Montag, 29. Oktober 2018

Gangster Blues - Joe Bausch

Das Leben schreibt doch die besten, die spannendsten Geschichten. Doch was passiert, wenn das Leben hinter vergitterten Türen und verschlossenen Leben seinen Lauf nimmt?! Die Strafanstalten sind kleine Mikrometropole, in der Verbrecher ihre Strafe absitzen. Sie sollen resozialisiert werden, Buße tun für ihre manchmal gewalttätigen Verbrechen. Es gibt (Spiel)Regeln, nicht nur für die inhaftierten, auch für die Angestellten der Justiz und überhaupt für jeden, der durch die letzte Schleuse, die kleine in sich geschlossene Welt betreten.  Doch nicht nur die reglementierten Menschenrechte und Gesetze finden hier ihre praktische Anwendung. Wie in jeder sozialen Struktur, gibt es auch Richtlinien, ungeschriebene Gesetze, eine Hierarchie an der man sich auf Teufel komm raus, besser orientieren sollte. 

Doch wer ist der Mensch, deren Welt nun auf Jahre hin drastisch eingeschränkt ist? Sind das alles rücksichtslose, brutale Menschen, deren sozialer Kompass versagt hat!? Sollen das alle Monster, oder Bestien sein? Hinter jedem Häftling steckt auch ein persönliches Schicksal. Und fast jeder Mensch benötigt einen kommunikativen Austausch, ein vertrauensvoll geführtes, persönliches Gespräch um seine Seele, vielleicht auch sein schlechtes Gewissen zu entlasten. 

Der bekannte Schauspieler und praktizierender Arzt Joe Bausch gibt als  Leitender Regierungsmedizinaldirektoreinen realistischen Einblick in die hellen und dunklen Seelen seiner inhaftierten Patienten. Seit 1986 ist Joe Bausch hauptberuflich als Arzt in der Haftanstalt Werl tätig. In seinem neuesten Buch „Gangster Blues“ erschienen im Ullstein Verlag erzählt der Mediziner von 12 individuellen Schicksalen die nachhaltig berühren. Der Untertitel „Harte Geschichten“ bewahrheitet sich. 

Selbstverständlich hat der Autor diese außergewöhnlichen Geschichten anonymisiert. Diese erzählen eine manchmal laute oder leise Melodie, einen rhythmischen Blues von Gewalt und Entsetzen. Das Wort Schuld, oder auch unschuldig fällt. Doch vielmehr präsentiert sich die Einsamkeit, die sich auf wenige Quadratmeter uferlos ausbreiten kann, von Reue die man empfindet. Die Geschichten erzählen vom Sterben hinter Gittern. Es gibt gefährliche Begegnungen mit Gefangenen, von Seelen die von sich aus nach einer Sicherheitsverwahrung schreien. Jede Seite, jede Taste der Wut und Enttäuschung wird hier angeschlagen. 

Es sind interessante Momentaufnahmen, die uns Joe Bausch präsentiert. Sie zeigen den „Menschen“ hinter dem Gefangenen und diese gehen unter die Haut. Das Echo dieser individuellen Geschichten, klingt noch lange nach. Das Schicksal ist mit Sicherheit ein verdammt mieser Verräter. Joe Bausch prangert und verurteilt seine inhaftierten Gesprächspartner, die sich vertrauensvoll an ihn gewendet haben, nicht-Ohne auf den Seiten sentimental zu werden, spürt man doch, dass die Geschichten auch dem Autor nahegegangen ist. 

Joe Bausch ist ein Mensch mit Profil, ein harter Hund, aber im inneren auch ein hartgekochtes Weichei und das ist nicht despektierlich gemeint. Viele Schicksale, die er täglich hört, kann man nicht hinter Gittern in eine Zelle einschließen und den Schlüssel wegwerfen. Diesen Geschichten gelingt die Flucht in die Welt außerhalb der Haftanstalten. Sie entfalten sich in ruhigen Momenten und wie ein harter Blues, erreichen die Töne die Seele. Die Klangfarben? Hell und Dunkel – alle Schattierungen vertreten. 

„Gangster Blues“ von Joe Bausch ist auch keine offene Anklage an unser Justizsystem. Keine Feinjustierung – aber es gibt auch kritische Laute, die aber nicht vorrangig das Buch formen.  Nein – der Mediziner und Autor schreibt nicht ohne Gefühl, aber er überlässt es auch dem Leser, welche Melodie diesen berührt. Mitleid und Mitgefühl empfindet man, auch bei einzelnen Passagen kann man schmunzeln, wie gesagt – das Leben schreibt die besten (eingesperrten) Geschichten. Das "Böse" - ja es gibt es, aber man kann es nur beschränkt einschließen. 

