Sonntag, 16. August 2020

Doppelte Spur - Ilija Trojanow

Wer die internationalen Nachrichten verfolgt, kann beobachten wie schmutzig die Politik doch sein kann! Aber war diese denn jemals transparent, war sie jemals ehrlich – zu der eigenen Bevölkerung, zu andern Staaten, zum eigenen Kabinett? Nein – Politik korrumpiert, manipuliert, steuert, lügt, verharmlost
  usw. alle Facetten der Menschen präsentieren sich in diesem Machtgefüge. Eine elitäre Gesellschaft – die manchmal viel zu individuell agiert – als Person bezogen, nicht als Gemeinschaft, die das Wohl anderer als Ziel gesetzt hat.

Ja, sie denken richtig. Politik kann durchaus verbrecherisch sein. Strukturelle politische Themen, die sich in der Wirtschaft und dem organisierten Verbrechen manifestieren? Ja gibt es – Verbrecher, die ggf. durch den Einfluss von Politikern eine besondere Behandlung erhalten, oder sogar werden die Ermittlungen ausgesetzt?! Ja auch das gab und gibt es aktuell. All diese Themen bedient sich der Autor Ilija Trojanow der seine Interpretation von Fakten in dem vorliegenden Buch: „Doppelte Spur“ fiktiv verarbeitet hat.

In den Buch: „Doppelte Spur“ wird nicht mit Wahrheiten gearbeitet, es sind wahrscheinliche Wahrheiten und selbst diese würden bei einem Lügendetektortest völlig aus der Skala fliegen. Die Idee, dass ein Journalist sensible, vertrauliche Daten von einem Informanten  aus Amerika und einem aus Russland bekommt – zwei Leaks also, und die Wahrheit noch immer sucht, klingt interessant und originell.

Der investigative Journalist Ilija wird innerhalb weniger Minuten von zwei Whistleblowern des amerikanischen und des russischen Geheimdienstes kontaktiert. Ein großer Coup? Eine Falle? Er lässt sich auf das Spiel ein, zusammen mit Boris, einem amerikanischen Kollegen, folgt er der doppelten Spur nach Hongkong, Wien, New York und Moskau.
Die geleakten Dokumente eröffnen einen Abgrund von Korruption und Betrug, von üblen Verstrickungen krimineller Oligarchen und Mafiosi. Auch die Staatspräsidenten Russlands und Amerikas sind involviert. Was darf man glauben? Mit welcher Absicht werden Lügen verbreitet? Sind die beiden Reporter nur ein Spielball der Geheimdienste? (Verlagsinfo)

Der Autor Ilija Trojanow hat seinen Roman absolut überfrachtet. Natürlich gibt es offensichtliche Anspielungen zu aktuellen Themen und Personen und spiegelt damit ein erschreckendes Bild unserer heutigen Welt. Eindringlich geht er darauf ein, dass man schwerlich auseinanderhalten kann  - was nun Wahrheit, oder Lüge ist – alles ein Fake, ein Versuch zu manipulieren, oder eine originelle Legendenbildung?

Ilija Trojanows eigene Meinung bildet sich auch zwischen den Zeilen ab. Er möchte aufrütteln, auf diese Themen hinweisen – das Problem ist nur – die Geschichte ist so unspektakulär und wenig spannend erzählt, dass der Titel „Doppelte Spur“ nicht funktioniert.

Michael Sterzik

Freitag, 14. August 2020

The Expanse - Babylons Asche

„The Expanse“ gehört mit Sicherheit zu den besten Science Fiction Serien, die es gibt. Die Reihe hat soviel Potenzial um es ggf. endlos zu gestalten – was aber nicht zu empfehlen ist.

Babylons Asche – ist der sechste Band der Serie und inhaltlich leider auch der schwächste. Mit der Story geht es nahtlos weiter. Erde und Mars sind nicht völlig dem fürchterlichen Terroranschlag zum Opfer gefallen – es gab Milliarden Tote, die Kontinente sind verwüstet. Der Fallout wird noch zu weiteren Millionen von Opfern führen. Die militante Splittergruppe stößt allerdings auch in ihren eigenen Reihen nicht vollumfänglich auf Verständnis. Der Feind meines Feindes ist mein Freund – also Ärger an allen Ecken des Sonnensystems.

