Dienstag, 7. Juli 2020

Legendes Krieges - Der eiserne Schwur - David Gilman


David Gilman lässt seinen Protagonisten Thomas Blackstone zum inzwischen sechsten Mal im 100.jährigen Krieg zwischen dem englischen und französischen Königshaus kämpfen.  Der jugendliche Steinmetz ist inzwischen zum legitimierten Kriegsherrn aufgestiegen. Doch sein kriegerisches Leben hinterlässt eine Spur des Todes in seiner Vergangenheit. Seine Frau und Tochter wurden ermordet, ganz zu schweigen von vielen Freunden – Lehrern und Weggefährten, die nicht nahezu unsterblich wirken, wie Blackstone selbst.

Das dieser Krieg nicht nur lange, sondern auch von beiden Seiten unerbittlich und brutal geführt wurde, geben viele historische Quellen wieder. Die Opfer waren nicht nur Soldaten der beiden Länder, oder Söldner – sondern gerade die Zivilbevölkerung in kleineren Dörfern und Städten wurde fast schon systematisch abgeschlachtet. David Gilman lässt in dem vorliegenden Band dieser hervorragenden historischen Reihe eine Brutalität sprechen, die fast schon nicht mehr zu ertragen ist. Ein Leben, auch das eines einfachen Soldaten wird nicht wertgeschätzt – es kann natürlich sein, und es deutet ja auch alles darauf hin, dass es wirklich so gewesen sein mag – aber die erzählerische Kälte möglichst den Tod durch das Schwert spannend und blutig zu schildern, ist tendenziell zu stark. Dieses wiederum spiegelt sich auch im Charakter von Thomas Blackstone wider. In „Der eiserne Schwur“ zeigt er bis auf wenige Ausnahmen eine Gefühlskälte dar, bei der man sich fragt, wie es charakterlich mit der persönlichen Legende des Krieges weitergehen mag.

Der Autor hat gezeigt, dass er sehr, sehr spannend erzählen kann. Spannend ist der vorliegende Band auch – doch auch sehr vorhersehbar und allzu konzentriert darauf möglichst brutale Tötungen zu beschreiben. Kampfkunst hin oder her – auch hier beschreibt David Gilman anhand historischer Quellen verschiedene Schwerttechniken, die natürlich auch praktische Verwendung finden.

Trotz dieser vorherrschenden Kritikpunkte retten die Nebenfiguren den Unterhaltungswert. Die Dialoge sind manchmal sehr provokant witzig, ironisch und führen Thomas Blackstone zurück auf den unblutigen Weg des Kriegers.

Auch die Politik versteckt sich hinter der Bühne. Leider – denn auch das wäre ein spannendes Thema sein können. In puncto „Liebe“ – die hier sehr sekundär verwendet wird, findet man zum Ende hin eine interessante Dramatik, aber auch diese ist vorhersehbar und keineswegs überraschend. Gerade eine dramatische Auseinandersetzung fehlt hier – eine Person, oder überhaupt ein Feind, der Thomas Blackstone ebenbürtig ist. David Gilman stellt ihn als allzu selbstsicher, unbesiegbar und unsterblich dar. Letzteres ist ärgerlich – denn es ist nicht allzu realistisch, dass er einfach alles überlebt.  

Frankreich, 1362: Zwar wurde Thomas Blackstone, einst ein einfacher Bogenschütze, zum Kriegsherrn König Edwards III. ernannt – doch das schützt ihn vor Verleumdung nicht. Eine Gruppe Ritter des Deutschen Ordens trachtet nach Vergeltung an dem walisischen Söldnerführer Gruffydd ap Madoc, der für grausame Verbrechen im Elsass verantwortlich sein soll. Da wittert Simon Bucy, der raffinierte Berater des französischen Königs, seine Chance. Blackstone sei mit dem Waliser geritten und der eigentliche Schuldige, flüstert er ihnen ein, und die Ritter begeben sich auf die Suche. Blackstone kämpft derweil mit Entschlossenheit für den Anspruch seines Königs auf französischen Boden. Zugleich bangt er um die Sicherheit seines Sohnes Henry. Dann gerät nicht nur dieser, sondern auch der englische Prinz in größte Gefahr …(Verlagsinfo)

