Montag, 20. Juni 2022

Blutland - von Kim Faber und Janni Pedersen


Nach den beiden Titeln: „Winterland“ und „Todland“ des dänischen Journalistenpaares, folgt nun mit „Blutland“ der abschließende Band der Trilogie.

Die Autoren verstehen ihr Handwerk und wissen wie und worüber sie schreiben. Sie wissen, wie man eine unterhaltsame Spannung erzeugt und vor allem auch gewissen Überraschungsmomente einbaut. Der vorliegende Roman befasst sich nicht mit geheimdienstlichen Altlasten, oder akute Bedrohungen durch rechtsextreme Terroristen. Diesmal spielt die Vergangenheit zwar auch eine wesentliche Rolle – doch dreht sich jetzt alles um einen alten Kriminalfall, der durch einen neuen Mord wieder reanimiert wird. Diese Reihe um Juncker & Kristiansen gehört zu den derzeit besten skandinavischen Titeln aus dem Genre Krimi/Thriller.

Die Bestie im Menschen – es gibt sie! Sie ist manchmal zahm, man kann sie kontrollieren, zähmen – doch sie kann auch mit Gewalt ausbrechen und fürchterliche Taten vollbringen. Brutal – unmenschlich – rücksichtslos und vernichtet ggf. Existenzen und Leben. Kennen wir den Menschen, mit dem wir ggf. seit Jahren leben, vielleicht zusammenarbeiten, mit dem wir befreundet sind? Manchmal so nah, und doch so fern. Wenn Masken fallen – was bleibt dann übrig?

Martin Juncker ist gerade zur Kopenhagener Polizei zurückgekehrt, da entbrennt in der dänischen Hauptstadt ein Kampf zwischen Neonazis und Rechtsradikalen auf der einen Seite und autonomen Gruppen und Einwandererbanden auf der anderen. Dabei wird ein Neonazi erstochen, und Junckers frühere Partnerin Signe Kristiansen übernimmt die Untersuchung des Mordes. Kurz darauf wird die Leiche einer Frau in einem Naturschutzgebiet gefunden: erdrosselt und sexuell missbraucht. Martin ermittelt in diesem Fall, und zum ersten Mal seit langer Zeit arbeitet er wieder mit Signe zusammen. Denn die beiden vermuten, dass die Taten von demselben Mann verübt wurden – einem eiskalten Killer, der es vermag, auch die erfahrensten Polizisten auf die falsche Fährte zu locken.(Verlagsinfo)

Ich hoffe, dass der dritte Band nicht der abschließende ist. Man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am besten ist – aber ein „Ende“ wäre zu verfrüht.

Die Charaktere sind gewachsen in den Storys. Sie sind gereift, aber lange nicht vollkommen und perfekt. Sie begehen Fehler, sind egoistisch, belügen sich und andere usw. Eine große Anzahl auf dem persönlichen Sündenregister – doch sympathisch findet man sie dennoch. Mal mehr – mal weniger.

Die Handlung bzw. die Sexualdelikte in denen Juncker & Kristiansen ermitteln zeigen die „Bestie“ im Menschen. Verbrechen – bei denen die Frauen, die vergewaltigt worden sind, den Tod vorziehen? Nicht nur der Körper ist vergewaltigt – die Seele auch und das mit irreparablen Schäden. Ein Schrecken, den das Buch direkt in die Köpfe der Leser transportiert, und das schonungslos.

Der dritte Band ist auch der spannendste, obwohl die Abgrenzungen eher verschwimmen. Nicht nur die Spannung gehört zum Lesevergnügen, denn auch die Charaktere übernehmen den zweiten Part. Haupt- und Nebenfiguren sind ausgewogen und genau so aufgestellt, dass sie sich weder behindern noch andere verdrängen. Der Fokus liegt bei Martin Juncker – auch sein Privatleben hat seine Kapitel, doch die Dramatik liegt bei diesem Kriminalfall, der auch ganz ohne den Nebendarsteller Kommissar Zufall zurechtkommt.