Die interstellaren Portale, gefeiert als Tore in eine neue Zukunft der Menschheit, erweisen sich als tödliche Falle. Kaum haben die Erde, der Mars und die anderen Planeten den Angriff des Alien-Protomoleküls einigermaßen überwunden, tritt es erneut in Aktion und lässt ein Schiff nach dem anderen im Inneren der Portale verschwinden. James Holden und seine Crew stehen kurz vor der Lösung des Rätsels, doch da zeigt sich die wahre Absicht des Gegners – und die Menschheit findet sich plötzlich als Spielball in einem Krieg zwischen galaktischen Mächten wieder …(Verlagsinfo)

Der Klappentext gibt allerdings einen Inhalt wieder, der nicht die eigentliche Handlung spiegelt. Leider spielen die entstandenen Tore und die Alien-Technologie eine absolut untergeordnete Stelle. Das ist leider auch der größte und einzige Schwachpunkt. Der innere Kampf um den Frieden im System ist wenig interessant und spannend beschrieben. Erhebliche Längen, übertriebene Dialoge, eine relativ unattraktive Atmosphäre, die auch die Figuren nicht retten können.

Die Story ist somit geparkt worden. Man findet auch keinen Fortschritt – keine Entwicklung bei den Charakteren wieder. Auch hier herrscht Sillstand.

Das deklassiert aber auch überhaupt und insgesamt die Reihe nicht. Nach diesem Ausflug auf eine „Parkbank“ wird die Rosinante und ihre Crew die Reise wieder aufnehmen. Es gilt Trümmer wegzuräumen – es gilt den Menschen auf Erde und Mars wieder Hoffnung zu geben und die Tore zu anderen Systemen könnten zu einer neuen Erde führen, oder zu dem Untergang der Menschen. Aliens – ja es gibt sie – aber momentan spielen sie auf dieser Party noch keine Rolle.

Es gibt noch unzählige Fragen, die auf eine Beantwortung warten – also wird man, wie ich auch mit Freuden zu Band 7 und 8 greifen.

Michael Sterzik

Montag, 3. August 2020

Der Aufstand von Treblinka - Michał Wójciks

Der Holocaust bleibt unvergessen – die systematische Vernichtung Millionen von Menschen. Eine Maschinerie des Todes – in der, der Tod dem Überleben in einem Vernichtungslager eine Erlösung war. Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, die von den schrecklichen Ereignissen erzählen können, von Mord, Folter, Menschenversuchen, Qual – nach und nach verstummen diese Stimmen, die weder vergessen, noch vergeben haben. Wir wissen, was diese Menschen in den Konzentrationslagern des Nazi-Regims erdulden mussten, aber wissen wir auch etwas davon, dass es Widerstände gab – Aufstände!? Der Aufstand im Warschauer Ghetto war eines dieser Ereignisse, in der Menschen sich auflehnten und mit Waffen versuchten der Tyrannei und der Vernichtung zu widersetzten. Der Aufstand wurde niedergeschlagen -  die Menschen, die ihr eigenes Schicksal in die Hand nahmen, sind Symbole und Botschaften, dass neben dem Willen zu überleben auch dazu aufgerufen wird, sich zu widersetzen, sich aufzulehnen gegen Verbrecher, gegen Unmenschlichkeit, gegen willkürliches Morden. Es waren so mutige Menschen. Doch sie waren nicht die einzigen. Der renommierte, polnische Journalist und Historiker Michał Wójcik  hat den Aufstand im Vernichtungslager Treblinka in seinem veröffentlichten Buch – „Der Aufstand von Treblinka“ thematisiert.

Am 02. August 1943 kam es im Vernichtungslager Treblinka zu einem unglaublichen und heute fast vergessenen Ereignis: Etwa 700 überwiegend jüdische Häftlinge nahmen an einem bewaffneten Aufstand teil. 300 von ihnen entkamen den Grauen des Lagers, etwa 85 überlebten den 2. Weltkrieg.

Der renommierte polnische Historiker und Journalist Michał Wójcik erzählt in seinem Buch die Geschichte eines Ausbruchs aus dem brutalen Alltag des Lagers, in dem innerhalb eines Jahres über eine Millionen Menschen getötet wurden. Gestützt durch zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen und Archivrecherchen malt er das Bild einer hoffnungslosen Situation, in der einige mutige Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen. (Verlagsinfo piper)

Es ist harter Tobak den der polnische Autor hier verarbeitet. Es geht an die Substanz, wenn der Autor vom täglichen Morden erzählt, von einer willkürlichen und bestialischen Grausamkeit, die den Schrecken mit einer atmosphärischen Erkenntnis transportiert und so eindringlich ist, dass man manchmal innehalten muss. Die Nachhaltigkeit dieses historischen Echos ist unsterblich.