Weiterhin erlangt man beim Lesen des Titels unweigerlich einen Einblick in die reglementierte eingeschränkte Welt eines Gefängnisses, die man besser persönlich nicht kennenlernen möchte. 

Fazit

„Gangster Blues“ von Joe Bausch ist anders, eine Sinfonie, die uns einsperren kann. Spannung ist nicht das richtig angewandte Wort, vielmehr und das ist gut so, zeigt es individuelle, abgefahrene Einzelschicksale, und den Menschen, der dafür nun einstehen muss. Die Einsamkeit und die Angst vor einer Freiheit, die man vielleicht gar nicht mehr kennt – sind die größten Dämonen, die heftigste Bestrafung und ein zweites Mal einsperren? Sorry – Antrag abgelehnt. 

„Gangster Blues“ von Joe Bausch ist schlichtweg verdammt gut. Eingesperrt in ein morbides Lesevergnügen....und der Blues klingt lange nach. Danke Joe Bausch.

Michael Sterzik






Mittwoch, 24. Oktober 2018

Totenweg - Romy Fölck

Wann, oder wo endet ein Lebensweg? Welche Wege geht ein „junger“ Mensch, wenn er sich denn entscheidet eine bestimmte Abzweigung zu gehen? Kann man die Konsequenzen absehen, oder betritt man mit jedem Schritt Neuland? Denken wir anders: Manche Wege werden uns auf gezwängt, manche Wege des Lebens muss man beschreiten, eine Fluchtmöglichkeit – eine Ausfahrt zu bequemen Alternativen führen vielleicht noch zu steinigeren Wegen!?

In Ihrem Debütroman;  „Totenweg“ von Romy Fölck gibt es viele Wege, den ihre Protagonisten gehen müssen. Allesamt sind sie allerdings spannend, voller Abzweigungen, manche führen zu dunklen Geheimnissen, manche enden zufriedenstellend, und wiederum sind andere nur Zwischenstopps auf den persönlichen Wegen des Lebens. 

„Totenweg“ ist der erste Band einer Reihe um die junge angehende Kriminalbeamtin Frida Paulsen und dem viel älteren Hauptkommissar Bjarne Haverkorn, dem ein alter ungelöster Mordfall nicht loslässt. 

Die Autorin nutzt diesen alten Kriminalfall als Grundstein für ein vielschichtiges Spannungsgerüst, dass sich als äußerst strapazierfähig herausstellt. Der Mord an Fridas Freundin Marit wurde nie aufgeklärt, aber die junge Beamtin weiß mehr als sie vor dem damals ermittelnden, ehrgeizigen Kommissar Haverkorn zugegeben hat. Ihre Eltern schoben die junge Frida damals in ein süddeutsches Internat ab, weit entfernt von einem Mädchenmörder, weit weg von einer potenziellen Gefahr. Die nun ältere Frida Paulsen trägt das ihren Eltern auch nach knappen 20 Jahren noch nach. Bjarne Haverkorn ahnt, dass die junge Kollegin mehr weiß und helfen könnte diesen Fall endgültig abzuschließen. Als Fridas Vater niedergeschlagen und schwerverletzt im Krankenhaus um seinen Leben kämpft, kehrt die junge Polizistin zurück. Ihr Weg führt sie über den Totenweg in das Dorf ihrer Kindheit. Zurück in die Vergangenheit und ein kleines Stück zurück in die Zukunft. Die Geister, die sie nicht gerufen hat, werden sie tyrannisieren, sie auffordern abzuschließen. Der Weg dahin allerdings ist blutig, steinig und zwischen den Apfelbäumen lauern dunkle Geheimnisse, und eine Schuld die nicht zu gleichen Teilen verteilt wurde...

Romy Fölcks „Totenweg“ ist ein präzises und komplexes, kriminalistisches Meisterstück.  Ein Kriminalroman mit einer starken atmosphärischen Präsenz. Geschickt kombiniert die Autorin – die alte, schicksalshafte Vergangenheit, mit einer aktuellen Gefahr. Perfekt gelungen ist Romy Fölck die Konzeption der Nebengeschichten und Figuren. Dieses Netzwerk von Storyline und Nebenhandlungen und seinen Charakteren ist beeindruckend. Keine Logiklücken, reaktive und aktive Beziehungen ergänzen sich dynamisch und erschaffen eine so spannende Atmosphäre, die einen voll und ganz auf den „Totenweg“ begleitet. 