Zufälle klammern wir also nun aus – allerdings gibt es sehr gute Überraschungsmomente, die die beiden Autoren sich hier sehr raffiniert ausgedacht haben.

Alle Kapitel sind geschlossen – alles ist erzählt? Wenn, dass der Fall ist – so sollte man sich dennoch das Autorenpaar gedanklich notieren. Durch ihre berufliche Vergangenheit, wissen sie genau, welche „Knöpfe“ sie bei dem Leser drücken müssen, um diesen zu unterhalten.

Fazit

Wenn Masken fallen – was bleibt übrig? Vergangenheit und Gegenwart im schrecklichen Einklang. Eine Sinfonie des (Über)Lebens. Eine Thriller- Reihe, die man unbedingt lesen sollte. Prädikat: Pageturner

Michael Sterzik 

Sonntag, 12. Juni 2022

Der gute Samariter - Cilla und Rolf Börjlind


Inzwischen gibt es viele Titel in der Belletristik, die das allgegenwärtige Thema der Covid-Pandemie thematisieren. Viele Autoren meiden das brisante Thema, das die Bevölkerung in zwei Lager spaltet. Die letzten 2 ½ Jahren beherrschte das Virus unser Handeln, unseren Aktionismus, zeigte, wie verletzlich wir waren, und es noch immer sind. Es zwang uns einer Quarantäne, zu vielen Lockdown, zur Eingrenzung von so wichtigen sozialen Kontakten usw. Schaut man hinter den Kulissen war nicht alles schlecht – leider offenbarte es auch bei vielen Menschen ein völlig verwirrtes ideologisches Weltbild. Wilde Verschwörungstheorien ließen uns manchmal sprachlos dastehen. Die Gefahren der Nebenwirkungen, die ggf. eine Impfung mit sich bringt – wurden stark dramatisiert. Man könnte endlos darüber diskutieren – wer, oder wie die Wahrheit aussieht. Aber lassen wir diese Diskussion und widmen uns den 7. Buch der Rönning/Stilton-Reihe – der wieder einmal beweist, wie man hochaktuell, spannend, aufrüttelnd und vor allem unterhaltsam einen Krimi verfassen kann.

Das schwedische Autorenduo nimmt das brisante Thema Covid sehr selbstbewusst auf. Der Titel teilt sich in zwei Handlungen auf, die letztlich dann doch zu einem mutieren und das ganz fabelhaft.

Olivia Rönning ist verschwunden. Ihre Kollegin Lisa Hedqvist ist sich sicher, dass sie entführt wurde. Als Tom Stilton von der Sache erfährt, kehrt er aus seiner selbstgewählten Corona-Isolation in den Stockholmer Schären in die Stadt zurück. Er und Lisa folgen der Spur zu einer einsamen Hütte. Doch als sie sie erreichen, steht das Haus bereits in Flammen. Eine tote Frau wird gefunden. Ist es Olivia? Zur gleichen Zeit koordiniert ihre frühere Chefin Mette Olsäter die Sicherheit der landesweiten Corona-Impfstofflieferungen, doch es gibt Hinweise, dass der Transport sabotiert wurde ...(Verlagsinfo)

In „Der gute Samariter“ konzentriert sich die Handlung auf Olivia Rönning und schickt den ehemaligen Kommissar und früheren Obdachlosen erzählerisch in die zweite Reihe. Das ist sehr, sehr schade denn gerade derer beider Zusammenspielt zeichnet diese hervorragende Krimi-Reihe aus.

Wer die Reihe kennt, merkt auch, dass Oliva Rönning sich schneller entwickelt. Aus der Polizeischülerin ist eine taffe Kriminalbeamtin geworden – aus Tom Stilton ein manchmal in sich ruhender Einsiedler, der zwar die Gesellschaft meidet, aber dessen Herz noch immer sehr stark für die Kriminalistik schlägt. Dieses Ungleichgewicht sollte das Duo schnellstens beheben.