Beim Lesen stellt man sich dennoch die Frage, warum kam es nur zur so wenigen Aufständen und warum wurde von Seiten der Alliierten – die von der Existenz dieser Vernichtungslager wussten, nicht aktiv eingegriffen wurden!? Das sind allerdings auch zwei Fragen, die das vorliegende Buch nicht abschließend beantworten kann.

Jeder Aufstand – egal ob nun in Auschwitz, Sobibór, oder in Treblinka – auch wenn diese scheiterten, waren es Symbole des Überlebens – aber auch um anderen Menschen zu offenbaren, welcher Schrecken in den KZ herrschten. Die Häftlinge wollten um jeden Preis überleben, um ein Zeitzeugnis zu sein. Eine Botschaft und eine Mahnung für die Nachwelt.

Michał Wójciks perspektivische Sicht auf diese Ereignisse ist grandios. Er verurteilt – oder beurteilt nicht. Er erzählt von Fakten – nicht willkürliche heroische fiktive Ereignisse – die vielleicht stattgefunden haben.  Er führt uns aber auch das moralische Dilemma des Holocaust vor Augen. Warum hat niemals von Außerhalb des Todestreifens – der Minen, Stacheldrähte und Wachtürme etwas gegen den Genozid aktiv getan? Haben womöglich niemand außer die Juden selbst für die Juden gekämpft?

Immerhin berichtet der Autor neben den Vorbereitungen für den bewaffneten Aufstand, der Durchführung auch von der Flucht durch die polnischen Wälder. Es gab tatsächlich helfen, die den Flüchtigen mit Essen versorgten, oder sie unterbrachten. Es gab aber auch Verräter, und Menschen die Hilfe verweigerten – vielleicht aus Angst vor den Besatzern – vielleicht aus Überzeugung…! Etwa 50 Häftlinge, denen die Flucht gelang, überlebten.

Der Autor spricht in den letzten Kapiteln auch von der Rolle Polens im Holocaust. Retter, und – oder Kollaborateure. Eine extreme Polarisierung dieser beiden Extrem. Helden oder Verbrecher selbst – eine Grauzone, die nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Fakt ist – Es gab keine aktive polnische Hilfe der „Armee“, oder des polnischen Widerstands.

Der Leser wird sich vielen Fragen stellen müssen, die er zweifelsfrei sich immer wieder selbst stellen wird. Wie konnte man derartiges Leid ertragen? Warum hat niemand von außerhalb geholfen? Was trieb die niederen Instinkte der Soldaten/Mörder an? Es gibt darauf kaum grundlegende und abschießende Antworten. Was übrig bleibt ist ein schreckliches Zeugnis – aber auch eine Botschaft ein Zeichen und Symbol des Widerstands. Darüber lohnt es sich einmal tiefer nachzudenken und das ermöglicht der Autor des Buches: „Der Aufstand von Treblinka“ -  Michał Wójcik.

Fazit

„Der Aufstand von Treblinka“ von Michał Wójcik geht unter die Haut. Ein nachhaltiges Echo der Vergangenheit, das berührt. Ein wichtiges Zeitzeugnis, dass immer noch zeitlos den Schrecken, aber auch Hoffnung transportiert.

Michael Sterzik


Mittwoch, 29. Juli 2020

The Fourth Monkey- Das Haus der bösen Kinder - J.D. Barker


Der vorliegende Thriller: „Das Haus der bösen Kinder – The Fourth Monkey“ von J.D. Barker ist der letzte Band einer dreiteiligen Reihe. Vorab sei schnell zu sagen – es macht keinen Sinn bei Teil 2, oder Teil 3 einzusteigen. Die Charaktere und Beziehungsebenen sind dermaßen kooperativ kombiniert, dass es fast schon Labyrinthisch wirkt. Ein komplexes Zusammenspiel von Gut und Böse ist noch untertrieben – und wer agiert und reagiert auch das ist dämmerig. Rache – Schuld - Sühne sind so arg verschweißt, dass man diese drei Elemente gar nicht auseinander dividieren kann. Keine Möglichkeit.

J.D.Barker lässt seinen „Fourth Monkey Killer“ nicht willkürlich morden. Bei diesem Killer schalten sich nicht alle Sicherungen aus. Eine organisierte Planung – eine fast biblisch orientierte Rache – lassen ihn zu einem Todesengel werden. Ein Marionettenspieler, der sein mörderisches Handwerk versteht. Seine hinterlassenen Botschaften auf den platzierten Toten sind grausam in Szene gesetzt – doch auch hier steckt ein tieferer Sinn hinter. Es ist keine Eleganz des Mordens – kein künstlerischer Akt – glauben Sie das wirklich? Sie werden sich täuschen.