Betrachtet man die Charaktere in dem Roman, so sind diese absolut realistisch dargestellt. Gerade die Beziehungen und Abhängigkeiten in einem kleinen Dorf, dass von der Landwirtschaft lebt, von Menschen die seit Generationen dort wohnen, kann man davon ausgehen, dass viele Geheimnisse gibt, viele Freund- und Feindschaften. Eine individuelle Persönlichkeit kann auch ruhig ein ganzes Dorf sein. 

„Totenweg“ ist durchtränkt von einer präsenten Spannung. Das liegt auch daran, dass Romy Fölck es ermöglicht all ihren Figuren und Nebenhandlungen eine Bühne zu bauen, in dem jeder eine wichtige Rolle spielt. Selten habe ich das so beobachtet wie bei diesem vorliegenden Band. Selbst die privaten Herausforderungen von Bjarne Haverkorn sind passgenau eingearbeitet und unterhaltsam. 
Frida Paulsen dagegen ist exemplarisch mit einer Hands-on-Mentalität dargestellt. Eine schroffe, sensible und selbstbewusste Frau, allerdings mit einer gewissen sozialen Inkompetenz und einer inneren Unsicherheit sich selbst gegenüber. 

Zurück zu den Wurzeln, die sie stolpern ließen, geht sie ihren Weg konsequent weiter. Über den „Totenweg“ erreicht sie im zweiten Band das „Totenhaus“. Es wird also nicht sterbenslangweilig und todmüde scheint Romy Fölck auch nicht zu sein. 

Fazit

„Totenweg“ ist brillant. Einer der stärksten Kriminalromane in diesem Jahr. Der Spannungsaufbau verhält sich wie ein Schweizer Uhrwerk. Passgenau – Detailreich – tolle Charaktere. Sympathische menschliche Abgründe. 
Prädikat: Ein Thriller, den man lesen muss und eine Autorin, die Spannung garantiert. 

Michael Sterzik 





Montag, 22. Oktober 2018

Vollendet - Die Flucht - von Neal Shusterman

Der Titel „Vollendet – Die Flucht“ von Neal Shusterman wurde in Deutschland schon 2012 veröffentlicht. Nach dem Erfolg der beiden Jugendbuchtitel: „Scythe“ von Neal Shusterman, lässt der Verlag Fischer die Reihe „Vollendet“ neu aufleben. Der Autor, der grundsätzlich moralische Themen in seinen Titeln diskutiert, lässt in dem vorliegenden Roman das Thema „Organspende“ drastisch und dystopisch darstellen. 

In unserer heutigen Zeit, führt die Organspende noch immer zu intensiven Diskussionen. Fakt ist: Es gibt zu wenige Spender. Die Statistiken zeigen, dass die Bereitschaft mit den eigenen Organen nach dem Tode Leben und Hoffnung zu spenden, rückläufig ist. Schon längst ist Deutschland in einer Stiftung „Eurotransplant“ vertreten, in der sich einige europäische Länder organisiert haben. 

Der amerikanische Autor Neal Shusterman thematisiert die moralische und ethische Fragestellung einer Abtreibung um diese dann dramatisch in eine Organspende umzuwandeln? Na verstanden? Hört sich schrecklich an, oder? Ist es auch – in einer nahen Zukunft haben sich die Abtreibungsgegner und die Befürworter auf eine Alternative geeinigt. Die Medizin hat große Fortschritte gemacht, noch gibt es keine Unsterblichkeit, noch gibt es Krankheiten die zum unausweichlichen Tod führen. Doch die Wissenschaftler und Ärzte überlisten den Tod mit einer Organspende etwas makaber, das Thema Abtreibung ist faktisch einfach nur umgangen worden. Die Eltern können ihre Kinder in den Lebensjahren 13 – 18 Jahren nachträglich „abtreiben“. Nett umschrieben nicht man das nicht „Tod“ – sondern freundlicherweise wird man „umgewandelt“. Die zur Abtreibung bestimmt Person spendet all ihre Körperteile und Organe und (über)leben“ weiter. 

Das damit natürlich nicht alle Jugendlichen einverstanden sind, dürfte auf der Hand liegen. Auch der Gedanke, dass sich die Eltern unbeliebten Nachwuchs legal entledigen, ist in sich völlig abgedreht krank. Schlechte Noten? Pubertäre Rebellion? Scheidungskinder – und zack schon wird man von den Eltern „abgetrieben“ und findet sich in einem Erntecamp wieder, in dem man als menschliches Puzzle zerstückelt wird.  