Fazit

„Legendes Krieges – Der eiserne Schwur“ von David Gilman ist ein brachiales, brutales Bild des 100. Jährigen Krieges. Erbarmungsloses Töten – kalt und emotionslos erzählt. Spannend ist es – wie geht’s denn nun weiter? Es wird Zeit für eine neue Herausforderung, die Thomas Blackstone dazu treiben muss, sich selbst zu reflektieren. Es wird Zeit – dass auch er wieder weiß – was Tot und Verlust bedeuten mag.

Der sechste Band ist, obwohl der Schwächen sehr empfehlenswert – wenn man sich auch die gesamte Reihe konzentriert. David Gilman hat auch mit diesem Band bewiesen, dass er ein guter Autor ist – gut recherchiert – guter Aufbau – gute Charaktere – aber insgesamt zu wenig Handlung.

Michael Sterzik

Freitag, 3. Juli 2020

Oxen - Lupus - Jens Henrik Jensen


Die Danehof-Trilogie von dem dänischen Autor Jens Henrik Jensen im Genre Thriller war nicht nur in den skandinavischen Ländern ein großartiger Erfolg. Die entworfene Hauptfigur des Ex-Elitesoldaten Niels Oxen hat auch für weitere Teile noch einiges an Potenzial zu bieten. Er ist ein „Held“, der sehr widerwillig agiert. Aufgrund seiner Kriegseinsätze auf dem Balkan und in Afghanistan, für die er neben seinen Orden auch nun bitter posttraumatisiert ist, hat er mit sich selbst mehr als genug zu tun. Die Beziehung zu seinem Sohn ist mehr wie als schwierig zu bezeichnen. Die Jahre lassen sich nicht einfach nachholen, oder rückgängig machen und von der sozialen Perspektive aus gesehen, hat Niels Oxen arge Defizite. Er ist ein „Wolf“. Einsam – aber nicht alleine – unabhängig, einzelgängerisch….ein Raubtier mit Instinkten und Überlebenswillen. Bereit zu töten, wenn es sein muss.

Jens Henrik Jensen Schreibstil ist großartig. Locker, gut strukturiert, mit ironischen Untertönen vermengt und immer auf den Punkt fokussiert. Dies in einer mehrbändigen Reihe auszuarbeiten ist einfacher, als in einem späteren unabhängigen Titel – doch in dem vorliegenden Roman „Lupus“ hat der Autor auch dies gut konzipiert. Auch in „Lupus“ hat der Geheimdienst, wie auch in den Danehof-Titeln, dass eigentliche Storytelling in der Hand. Alte Verschwörungen – alte Rache und Rechnungen und alle schon bekannten Charaktere sind wieder mit von der Partie.

Der Geheimbund Danehof ist zerschlagen, doch der traumatisierte Ex-Elitesoldat Niels Oxen kämpft weiter mit seinen Sieben Dämonen. Für den Geheimdienstchef Axel Mossman soll er nun den vermissten Poul Hansen aufspüren. Die Suche führt ihn dorthin, wo er sich am besten auskennt: in den Wald. Anstatt nach Hansen Ausschau zu halten, interessiert er sich mehr für Wölfe - und trifft auf rätselhafte Spuren. Hansens Verschwinden scheint mit einer Entführung aus dem Jahr 1963 zusammenzuhängen. Und mit dem unaufgeklärten Fall, bei dem Oxens Partnerin Margrethe Franck ihr rechtes Bein verlor. Gemeinsam stellen Oxen und Franck Nachforschungen an. Aber das ruft dunkle Mächte auf den Plan.(Verlagsinfo)

Jens Henrik Jensen vierter Roman um „Oxen“ ist ein in sich abgeschlossener Titel. Das Tempo ist allerdings verhältnismäßig langsam und neben der eigentlichen Hauptstory, gibt es noch einige Nebengeschichten, die gut eingebaut sind, aber manchmal langatmig wirken. Interessant allemal – aber die Spannung wird dadurch nicht weiter ausgebaut. Eine Nebengeschichte befasst sich mit der Privatperson Oxen und dessen Beziehung zu seinem Sohn. Lässt aber auch charakterlich tiefer in seine ureigenen Probleme blicken.

