Sonntag, 11. Februar 2024

Monster - Nele Neuhaus


Ein schweres Verbrechen wie ein Mord ist mit erheblichen und nachhaltigen sozialen Erschütterungen verbunden. Das Leben, das sonst vielleicht stabil gewesen wäre, wird irreparabel beschädigt, und für die Angehörigen wird ihre kleine Welt nicht mehr so sein, wie sie vorher war. Das Trauma verfolgt aber nicht nur die Angehörigen, der Tsunami einer solchen Tat reißt alles mit sich. Die Angehörigen des Täters, die Freunde des Opfers und auch die Ermittler bleiben von solch grausamen Taten nicht unberührt. 

Neben dem ersten Schock, der Verzweiflung und der tiefen Trauer, die man als Angehöriger spürt, ist es sicherlich auch die unbändige Wut auf den Täter, die man empfindet. Kann man nach einem Mord sein Gewissen erleichtern? Wo sind die Grenzen zwischen Verbrechen und Rache? Diese Genugtuung, den seelischen Schmerz zu lindern, bringt aber das Leben des Opfers nicht zurück. Wann wird der Mensch zum „Monster“, das ohne Rücksicht und Gnade weiteres Leid verursacht? 

Die 11 Bände der Reihe Bodenstein/Kirchhoff haben nur sekundär mit dem biblischen Sprichwort Auge um Auge - Zahn um Zahn zu tun, vielmehr wird es unweigerlich politisch. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Es geht auch um Leid, um den Verlust eines Menschen, um den Umgang mit der Presse und um den unvermeidlichen Fingerzeig, dass man nicht vorschnell zum Vorurteil greifen sollte.

Im Feld wird die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Die 16-Jährige Larissa wurde erdrosselt. Durch eine DNA-Analyse gerät ein abgelehnter afghanischer Asylbewerber, der erst zu einer Haftstrafe verurteilt, aber nach einer Haftbeschwerde auf freien Fuß gesetzt wurde, ins Visier der Polizei. Er kann untertauchen, bevor Pia und Bodenstein mit dem Mann sprechen können.

Auf einer Landstraße im Hintertaunus wird nachts ein Mann von einem Auto erfasst und getötet. Sein Körper ist übersät mit Bisswunden, sein Gesicht entstellt. Der Mann hatte bei einem illegalen Autorennen eine schwangere Frau getötet. Wovor ist er geflohen und wer hat ihn so zugerichtet?  

Pia und Bodenstein stoßen auf immer mehr rätselhafte Todes- und Vermisstenfälle und auf eine Parallele zum Mordfall Larissa. Ohne es zu ahnen, steuern sie auf eine Katastrophe zu. (Verlagsinfo) 

Nele Neuhaus jongliert mit vielen brisanten Themen aus vielen Ressorts. Da geht es um die politische Brisanz eines solchen Mordes, um den Druck der Presse, um die Wut der Menschen, die Migration kategorisch ablehnen, und natürlich auch um Selbstjustiz. 

Keiner dieser thematischen Bälle entgeht der Hand der sympathischen Autorin. Aber es geht nicht nur um diese Themen, die Autorin drückt auch sehr genau die Knöpfe, um uns nicht nur nachdenken zu lassen, sondern auch die Emotionen der anderen zu spüren. Der Schmerz, die Verzweiflung, aber auch das Gefühl, dass ein Team von Polizistinnen und Polizisten Opfer eines Verrats geworden ist, ist sehr spannend. Verrat in den eigenen Reihen, oder hatte man in den Jahren der Zusammenarbeit eine Person übersehen - vielleicht wollte diese Person auch strategisch übersehen werden.

Zur Vertiefung der Charaktere der Hauptfiguren wird das Privatleben der Hauptfiguren immer wieder wohldosiert eingeflochten und lockert die durchgehende Spannung gelegentlich auf. Es bleibt genug Zeit, um Luft zu holen, und die Ausflüge in die Nebenhandlungen sind alles andere als übertrieben. 

Beide Fälle sind nicht miteinander verwoben, das wäre auch zu viel des Guten gewesen. Nele Neuhaus hat die Handlung mit Spannungselementen fast überfrachtet. Es ist ein schmaler Grat zwischen einer authentischen Handlung und einer mit Spannung geladenen Räuberpistole. 