Auch im letzten Band dieser großartigen Reihe lässt der Autor die Story aus ganz verschiedenen Perspektiven erzählen und selbst der „Fourth Monkey“ kommt dazu sich in alten Tagebucheinträgen zu offenbaren. Ja genau – zu Offenbaren – denn diese sind der Schlüssel zu seiner traurigen-dramatischen Vergangenheit.

Selten habe ich einen Thriller gelesen, in der, der Autor es schafft größtmögliche Verwirrung zu stiften. Man findet sich in keinem Spannungstau wieder, oder in einer Geschwindigkeitsbegrenzung – aber man wird das Gefühl nicht los – dass man sich ständig verfährt und dabei noch ständig geblitzt wird – möglichst mit einem Gesichtsausdruck zwischen einem Aha oder einen Oh….oder einen Jetzt-habe-ich-es-verstanden… und Das-kann-doch-nicht-sein – oder-doch!?

Diese Trilogie ist mit einer der originellsten, die ich jemals gelesen habe. Überraschend – sehr intelligent erzählt – methodisch interessant. Und zu guter Letzt bleibt es dem Leser selbst überlassen ein Urteil zu fällen. Perspektivische Selbstjustiz ist halt eine Klasse für sich und hat seine eigenen Gesetze.

Eine Obdachlose findet auf dem Friedhof von Chicago die Leiche einer Frau, deren Augen, Zunge und Ohren entfernt und in kleine weiße Schachteln verpackt wurden. Neben der Toten liegt ein Schild mit der Aufschrift »Vater, vergib mir«. Kurz darauf tauchen weitere, ähnlich zugerichtete Opfer auf. Für die Polizei von Chicago und das FBI ist klar, dass die Morde die Handschrift des immer noch flüchtigen Four Monkey Killers Anson Bishop tragen. Doch Detective Sam Porter glaubt nicht daran – die Tatorte liegen zu weit entfernt voneinander, als dass nur ein Täter infrage kommen könnte. Zudem stimmt auch etwas mit der Haut der Leichen nicht. Als sich Bishop aus heiterem Himmel stellt und beteuert, keines der Verbrechen begangen zu haben, die ihm zur Last gelegt werden, fällt der Verdacht auf Sam Porter selbst – denn er hat kein Alibi, dafür aber ein verheerendes Geheimnis …(Verlagsinfo)

Die eine Eigenschaft dieser Trilogie ist die sagenhafte Spannung – die andere ist der plötzliche Überraschungsmoment.

Gelungen ist auch die konzeptionelle Figurenzeichnung, obwohl diese außer bei Anson Bishop und Familie faktisch untergeordnet ist. Der Schwachpunkt der gesamten Reihe ist allerdings, dass man viel zu wenig von den Protagonisten erfährt. Deren Vergangenheit bleibt schlichtweg ungeklärt. Das wertet die Reihe nicht unbedingt herab, aber ist es dennoch mehr wie kraftlos konzipiert.

Die Dramatik und Tragik ist ebenfalls stark vorhanden. Wie schon in den beiden Bändern vorher auch, entwickelt man für den Killer ein gewisses Verständnis – Sympathie – ist halt verflixt mit der verdammten Selbstjustiz.

Der Fokus liegt halt bei den Faktoren: Spannung und Überraschung. Es wird wahrscheinlich auch keinen vierten Teil dieser Reihe geben, obwohl noch genüg Potenzial in der Familie „Bishop“ steckt. Auch diese hätte Material für eine ganz eigene Reihe.

Fazit

„Das Haus der bösen Kinder – The Fourth Monkey verfügt über eine qualitative Spannung, die man selten in dem Genre Thriller findet. Eine Klasse für sich. Ein mörderisches Monopoly mit vielen, bösen Ereigniskarten. Die Schlossallee ist das Haus der bösen Kinder – und der Preis übersteigt den Einsatz. Pageturner: Eine Reihe – die man unbedingt lesen muss – am besten nacheinander.