Verschwörungen gehören einfach mit dazu – wenn man sich thematisch schon mit Geheimdiensten befasst. Auch hier keine Ausnahme.  Der Grundgedanke der Hauptstory birgt nicht viel Neues. Alles schon bekannt – alles auch schon in anderen Titeln verarbeitet. Zu kritisieren ist, dass die ganze Hauptstory so dahin köchelt. Zu schnell – zu unsauber aufgebaut – zu viele Chancen auf eine intensive Ausarbeitung schlichtweg leider nicht genutzt. Das Lesevergnügen ist dabei nicht sonderlich getrübt – vergleicht man „Lupus“ allerdings mit der vorhergehenden Trilogie, so kann dieser die Klasse nicht halten.

Die Hauptperson „Oxen“ könnte ausgedient haben. Jegliche Fortführung als Einzeltitel, oder Reihe gesehen, wäre überflüssig. Andererseits wäre es möglich Oxen in späteren Romanen – als Nebenfigur einzubauen. Alles andere wäre faktisch absolut unrealistisch und würde ihm nicht mehr gerecht werden.

Fazit

„Oxen – Lupus“ von Jens Hendrik Jensen ist bedingt empfehlenswert. Sollte man die anderen Titel als Vergleichsmöglichkeit nicht einbeziehen, so kommt dieser bei einer Wertung weit besser davon.

Es ist Zeit – neue Wege zu gehen, ohne „Oxen“ – aber ich bin mir sicher, dass der Autor Jens Henrik Jensen schon weitere Projekte in Planung hat.

Michael Sterzik

Mittwoch, 1. Juli 2020

Die Tribute von Panem X – Das Lied von Vogel und Schlange - Suzanne Collins


Es ist knappe 10 Jahre her, dass Susanne Collins mit Ihrer Trilogie „Die Tribute von Panem“ einen großartigen Erfolg hatte. Die Buchreihe wurde erfolgreich verfilmt und auch wenn diese im Genre „Postapokalyptischer Jugendroman“  angesiedelt ist, so ist die Zielgruppe der Erwachsenen ebenfalls erobert.

Die „Hungerspiele“ – menschliche Tribute, die in einer künstlich erschaffenen Arena auf Leben und Tod kämpfen. Der Gewinner erfreut sich endlosen Ruhm und eine luxuriöse Zukunft mitsamt der Familie. Doch jeder fragte sich, wie hat sich Panem überhaupt entwickelt? Welche Ereignisse führten zum großen Krieg, dem Aufstand und den späteren Hungerspielen? In der Trilogie wurden einige dieser Themen sehr Oberflächig behandelt.

Der vorliegende Band – „Das Lied von Vogel und Schlange“ beginnt 64 Jahre vor der bekannten Trilogie. Die Autorin Suzanne Collins erzählt darin von dem Aufstieg des späteren Präsidenten Coriolanus Snow – der grausame Diktator, der die Fäden im Hintergrund in der Hand hält. In diesem Prequel erleben wir ihn als anfänglich sympathischen Jugendlichen, der getrieben von der Gier nach Macht und Anerkennung sich negativ entwickeln wird. Sensibel, empathisch und schlau – positive Eigenschaften, die er sukzessive gegen Gewalt, Manipulation und Einschüchterung erweitern wird. Panem baut er dann zu einem autoritären Staat aus.

Coriolanus Snow Welt ist überschaubar. Die Snows waren einer der führenden Clans und nun herrscht die Angst, dass seine Familie in Vergessenheit gerät und die immer schwächer werdende gesellschaftliche Stellung letztlich verlieren könnte. Um in Panem studieren zu können – benötigt er ein Stipendium und das könnte er als Mentor für einen der jungen Tribute erhalten- wenn er genau diesen zum Sieg führt.