Die Handlung ist auch polarisierend. Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man sie betrachtet. Nele Neuhaus beleuchtet beide Seiten, ohne direkt Partei für eine Seite zu ergreifen. 

Die Geschichte der Figuren ist noch lange nicht zu Ende erzählt, das spürt man und so ist es auch sicher, dass ein weiterer Band folgen wird. Die Reihe ist endlich und sollte es zumindest sein - das kann ruhig noch etwas dauern. 

Fazit 

Maulwürfe sind keine Monster. Monster - das sind Menschen, deren moralischer Kompass in einem Magnetfeld gefangen ist, das von Vorurteilen, von Hass, von Wut und von einer maßlosen Traurigkeit erfüllt ist. „Monster“ ist ein sehr starker Roman, den man auf jeden Fall gelesen haben sollte. 

Michael Sterzik

Sonntag, 4. Februar 2024

Der Kriminalist - Die Logik des Todes - Tim Sullivan


Autismus - Asperger-Syndrom - Menschen mit diesen neuronalen Störungen sind nicht grundsätzlich behindert. Sie haben Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion, also auch Schwierigkeiten in der nonverbalen Kommunikation, Mimik und Gestik des Gesprächspartners einzuordnen. Das Vorurteil, dass es eine Intelligenzminderung gibt, stimmt so nicht. Es gibt Inselbegabungen: Logik, mathematisches Verständnis, Analytik usw., die für uns eher ein Grund zum Staunen als ein Grund zum Erschrecken sind. 

Andere Eigenschaften dieser Menschen sind Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, der Wille, Termine einzuhalten. Es muss also klare Regeln für sie geben. Darüber hinaus sind sie sehr pflichtbewusst und arbeiten mit großem Fleiß. 

Da sie die „Welt“ aus einer anderen Perspektive sehen, ist ihre Wahrnehmung eine ganz andere. Viele sind handwerklich begabt oder geistig sehr kreativ und bieten uns alternative und originelle Lösungen an, auf die wir selbst nicht gekommen wären. Dies bringt große Vorteile für die Bereiche Technik, Wissenschaft, nachhaltige Entwicklung, Innovation, Kunst (Fotografie, Grafik, Illustration, Schreiben), Informatik, aber auch für die Entwicklung von strategischen Projekten, Standards oder Arbeitsstrukturen.

Etwas schwieriger wird es, wenn noch einmal auf das Thema Kommunikation eingegangen wird. Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung haben keinen „sozialen“ Filter. Sie können nicht lügen oder sich bewusst verstellen. Ihre direkte Art kann zu äußerst lustigen, aber auch peinlichen Momenten führen. Sie sind auch nicht an Smalltalk oder Klatsch interessiert und erst recht nicht an eigenen Machtbestrebungen. 

Tim Sullivan ist ein erfolgreicher Drehbuchautor, Regisseur und Produzent, der an zahlreichen TV-Produktionen beteiligt war. „Der Detektiv - Die Logik des Todes“ ist der zweite Band einer Reihe um DS George Cross, der an einer milden Form von Asperger leidet und trotzdem oder gerade deswegen ein brillanter Ermittler ist. 

Detective Sergeant George Cross hat unvergleichliche Talente. Mit seiner brillanten Kombination aus Logik, Entschlossenheit und oft auch Pedanterie ist er für die Angehörigen oft die letzte Hoffnung, endlich Antworten in verzwickten Fällen zu finden. Als ein Bagger auf einer Abrissfläche eine Leiche ausgräbt, ist es an Cross, die Wahrheit aus allen Fragmenten zusammenzusetzen, die er finden kann. Bräunungsstreifen am Körper und seltsame Narben an den Unterarmen verraten die Identität des Toten: ein männlicher Amateur-Rennradfahrer, der seine Leistung mit Drogen steigerte. Nun muss Cross die Hintergründe der Tat aufdecken - und gerät dabei in eine dunkle Familiengeschichte ...(Verlagsinfo) 

Leider ist der zweite Band der Reihe bei weitem nicht so stark wie der erste Band. Die charakterlichen Eigenheiten, Talente und Inselbegabungen eines George Cross kommen hier leider weniger zur Geltung. Stattdessen verliert man sich in unzähligen Dialogen mit Zeugen und Verdächtigen, die weder spannend noch handlungsrelevant sind. 

