.
Emotional nimmt uns Oliver Pötzsch allemal mit. Allein das
Schicksal von Jakob Kuisl gibt einem das Gefühl sich ggf. bald von ihm
verabschieden zu müssen. Mit der Vergrößerung der Familie Kuisl/Fronwieser
ergeben sich erzählerisch viele Möglichkeiten. Ein Generationswechsel des
Henkers, vielleicht auch des Arztes usw. laden den Autor dazu die Reihe ggf.
noch endlos fortsetzen zu können. Genau das ist der Schwachpunkt des Romans – zu
viele involvierte Familienmitglieder, zu viele Nebenplots lassen die
eigentliche Story qualitativ etwas untergehen und damit auch ein Stück weit die
Atmosphäre. Die perspektivischen Wechsel der Erzähler sind für mich auch in
Anzahl zu viel und damit ist manchmal weniger Action und Nebenhandlung besser
für die eigentliche Geschichte.
Die ersten Romane dieser Reihe waren überschaubarer und
wirkten nicht so überladen wie der vorliegender. Leider haben damit die
Charaktere Jakob Kuisl und seine Tochter nur einen untergeordneten Fokus und
eine sekundäre Gewichtung.
Viel Historisches erfährt der Leser auch nicht – keine
Themen, die sich um den Beruf und die Tätigkeit eines Henkers beschäftigen und
selbst der Beruf eines Arztes und seine Diagnosen und Behandlungsmöglichkeiten
werden zu wenig thematisiert. Auch um die politische Lage und die Bedrohung
durch die Türken wird fast kein Wort verloren.
Als Figur hat mit sehr der Kurfürst Max Emanuel gefallen –
ein Charakter, der sehr tiefgehend dargestellt wurde und hoffentlich auch einen
Platz im 10. Band finden wird. Insgesamt allerdings wäre es vorteilhaft, den
Kreis der Hauptfiguren etwas auszudünnen.
Fazit
Ein fürstlicher, spannender historischer Roman, der es
schafft den Unterhaltungswert hochzuhalten. Band 10 kann kommen und dieser
könnte auch den Abschluss bilden. Diese historische Kriminalreihe muss man
lesen sonst hat man etwas verpasst.
Michael Sterzik
Freitag, 25. November 2022
Drei fast geniale Freunde auf dem Weg zum Ende der Welt – Jonas Jonasson
Das Leben ist doch ernst genug – gerade in dieser Zeit, in der uns so viele unheilvolle Themen wie Klimakrise, Angriffskrieg und jetzt auch noch Energieengpässe, das Leben nicht gerade einfacher machen. Weg ist unsere Komfortzone und wir werden auf einmal und für unsere Verhältnisse viel zu schnell in einen Kessel von jetzigen und zu erwartenden Katastrophen katapultiert.
Also Zeit genug um über kommende Weltuntergänge zu
philosophiere und ggf. auch mal aufatmend lachen zu dürfen. Der schwedische
Autor Jonas Jonasson verwandelt unser bisweilen gehetztes Leben mit seinem
neuesten Titel: „Drei fast geniale Freunde auf dem Weg zum Ende der Welt“ in
eine muntere und fröhliche Momentaufnahme.
Drei charmante Außenseiter, von einem kuriosen Zufall
zusammengeführt, brechen mit einem bunt angestrichenen Wohnmobil auf, um die
Welt ein bisschen gerechter zu machen. Dabei lassen sie sich weder vor
arroganten Diplomaten-Brüdern noch von einem eigenwilligen Herrscher auf einer
Insel im Indischen Ozean aufhalten. Mit Witz und Phantasie verwandeln sie ihr
Wohnmobil in ein Gourmet-Restaurant und schlagen sogar aus dem vermeintlichen
Ende der Welt noch ein bisschen Glück für sich heraus. (Verlagsinfo)
Der Aufhänger in der Story macht eine introvertierte
Weltuntergangsprophetin, die sich eigentlich nur in Ruhe aufhängen möchte, dass
sie dabei von einem Auffahrunfall gestört sie, wirkt sehr irritierend für sie.