Suzanne Collins baut eine düstere atmosphärische Kulisse auf. Snows Entwicklung steht im Fokus des Geschehens – und auch dieser kämpft um sein Überleben. Nicht auf Leben und Tod – aber ein sozialer Tod, eine gesellschaftliche Ausgrenzung wäre für den jungen Mann ggf. schlimmer.

Es gibt satte Längen in diesem Buch und die Konzeption von Snow wirkt nicht wirklich durchdacht. Etwas gezwungen baut Suzanne Collins ihre Hauptfigur inmitten einer Handlung, die manchmal sehr oberflächlich wirkt.

Interessant allemal – aber die Hungerspiele sind nicht vergleichbar mit denen aus der bekannten Trilogie. Erst unter der Führung Snows, werden diese zu einem gesellschaftlichen Fest im Breitbildformat entwickelt. Auch dieser Part hätte durchaus spannender erzählt werden können. Auch das „Grauen“ – diese Hässlichkeit der Spiele, kann die Autorin atmosphärisch nicht übermitteln. Jegliche (Un)Menschlichkeit in dieser ehrgeizigen, fast kriminellen und korrupten Gesellschaft ist für den Leser nicht fassbar.
Snow als Antagonist ist wahrlich auch zu keinem Zeitpunkt ein sonniger Sympathieträger. Keine Heldenrolle, die er einnehmen wird. Kein Kämpfer und Rebell für die Gerechtigkeit und Freiheit von Panem. Betrachten wir die Nebenfiguren so sind diese vielseitiger und interessanter dargestellt – letztlich können sie aber insgesamt den Roman nicht besser machen, da helfen auch keine Giftmorde, gesellschaftliche Intrigen und andere Szenarien.
Erst zum Ende hin, begreift Snow, wie auch er manipuliert und instrumentalisiert werden kann. Eine harte Schule – die ihn aber dazu befähigen wird mit Angst und Brutalität sein Panem zu gestalten.

Was der Autorin wirklich gut gelungen ist, ist die Methodik von Panem und seinen Hungerspielen zu erklären. Ebenso der Aufbau von Panem und den vorhergehenden Krieg, zwischen den Distrikten und dem Kapitol ist interessant und beantwortet eine Menge an Fragen, die wir uns schon seit 10 Jahren stellen.  

Fazit

Die Tribute von Panem X – Das Lied von Vogel und Schlange - Suzanne Collins ist gut – nicht herausragend. Spannung ist zwar erkenn- und fassbar, aber deutlich unter den Erwartungen. Es wäre vorteilhaft gewesen, eine neue Trilogie zu gestalten – genug zu erzählen gibt es ja. Bedingt empfehlenswert.

Michael Sterzik


Mittwoch, 24. Juni 2020

Die Mörder der Queen - David Morrell


Das Viktorianische Zeitalter war von 1837 bis 1901. Es begründete die relative lange Regierungszeit Queen Viktorias, doch die Monarchie im Britischen Empire hatte Politisch nicht unbedingt einen hohen Einfluss. Diese Zeitspanne war eine großartige, wirtschaftliche Entwicklung, obwohl die Industrialisierung nicht nur Licht spendete, sondern gerade den Ärmsten Einwohnern auf der Insel, dass Leben schwer machte. Zwei Drittel der Bevölkerung waren grob der sozialen Unterschicht zuzuordnen. Diese am Existenzminimum lebenden Menschen arbeiteten in den Fabriken zu unmenschlichen Bedingungen. Diese Depression kostete immens viele Menschenleben, die im Grunde nichts wert waren.


Insgesamt ordneten sich aber auch alle viele staatliche Instanzen. Es entstanden Prozesse mit organisierten Abteilungen, nach und nach etablierten sich auch Gesetze und vergessen wir auch nicht die Rolle der Frau – die sich jetzt emanzipierte. Glanz und Gloria – zum Himmel-hoch-jauchzend und zu Tode betrübt – das könnte das Motto dieser Zeit sein.
Es gibt viele Romane, die sich mit dieser Zeit befassen. Der Stoff aus dem die Träume sind – waren zum Teil, wie oben schon gesagt Albträume.