Im Vordergrund steht die gute alte Ermittlungsarbeit. Actionszenen gibt es nicht, die erwartet man auch nicht, wenn man den Vorgänger gelesen hat. Allerdings erwartet man eine gewisse Originalität, einen Ansatz von Humor und eine gewisse Situationskomik, wenn Cross mit anderen interagiert oder in eine Diskussion einsteigt. 

Diese Figur wird ebenso wie alle anderen Figuren, die man kennt, nicht weiter ausgearbeitet. 

Erst gegen Ende, vor allem bei der abschließenden Befragung des Täters, wird der Roman stark. Doch dafür ist es fast schon zu spät. 

Fazit

Der Roman ist sehr oberflächlich - zu wenig originell und es gibt keine spannenden Elemente. Auch intelligenter Humor fehlt. Also sehr enttäuschend und leider nicht zu empfehlen. Trotzdem werde ich mir den dritten Band zu Gemüte führen, wenn er denn veröffentlicht wird. Die Figur des George Cross ist interessant - aber im Großen und Ganzen ist diese stilistische Ebene ein Schritt zurück.

 

Michael Sterzik


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Sonntag, 28. Januar 2024

Seven Days - Steve Cavanagh


Im Süden der USA gibt es noch die Todesstrafe. Obwohl von Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert, obliegt es den Bundesstaaten selbst, dieses Rechtssystem anzuwenden. Die Akzeptanz der Todesstrafe schwankt zwischen 64% und 80% in der Gesellschaft.

Es gibt durchaus Staatsanwälte, die konsequent und kompromisslos die Todesstrafe fordern. Egal, wie souverän die Pflichtverteidiger versuchen, dem entgegenzuwirken, oder ob es Verfahrensmängel aufgrund von Rassendiskriminierung gibt. Die Macht der Staatsanwälte lädt zu Spekulationen ein. Glaubt man den Statistiken, ist es gar nicht so abwegig, dass viele Unschuldige zum Tode verurteilt wurden und letztlich durch die Hand des Staates ihr Leben verloren haben.

Viele Täter haben nicht die finanziellen Mittel, sich erfahrene Anwälte zu leisten. Diese können auch medialen und politischen Druck ausüben. Die Pflichtverteidigung ist nicht hilflos, aber ggf. nicht besonders motiviert, abgesehen auch von der mangelnden Erfahrung im Umgang mit dieser Situation. Ich habe von der Rassendiskriminierung vor Gericht gesprochen - gerade im Süden der USA ist die Hautfarbe des Angeklagten immer noch ein Kriterium, das ablehnend behandelt wird. Die Geschworenen werden von der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft ausgewählt. Sie sind das entscheidende Gremium, das über Leben und Tod entscheidet.

In diesem Thriller: „Seven Days“ von Steve Cavanagh werden genau diese Themen sehr, sehr spannend umgesetzt.

Man nennt ihn den König der Todeszellen. Randal Korn hat mehr Menschen auf den elektrischen Stuhl geschickt als jeder andere Staatsanwalt in Amerika. Und er liebt es, Hinrichtungen beizuwohnen. Sein nächstes Opfer: Andy Dubois, ein junger Afroamerikaner, der wegen Mordes an einem weißen Mädchen zum Tode verurteilt werden soll. Korn hat bereits alles für einen möglichst kurzen Prozess vorbereitet. Doch er hat die Rechnung ohne Eddie Flynn gemacht. Dem New Yorker Anwalt bleiben sieben Tage, um Andy vor der korrupten Justiz zu retten und den wahren Täter zu finden. Dann soll das Urteil gesprochen werden. Wird Eddie Flynn dann noch leben? (Verlagsinfo)

„Sieben Tage“ ist nicht unbedingt ein klassischer Justizthriller. Die Spannung wird nicht nur im Gerichtssaal erzeugt, obwohl diese Szenen die Höhepunkte der komplexen Geschichte sind. Es gibt auch Actionszenen, aber die Dialoge vor Gericht und nicht zuletzt die verschiedenen Perspektiven der Figuren erzeugen eine atmosphärische Spannung, der man sich nicht entziehen kann.