Michael Sterzik

Montag, 27. Juli 2020

Ketten und Macht - Die Napoleon-Saga (Band 2) - Simon Scarrow


Der vorliegende Band ist der zweite Roman um die beiden großen Generäle ihrer Zeit und behandelt die Jahre 1795 – 1803. Vorab sei zu sagen, dass es noch zwei weitere Bände dieser außerordentlich guten historischen Reihe geben wird. England und Frankreich waren in dieser Epoche vielleicht die zwei Weltmächte, die nicht nur um Europa kämpften, sondern auch in Asien und Afrika Kolonien eröffneten, oder sagen wir doch besser mit Feuer und Schwert eroberten?! Beide Nationen gingen hier wenig diplomatisch vor – die Mittel ähnelten sich – nur die Herangehensweise unterschied sich doch sehr. Frankreich hatte noch immer mit seiner Revolution innenpolitisch zu tun – Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit – nette Parolen unter denen auch mörderische Verbrechen stattfanden. Englands Krone dagegen – der Erzfeind, baute mit seinen Rotröcken militärisch seine Kolonien aus. Ebenfalls war England zu seiner Zeit, die größte und mächtigste Seemacht und verfügte daher auch wirtschaftlich gesehen, über viele Ressourcen. Zwei Weltmächte – zwei Männer – zwei Schicksale – unter denen Europa verändert und gestaltet wurde. Napoleon Bonaparte und Arthur Wellesley – zwei Visionäre, zwei militärische Strategen – zwei Gewinner und Verlierer – waren Sie beide Offiziere und Gentleman?

Simon Scarrows Fokus liegt in dieser Reihe auf ebendiesen beiden Figuren. Sicherlich ist auch der vorliegende Band dominierend, wenn wir über die erzählerische Darstellung von Schlachten sprechen, doch er ist viel mehr. „Ketten und Macht“ ist eine belletristische Analyse dieser beiden Männer. Napoleon und Wellesley sind noch beide „junge“ Männer und in diesem Band offenbart sich ihr militärisches Talent. Doch die Interpretation der Charaktereigenschaften, ist noch vielseitiger und tiefgründiger erzählt und ist der eigentliche tragende „rote Faden“ der Story. Beides Machtmenschen – doch charakterlich ist der Brite Arthur Wellesley ein wahrer Gentleman und Napoleon moralisch gedeutet, ein grober Mann der wenige Emotionen zulässt und wenn dann nur auf seine Freunde und Familie bezogen. Andere Menschen sind uninteressant – sie sind ein Mittel zum Zweck – instrumentalisierte Werkzeuge um seine persönliche Macht auszubauen und um jeden Preis zu festigen. Die Grundzüge eines totalitären Despoten offenbaren sich hier mit einer brutalen Authentizität.

Im Chaos, das die Französische Revolution hinterlässt, wird Napoleon des Verrats angeklagt. Um seine Reputation zu retten, begibt der große Feldherr sich auf Kriegszüge nach Italien und Ägypten. Während Napoleon sich in zahlreichen blutigen Schlachten verliert, schickt England sich an, unter der Führung Wellingtons das mächtige Frankreich zu unterwerfen. Die beiden großen Schlachtenlenker Napoleon und Wellington stehen sich als erbitterte Feinde gegenüber in einem Kampf, der die Grundfesten der Weltgeschichte erschüttert ...(Verlagsinfo)

Krieg ist immer Gewalt – ist immer grausam und blutig. Doch es gibt auch Grenzen, die ehrenhaft und moralisch sind. Wie geht man als Kolonialherr mit den Einheimischen und den eingesetzten Marionetten um, die das französische, oder britische Recht durchzusetzen!? Auch hier zeigen sich bei beiden Figuren ganz adversative Handlungen. Napoleon begeht Kriegsverbrechen – ordnet Massaker an und beweist später auch innenpolitisch seinen Machtwillen um jeden Preis.

Spannend ist „Ketten und Macht“ allemal – eben nicht nur die Erzählung von historischen Schlachten, sondern vielmehr um die persönliche Entwicklung. Die Talente der beiden Generäle, deren Schicksale die miteinander verwoben sind, zeigen sich hier. Wellesley ist ein brillanter Organisator, mit einem detaillierten Blick für eine Strategie – dabei ist er menschlich sympathischer gezeichneter, als sein späterer französischer Rivale. Genau diese Botschaft unterliegt den ganzen Roman. Der Sympathiefaktor reguliert sich bei Wellesley auf der „Haben-Seite“ – Napoleons Bilanz bezieht sich faktisch auf der „Soll-Seite“.

„Ketten und Macht“ ist ein Kriegsroman – aber ein sehr intelligenter, dessen Aufbau sich voll vielen anderen historischen Romanen sehr positiv abhebt. Eine sehr lebendige Erzählung, eine analytische Aufbereitung der Charaktere. Alles erzählt auf einer besonders guten atmosphärischen Bühne.