Neal Shusterman erzählt in „Vollendung  - Die Flucht“ die Handlung aus drei Perspektiven junger Menschen, die zur Umwandlung gespendet wurden. Ein „Problemkind“, dass in der Schule nicht durch gute Noten, sondern Prügeleien auffällt, dann ein Waisenmädchen das talentiert aber nicht gut genug das Klavier beherrscht und deswegen aus wirtschaftlichen Gründen „gespendet“ wird. Zu guter Letzt noch ein 13-jähriger Junge, der von seiner religiösen Familie, als Opfer (Zehnt-Opfer-Fest) seiner Bestimmung folgen darf.

Der Autor zeigt ein drastisches Zukunftsbild, mit Moral- und Ethischen Werten, die fragwürdig ist. Was ist ein Leben wert? In diesem Fall nicht viel. Vielen Leben retten, ja klar - aber der Preis erscheint unmenschlich hoch. Die Grundidee wirft eine Welle von Fragen auf, alle Fragen und abzweigende Themen werden leider vom Autor nicht gänzlich beantwortet. Immer wieder gibt es Aspekte die Neal Shusterman anreißt und den Leser dann im Regen stehen lässt. Das ist der größte inhaltliche Schwachpunkt – die Welt um die drei Flüchtlinge, die es schaffen müssen bis zum 18 Lebensjahr in einem Stück zu überleben, ist vollumfänglich nicht gut und ausführlich erzählt. 

„Vollendet – Die Flucht“ ist der Auftakt zu einer Reihe, die vier Bände umfassen soll. Vielleicht werden also die nächsten Bände, die aufkommenden Fragen beantworten können. Es wäre jedoch vorteilhaft bei einem so verstörenden Thema, die komplexe Welt, die Neal Shusterman beschreibt etwas detailreicher zu beschreiben. Es gibt auch keine ausführliche Erklärung der Vergangenheit? Was ist passiert? Welche technische Evolution fand stand? Was ist mit anderen Ländern? In welcher Zeit spielt der Roman eigentlich? Welche gesellschaftlichen Probleme, oder kulturelle gibt es? Man könnte diesen Fragenkatalog noch endlos weiter führen. Antworten dazu gibt es in Band 1 nicht.

Man merkt, dass sich Neal Shusterman als Autor seit 2012 weiterentwickelt hat. Analysiert man die beiden späteren Scythe-Bände, so präsentiert sich ein viel detailreiches Bild. Stil, Ausdruck und Sprache sind deutlich anspruchsvoller und vielschichtiger. 

Spannend ist „Vollendet – Die Flucht“ nicht unbedingt. Man hat den Eindruck, dass die Flucht dieser „Wandler“ (so nennt man die Flüchtlinge, die umgewandelt werden sollen) niemals endet. Dazu gibt es dann Dialoge, die langatmig und manchmal die Geschichte nicht nach vorne bringen. Es gibt wenig bis gar keine Nebengeschichten und Charaktere, die überzeugen. Auch die drei Hauptdarsteller sind etwas sehr blass dargestellt und von ihrer Vergangenheit erfährt man zu wenig, sodass die charakterliche Tiefe nicht ausgebaut ist.

Emotional lässt mich die Handlung einfach kalt, sie berührt mich zu keinem Zeitpunkt. Die Erwartungshaltung bei einem so beängstigenden, verstörenden Thema, scheint zu hoch zu sein. Für Jugendliche Leser allemal geeinigt, aber für Erwachsene, deren Lebenserfahrung und Komplexität größer ist, ist „Vollendet – Die Flucht“ ein unvollendeter Roman. Er hätte groß werden können – dafür ist die erzählte Welt allerdings viel zu klein. 

Michael Sterzik

@fischerverlag 








Montag, 15. Oktober 2018

Die Elemente des Todes - Axel Petermann und Claus Cornelius Fiscer

In der offenen Reihe „True Crime“ im Verlag Knaur wurde vor kurzem der Titel: „Die Elemente des Todes“ von dem ehemaligen Kommissar und Profiler Axel Petermann und dem Autor Claus Cornelius Fischer veröffentlicht. 