Covid – mit allen sozialen Haupt- und Nebenwirkungen, nimmt hier einen großen Raum ein. Verschwörungstheorien rund um die Impfungen – darum dreht es sich letztlich auch. Flankiert wird das Thema von einer Familie, die ein Faible für das Feuer und Brandstiftung hat. Weiterhin bricht das Autorenduo für das Ärzte- und Pflegepersonal eine Lanze und erzählt von Aufopferung, aber auch von unterschiedlichen Meinungen innerhalb einer Familie.

Die Dynamik und Dramatik in diesem Buch ist fantastisch. Eine hoch spannende Geschichte – ohne viele Nebengeschichten und ohne viele Rückblicke auf vergangene Zeiten. Das dürfte sich allerdings im achten Band deutlich anders darstellen.

Die Ermittlungsarbeit ist hier perfekt in Szene gesetzt. Ein Verhör am Ende des Romans ist atemberaubend spannend und zeigt das ideologische Böse in einer erschreckenden Klarheit. Selbst wenn Täter zu Opfern werden, darf und wird man Mitgefühl entwickeln – diese Sensibilität lässt einen schaudern.

Überhaupt, wenn man jetzt von einer authentischen Handlung spricht – steht der Mensch und nicht Covid im Zentrum des Geschehens und zeigt auch hier mahnend auf, dass es Hoffnung gibt, solange man hofft, glaubt und menschlich handelt.

Ich hoffe, dass Tom Stilton im nächsten Band wieder eine tragende Rolle spielt, und es würde mich freuen, wenn er den Weg in den Polizeidienst wiederfindet.

Fazit

Hochaktueller Roman – der sich etwas traut und durchaus Stellung bezieht. Toller Kriminalfall und die Figuren sind sowieso ein Garant für eine große Unterhaltungsshow.

Die Reihe gehört mit zu den besten im Genre Krimi. Eine Reihe, die man lesen muss – Unbedingt.

Michael Sterzik

Nachts im Kanzleramt - Marietta Slomka


Deutsche Politik – im Kanzleramt und in den Ministerien in Berlin. Ein Leitungsbüro im Herzen Berlins, in das die wenigsten Normalsterblichen Zugang haben. Tag und Nacht werden hier Entscheidungen getroffen, die nicht nur Auswirkungen auf unsere Bevölkerung haben. Die Mühlen der Politik arbeiten nicht hinter einem eisernen Vorhang, aber doch hinter verschlossenen Türen. Das hat weniger etwas mit „Geheimnissen“ zu tun, und viel weniger als was wir uns unter dunklen Machenschaften vorstellen. Es ist ein(e) Beruf(ung). In den Medien gibt es viele Vokabeln, mit der gerade jüngere Menschen noch nicht viel anfangen können. Dieses Wissen legt man sich zu, wenn man sich ggf. für die große und kleine Politik interessiert. In Schule etc. wird das Thema nur bedingt erklärt, und man sich sicher sein, dass die jungen Schüler/innen wenig Interesse an trockenen Erklärungen übrighaben.

Der Blick hinter den Kulissen im Kanzleramt – egal ob zur Tages- oder Nachtzeit hat die bekannte und sympathische Journalistin Marietta Slomka sehr einfach, aber auf den Punkt beschrieben. Nicht ohne Humor erklärt uns die Journalisten das kleine 1x1 der Politik.

Nichtsdestotrotz ist ein Sachbuch geworden. Mariette Slomka schreibt es aus der Motivation, dass ihr Verständnis für die Demokratie kein Selbstläufer ist. Um die Prozesse rund um die Staatsform und ihre Struktur besser zu verstehen – das ist wohl die tragende Botschaft des vorliegenden Titels.

