Donnerstag, 22. August 2019

Kill Creek - Scott Thomas


In Literatur und im Film geistern viele verfluchte Schlösser, Spukhäuser, und verfluchte Plätze herum. Denken wir an das bekannte und berüchtigte „Amytiville“, dass in der Tat eine blutige Vergangenheit präsentiert. Nicht zuletzt hat die Netflix-Serie „Spuk in Hill House“ uns auf unterhaltsame Art das Fürchten gelernt.

Immobilien in dem das „Böse“ haust, in der etwas unsagbar tragischen passiert ist, die Seelen, oder die Dämonen keine Ruhe finden und die zeitweisen eingezogenen Bewohner terrorisieren – nichts neues, oder!? Es ist eines der klassischen Themen, denen man sich als Autor, oder Regisseur gerne bedient.   

Der amerikanische Autor Scott Thomas hat sich in seinem Debütroman: „Kill Creek“ diesem Thema gewidmet und einen klassischen Horrorroman im Heyne Verlag veröffentlicht.

Am Ende einer langen Straße mitten im ländlichen Kansas liegt einsam und verlassen das Finch House. Es ist berüchtigt, schließlich ereilte jeden seiner Bewohner einst ein grausames Schicksal. Könnte es eine bessere Kulisse geben, um die vier erfolgreichsten Horrorautoren der USA zu einem Interview zusammenzubringen und das ganze live im Internet zu streamen? Was als harmloser Publicity-Spaß beginnt, entwickelt sich schnell zum Albtraum für alle Beteiligten. Denn es kommen nicht nur die dunkelsten Geheimnisse der vier Schriftsteller ans Tageslicht, auch das Finch House selbst hütet ein dunkles Geheimnis. Aber anders als die vier Autoren möchte es dieses nicht für sich behalten. Und schon bald gibt es den ersten Todesfall ...(Verlagsinfo)

Vergessen wir nicht, dass es sich um ein Debüt bei diesem vorliegenden Roman handelt. Scott Thomas bedient sich klassischen Elementen – ein Haus mit einer blutigen, tragischen Vergangenheit, Räume die verschlossen, bzw. zugebaut sind. Nachts erwacht das Haus zum Leben und terrorisiert die vier Schriftsteller mit ihrer Vergangenheit.

Eine klassische Story und eine nahezu klassische Atmosphäre die man erwartet!? Story – Ja – Atmosphäre? Da geht noch was – einiges. „Kill Creek“ reiht sich mühelos ein in die durchschnittlichen Klassiker des Horrors. Die Story zieht sich sehr in die Länge, die Figuren sind übersichtlich eingebaut – eine charakterliche Entwicklung und Tiefe zeigt sich hier zu keinem Zeitpunkt. Die Story – kennt man und entwickelt sich genauso wie man es erwartet. Scott Thomas hat es gut gemeint – er schreibt mit viel Scharfblick fürs Detail, aber verrennt sich zu sehr in inhaltlich überflüssigen Beschreibungen, deren Stil und Ausdruck, manchmal ins Lächerliche abdriftet.

„Kill Creek“ ist und bleibt ein Debüt – und der Autor Scott Thomas hat noch eine große Entwicklung vor sich. Storytelling – Aufbau einer Atmosphäre – und der Spannungsbogen bedarf auch einer völlig neuen Interpretation und Herangehensweise.

Es ist außerordentlich schwer den „Horror“ in Worte zu fassen und eine Spannung aufzubauen und diese auch über hunderte von Seiten halten zu können. Der Gruselfaktor ist im Roman nicht gegeben – leider zu keinem Zeitpunkt. Im Film wirkt die Dunkelheit, die Ängste der Protagonisten, die Geräusche, die sensible, dramatische Musik und der Ton vieles aus. Mit einer literarischen Horrorstory, dass Kopfkino zu aktivieren ist verdammt schwer.

„Kill Creek“ hätte spannend werden können, wenn der Roman insgesamt Seiten schwächer gewesen wäre. Unnötige Längen und nur sporadische Spannungsmomente – können hier nicht überzeugen.

Fazit

„Kill Creek“ ist nur bedingt zu empfehlen. Nicht schlecht – nicht gut. Für ein Debüt trotzdem schwach. Ich empfehle den Autor, dass Genre zu wechseln. „Horror“ in der Literatur – ich denke hier ist auch die Zielgruppe inzwischen zu klein geworden.