Das fast Unglaubliche an der Geschichte von „Seven Days“ ist, dass sie realistisch ist. Ein Staatsanwalt, der seine Macht ausnutzt, um sein eigenes Ego zu befriedigen: Dieser Missbrauch ist gar nicht so abwegig. Aber es geht nicht nur um diesen Staatsanwalt, sondern auch um andere manipulative Bedrohungen durch andere Personen oder Interessengruppen.

Die Charaktere in diesem Thriller sind hervorragend in ihrer Gestaltung. Jeder spielt seine Rolle fantastisch. Das Team um den ehemaligen Betrüger und heutigen Rechtsanwalt Eddie Flynn vernetzt sich mit dem Staatsanwalt und dessen Stellvertreter, Polizisten, Zeugen, Opferfamilien etc. Komplex - aber überschaubar. Eine Trennung zwischen Haupt- und Nebenrollen gibt es eigentlich nicht. Es ist nicht nur die Spannung, die diesen Roman so gut macht. Es ist auch die vom Autor gekonnt eingesetzte Sensibilität, die Menschlichkeit - Verletzlichkeit und Schmerz, Hoffnungen und Ängste.

Besonders faszinierend sind die rhetorischen Wortgefechte vor Gericht. Dieser Schlagabtausch zwischen Zeugen, Verteidigung und Staatsanwalt ist filmreif, und man wünscht sich als Leser, selbst in der Reihe der Zuschauer zu sitzen und diesen Prozess zu verfolgen.

Etwas eindimensional wird dargestellt, wie die Gesellschaft in den Südstaaten der USA funktioniert. Obwohl die Südstaaten kulturell ein anderes Erbe tragen als der industrielle Norden, werden hier Vorurteile und Klischees bedient. Auch wenn diese nach wie vor vorhanden sind und wohl auch immer vorhanden sein werden, so war das für mich doch ein wenig zu einseitig.

Das Ende ist anders als erwartet. Das „Recht“ kann auf verschiedene Art und Weise durchgesetzt werden - es hängt ggf. von der Bedrohung ab, der man sich zu stellen hat. Steve Cavanagh spielt nicht nur mit verschiedenen Spannungselementen, er versteht es auch, mit allerlei Wendungen, Cliffhangern eine solche Atmosphäre aufzubauen, der man sich hingeben muss.

Fazit

Ein Anwalt und ehemaliger Trickbetrüger, der spielerisch die Karten aufdeckt, um mit viel Verstand und Gefühl der Justiz seinen Willen aufzuzwingen. So muss ein Thriller sein.

Michael Sterzik 





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Sonntag, 21. Januar 2024

Death - Das Kabinett des Dr. Leng - Douglas Preston und Lincoln Child


Mit dem vorliegenden Band Death - Das Kabinett des Dr. Leng wird die Reihe um den exzentrischen und geheimnisvollen Agenten Pendergast fortgesetzt. Die Geschichten, die dabei zum Einsatz kommen, sind von den beiden erfolgreichen Autoren bereits sehr originell umgesetzt worden. Zwischen wissenschaftlichen Themen und vielen Mythen, Legenden und paranormalen Ereignissen ist diese Reihe so interessant wie die X-Akten.

 

Nach 21 Bänden könnte es allerdings eng werden mit weiteren Grenzfällen des FBI, und noch enger wird es, wenn es darum geht, die Charaktere weiterzuentwickeln. Im Laufe der Zeit wird die Garde der Protagonisten immer größer - mal tauchen die „alten“ Weggefährten wieder auf, mal in Nebenrollen, mal wieder in Hauptrollen an der Seite von Pendergast.

 

Nach außen hin ist Constance Green eine ebenso kluge wie bildhübsche Mittzwanzigerin - doch das Mündel von Special Agent Pendergast ist 140 Jahre alt!

Jahrhunderts ermordete Pendergasts wahnsinniger Vorfahre, der Serienmörder Dr. Enoch Leng, nicht nur die Geschwister von Constance, sondern führte auch finstere Experimente an der jungen Frau durch, die sie bis heute nicht altern lassen. Als Constance nun eine Möglichkeit findet, in der Zeit zurückzureisen und Leng erneut gegenüber zu treten, ergreift sie sofort die Chance. Doch ihr waghalsiger Plan könnte sie geradewegs in eine Falle führen.