Der amerikanische Autor David Morrell lässt das London in der viktorianischen Zeit spannungsvoll aufleben. Eine gekonnte Mixtur aus historischen Themen und einer vielseitig spannenden Kriminalgeschichte, die Überraschungen birgt.

Der trübe Schein der Gaslaternen wabert hinter dicken Nebelschwaden, und auf dem feuchten Kopfsteinpflaster klappern Pferdehufe … Willkommen im viktorianischen London!
Wir schreiben das Jahr 1855, der Krimkrieg ist in vollem Gange und das britische Empire erlebt unruhige Zeiten, als ein kaltblütiger Mörder direkt aufs Herz der verunsicherten Nation zielt: Mitten während des Gottesdienstes in der noblen St. Jamesʼ Church kippt Lady Cosgrove mit durchgeschnittener Kehle aus ihrer Kirchenbank. In der Hand hält sie einen Zettel, der Detective Inspector Sean Ryan und seinen Freund – den als »Opiumesser« verschrienen Thomas De Quincey – in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Denn der Mörder macht deutlich, dass er eben erst angefangen hat, und dass sein letztes Opfer niemand anderes sein wird, als Queen Victoria selbst. (Verlagsinfo)

Die Person Thomas De Quincey ist historisch verbürgt, wie viele andere Protagonisten im vorliegenden Roman auch. Allerdings spielt der britische Schriftsteller und Journalist, seine Rolle als „Ermittler“ fulminant und überzeugend. Die Person ist zwar sehr gut interpretiert, aber tatsächlich war er wohl weniger ein scharfsinniger Ermittler. Nichtsdestotrotz hatte er ein bewegtes Leben. Besonders zwei Werke erhöhten seinen Bekanntheitsgrad enorm:“ Der Mord als eine der schönen Künste betrachtet“ .1821 erschien im London Magazine sein berühmtestes Werk. „Bekenntnisse eines englischen Opiumessers“, das für großes Aufsehen sorgte. Opium – Laudanum war eine gesellschaftliche Droge, die auch medizinisch eingesetzt wurde – eigentlich bei allen größeren und kleineren Wehwehchen. 

Dieser Part wird in dem Roman: „Die Mörder der Queen“ immer wieder thematisiert. Besonders gut gefallen hat mir die Assistentenrolle seiner Tochter Emily, die selbstbewusst, scharfzüngig und munter ihren Vater manchmal die Show stiehlt. Ihre „Tagebucheintragungen“ erklären viele charakterliche Eigenschaften des Journalisten und das spannend, informativ und mit humoristischen Feinheiten versehen. Großartig.

Die Waage auf denen sich die historischen Fakten und eine halbfiktive Kriminalgeschichte befindet, ist stets ausgewogen. Der Leser erfährt in jedem Kapitel viel über die Herausforderungen und Probleme innerhalb der Gesellschaft – der Aristokratie – aber auch bei den sozialen Unterschichten, die sich zunehmend auflehnen und wenige Jahre später dabei sind, das Empire völlig zu konzipieren. Die Verzweiflung der Menschen ist spürbar und genau, dass macht diesen Roman zu etwas besonderen – die Atmosphäre.

Auf jeder Seite empfindet man das Gefühl, sich durch enge, verdreckte Gassen zu bewegen, oder in einem schillernden Palast zu dinieren. Der arrogante Snobismus und auch die schiere, tiefe Depression der Arbeiter, dem Bodensatz der Gesellschaft hat David Morrell fasziniert gut befördert.  Als Autor, dass emotionale Minenfeld einer Gesellschaft, einer Gruppe so bildgewaltig und intensiv detailliert, in Worte fassen zu können, ist eine hohe Kunst. Perfekt passiert.

Selbst die Kriminalgeschichte ist außerordentlich gut aufgebaut. Keine Längen, keine logischen, inhaltlichen Fehler, auf die man stößt. Die Charaktere sind überschaubar und egal ob nun Haupt- oder Nebenfigur, ergänzen sich diese fabelhaft. Thomas De Quincey ist zwar kein Sherlock Holmes und seine Tochter keine Dr. Watson, aber die Ähnlichkeit dieser beiden Figuren ist erkennbar. Scharfsinnig – und brutal ehrlich – ist der Schriftsteller und Journalist wenig diplomatisch. Es gibt auch gute situative Gewaltszenen – realistisch und nicht überzeichnet, die wenig schocken sollen – aber der Dramatik zur gute kommen.