Das Genre „True Crime“ ist erfolgreich im Münchner Verlagshaus. Ein bisschen frischer Wind im belletristischen Genre Krimi/Thriller. Das Angesicht des Todes kann schon recht verschieden demonstriert werden, und dass „Böse“ versteckt sich ja immer mal gerne hinter einer Maskerade der Normalität, oder der Harmlosigkeit. Doch dunkle Wasser sind tief – und das „Böse“ wirkt allzu sehr reizend auf uns. 

Lesen wir einen spannenden Krimi, oder einen actiongeladenen Thriller, so haben wir ein perfektes Alibi für unser Gewissen – alles nur Fiktion, ist nicht passiert, wie kann man sich so etwas nur ausdenken. Im Genre „True Crime“ schauen wir allerdings Ermittlern, Tätern und auch den Opfern als Voyeure über die Schulter und hier klettert dann die Realität verstohlen auf die Bühne. 

Der vorliegende Roman: „Die Elemente des Todes“ ist auf der Basis eines wahren Kriminalfalles geschrieben. Namen, einzelne Szenen wurden zum Schutz der Opfer, der Angehörigen und der Beamten verändert. Authentisch bleiben die Beschreibungen der Morde – und die Aura des „Bösen“. 

Den beiden Autoren ist es eindrucksvoll gelungen, nicht nur eine spannende Geschichte zu erzählen, sondern auch diese durch die verschiedenen Perspektiven der handelnden Personen zu schildern. Die perversen Fantasien der Täter, ihre Motivation, ihre Planung und Ausführung werden ebenso detailreich erzählt, wie die Ermittlungen der Kriminalbeamten. Der Leser wird den Druck auf die Beamten selbst empfinden, einmal den seelischen – den man sich nicht entziehen kann, wenn man das „Böse“ bekämpft, sondern auch die Herausforderung die Täter möglichst schnell stoppen zu können, damit der Bodycount nicht noch mehr steigt. Jeder Fehler bei einer Ermittlung, ein Zögern kann womöglich den Tod des nächsten Opfers nicht aufhalten. Wer möchte dann noch sagen können, oder daran erinnert werden: Hätte ich doch, warum habe ich nicht, wieso habe ich nicht daran gedacht!? Diese Emotionen spiegeln die Autoren realistisch. 

Aber auch die Opfer kommen zu Wort. Ihre emotionale Abhängigkeit gegenüber ihren späteren Mördern, wird thematisiert. Eine Droge – die tödlich endet und deren Beschreibung beim Leser noch lange nachklingen wird.

„Die Elemente des Todes“ von Petermann und Fischer ist kein Märchen, kein fiktionales Werk und das erzählte Grauen ist der Türöffner zum eigentlichen „Bösen“. Was dann auch die Frage aufwirft, aber letztlich nicht final beantworten kann: Wie wird man zum Mörder?  Psychologische Hintergründe in der Kindheit, oder ist das Böse in der DNA als festes Element eingebaut? Es gibt Studien, Wahrscheinlichkeiten, Ableitungen – aber keine ultimative Wahrheit. 

Durch diese drei Perspektiven eröffnet sich letztlich ein spannendes Gesamtkonstrukt, die Charaktere sind der passende Schlüssel. Die Spannung ist immer on air – der Leser dreht sich quasi mir Eskalationsspirale mit, dass mit hohem Tempo, ohne viel inhaltliche Pausen. 

Überhaupt – „Die Elemente des Bösen“ wirkt überzeugend über den detailgetreuen Emotionsdschungel. Die Wahrheit, schreibt die besten Geschichten. In diesem Fall die tödlichsten, aber manchmal fragt man sich ja doch wie naiv Angehörige von Opfern und Tätern sein können. Oder blenden sie im stressigen Alltag diese merkwürdigen Verhaltensweisen Ihrer „Lieben“ einfach aus!?

Für den aufmerksamen Leser eröffnen sich ebendiese in der Handlung, die wir auch nicht begreifen wollen, oder können. 

Sehr interessant und absolut packend dagegen sind die rhetorischen Duelle zwischen dem leitenden Kommissar und den Verdächtigten. Ein langsames, aber spannendes „Mensch ärgere Dich nicht“. Perfekt erzählt. 

Zu jedem Zeitpunkt der Handlung wird der Leser merken, dass den Kriminologen Axel Petermann als erfahrenen Autoren zeigt. Viele Details, ein kleiner, aber intensiver Einblick ist die gute und professionelle Ermittlungsarbeit. 