Im New York der Gegenwart muss Agent Pendergast alles daran setzen, Constance vor ihrer Vergangenheit zu retten ...(Verlagsinfo)

 

Klingt abenteuerlich, oder? Vielleicht auch ein bisschen absurd. Und fast könnte man meinen, dem Autorenteam gehen die Ideen aus. Ein Racheengel, der durch die Zeit reist. Nein - es geht zwar in die Vergangenheit, aber in ein Paralleluniversum, sodass keine neue „Realität“ entstehen kann - das wäre dann doch etwas zu abgedreht gewesen. Trotz dieser sehr ungewöhnlichen und absurden Zeitreise-Theorie ist der Roman spannend.

 

Allerdings dauert es sehr, sehr lange, bis die Geschichte wirklich interessant wird. Das letzte Drittel der Handlung ist die Rettung für den ganzen Roman. Die vielen verschiedenen Erzählperspektiven sind zwar abwechslungsreich. Aber viele Sequenzen sind überflüssig oder zäh erzählt.

 

Und die Figur des Dr. Leng ist anspruchsvoller, wenn man das Wort „originell“ verwenden will. Eine intellektuelle Figur, die Pendergast und Constance Green absolut ebenbürtig ist.

 

Wenig Verwendung finden naturwissenschaftliche Themen. „Quantenphysik“ wird zwar erwähnt, aber nicht einmal ansatzweise erklärt. Interessanter sind da schon die Geschehnisse in der „Vergangenheit“, als Zeitreisender ist es schwer, sich in die Gesellschaft einzufinden. Man muss ohnehin auf viele Details achten, wenn man sich 140 Jahre in einer Umgebung aufhält. Das eigene Wissen kann gefährlich werden und Umgangsformen und sprachlicher Ausdruck wären nur weitere Hürden, denen man begegnen würde.

 

 

Douglas Preston und Lincoln Child agieren souverän die Leser gleich für den Folgeroman zu motivieren. Trotz vieler Schwächen, wird man wissen wollen, wie es weitergeht, denn Dr. Leng liegt in Führung, aber das Team um Pendergast hat eine sehr persönliche Geheimwaffe, die das absurde einmal mehr in den Schatten stellt.

 

Fazit

 

Spannende Zeitreise – zwischen Akte X und zurück in die Zukunft. Letztlich überholt sich die Reihe allerdings selbst und erreicht nicht die Qualität der ersten Bände.

 

Michael Sterzik



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Samstag, 30. Dezember 2023

Ein Fluss so rot und schwarz - Anthony Ryan


Die Literatur mit postapokalyptischen Titeln nimmt stetig zu. Es gibt Endzeitromane in denen ein Atomkrieg, die zivilisierte Welt wie wir sie kennen ist vernichtet, die Überlebenden kämpfen sich auf der Suche nach Rohstoffen, Nahrung und Zuflucht durch eine verbrannte Welt. Das wäre eine Variante, eine andere erzählt ggf. von einer Pandemie und präsentiert uns eine Welt, in der „Zombies“ die wenigen Überlebenden als Nahrung betrachten. Der Grundtenor ist also immer ähnlich. Und ebenfalls in der Beschreibung von Hoffnungslosigkeit, Brutalität und Verzweiflung und viel Action gibt es viele Gemeinsamkeiten.

 

Getragen werden diese Storys von sehr individuellen Charakteren; meistens sind es einfache Menschen, die in diesen Extremsituationen über sich selbst wachsen, es quasi müssen. Die Spannung entsteht also nicht nur über beschriebene actionreiche Szenen, sondern maßgeblich über die Entwicklung und das Schicksal der Protagonisten. Viele überleben es am Ende nicht, auch das ist Teil einer spannenden Dramaturgie.

 

Anthony Ryan thematisiert einen Endzeitthriller in seinem neuesten Roman: „Ein Fluss so rot und schwarz“.