Michael Sterzik



Mittwoch, 14. August 2019

Im Wald der Wölfe - Linus Geschke


Gab es Verbrechen in der ehemaligen DDR? Natürlich – es gab ja auch Menschen dort einerseits, andererseits ließ es die Führung nicht zu, dass Verbrechen – Morde, Vergewaltigungen, Drogendelikte in der „treuen“ Bevölkerung publik gemacht wurde. Das „Böse“ gab es nur hinter der Mauer – im kapitalistischen verseuchten Westen.

Insbesondere verfügte das Staatsministerium für Sicherheit (Stasi) über eine enorme fast „gottgleiche“ Macht, und auch das gezielt über ein systematischen denunzieren, an der Bevölkerung nicht unschuldig war. Macht korrumpiert – unabhängig von Berufsgruppen, sozialen Ständen, Politik und Wirtschaft.

Nach dem Fall der Mauer, präsentieren sich der Justiz und dem Bundeskriminalamt, sicherlich eine ganze Reihe von „Cold-Case“-Kriminalfällen. Diese ungelösten Fälle sind aller Wahrscheinlichkeit noch immer ohne abschließendes Ergebnis.

Der Kölner Autor Linus Geschke hat vor kurzem im Ullstein Verlag seinen neuesten Kriminalroman „Im Wald der Wölfe“ veröffentlicht. Es ist der vierte, und wahrscheinlich abschließende Titel der  erfolgreichen „Jan Römer Reihe“.

Mitten in der Nacht steht eine blutüberströmte Frau vor der Tür von Jan Römers Waldhütte, und schlagartig ist es mit seinem Erholungsurlaub vorbei. Die Frau, Hannah Wozniak, wirkt verängstigt, behauptet aber, nur beim Joggen gestolpert zu sein. Jan Römer lässt sich von ihr überzeugen, horcht aber auf, als sie ihm vom "Wald der Wölfe" erzählt, ein nahe gelegenes Waldstück, in dem schon früher Morde geschehen sind. Alle Opfer trugen Brandzeichen, einen Wolfskopf. Am nächsten Morgen ist Hannah verschwunden, und Jan Römer beginnt zu recherchieren. Schnell zeigt sich, dass die Morde in einem Zusammenhang stehen, der bis tief in die deutsche Vergangenheit hineinreicht. Und als Jan Römer selbst in die Schusslinie gerät, wird ihm klar, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist. (Verlagsinfo)

Linus Geschke bewegt seine Hauptfiguren auf bekannten Wegen. Jan Römer, seine Kollegin „Mütze“ und sein türkischer Freund und sportlicher Sparringspartner Arslan spielen in „Im Wald der Wölfe“ eine tragende Rolle. An seiner Seite ermitteln sie auf Augenhöhe mit dem investigativen Journalisten.

Man merkt schon nach wenigen Kapiteln, dass man sich mit den Figuren auf ein „Ende“ zubewegt. Nicht schnell – aber konsequent. Jan Römer überdenkt sein Leben, seine berufliche Orientierung als Journalist, sein Verhältnis zu seiner Kollegin Mütze. Eine emotionale Achterbahn von Verstand und Gefühl.

Der vorliegende Roman ist spannend, allerdings insgesamt der schwächste dieser Reihe. Das liegt nicht an dem schriftstellerischen Talent des Autors Linus Geschke. Wie auch seine Figur „Jan Römer“ überdenkt er sicherlich seine kommenden Literaturprojekte. Heißt es nicht, eine Tür geht zu – damit sich eine andere öffnen kann!?  Wir dürfen also gespannt sein, was uns der Kölner Jung so in naher Zukunft präsentieren mag.

Inhaltlich schwächer ist er, da man sehr wohl merkt, dass man zum „Schluss“ kommen muss. Sehr gestört haben mich an diesem Band die arg langen und vielen Rückblenden in die Vergangenheit. Dagegen ist der Sprung zurück in die Gegenwart, oder Zukunft alles andere als langweilig erzählt.

Die Basis von „Im Wald der Wölfe“ bilden Morde, die auch nach Jahren noch immer als ungelöst gelten. Nur durch Zufall wird Jan Römer involviert – aber diesmal wird die Vergangenheit zur gegenwärtigen Lebensgefahr.

Linus Geschke nimmt genau diese „Lebensgefahr“ für seinen Protagonisten um dessen Leben auf die sogenannte Goldwaage zu legen und um damit den logischen, aber kompromissbereiten Exit-Korridor zu betreten.