Und so beginnt mit dem Lebensretter wider Willen eine schräge, aber starke
Freundschaft.
Und so kurz vor dem Weltuntergang hat man ja Zeit sein
Leben etwas zu reflektieren um die eine, oder unfaire Situation in der
Vergangenheit aufzuarbeiten. Es folgt eine Tour durch Europa um genau diese
kruden Lebenslinien glattzuziehen.
Die Story ist typisch für den Autor. Der Humor zeigt sich
absolut variabel, von absolut schrägen Ideen, wechseln wir zu netten
Wortspielchen und amüsanten Dialogen, die auch vor der ideologischen
Weltpolitik keinen Halt machen. Sein demokratisches Weltbild der Politik, der
Kultur usw. umschreibt er mit viel Situationskomik und mit noch mehr originell
witzigen Dialogen und Gedankengängen.
Die Charaktere und nicht die Story selbst sind
verantwortlich für dieses unterhaltsame Werk, dass ich nicht wegen des Humors
empfehlen kann. Es sind auch die philosophischen Ansätze, die augenzwinkernd
uns vor Augen führen, dass wir hin und wieder unser Leben aufräumen müssen, um
nun jetzt, oder Jahre später. Es holt uns alles ein – und die Freundschaft und
die Liebe – vielleicht ist dies das wichtigste auf der Welt.
Jonas Jonasson Stil ist unverwechselbar. Manchmal verliert
er sich in Details, dann wenig später so ausufernd, dass sich fragt wo will er
mit der Story überhaupt hin. Der Humor wird nicht alle Leser erreichen. Es
kommt darauf an, ob es für den Leser die richtige Zeit ist, einfach mal
loszulassen, sonst kann der Erzählung ggf. weniger abgewinnen. Es lohnt sich
also – vielleicht auch für den gestressten Leser später noch einmal zu dem Buch
zu greifen, wenn dieser im Leben entspannter ist.
Fazit
Ein schräger Roman, der uns auf eine unterhaltsame Reise zu
uns selbst führt. Der Sinn des Lebens und der Freundschaft aufs Papier
gebracht. Großartig und sensibel. Ein Buch für das kommende Weihnachtsfest,
wenn es auch neben der Besinnlichkeit etwas lustig zugehen darf.
Michael Sterzik
Montag, 21. November 2022
Die Toten von Natchez - Greg Iles
Der zweite Band der „Natchez-Trilogie“ knüpft unmittelbar an den blutigen und actionreichen Showdown des ersten Bandes – „Natchez Burning“. Der vorliegende Band „Die Toten von Natchez“ ist weitaus politischer erzählt, wie sein Vorgänger. Wer ermordete J.F. Kennedy in Dallas? War es Kuba, der einen Mordauftrag erteilte, oder war es die CIA selbst? Hatte die Mafia ihren Finger am Abzug des Gewehres, dessen Geschoss den Kopf des amtierenden Präsidenten förmlich hat explodieren lassen, oder hat gar der KGB einen politischen Mord ausgeführt? Auch die Theorie, dass es innere Interessengruppen der USA zuzumuten ist – könnte durchaus der Wahrheit entsprechen. Wer die Verantwortung trug, kann man bis dato nicht beweisen. Vielleicht sind die Mörder auch schon verstorben, oder selbst getötet worden und begraben damit die Wahrheit! Doch die Legende und die Frage nach dem „Warum?“ – „Wer und Weshalb“ wird uns weiterbewegen.
Die „Sünden alter Väter“ – genau darum geht es nun. Jedenfalls geht es spannend weiter und noch immer sind alle Parteien im Spiel und sind in Gefahr alles zu verlieren. Um diese Sünden gruppieren sich dann gleich viele Geheimnisse, viele Lügen und viele unausgesprochene Wahrheiten, die ganz sicher für diese hohe Dramatik stehen.