Es gibt wenig zu kritisierende Schwachpunkte. Bei den Autoren scheint es  eine musische Ausprägung zu geben und der verstorbenen Künstler „Falco“ erlebt hier seine Auferstehung. Es gibt einfach etwas zu viele Anspielungen von Musikstücken, die innerhalb der Handlung einfach mal vorrücken. Nicht wirklich störend, aber auffällig. Weiterhin wird in Nebengeschichten, dass Privatleben des Chefermittlers intensiv aufgegriffen – hier wäre es vorteilhaft gewesen, den Mördern ebenfalls diesen Raum zuzusprechen.

Fazit 

„Die Elemente des Todes“ reiht sich in Perfektion in die Reihe „True Crime“ ein. Spannende Abgründe in die Seelenwelt von Mörder. Sensible Charakterisierung der Opfer und ihre Abhängigkeiten. Grundlegender und sehr gelungener Blick in die Gefühlswelt eines leitenden Beamten. 

„Die Elemente des Todes“ ist böse authentisch. Ein Abstieg in menschliche Abgründe – der Spannungsbogen hält. Perfekt und sehr empfehlenswert.

Michael Sterzik


#Truecrime #Axelpetermann #DieElementedesTodes 






Freitag, 12. Oktober 2018

Die Opfer, die man bringt (Ein Fall für Sebastian Bergman) von Hjorth & Rosenfeldt

Die Reihe um den Kriminalpsychologen Sebastian Bergmann wird nun bei Rowohlt mit dem sechsten Band: „Die Opfer, die man bringt“ fortgesetzt. Es gibt wenige Kriminalpsychologen in der Belletristik – Genre „Thriller/Krimi“ die solch ein soziopathisches Auftreten besitzen. 
Sebastian Bergman ist hochintelligent, er manipuliert seine Mitmenschen um an seine persönlichen Ziele zu gelangen, dass ggf. andere Personen dadurch Probleme bekommen, interessiert ihn erst einmal nicht. Später kommt dann die Reue in Form eines Hammerschlages, aber dann ist es meistens zu spät. Die Figur dieses Psychologen ist faszinierend. Sympathisch nicht unbedingt, niemand möchte eine soziale Atombombe in seinem Umfeld hochgehen lassen. Der Charakter ist ambivalent und polarisiert – aber er ist genial konzipiert. 
Wir erinnern uns an den letzten Band. Sebastian Bergman gehört nicht mehr zum Team der Reichsmordkommission. Sein Leben und damit auch sein soziales Umfeld gibt es faktisch nicht. Ein Buchprojekt hält seinen intellektuellen Geist wach und manchmal hält er Vorträge, dass alles füllt ihn allerdings nicht aus. Seine Gedanken kreisen ums seine Tochter Vanja, die allerdings verständlicherweise keinerlei Kontakt zu ihrem leiblichen Vater haben möchte. Als eine Vergewaltigungsserie in Uppsala eskaliert und die erste Tote gefunden wird, wird Sebastian Bergman durch die regionale Kriminalbehörde reaktiviert und die Reichsmordkommission wird ebenfalls eingeschaltet. Das „alte“ Team kommt damit wieder zusammen und ebenfalls werden alte Konflikte eingeschaltet und eskalieren...
Es ist unbedingt notwendig, dass man die vorherigen Bände chronologisch liest. Den vorliegenden Band: „Die Opfer, die man bringt“, ohne das Vorwissen zu lesen, ist absolut sinnlos. Das Beziehungsnetz der Personen ist zu komplex, und die Anspielungen, bzw. die Charakterlichen Veränderungen, kann man sonst keinesfalls begreifen. 
Der aktuelle Titel ist ein Pageturner, eine vielschichtige Spannung, die sich präsentiert. Allerdings geht die Spannung weniger von dem Kriminalfall aus, die persönlichen Nebengeschichten der Teammitglieder formen die Story und geben dem Roman die inhaltliche Seele. Die Vergewaltigungsserie ist ein erzählerisches und notwendiges Nebenprodukt. Klar ist diese auch spannend, aber ich vermute, dass diese primären Nebengeschichten, die Vorbereitung für den siebten Band sind und dieser könnte dramatisch ausfallen. Gerade die Story um Billy, aber auch die Beziehung von Sebastian zu seiner Tochter Vanja, bilden die Grundlage für den nächsten Fall. 
„Die Opfer, die man bringt“ von Hjorth & Rosenfeldt ist anders, aber nicht schlechter als die letzten Bände. Es ist der Anfang, der Prolog, für den siebten Band, die ggf. das Team der Reichsmordkommission auf immer verändern wird. 
Analysiert man die eigentliche Haupthandlung – die Vergewaltigungsserie, so werden hier aktuelle, gesellschaftliche Themen aufgegriffen, über die man manchmal laut und leise diskutieren mag. 
Fazit 
Storytelling hin oder her – „Die Opfer, die man bringt“ von Hjorth & Rosenfelt ist ein Pageturner. Brillantes Spiel der Akteure – ein Feuerwerk an persönlichen Befindlichkeiten und Eskalationen. 
Die beiden schwedischen Autoren kommen übrigens zu dem 12. Krimifestival in Hamburg, das vom 6. bis 10. November 2018 stattfindet. 
Dienstag, 6. November 2018
Kriminelle Eröffnung
In den dunklen Straßen von Stockholm
Michael Hjorth & Hans Rosenfeldt
Musik: Sebastian Knauer
19.30 Uhr | K6
Kampnagel
Ich freue mich auf den nächsten Band mit Sebastian Bergman – die Reihe ist einer der besten Kriminalreihen in den letzten 15 Jahren. Prädikat: Muss man einfach lesen.
Michael Sterzik