Abwechselnd lässt Simon Scarrow die Handlung aus der Perspektive von Wellesley und Napoleon erzählen. Beide Figuren begegnen sich in diesem Roman noch nicht. Jeder hat seine Laufbahn – seine „Lehrjahre“, und nur wenige Jahre später stehen sie sich gegenüber – als Feinde.

Die Orte der Handlungen sind Ägypten, Indien, Frankreich und Italien. Die innenpolitische Entwicklung erzählt Simon Scarrow primär auf Seiten Frankreichs. Als Kinder der Revolution – nun in der Pubertät angekommen lässt Napoleon als „Bürger“ als Konsul auf Lebenszeit keine Konkurrenz zu. Zensur – Manipulation – Mord – alles für eine brüderliche, gleichsame Freiheit.

Jeder Geschichtsinteressierte Leser wird begeistert sein. Simon Scarrow hält sich sehr gut an den historischen Fakten, natürlich verwendet er Freiheiten in diesem Unterhaltungsroman – doch Fakten und Fiktion sind perfekt und harmonisch verwendet worden. Selbst und das ist mehr wie gut hält sich der Autor an den zeitgenössischen Quellen, die beide Charaktere interpretieren.

Fazit

„Ketten und Macht“ ist eine bildgewaltige, wuchtige Psychoanalyse der beiden Generäle – die Europa einnahmen und befreiten. Packende Geschichte – die lebendig und ehrlich erzählt werden. Die Leichtigkeit einer erzählerischen Spannung ist hier formvollendet. Brillant.

Michael Sterzik


Donnerstag, 23. Juli 2020

Eisenblut - Axel Simon


Es gibt zurzeit viele Krimis auf dem Buchmarkt, die sich in der heutigen Gegenwart abspielen. Im Genre „Historischer Roman“ gibt es noch eine Unterkategorie „Historischer Krimi“ – diese spielen allerdings zumeist im Mittelalter und nicht wie der vorliegende Krimi von Axel Simon – „Eisenblut“  zur Zeit des Kaisers in der Hauptstadt Berlin im Jahr 1988. Ungewöhnlicher Zeitraum – aber auch nicht weniger spannender als die bekannten Krimis.

Der Autor Axel Simon gibt dem Berlin vergangener Tage ein komplexes und authentisches Bild. Es ist eine interessante Zeit – eine die Veränderungen mitbringt. Die technischen Entwicklungen verändern das Leben der Menschen und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse werden zunehmend alles in Frage stellten, was noch vor kurzen als Status Q galt. Die Atmosphäre hat der Autor wirklich gut eingefangen.

„Eisenblut“ von Axel Simon ist der erste Band einer Reihe um den Privatermittler Gabriel Landow. Dieser ist der jüngere Sohn einer alten ostpreußischen Adelsfamilie – der wegen einem Diebstahl aus der kaiserlichen Armee unehrenhaft entlassen wurde. So mit fristet der Grafensohn ein eher ärmliches, runtergekommenes Leben – zu stolz um wieder zu versuchen Anschluss an seine Familie zu finden – zu exzessiver Lebenswandel und immer wieder nur Gelegenheitsaufträge in seiner eher mies laufenden Detektei. So interessant dieser Charakter auch dargestellt ist – bedient sich der Autor doch einer zweifelsfrei bekannten Charakterkonzeption. Der verlorene Sohn, der talentiert ist, intelligent – aber zu eigensinnig um sich selbst zu reflektieren und Änderungen zu verfolgen. Also ein sympathischer Looser auf der typischen Verliererstraße – immer auf der Suche nach einem Ausweg. Auch wenn „Gabriel Landow“ seinen ersten Auftritt in „Eisenblut“ hat – so erkennt man das o.g. Muster schon nach wenigen Seiten. Schade – aber warten wir mal ab, welche Richtung er seinen Leben ggf. in einem zweiten Teil einschlägt.

Mit den übrigen Charakteren verhält es sich ähnlich. Also nichts neues – nicht originelles was dem Leser hier inhaltlich präsentiert wird.
Die Handlung splittet sich in mehreren Storys auf und auch die dramatische Vergangenheit von Landow, bzw. seiner Familie wird thematisiert.  