Die Reihe endet hochdramatisch – überschlägt sich einem actionreichen Tempo, dass emotional und spannend ist. Bei diesen Kapiteln merkt man auch sehr, dass sich der Autor Linus Geschke erzählerisch weiterentwickelt hat. Das meine ich deutlich positiv – gerade die dramatischen, actionreichen Elemente – jongliert er inzwischen ohne Netz und doppelten Boden. Absolut souverän – stilistisch einwandfrei.

Die Beziehungsebenen der drei Freunde werden durch sie selbst analysiert und auch diese finden einen „Abschluss“. Was ich sehr lobenswert bewerte ist, dass Linus Geschke den Nebenfiguren ein intensives Leben gibt, eine Vergangenheit, eine Zukunft die plausibel und interessant sind. Sie sind keine Figuren – die Jan Römer als Statisten zur Verfügung stehen. Ohne „Mütze“ und dem Boxer Arslan –wäre die Reihe nicht so erfolgreich gewesen.  

Ein Ende mit Schrecken – aber auch die Möglichkeit vielleicht in späteren Jahren, die Figuren zu reanimieren. Ein Comeback mag ich nicht ausschließen.

Fazit

„Im Wald der Wölfe“ von Linus Geschke geht es tödlich zu. Es wird eng bis zum Exit. Eine spannende Atmosphäre und um es mit dem Worten von James Bond auszudrücken „Sag niemals Nie“. Ein toller (Ab)Schluss der Reihe – Tolle Entwicklung. Let`s go.

Michael Sterzik  



Sonntag, 11. August 2019

The Fourth Monkey - Das Mädchen im Eis - von J. D. Barker


Im Genre Thriller tummeln sich ja relativ viele Serienmörder. Deren Charakter ist meistens relativ gleich beschrieben: Sie töten aus einem innerem Zwang heraus, zur Belustigung anderer, sie töten willkürlich, sie töten methodisch..usw. Meist handelt es dabei um hochintelligente Straftäter, die den polizeilichen Behörden immer mal wieder ein Schnippchen schlagen können. Also im Grunde nix neues – deren Typus kennt man also zur genüge – meint man ggf. wenn man zu einem neuen Thriller greift.

Doch inzwischen konzipieren viele Autoren ihre Bad Boys mehrdimensionaler, keine veralteten Klischees, keine psychischen oder physischen Kurzschlüsse...! Die guten alten Serienmörder verabschieden sich aus der Literatur – die nächste Generation ist allerdings noch böser, aber sie polarisieren auch vehement. Die Schere zwischen „good“ und „evil“ öffnet sich manchmal bis zur Sollbruchstelle.

Der amerikanische Autor J.D. Barker hat mit seinem Thriller „The Fourth Monkey – Geboren um zu töten“ einen großen nationalen und internationalen Erfolg. Ein wahnsinnig gut konstruierter Thriller mit ausgereiften Charakteren, einer verdammt eindrucksvollen und hochspannender Atmosphäre. Ein Jäger und Gendarm Spiel auf dem allerhöchsten Niveau.

Nun ist im deutschen Buchhandel, der zweite Band aus dieser Reihe erschienen: „The Fourth Monkey – Das Mädchen im Eis.

Seit Monaten herrschen in Chicago Minustemperaturen, als die Leiche der jungen Ella Reynolds eingefroren im See gefunden wird. Sie wurde vor drei Wochen vermisst gemeldet – der See ist seit Monaten zugefroren. Die Medien beschuldigen den berüchtigten Four Monkey Killer Anson Bishop, aber Detective Sam Porter will nicht glauben, dass er damit etwas zu tun hat. Er kennt den Serienkiller gut, denn er hat ihn geschnappt und laufen lassen, und er hat noch eine Rechnung mit ihm offen. Porter hat sich auf ein gefährliches Spiel eingelassen, währenddessen verschwindet ein Mädchen nach dem anderen …(Verlagsinfo)

Das Duell auf Augenhöhe zwischen dem Killer Anson Bishop und Detective Sam Porter geht in die zweite Runde. Der Autor J.D. Barker hat mit der Figur des „Fourth Monkey Killers“ eine multilaterale Persönlichkeit ausgeheckt. Klar – einige Klischees konnte man nicht aus dem Weg gehen: hochintelligent, psychologische Verhaltensstörungen aus der Kindheit, eigene Interpretation von Gut und Böse. Und letzteres ist genau der Mittelpunkt seiner Persönlichkeit. Die Kinder von Verbrechern foltern und töten – als Strafe gedacht und um den größtmöglichen Schmerz explodieren zu lassen?! Etwas übermotiviert und ambitioniert. Das gute alte Motto der Bibel: Auge um Auge – Zahn für Zahn – etwas ausgeufert die Methodik des „Fourth Monkey Killers“.