 

Sechs Menschen erwachen auf einem Schiff. Ohne jede Erinnerung. Der siebte ist tot. Was ist passiert? Warum nimmt das Schiff Kurs auf ein postapokalyptisches London? Und von welchem Grauen künden die Schreie im dichten Nebel? Eine Mission auf Leben und Tod beginnt, der sich niemand entziehen kann.
Als Huxley zu sich kommt, weiß er nichts mehr. Nicht mal seinen Namen. »Huxley« ist ihm auf den Unterarm tätowiert. Offenbar befindet er sich an Bord eines fremdgesteuerten Militärschiffs auf der Themse. Und er ist nicht allein. Da gibt es noch fünf weitere Überlebende. Den sechsten findet er tot auf, Selbstmord. Sie alle sind nicht zufällig hier: Zusammen sind sie Polizist, Soldat, Ärztin, Physikerin, Historiker und Polarforscherin. Über ein Satellitentelefon erhalten sie von einer mysteriösen Stimme Anweisungen. Unaufhaltsam steuern sie in ein zerstörtes und ausgestorbenes London hinein. Doch schließlich stellen sich ihnen nicht mehr nur Schiffswracks und Brückenruinen in den Weg. Immer lauter werden die Schreie in der Ferne. Im dichter werdenden Nebel lauert ein Grauen außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Mit jeder Seemeile wird deutlicher, dass ihre Reise ins Unbekannte ein schreckliches Geheimnis birgt. (Verlagsinfo)

 

Stark beschrieben hat der Autor die Ausgangslage, in der sich die Protagonisten befinden. Eine kleine Bühne, ein Schiff, das automatisch gesteuert wird, sechs Menschen, die mitunter unterschiedliche Talente und Instinkte besitzen, sich aber an nichts aus ihrer Vergangenheit erinnern können. Allerdings trägt jeder eine Reihe von frischen Operationsnarben, die sich nicht erklären lassen.

 

Die Atmosphäre des Romans ist konsequent düster gehalten. Nicht nur das beschriebene London, sondern auch die Angst, die Verzweiflung dieser Personen, die nach und nach verstehen, dass sie ein Rettungskommando sind. Fragt sich nur, für wen, oder wofür.

 

Die Story legt ein gutes Tempo vor und ist sehr kurzweilig, aber dennoch spannend. Wie in vielen verwandten dystopischen Geschichten, geht es auch sehr brutal und blutig vor. Anthony Ryan hat originelle Ideen, aber auch dieses Genre besitzt immer eine ähnliche Rezeptur und somit verwundert es den Leser auch nicht, dass er sich phasenweise an die Story von „the last of us“ erinnert, jedenfalls was die Grundidee ist.

 

Es ist auch ein kleiner Horrortrip – eine Entwicklung der Charaktere sieht man nicht, dafür ist der Seitenumfang des Buches auch viel zu gering. Originelle Ideen hat er allerdings verwendet und dadurch ist der Titel auch gut zu empfehlen.

 

Der Showdown wirkt dann zwar in sich schlüssig, dennoch aber nicht zufriedenstellend. Am Ende ist eine kleine Kurzgeschichte, mit wenig Hintergrund, und noch weniger Antworten auf viele Fragen die beim Lesen aufkommen.

 

Fazit

 

Spannende Horrorstory mit viel originellen Ideen. Man hätte viel mehr daraus machen können. Aber vielleicht und das würde ich mir hoffen, schreibt Anthony Ryan weiter an dem Grundplot dieses guten Romans.

 

Michael Sterzik

Freitag, 22. Dezember 2023

Der Eindringling - Jeffery Deaver


"My Home is my Castle“ – die Wohnung, das Haus – es verspricht Privatsphäre, Sicherheit und es ist ein Rückzugsort, an dem man sich fallen lassen kann. Aber was passiert, wenn es zu einem Einbruch kommt, und die „Burg“ von einem Fremden erobert wird? Diese Unantastbarkeit, die man womöglich empfunden hat, ist auf einmal nicht mehr da. Der Gedanke, dass man nicht mehr sicher ist, jederzeit diese Welt, die man für sich aufgebaut hat, radikal Risse bekommt, wird einen nicht mehr loslassen.

 

Der amerikanische Autor Jeffery Deaver beschreibt ein derartiges Szenario in seinem neuen Titel: „Der Eindringling“ aus der Lincoln-Rhyme-Reihe. Diese Reihe um den behinderten, aber sehr intelligenten Kriminalisten, einen Forensiker, hat viele Ähnlichkeiten mit der Figur des „Sherlock Holmes“. Mit einem intensiven Blick auf noch so kleine Spuren, mikroskopischen Details an Tatorten, ist sein Arbeitsplatz, das hauseigene Labor, in der mithilfe seiner Ehefrau und Ermittlungspartnerin Amelia Sachs der Fall letztlich gelöst wird.