Kleine Seitensprung-Schnüffeleien sind der Alltag seiner schlecht laufenden Detektei im miesen Berlin-Kreuzberg im Jahr 1888: Gabriel Landow, schwarzes Schaf seiner ostpreußischen Getreidejunker-Familie, fällt der Erfolg nicht gerade in den Schoß. Aber dann fällt ihm ein Observierter direkt vor die Füße: Aus nachtschwarzem Himmel mitten aufs Sperrgebiet am Tempelhofer Feld. Wahrscheinlich wurde der aus dem Korb eines Militärballons gestoßen. Nur ein kleiner Ministerialbeamter, der allerdings mit einem geheimen Marineprojekt zu tun hatte. Und immerhin der dritte Tote dieser Art in letzter Zeit mit einem Buch der Gebrüder Grimm in der Hand. Aber weshalb die Regierung ausgerechnet Landow mit der Aufklärung betraut, ist auch ihm ein Rätsel. Genauso wie der Brandanschlag auf ihn kurz darauf. Wer sollte am Tod eines kleinen Ermittlers interessiert sein? Wo doch ganz Berlin, ach was, ganz Europa, nur gebannt auf das Sterben des todkranken Kaisers wartet, das einige aus ganz eigenen Motiven herbeisehnen. (Verlagsinfo)

„Eisenblut“ verfügt über eine solide Spannung – aber wirkt auch inhaltlich manchmal völlig verloren. Überfrachtet – zu langsamer Aufbau – keine wirklich zielführender Aufbau. Es entsteht der Eindruck als hätte der Autor Axel Simon sein Romanskript unzählige Male immer wieder überarbeitet. Sprachlich hat der Autor seinen Roman gut gestaltet – toller subtiler Humor, ironisch und manchmal düster.

Spannung – damit meine ich das Lesevergnügen ist eher durchschnittlich. Auch wenn der charakterliche Aufbau der Personen einer Schablone entspricht – so retten diese den Roman und animieren dazu bestimmt auf zu einem zweiten Band zu greifen. Dieser sollte aber inhaltlich mehr überzeugen.

Überzeugen konnte Axel Simon absolut in der authentischen Darstellung von Berlin, was den wenigsten von uns auch aus anderen Romanen bekannt sein dürfte. Interessante Darstellung eines Milieus und seiner Gesellschaft. Großartig beschrieben.

Fazit

„Eisenblut“ von Axel Simon ist etwas verfahren im Aufbau und insgesamt in seiner gesamten Struktur. Mehr Konzentration auf den Grundplot – und bitte Charaktere deren Substanz überzeugen und die man nicht wahrnimmt, als würde man diese schon seit Jahren kennen.

Michael Sterzik

Montag, 20. Juli 2020

Finsteres Kliff - Sabine Weiss


Sylt ist die viertgrößte Insel Deutschlands. Ein bekannter Ort – und besucht man die Insel will man definitiv zurück nach Westerland. Die Insel bietet wirtschaftlich nicht viel und lebt einzig und allein vom Tourismus. Egal ob nun Neben- oder Hauptsaison, die Insel verzeichnet ca. 870000 Besucher pro Jahr – bei einer Einwohneranzahl von knappen 18000 Insulanern – ein Indikator, ein Beweis für die Attraktivität dieser Insel, deren Geschichte bis in die Steinzeit zurückgeht. Auf der Insel gibt es eine große Anzahl an frühzeitlichen Gräbern – sogenannte „Hünengräber und Grabhügel für Urnenbestattungen. Auch Siedlungsreste aus der Wikingerzeit gibt es zu bestaunen. 2017 wurde ein Silberschatz aus dem 10. Jahrhundert gefunden – diese Arm- und Fingerringe stammten von Wikingern und gilt mitunter als einer der größten gefundenen Schätze in Schleswig-Holstein.

Die bei Hamburg lebende Autorin Sabine Weiss hat nun mit dem Titel: „Finsteres Kliff“ den dritten regionalen Krimi, der auf Sylt spielt, veröffentlicht. Wie auch in den beiden vorherigen Titeln, ermittelt auch hier die junge Kommissarin Liv Lammers aus der zuständigen Dienststelle Flensburg. Man kann sagen, dass Liv einen nicht zu unterschätzenden Heimvorteil hat – schließlich hat sie auf dieser Insel ihre Kindheit und Jugend verbracht. Ihre Familie lebt noch immer auf dieser Insel – doch der Kontakt ist so gut wie nicht mehr aktiv.