Penn Cage, der Bürgermeister von Natchez, und seine Verlobte, die Chefredakteurin Caitlin Masters, sind einem Anschlag entkommen, hinter dem die Doppeladler stecken, eine rassistische Organisation, die seit den sechziger Jahren ihr Unwesen treibt. Aber die Gefahr ist keineswegs beseitigt. Forrest Knox, ausgerechnet der Chef der State Police, ist der wahre Kopf der Doppeladler. Er will verhindern, dass Penn Beweise vorbringt, welche Morde die Doppeladler begangen haben. Doch Penn hat eine Spur, um die Toten zu finden. Sie führt in die Sümpfe des Mississippi River.(Verlagsinfo)
Greg Iles Talent, eine solch komplexe Story über 2000 Seiten hinweg spannend zu erzählen, ist grandios. Der Aufbau des zweiten Bandes ist identisch mit dem des ersten, die Rückblenden in die Vergangenheit, der Wechsel der erzählerischen Perspektiven. Die Vermengung von Fiktion und Fakten. Hier wird dem Leser eine Unterhaltung geboten, die Breitbandkino ist und man sich doch öfters fragt, wie man das filmisch, als Serie umsetzen könnte.
Inhaltlich wird es manchmal etwas zu wild, manchmal auch zu unrealistisch, wenn Tom Cage eine physische und psychische Gesundheit zeigt, die fast unmenschlich ist. Doch wer weiß, dass schon wie man ggf. selbst in solchen Extremsituationen handelt und (über)lebt.
Es gibt großartige Momente, denen man folgt. Es gibt auch einzelne Handlungen, bei denen man sich fragt: Warum stellt sich bei dem einen oder anderen Charakter die Intelligenz auf „Winke-Winke“ ein !? Unüberlegte Handlungen, die im puren Aktionismus, die Gesamtsituation noch weiter eskalieren lassen?! Ja klar, das ist spannend und der Unterhaltung förderlich, doch manchmal eine arge „Räuberpistole“. Also halten wir als kleinen Meilenstein fest – es ist und bleibt spannend in dem zweiten Band. Jetzt aber zur verwandten Dramatik. Diese ist beispiellos hervorragend, und mit einer solchen auch traurigen Atmosphäre verbunden, dass man am liebsten zum Kleiderschrank geht und zu schwarzer Kleidung greifen möchte. Wer dabei ein paar Tränen vergisst, sollte sich nicht schämen. Das Ereignis geht unter die Haut.
Betrachten wir uns die Gruppierungen – damit meine ich die Fraktion der rassistischen Doppeladler, so personifizieren und reservieren sie sich gleich einen Kreis in der Hölle. Ebenfalls ist es nicht zu verhindern, dass die „Guten“ satte graue Flecken auf ihrer ehemals weißen Westen bekommen. Da hilft dann auch keine moralische Fleckenlösung mehr – die wirst du nicht mehr los.
Der zweite Band endet zwar nicht in einem feurigen Fiasko, aber dafür greift man dann halt doch zu Schwert und Speer, wenn die persönliche Ehre und etwas Rache das sowieso angeknackste Nervenkostüm zertrümmern.
Bei allen Ereignissen schwebt der Mord an JFK über den Köpfen der Protagonisten. Schade – denn damit klärt sich noch lange nicht der Mord an der ehemaligen Geliebten und Kollegin von Tom Cage. Leider werden auch die übrigen Morde viel zu wenig thematisiert.
Letztlich bleibt allerdings zu sagen, dass der Roman „Die Toten von Natchez“ ein Pageturner ist. Aber wie schon bei Band 1 – kein Roman, den man aus den Händen legen möchte. Das empfehle ich auch nicht – denn man muss sich schon konzentrieren, um die Atmosphäre genießen zu können und die hohe Spannung.
Fazit
Greg Iles schuldet mir ein paar schlaflose Stunden. Ein Pageturner mit einer Spannung, und einer durchrüttelnden Dramatik, die alle Emotionen mehrfach auf „On“ stellt. Absolut zu empfehlen.
Michael Sterzik