 

Einordnen kann man diese Reihe im Genre psychologischer Thriller.

 

Er kommt nachts in dein Haus. Er beobachtet dich, während du schläfst. Er trinkt deinen Wein. Er stiehlt wertlose Dinge. Er verbringt Zeit bei dir. Keine Tür kann ihn draußen halten. Keine Überwachungskamera kann ihn aufzeichnen. Und nun ist er auch noch bereit zu töten. Niemand in New York ist mehr sicher. Jetzt liegt es an Lincoln Rhyme, das Netz an Hinweisen zu entwirren und ihn aufzuhalten. Doch Rhyme wurde suspendiert, gegen ihn wird wegen vermeintlich gefälschter Beweise in einem anderen Fall ermittelt. Und während die Stimmung in der Stadt immer heftiger zu brodeln beginnt, bleibt nicht mehr viel Zeit, um den mörderischen Einbrecher aufzuhalten …(Verlagsinfo)

 

„Der Eindringling“ ist ein starker Roman aus dieser Reihe. Wir begegnen natürlich viele Figuren, aus den vorherigen Titeln, also eine Art von Verwandtschaftsbesuch, oder alten Freunden, die zu Besuch kommen. Doch auch eine neue Figur, wird vorgestellt und diese denke ich wird, man in darauffolgenden Titeln wiederfinden.

 

Jeffery Deaver baut in dem vorliegenden Titel viele Handlungsstränge, die parallel verlaufen und geschickt jongliert er diese BigPoints um sie am Ende zusammenzufügen. Viele Wendungen und Überraschungen verstecken sich und so gelingt es Deaver der Spannung eine hervorragende Tiefe zu geben.

 

Besonders gut gefallen hat mir, dass die Figur des „Schlossers“ der sich selbst präsentiert, uns aus dessen Perspektive seine Vergangenheit und seine Gegenwart schildert. Daneben gibt es noch andere Erzählungsebenen, die insgesamt ein gutes Gesamtbild abgeben.

 

Doch es gibt auch satte Actionelemente, die ebenfalls genauso spannend sind, wie die Ermittlungsmethodik von Lincoln Rhyme. Und diese Hauptfigur empfinde ich als den eigentlichen Schwachpunkt der Handlung. Im Laufe Romanreihe entwickelt sich seine Figur natürlich, aber gefesselt an einen Rollstuhl instrumentalisiert sich sein gesundheitlicher Fortschritt – er wird nie wieder laufen können, doch eine Linderung seiner Beschwerden wird immer wieder thematisiert. Sein überaus wacher, hochintelligenter Verstand scheint allerdings keine Grenzen zu setzen. Manchmal ist seine Figur zu gradlinig, zu eindimensional – auch in diesem Roman wirkt er zu jeder Zeit als intellektuell überlegen. Seine Schwäche, seine Gefühle, vielleicht seine Unsicherheiten und seine Fehler – diese sucht man hier verzweifelt und findet sie am Ende auch nicht.

 

Jeffery Deaver thematisiert ebenfalls die „Macht, oder die Ohnmacht“ der Presse, und zeigt auf, dass Presse manipulativ wirken kann, und dass es am Ende zu Toten kommen kann.

 

Fazit

 

Ein interessanter Täter, den man vielleicht und hoffentlich wiedersieht. Spannende Handlung die insgesamt unterhaltsam ist – man aber am Ende doch Spuren von Originalität vermisst.

 

Michael Sterzik



Freitag, 15. Dezember 2023

Dunkelhaus - Jan-Erik Fjell


Die Vergangenheit holt einen immer wieder ein – alte Sünden, alte Freunde und vielleicht ist auch etwas dran, wenn man sagt: „Man sieht sich immer zweimal im Leben“?! Ebenso stimmt es wohl, dass die Wahrheit immer ans Licht kommt, früher oder später ist es so weit, und meistens hatte diese die Wucht eines Tsunamis.

 

Der vorliegende Band: „Dunkelhaus“ ist der zweite Band derAnton-Brekke-Reihe und steht seinem Vorgänger „Nachtjagd“ in der Spannung nichts nach. Jan-Erik Fjell ist hier ein noch recht unbekannter Autor, aber dieser ist schon jetzt ein skandinavischer Geheimtipp. In Norwegen wurde diese Reihe mehrfach ausgezeichnet und inzwischen gibt es eine zehnbändige Reihe. Ich hoffe, dass diese nach und nach den Weg in die deutschen Buchläden findet.