Lohnt es sich überhaupt, wählen oder demonstrieren zu gehen? Ist der Rechtsstaat gerecht? Wer sind die wirklich Einflussreichen in Berlin? Und warum tagen Politiker oft bis in die frühen Morgenstunden? Die Vermittlung komplizierter Sachverhalte für ein breites Publikum ist Marietta Slomkas Beruf. In „Nachts im Kanzleramt“ erklärt sie unterhaltsam und gut gelaunt, wie Politik tatsächlich funktioniert. Sie nimmt ihre Leser mit auf eine Reise von den Grundlagen der Demokratie bis zu den großen Fragen der Weltpolitik und liefert dabei immer wieder praktische Beispiele, die den Politikbetrieb erklären – von Pandemiebekämpfung bis Greenwashing. Nebenbei bietet sie einen „Schnellkurs Wirtschaft“ und Einblicke in die heutige Medienwelt. Wer dieses Buch gelesen hat, ist fit für jede politische Debatte! (Verlagsinfo)

Die Zielgruppe richtet sich deutlich an jüngere Menschen, die sich noch nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, oder wenig. Untermalt werden diese Erklärungen mit ironisch-witzigen Cartoons, die es noch einmal wenig auflockern sollen.

Um das Buch als „gut“ oder „schlecht“ einzuordnen, sollte man sich selbst an seiner persönlichen Erwartungshaltung orientieren. Als Sachbuch ist es vergleichbar mit einem kleinen Duden der Politik – konzentriert auf den Punkt gebracht und für junge Menschen durchaus unterhaltsam, lehrreich und auch der Humor kommt nicht zu kurz. Wer Marietta Slomka aus dem Fernsehen kennt – wird die Journalistin hier wiedererkennen. Ihr Stil ist manchmal „frech“ – direkt und verfügt über einen wundervollen, manchmal trockenen Humor.

Fazit

„Nachts im Kanzleramt“ ist das kleine 1x1 der politischen Begriffe, der unterhaltsame Duden für ein labyrinthisches „Who's who“ und überhaupt ein wenig von wie, wo, was. Hervorragend, unterhaltsam und sollte sich bitte in den Schulen wiederfinden.

Michael Sterzik

Dienstag, 7. Juni 2022

Rabbits - Spiel um Dein Leben - Terry Miles


Seit der Quantenphysik steht die wissenschaftliche Welt zwar nicht kopflos da, aber viele Fragen können wir noch immer nicht beantworten, vielleicht weil wir etwas übersehen, oder wir noch nicht das „Wissenslevel“ erreicht haben? Gibt es andere Dimensionen neben uns? Das Gefüge Raum und Zeit ist ggf. nicht mehr so starr wie es aussieht – andere Gesetze und dahinter Welten, die wir noch nicht erkannt, oder gesehen haben!

Befinden wir uns philosophisch interpretiert in einem großen „Open World Game“? Ist die Menschheit der Spielplatz einer, oder mehrerer Gottheiten? Ist unsere Seele, unsere Energie aus Gedanken, Erfahrungen usw. unsterblich? Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin?

All diese Fragen, bzw. die meisten werden mehr oder minder im vorliegenden Buch verarbeitet, ohne allerdings in eine philosophische Tiefe zu gehen. Der Roman von Terry Miles stellt sich als Thriller dar – ist er allerdings zu keinem Zeitpunkt. „Rabbits“, erzählt vieles verspielt, ohne wirkliche Substanz zu besitzen.

Es ist ein normaler Arbeitstag. Du siehst auf die Uhr: 4.44. Du checkst deine Mails, und 44 ungelesene Nachrichten warten auf dich. Schockiert realisierst du, dass heute der 4. April ist – der 4.4. Und als du in dein Auto steigst, um nach Hause zu fahren, zeigt der Kilometerzähler 44.444 an.
Zufall? Oder hast du gerade RABBITS für dich entdeckt?