Dienstag, 9. Oktober 2018

Die besten Thriller - Januar - September 2018

Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Vielleicht sich Zeit zu nehmen, einmal das Thriller/Krimi Jahr Revue passieren zu lassen. Vielleicht findet sich das eine, oder andere als Geschenk für das kommende Weihnachtsfest, vielleicht auf für einen schönen Herbsturlaub, oder beim gemütlichen Lesen auf dem Sofa!? 
Ende des Jahres - Anfang Dezember gibt es meine abschließende Bewertung. 
Das sind meine bisherigen Top Ten für das Jahr 2018. Ich bedanke mich bei allen Verlagen, die mir die Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt haben. Diese findet Ihr auf meinem Blog: https://buchempfehlungensterzik.blogspot.com
Es war ein wirkliches "spannendes Jahr" mit Autoren, die ich neu entdeckt habe, mit Fortsetzungen die mich überzeugten und mich wirklich faszinierten. 
1. Origin (Dan Brown) Lübbe
2. Ragdoll/Hangman (Daniel Cole) Ullstein
3. Das Lied der toten Mädchen (Linus Geschke) Ullstein
4. Oxen (Trilogie) Jens Henrik Jensen (dtv)
5. Eifersucht (Andreas Föhr) Knaur
6. The President is Missing (Patterson/Clinton) Knaur
7. Die Opfer, der man bringt ( Hjorth/Rosenfeldt) Rowohlt
8. Die Macht des Präsidenten (Clancy/Greany) Heyne
9. Die Tränen der Kinder (Alex Thomas) Amazon
10. Im Wald (Nele Neuhaus) Ullstein 
(Es gibt keine Bewertung innerhalb dieser Top 10). 


Montag, 8. Oktober 2018

Der Krieger - Geraint Jones

„Varus, gib die Legionen zurück“ soll Augustus verzweifelt ausgerufen haben, als er den Bericht von der Vernichtung der drei Legionen im fernen Germanien vernahm. Ein Achtel der römischen Streitkräfte wurden von dem Cheruskerfürsten Arminius bis auf wenige Überlebende gänzlich vernichtet. Ausgerechnet Arminius, aufgewachsen als Geisel in Rom. Militärisch ausgebildet, hoch dekoriert, vertrauensvoll – ihm gelang es die vielen auch miteinander verfeindeten Stämme Germaniens zu vereinen. 

Irgendwo im Teutoburger Wald wurden ca. 24000 Legionäre, Hilfstruppen und wahrscheinlich ein paar tausend Familienangehörige, Zivilisten, Sklaven, usw. getötet. Die Niederlage war auch das Ende des Eroberungskrieges in Germanien. 

In dem vorliegenden Roman: „Der Krieger“ von dem amerikanischen Geraint Jones, thematisiert der ehemalige Elitesoldat, die Ereignisse dieser mehrtägigen Schlacht. 
Als Soldat war er bei mehreren Kampfeinsätzen in Afghanistan, im Irak und in Krieg gegen somalische und nigerianische Piraten. Die Schrecken eines Kampfes auf Leben und Tod, die Verzweiflung, die erlebten Verluste an Kameraden, vielleicht Freunden und nicht zuletzt die allgegenwärtige Angst, verarbeitete der Autor in diesem historischen Roman. 