Konnte man im ersten Band noch verfolgen, wie sich dieser in seiner Kindheit/Jugend entwickelt hat – so ist dieser im zweiten Band weniger präsent. Unsichtbar – aber sein „böses“ Charisma verfolgt die Ermittler immer noch. Neue Morde – wieder junge Frauen, aber ist er wirklich der Mörder? Sam Porter dementiert es und steht weniger später alleine vor vielen offenen Fragen und auf der Suche nach dem Täter....

Ich habe es selten gelesen, dass sich der Autor dermaßen auf die Struktur seiner Protagonisten konzentriert hat. Genau dieses ist die übergroße Stärke dieser Reihe. Der Täter, die Opfer, die ermittelnden Polizeibeamten, die Überlebenden, die Nebenfiguren –  sind allesamt komplex und inhaltlich überragend konzipiert.

„The Fourth Monkey Killer“ übt eine faszinierende Präsenz aus. Sympathisiert man nun mit einem Killer der Verbrecher läutern möchte, oder verurteilt man ihn als „Monster“. Keine einfache Frage – keine abschließende Antwort meinerseits. Jedenfalls stellt dieser Charakter alle weiteren konsequent in die zweite Reihe.

„Das Mädchen im Eis“ ist so hochkomplex, dass man den ersten Band unbedingt vorher gelesen haben muss. Und es ist kein Buch, dass über ein schnelles Tempo verfügt. Die Storyline ist lang, aber so durchdacht, dass alles Sinn ergibt, so abwegig wie es auch im ersten Augenblick ausschauen mag.

Ein relativ großer Minuspunkt ist allerdings Detective Sam Porter. Hier wurden alle Klischees via Checkliste verarbeitet. Innerhalb der Story bewegt er sich wie eine noch nicht abgeschlossene entworfene Nebenfigur.

Ansonsten ist „Das Mädchen im Eis“ ein hochklassiger Thriller. Tolle Atmosphärische Dichte – komplexe Entwicklungen und Erwartungen, die im nächsten Augenblick ad acta sind, da die Story sich überraschend und plötzlich wendet. Was bleibt – Viele offene Kinnladen, viele „Aha“ oder „Oh mein Gott“.

Fazit

„The Fourth Monkey – Das Mädchen im Eis“ ist einer der stärksten Thriller des Jahres. Erschütternd – Erschreckend – Ernüchternd – und Hochspannend. Eine Reihe dies man gelesen haben muss – wenn man sich der Spannungsliteratur verbunden fühlt.


Michael Sterzik


Freitag, 9. August 2019

Deutsches Haus - Annette Hess


-->
Der zweite Weltkrieg ist schon lange vorbei. Generationen später zeugen noch immer Museen, Mahnmale, Bücher und Filme, historische Dokumentationen von Augenzeugenberichten für ein Schaudern. Ist die NS-Zeit die Erbsünde unserer Generation? Verfolgt man in den Medien den aufkeimenden Rechtsextremismus in Europa überkommt den meisten von uns ein seichtes Unwohlsein, noch kein wirkliches Gefühl der Angst, dafür ist unsere gelebte und geliebte Komfortzone ausgezeichnet.

Es gibt sie – die Angst vor Veränderung, die Intoleranz gegenüber andersdenkenden und fühlenden Kulturen, es gibt Vorurteile für manche „Rassen“ und es gibt einen ausgeprägten Hass den Flüchtlingen und „Gutmenschen“ entgegenbringen! Das allerdings die meisten Verbrechen – auch gerne schwerwiegende Gewaltdelikte von „deutschen“ begangen werden, ist für diese „rechts“ lebende Gesellschaft in unserem Kreis völlig undenkbar. Geradezu verleumderisch – oder die Lügenpresse versucht uns zu manipulieren und Mama Merkel ist sowie an allem Schuld.