Seit vielen Jahren hat K keine Familie mehr und kann sich nur noch auf zwei enge Freunde verlassen – Chloe und Baron. Gemeinsam sind sie süchtig nach RABBITS. Niemand weiß genau, seit wann dieses geheime Spiel im Untergrund existiert. Wann endlich die nächste Runde beginnt. Wer mitspielt. Was der Gewinner bekommt. Doch diese eine Regel ist klar: Die Spieler dürfen nicht darüber sprechen. Und wer gegen die Regel verstößt, schwebt in Lebensgefahr. So wie ein berühmter Ex-Spieler, der K einen Auftrag erteilt und plötzlich spurlos verschwindet. Alarmiert schlägt K alle Warnungen in den Wind und fängt an, den Hinweisen zu folgen – ohne zu ahnen, dass die gefährlichste RABBITS-Runde aller Zeiten längst begonnen hat..(Verlagsinfo)

Diese Jagd mit und nach den Kaninchen – das Spiel, dessen Ziel nicht erklärt wird, dessen Regeln nebulös wirken und der Preis nicht klar identifizierbar ist, ist zu keinem Zeitpunkt spannend. Für jeden Gamer – egal ob Brettspiel, oder am Rechner/Konsole mag es interessant sein, doch auch diese werden sich die Frage stellen: Was soll diese ganze Schnitzeljagd eigentlich?

Spannung und Unterhaltung hin oder her – aber übrig bleibt sind konfuse, völlig überdrehte Erklärungen, die, wenn man sich philosophisch und wissenschaftlich mit solchen Theorien auseinandersetzt, mehr wie einfallslos sind. Danke für nichts.

Nicht mal die Rätsel, die sich um Systeme drehen, um geheime Botschaften sind originell ansprechend!? Völlig überdreht und am Ziel mit Bravour vorbeigeschlittert ist die Story allemal.

Was bleibt übrig von diesem Buch?  Nichts – kein Ansatz, dass man über das eine oder andere Thema intensiver nachdenken und recherchieren möchte. Kein illustrierter Gedanke, der einen Aha-Effekt hat. Eine „Mechanik“, die uns die Welt erklärt und näher bringt – an diesen Gedanken lässt uns der Autor nicht teilhaben.

Positiv dagegen sind die Charaktere gestaltet – alle mitsamt gut aufgestellt und wirklich gut in Szene gesetzt, aber retten können sie den Roman nicht.

Fazit

Eine Geschichte, an der man vergeblich den Einstieg und Ausstieg sucht. Philosophisch mangelhaft und ein Labyrinth aus unbeantworteten Fragen.

Leider ein Roman, den ich nicht empfehlen kann.

 

Michael Sterzik

Sonntag, 29. Mai 2022

Der Unbekannte - Christine Brand


Der aktuelle Titel: „Der Unbekannte“ ist der vierte Band einer Reihe um Nathaniel, der Journalistin Milla Nova und dem Ermittler Sandro Bandini. Man kann die drei vorherigen Bände „Blind“, „Die Patientin“ und „Der Bruder“ unabhängig voneinander lesen, aber empfehle ich es nicht, da man sonst die Charaktereigenschaften der Protagonisten nur schwer folgen kann.

Die Story spielt in der Schweiz und siehe da, auch hier erzählt die Autorin von paramilitärischen Einheiten, die von einer geheimen Regierungseinheit gesteuert werden. Alte Sünden ehemaliger Nachrichtenoffiziere und auch der Linksextremismus und die Unterstützung der Terroreinheit RAF werden hier als Themengebiete verwendet. Christine Brand jongliert diesen Themen gekonnt und verbindet sie am Ende alle. Die Perspektive der Opfer und Täter und manche Figuren sind beides – ist sehr spannend gelungen.