Ein Orkantief liegt über Sylt. Nicht die beste Zeit, um auf die Insel zu reisen, doch Liv Lammers ruft die Pflicht. Auf dem Morsum-Kliff wurde eine Leiche entdeckt, kurz nach dem Biikebrennen, und der Tatort sieht aus, als habe ein blutiges Ritual stattgefunden. Das Opfer: ein Hobby-Archäologe, der angeblich einem Wikingerschatz auf der Spur war. Hat er seine Passion für die Wikinger zu weit getrieben? Oder ist die grausige Inszenierung nur ein Ablenkungsmanöver? Liv Lammers und ihre Kollegen von der Flensburger Mordkommission ermitteln in alle Richtungen. Die Zeit drängt, denn eine junge Frau ist verschwunden – die Freundin des Opfers ...(Verlagsinfo)

Die ersten beiden Romane mit Liv Lammers – „Schwarze Brandung“ und „Brennende Gischt“ waren schon gut – mit dem vorliegenden Band etabliert sich die sympathische Autorin im Genre Krimi/Thriller. „Finsteres Kliff“ ist eine eindrucksvolle Steigerung, wenn man schon die Romane unter sich vergleichen möchte. Die Story überzeugt in vielerlei Hinsicht – zum einen die extrem guten Charakterzeichnungen ihrer Figuren, zum anderen die Idee einen Wikingerschatz auf die Bühne zu bringen, der natürlich aus mehreren Gründen sehr motivierend ist.

Das Setting ist faszinierend – die Mixtur aus Vergangenheit und Gegenwart – mit dem Hintergrund des traditionellen Biike-Fest, das jährlich am 21. Februar stattfindet. An diesem Abend feiern die Sylter, dass heidnische Fest, bei dem riesige Holzstöße und Reisighaufen verbrannt werden. Der Glaube an die Naturkräfte sind noch immer ein fester Bestandteil des Lebens – jedenfalls an diesem besagten Tag.

Das spiegelt sich auch wieder in einer Gruppe von befreundeten Rollenspielern, die ihren Glauben an die alten Götter durchaus realistisch in ihr Leben eingebaut haben. Diese Beziehungsebenen untereinander hat Sabine Weiss perfekt beschrieben – spannend, realistisch, sensibel und interessant. Doch neben diesem Handlungsstrang gibt es noch einen anderen, der medizinische Elemente birgt und in dem auch einzelne Figuren eine tragende Rolle spielen. Beide Themen werden von der Autorin aber formvollendet kombiniert. Die Handlung weist inhaltlich überhaupt keine Längen auf und fesselt den Leser zu jedem Zeitpunkt. Die Spannungskurve ist perfekt berechnet – und auch hier keine logischen Fehler, oder langweilige Szenen.

Die Hauptperson Liv Lammers ist zwar die tragende Figur – aber so gut positioniert, dass sie niemanden die „Show“ stiehlt, oder in ein Abseits drängt. Selbst ihr Privatleben wird thematisiert, aber stärkt und erklärt nur inhaltlich ihren Charakter. Mit dem Mord als solches verbindet zum Glück die junge Kommissarin nichts.

Stil, Ausdruck und Sprache sind wirklich sehr gut. Sabine Weiss versteht es Spannung zu erzeugen. Im dem vorliegenden Roman erfährt man auch relativ viel von der Geschichte und der Insel. Aber auch hier keine Übertreibungen, keine künstlichen Platzhalter- stattdessen animiert uns die Autorin, sich selbst ein Bild über diese Insel zu machen.

„Finsteres Kliff“ verfügt über eine finstere, aber vielseitige Atmosphäre – die nachhaltig eine Spannung erzeugt, der man sich nicht entziehen kann. Story – Protagonisten – Setting – gemäß dem Motto „einer für alle – und alle für einen“.

Zu kritisieren gibt es nicht viel. Das zweite Storythema (medizinisch) ist gut, hätte aber auch noch etwas intensiver ausgearbeitet werden können – auch wenn das Seitenvolumen deutlich höher ausgefallen wäre.

So muss ich ein regionaler Krimi sein – inhaltlich spannend – viele Informationen, eine Atmosphäre, die alles durchdringt. Regional gesehen – ist der Titel „Finsteres Kliff“ eine Bereicherung und animiert, die Insel selbst kennen zulernen.

Fazit
„Finsteres Kliff“ ist ein packender Pageturner im Breitbildformat. Eine Krimi, der die Sommernächte sowieso noch kürzer machen kann, weil man nicht aufhören mag der Geschichte zu folgen.
Als Autorin hat sich Sabine Weiss, die auch brillante historische Romane schreibt, im Genre Krimi etabliert. Schriftstellerisch eine imposante Steigerung. Eine Frage der Zeit bis diese Reihe verfilmt wird. Ich freue mich auf den nächsten, literarischen Besuch der Insel Sylt.

Michael Sterzik