Drehen wir das Rad der Zeit in Richtung Vergangenheit. Damals – der Wiederaufbau, die neu erbaute Bundesrepublik Deutschland in den 60er Jahren, dass Wirtschaftswunder, der „Boom“ unserer Gesellschaft vollzog sich nach Jahren des Krieges, des Elends mit Hunger und Krankheiten recht fix. Doch wie reagierten die Menschen auf die ersten Prozesse – z.B. den Frankfurter Auschwitzprozess der durch Generalstaatsanwalt Fritz Bauer durchgeführt wurde.

Die bekannte Drehbuchautorin Annette Hess thematisiert in ihrem ersten Roman: „Deutsches Haus“ dieses sensible Thema, dass ihre Protagonisten zwanzig Jahre später ein- und überholt. Ihre Hauptfigur ist eine junge Frau. Eva ist Dolmetscherin für Polnisch und wird inmitten des vorweihnachtlichen familiären Trubels gebeten, für de Staatsanwaltschaft, die Aussagen der KZ-Überlebenden zu übersetzen.

Das „Weltbild“ der jungen Frau bricht damit Stück für Stück in sich zusammen. Die Verbrechen der Nazis in Auschwitz lassen ihre moralischen und ethischen Säulen in sich zusammenbrechen. Warum hat hier keiner aufbegehrt? Warum haben wir solch ein Leid zugelassen? Was ging in diesen Menschen vor, die so unschuldig aussehend und lächelnd auf der Anklagebank sitzen!? Selbst ihr Verlobter und ihre Eltern reden ihr zu, diese Tätigkeit vor Gericht zu beenden. Die Vergangenheit soll ruhen – sagen sie ihr immer wieder.

Die Naivität dieser jungen Frau wird massiv gestört. Die Fragen, die sie an ihre Eltern stellt, verlaufen zum größtenteils in Schweigen....und Eva recherchiert selbst, welche Werte ihre Eltern früher gelebt haben und wo sie gelebt haben. Es öffnet sich ein Korridor der Angst – links und recht öffnen sich die Türen zu weiteren schrecklichen Erkenntnissen und Wahrheiten, die es ihr unmöglich machen passiv zu bleiben.

Anette Hess katapultiert den Leser mitten in die Sechzigerjahre, ohne Netz und doppelten Boden, ohne Notausgang. Die Atmosphäre des Romans ist beklemmend. Und immer gibt es ein Fingerpointing auf dass: „Vergessen wir doch die Vergangenheit“, auf das spießige Leben im warmen Wohnzimmer, auf die Fassade, die nur durch Schweigen, Verdrängung und Schuld gestützt wird.

Die Autorin hält sich ein einer düsteren und authentischen Dramaturgie. Ihr Erzählstil vermittelt den Schrecken der Überlebenden wie ein brutal geführter Schwertstreich.

Doch zeigt Annette Hess nicht nur die überwölkten Seiten, sondern zeigt auch, dass die Menschen „überlebt“ haben, in dem sie sich lieben, vertrauen, und weiter positiv nach vorne schauen.

Gibt es eine kollektive, oder individuelle Vergebung? Die Nebenfiguren, die Annette Hess hier auffährt, sind weder schuldig, noch unschuldig. Waren sie alle nur tumbe Befehlsempfänger, oder waren sie böse, weil sie die „Macht“ über Leben und Tod hatten?!
Annette Hess verurteilt nicht offensiv. Sie konfrontiert aber absolut straight den Leser mit den Schrecken und der Schuld und nicht zuletzt wird dem Leser die Verdrängung vor Augen geführt – und diese daraus entstehende Emotion ist brutal und kompromisslos nachhaltig.
Offensiv spricht sie noch die Themen „Antisemitismus“ an und der aufkeimenden Hass gegenüber den Gastarbeitern aus Südeuropa, die mit dafür Sorgen, dass wir unsere Komfortzone bekommen haben.  

„Das Deutsches Haus“ ist eine vergangene Gegenwartsliteratur. Ein nachhaltiges Nachdenken, dass wir aufbegehren sollen -  Courage zeigen wenn nötig, einstehen für ein offenes, und tolerantes Deutschland.

Auf den Buchrücken steht: „Dieser Roman kommt genau zur richtigen Zeit“ – ein Zitat der Schauspielerin Iris Berben. Dem stimme ich zu.

Fazit
Der Titel „Deutsches Haus“ ist das Echo unserer Vergangenheit. Ein Roman, der unter die Haut geht, mit dem wir uns auch noch in unserer Komfortzone zurücklehnen und schweigend und nachdenklich innehalten. Großartig und Prädikat – ein Buch das man unbedingt lesen sollte.

Michael Sterzik