Nathaniel ist blind – seit seinem elften Lebensjahr, als sein Vater die gesamte Familie tötete und nur Nathaniel verletzt überlebte. So hat es ihm die Polizei erzählt, an die Geschichte glaubt Nathaniel seit nun drei Jahrzehnten. Er beschließt, sich endlich seiner traumatischen Vergangenheit zu stellen und verlangt Einsicht in die Fallakten. Doch die Unterlagen offenbaren Ungereimtheiten. Es scheint, als ob die Polizei etwas, was damals geschah, unter Verschluss halten möchte. Nathaniel realisiert, dass der wahre Mörder seiner Familie womöglich noch immer auf freiem Fuß ist – und sein Vater unschuldig sein könnte. Doch seine gute Freundin, die TV-Reporterin Milla, scheint ihm dieses Mal nicht helfen zu können, noch dazu da deren Freund Sandro Bandini als Polizist in die Vertuschung der Wahrheit über Nathaniels Familie verwickelt sein könnte. Es scheint, als sei Nathaniel auf sich allein gestellt ...(Verlagsinfo)

Da ich die anderen Titel vor diesem nicht gelesen habe, fällt meine Kritik ggf. etwas hart aus. An dieser Stelle kann ich nur noch einmal dringend empfehlen – die Vorgängertitel zu lesen.

Die Figuren und auch die Story ist mir viel zu oberflächlich ausgemalt.  Letzteres ist mir zu wenig im Detail ausgebaut. Der Hintergrund ist mir zu wenig definiert. Die erzählerische Aussicht ist mir zu unentwickelt, dabei hätten manche Personen so viel zu berichten gehabt.

Die Story wirkt authentisch, ist aber im Grunde natürlich fiktiv. Man kann sich die neutrale Schweiz schwerlich als ehemaligen Geheimdienstposten vorstellen. Das klang bisweilen ein bisschen absurd.

Gegen Ende des Romans nimmt die Spannung und die Unterhaltung wirklich Fahrt auf. Nicht nur ebendiese Spannung, sondern auch viel Sensibilität zeichnen das letzte Drittel aus. Leider gibt es da zu wenig davon – in dem langweiligen Intro passiert zwar viel – aber eben nicht im angemessenen Tempo.

Lobenswert ist der unterschwellige Humor, der in vielen Szenen schmunzeln lässt. Die Situationskomik beherrscht die Autorin und sie hat ein Faible für gesellschaftliche Randgruppen, ein Blinder, eine Kleinwüchsige und einige andere, interessante Charaktere menscheln munter hin und her und ganz klar gibt es viele Sympathiepunkte für die Blindenhündin, die schonmal etwas die Orientierung verliert.

Christine Brand schriftstellerischer Stil, ihr Umgang mit Sprache und Ausdruck ist hervorragend. Spielerisch entwickelt sich neben munterer Situationskomik dann selbstverständlich sehr sensible Szenen, die unter die Haut gehen.

„Der Unbekannte“ ist ein sehr solider, spannender Titel – den ggf. inhaltsvoller, ansprechender empfindet, wenn man die Vorgängertitel gelesen hat.

Fazit

Spannende Vielseitigkeit – intelligenter Humor und eine ansprechende Sensibilität.

Michael Sterzik

Montag, 23. Mai 2022

Der Verdächtige - John Grisham


Der amerikanische Bestsellerautor und Jurist John Grisham wird auch mit seinem neuesten Werk: „Der Verdächtige“ zum Wiederholungstäter. Lacy Stoltz – bekannt aus dem Titel: „Die Bestechung“ hat hier ihren zweiten Auftritt.

Mit einer kriminellen Bestechung hat die vorliegende Story nicht zu tun, denn nun geht es um den Tatbestand „Mord“. Dass Justitia nicht gerecht ist – sondern auch kriminelle Energie entwickeln kann, ist bekannt. Als Symbol für Gerechtigkeit und Rechtspflege torkelt diese manchmal völlig blind durch die Gerichtssäle und Gesetze.