 

Einst wurde eine Hütte in den norwegischen Wäldern zum Schauplatz eines bestialischen Mordes. Jetzt fordert ihr dunkles Geheimnis neue Opfer ...
In Oslo steckt Kommissar Anton Brekke mitten in einer Mordermittlung, als ihn eine schreckliche Nachricht ereilt. Sein ehemaliger Mentor und Kollege Harald Uteng ist von seinem Hausboot gestürzt und ertrunken. Scheinbar ein tragischer Unfall. Doch Anton geht der Sache nach. Denn sein Freund wirkte vor seinem Tod an einem Podcast über einen schockierenden alten Fall mit, der ihn nie losließ und an dem auch Anton als junger Polizist beteiligt war: der Mord an einem 17-jährigen Mädchen, dessen blutüberströmte Leiche man in einer verlassenen Hütte im Wald fand. Hatte Uteng eine neue Spur entdeckt und musste deshalb sterben? Auf der Suche nach der Wahrheit steht Anton schon bald vor einem dunklen Abgrund …(Verlagsinfo)

 

„Dunkelhaus“ ist aufwendig konstruiert und der Soundtrack des Buches mehr wie komplex. Ein ganzes Orchester voller Überraschungen und Wendungen, die zwar die ganze Handlung verdunkeln können, und vielleicht entsteht auch dadurch eine so eindrucksvolle Atmosphäre. Jan-Erik Fjell zeigt hier sein ganzes Talent, wenn es darum geht sehr fix einen Spannungsbogen auszuarbeiten und dabei diesen über die gesamte Seitenzahl konstant hochzuhalten. In Rückblicken begegnen wir einem jungen Anton Breeke, der noch lange nicht die Karriereleiter hochgestiegen ist und in einem Mordfall involviert ist, der ihn ein ganzes Leben begegnen wird. Dabei lernt er auch seinen Freund und Mentor kennen, der noch nach seiner Pensionierung zu diesem Fall offene Fragen und ein schlechtes Gefühl hat.

 

In Rückblenden begegnen wir also einigen Personen, die auch schon in der Vergangenheit eine wesentliche Rolle getragen hatten. Eine überschaubare Personengruppe, die viele, viele Überraschungen parat hält. Als Leser kann man durchaus parallel seine Schlüsse ziehen, doch auch diese wird man mehr wie einmal revidieren dürfen. Die Protagonisten sind auch nicht stereotypisch in Szene gesetzt, sondern sind auch wie die Handlung wandelbar.

 

Anton Breeke nimmt zwar einen großen Teil der Bühne ein, doch wie schon ersten Band hat der alte „Wolf“ einen jungen Welpen an seiner Seite, der genauso stark konzipiert ist. Es ist auch ein kleiner Generationskonflikt – von 20 Jahren, die die beiden trennen. Und wenn Anton Breeke das Gesetz etwas frei interpretiert, so ist der jüngere Kommissar Magnus Torp sein „gutes“ Gewissen und versucht es zumindest dem „Einzelgänger“ eine legale Richtung aufzuzeigen. Dieses Lehrer/Schüler-Duo ergänzt sich hervorragend.

Die Handlung, so vielfältig sie auch ist, am Ende ist sie bittersüß. Sie mindert keinesfalls die Spannung, oder ist unrealistisch – aber sie polarisiert.

 

„Dunkelhaus“ präsentiert uns eine garantierte Mörderjagd, in der vieles ganz anders ist, und hier offenbart sich, dass die Wahrheit und die Lüge zahlreiche Opfer fordert, diese müssen nicht sterben – aber selbst als Familienangehöriger, oder auch selbst als Ermittler – sie fordert ihren Tribut.

 

Fazit

 

„Dunkelhaus“ ist ein heller Geheimtipp in diesem Genre. Nachhaltige Spannung, tolle sympathische Figuren, ohne typische Altlasten. Und so viele Überraschungen wie ein Weihnachtskalender und hinter jedem Türchen eine neue Überraschung. 

 

Einer der stärksten Kriminalreihen in diesem Jahr und von Jan-Erk Fjell möchte ich gerne noch viel mehr lesen.

 

Michael Sterzik