„Der Krieger“ ist sein Debütroman und ja es klingt etwas merkwürdig: Ein Amerikaner, der eine „Schlacht“ zwischen Germanen und Römern beschreiben möchte? Eine gewisse Skepsis eröffnet sich dann ja doch, aber dem Autor Geraint Jones ist es gelungen, die Emotionen die so eine brutale, kriegerischen Aktion nun mal mitbringt, gut zu transportieren. 

Der Autor befasst sich nicht mit der Politik des römischen Weltreiches, auch nicht über den organisierten Widerstand der Germanen und es gibt jedenfalls in diesem Band keine Schilderung über die späteren Auswirkungen. Geraint Jones fokussiert sich ganz und gar auf die Perspektive des einfachen Soldaten und der etwas höher gestellten Feldoffiziere. Vielleicht ist etwas daran, dass Soldaten egal in welcher Epoche sie sich durchkämpften identisch, vielleicht ähnlich fühlen!? Tausende von Kilometern entfernt, alleine unter Kameraden, die Zukunft ungewiss, vielleicht den Tod als einzigen Ausweg vor Augen? 

Geraint Jones hangelt sich ganz passabel entlang der historischen Quellen. Es gibt ein paar Be- und Umschreibungen, die nicht ganz passen, aber die Storyline passt sich der Vergangenheit gut an. Es geht dem Autor auch gar nicht darum, die Schlacht „neu“ zu erzählen, ggf. neu, oder anders zu interpretieren. Die Handlung bezieht sich ausschließlich auf die psychischen Herausforderungen, die eine achtköpfige Zeltgemeinschaft während dieser Schlacht ausgesetzt ist. Es gibt die abgeklärten Veteranen, für die, die Römische Armee ein Familienersatz ist. Den einfachen Soldaten, der seine 20-jährigen Dienstzeit überleben will und es gibt junge Rekruten die den brutalen Schrecken erst jetzt kennenlernen. Der Autor erzählt von Offizieren, die intrigant agieren, von Helden, die sich nicht an ihre Vergangenheit erinnern können, oder wollen. Die historischen Figuren eines Arminius, oder seines Gegners, des römischen Statthalter Varus, sind nur Nebenfiguren. 

Transportiert in „Der Krieger“ werden hier Emotionen: Opferbereitschaft, Freundschaft, Feindschaft, Rache, Vergeltung, Liebe, Vertrauen – all das prägt und empfindet der einfache Soldat im Feld – und letztlich ist er ja auch nur ein Mensch. 
  
Geraint Jones beschreibt in „Der Krieger“ den Lärm einer Schlacht verdammt laut und kompromisslos. Natürlich wird getötet und gestorben in einer Schlacht, es müssen Entscheidungen getroffen werden, die nicht jedem gefallen können. Vor allem die verzweifelte Angst bekommt hier eine ganz eigene, durchdringende Atmosphäre – vielleicht kann man das als Autor auch nur beschreiben, wenn man es selbst er- und gelebt hat. 

Die Charaktere sind überschaubar platziert. Die Hauptfigur hat viel Potenzial – bleibt aber immer etwas im Schatten seiner selbst stehen. Dessen Beziehung zu dem Rädelsführer, Verräter und germanischen Freiheitskämpfer Arminius allerdings ist der größte Kritikpunkt des Buches. Es wirkt einfach zu wenig realistisch und allzu wild und absolut künstlich konstruiert. Die Handlung wie schon erwähnt schildert leider auch nur größtenteils die Perspektive der Römer – die Germanen und deren Motive bleiben unberücksichtigt. Nur Arminius erzählt, warum er diesen Weg gewählt hat – der dramatisch gesehen, auch sein eigener Untergang sein wird. 

Die Zeltgemeinschaft – diese acht Soldaten sind die Hauptakteure und sind gut und in sich stimmig ausgearbeitet. Den einen oder anderen könnte man ggf. in dem zweiten Teil dieser geplanten Reihe wieder treffen. 

Als Debütroman gesehen ein solider, historischer Roman, der die erschreckende Perspektive des einfachen Soldaten schildert. Geraint Jones sollte in seinen nächsten Werken mehr Nebengeschichten und Figuren einbauen, die ggf. auch historisch belegbar sind. Mehr vom Leben erzählen, und etwas weniger vom sterben und ganz sicher muss der übergreifende historische Augenblick eingefangen werden. 

„Der Krieger“ von Geraint Jones ist eine brutale, laute Momentaufnahme der Bestie namens Krieg. Erzählerisch gut, aber noch weit ausbaubar und bitte eine konzentrierte Handlung mit dem Blick auf die kleinen, wichtigen Details. 

Michael Sterzik