John Grisham hat in seinen Romanen schon viele Themen verwendet, von Selbstjustiz, über das Pro- und Contra von Todesstrafen usw. Nun steht ein Richter als Verdächtiger vor der Gerichtsaufsichtsbehörde. Ist dieser ein Racheengel, der sich Jahrzehnte später noch immer wegen Beleidigungen, Zurückweisungen und ähnlich mehrere Morde begeht. Als Insider im Rechtssystem verfügt er über Informationen und ein gut aufgestelltes Netzwerk, quasi ein Frühwarnsystem, mit der sich sicher fühlt. Gibt es also den perfekten Mord? Und wenn ja – was muss man tun, um jahrelang über Bundesgrenzen hinweg so eiskalt, gewissenhaft und systematisch zu morden?

„Der Verdächtige“ von John Grisham ist ein solider, spannender Justizthriller, der nicht über die Ermittlungen überzeugt, sondern über einen charismatischen, hochintelligenten Serienmörder.

Lacy Stoltz hat als Anwältin bei der Gerichtsaufsichtsbehörde in Florida schon viele Fälle von Korruption erlebt. Seit sie einer Richterin, die Millionen abkassiert hat, das Handwerk legte, ist sie sogar zu gewisser Berühmtheit gelangt. Doch nun wird sie mit einem Fall konfrontiert, der jenseits des Vorstellbaren liegt: Denn der Richter, gegen den sie ermittelt, nimmt anscheinend keine Bestechungsgelder von Leuten. Er nimmt ihnen das Leben. (Verlagsinfo)

Rache ist der Motivator für den „Verdächtigen“ – alte Rechnungen begleichen, bei denen er erniedrigt, beleidigt, betrogen und nicht wertgeschätzt wurde. Diese persönliche unausgewogene Gerechtigkeit kann er nicht vergessen und nutzt neben seinem mörderischen Talent, auch seine rechtlichen Mittel.

Lacy Stoltz tut sich anfangs sehr schwer, der Tochter eines Opfers zu glauben, doch die Indizien und immer wieder die gleiche Tötungsmethode überzeugen sie, zu ermitteln. Jedes Opfer hatte den Richter gekannt – als Jugendlicher, als junger Anwalt, als Privatmann usw. – ein grausamer Zufall, oder Methode?

Wie schon gesagt, die Ermittlungen sind nicht der Fokus der Handlung. „Der Verdächtige“ nimmt so viel erzählerischen Raum ein, dass er auch mit einer morbiden Atmosphäre ausbaut. Ob der Autor das allerdings genauso so wollte, dass seine Hauptfigur der Lacy Stoltz in die zweite Reihe gestellt wird, sei dahingestellt.

Der Roman ist nicht der stärkste Titel des Autors, aber auch weit davon entfernt, schwach zu wirken. Spannend allemal – wenn auch unlogisch. Dass die Bundesbehörden nicht 1 und 1 zusammenzählen können, hier kein Muster erkennen und nicht konzentriert ermitteln, erschließt sich mir nicht. Die gleiche Methode, das gleiche Mordwerkzeug und niemand fällt es auf, dass es sich hier um einen Serienmörder handeln könnte? Kein polizeiliches System, keinen Kriminalbeamten fällt dies auf – nicht mal dem FBI? Das ist unglaubwürdig und wenn dieser Fall nicht unbedingt fiktiv war, dann war das eine gravierende, historische Ermittlungspanne.

Leider geht John Grisham in keinem Nachwort darauf ein, dass er sich ggf. an realen Fällen orientiert hat. Viele seiner Romane haben ebendiesen Bezug zur Realität.

Fazit

„Der Verdächtige“ ist eine Einladung, die Story zu verfilmen. Eine Miniserie, die überzeugen würde. Ein diabolischer Richter – der letztlich doch seinen eigenen Weg geht.

Michael Sterzik

 

Samstag, 14. Mai 2022

Das Ferienhaus - von C.M.Ewan

 


Ein Kind zu verlieren, auch wenn es ein „Unfall“ war, muss mit das schlimmste sein, was einer Familie geschehen kann. Das Familienfundament kann zerbrechen, und für die trauernden Angehörigen dreht sich die Welt kompromissloser. Dass die Zeit, alle Wunden heilt, ist dann auch nur eine übertriebene Farce. Nichts ist mehr so, wie es einst war. Der vorliegende Roman „Das Ferienhaus“ von C.M. Ewan ist eine Aneinanderreihung von Schicksalsschlägen, fast schon inflationär wie diese sich die Hand geben.

Der erste Thriller des britischen Autors ist soeben im Verlag Blanvalet erschienen.

Als Tom Sullivan nachts um zwei ein Fenster zerbrechen hört, werden seine schlimmsten Albträume Wirklichkeit: Jemand ist ins Haus eingedrungen und trachtet ihm und seiner Familie nach dem Leben. Sein Feriendomizil mitten im schottischen Nirgendwo, das eigentlich für ein paar Wochen zu einem beschaulichen Urlaubsort werden sollte, bietet keinen Ausweg. Eine atemberaubende Verfolgungsjagd beginnt, während der sich Tom mehr als einmal fragt, ob er denen, die ihm am nächsten sind, wirklich vertrauen kann. Seine Ehefrau Rachel beispielsweise scheint irgendetwas vor ihm zu verbergen ...(Verlagsinfo)

Ein Buch ist ja immer ein Stück „Kunst“ – die Verarbeitung der Ideen des Autors. Handlung, Setting, Charaktere, Nebengeschichten – ein guter Roman verbindet all diese Elemente und damit ist dann der Unterhaltungswert sehr hoch. Ausgewogen muss ein Roman sein – er muss überraschen, durch Spannung überzeugen und originell sein. „Das Ferienhaus“ von C.M.Ewan hat leider von alledem nichts.

Die Story ist nichts Neues: Ein Überfall in einem Ferienhaus. Das Überleben der armen Opfer, ihr heldenhafter Mut, vielleicht auch ein Opfer bringen zu müssen. Eine spannende, dramatische Atmosphäre, voller Wendungen, vielleicht mit Überraschungen, mit denen man nicht gerechnet hat? Auch all das findet man in dem vorliegenden Roman nicht.

Die gesamte Storyline ist völlig übertrieben. Weder authentisch noch originell. Eine abstruse Aneinanderreihung von Logikbrüchen und viel künstlicher Dramaturgie. Die Story erzählt C.M.Ewan fast schon minutiös, damit wirken dann auch die Dialoge völlig inhaltslos.

Besonders schlecht sind die Charaktere. Eine depressive Selbsthilfegruppe, die jammert und klagt, sich in Selbstmitleid suhlt. Die Handlung ist auch maßlos überdreht, eben weil die Figuren allesamt nervig sind und so dumme, unüberlegte Handlungen ausführen. Actioneinlagen retten dann die Story auch nicht mehr. Der intelligenteste und sympathischste Charakter ist dann wohl der Hund in diesem Roman. Auf den kann man sich wenigstens verlassen.

Eine Spannung entsteht gar nicht – schon im Intro, das sich quälend hinzieht, fragt man sich: Was soll das jetzt alles? Nebengeschichten und Nebenfiguren unterstützen nicht und wirken deplatziert.

Stil, Ausdruck und Sprache wirken amateurhaft und manchmal gehetzt. Der Autor konnte sich offensichtlich nicht entscheiden, wie er schlussendlich seine Story konzipiert.

Fazit

Es gibt nichts Positives an diesem Roman zu bewerten. Sparen Sie sich bitte die Lebenszeit. Von dem Autor möchte ich auch keine weiteren Bände mehr lesen wollen. Zu wenig Talent – vielleicht sollte er selbst in die Ferien gehen und einen Autorenkurs besuchen, das war eher dilettantisch.

Michael Sterzik