„Die Mörder der Queen“ ist auch der Sinnbegriff einer Verschwörung gegen die Queen – die seit der Heirat, nicht mehr sooo in der Gunst seiner Untertanen steht. „God save the Queen“ gilt nicht für jeden – besonders nicht für die Menschen, die unter der Last und dem Einfluss der Krone „Schäden“ davongetragen. Jemand muss ja auch immer schuld sein  - also warum nicht die gute alte Queen Victoria.

„Die Mörder der Queen“ von David Morrell ist der zweite Band einer Reihe – der dritte folgt noch dieses Jahr.

Fazit

„Die Mörder der Queen“ ist eine literarische Zeitreise ins viktorianische London. Man schmeckt, sieht, fühlt und spürt die Spannung auf jeder Seite. Ein Hochklassiger, realistischer Kriminalroman – der Spannung garantiert. Dunkel – Dreckig – Dauerhaft genial. Unbedingte Leseempfehlung.

Michael Sterzik 

Freitag, 19. Juni 2020

Letzte Entscheidung - Tom Clancy und Mike Maden


Es ist immer wieder interessant zu verfolgen, wie die Reihe „Tom Clancy“ rund um die Familie Ryan, aktuelle Themen verwendet. Manchmal werfen diese Titel auch einen prophetischen Blick in die Zukunft, die sich auch manchmal dramatisch realisieren. Die Reihe ist mitunter natürlich auch sehr politisch orientiert, ein Wechselspiel zwischen operativer Geheimdienstarbeit, die Staatskrisen eröffnen, oder deeskalieren können.

In dem vorliegenden Band „Letzte Entscheidung“ deren Hauptautor Mike Maden ist, der unter dem Pseudonym „Tom Clancy“ die Reihe fortsetzt. Das Feindbild ist in diesem Fall – Korea und China. Das es zwischen den USA und diesen beiden Staaten immer mal wieder zu politischen Spannungen kommt, liegt auf der Hand und kann man fast schon monatlich in den Nachrichtenmagazinen und Sendungen verfolgen.

In „Letzte Entscheidung“ spielt der Präsidentensohn Jack Ryan jr. die alle entscheidende Rolle. Der Analyst und operativer Agent soll in Singapur eine Firma, die mit einer amerikanischen fusionieren möchte, wirtschaftlich durchleuchten. Zusammen mit einem ehemaligen CIA-Agenten, der jetzt als professioneller „Controller“ nimmt er die ruhigen Ermittlungen hinter dem Schreibtisch auf. Natürlich wird es für die beiden unbequem, gar lebensgefährlich, denn der Controller, hat einen Auftrag bekommen – Spionage und Datenklau – ohne das Wissen von Jack Ryan. Es gibt also mehr wie genug Konflikte in diesem knappen 530seitigen Thriller.

Im Grunde keine uninteressante Story – aber sie hat durchaus Längen und einiges an logischen Fehlern zu bieten, und an Situationen und Handlungen, der Personen, die wenig bis gar nicht plausibel sind. Es gibt auch keine anderen Teamplayer aus Ryan und dem Controller Paul. Letztere hat überaus interessante Talente und eine Vergangenheit, die man so nicht unbedingt erwartet hätte. Mit dieser Person hätte man die Story noch viel interessanter und geschickter gestalten können. Unter dem Deckmantel einer offiziellen und langweiligen Aufgabe, entwickelt sich das wenig später alles andere als routiniert. Ein spektakulärer Orkan am Ende der Handlung dramatisiert den Showdown ganz ordentlich.

Korea testet erstmals erfolgreich Raketen mit Mehrfachsprengköpfen, was im Westen und in China größte Besorgnis auslöst. Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten. Um den massiven Sanktionen zu entgehen, schmiedet der nordkoreanische Geheimdienst einen perfiden Plan, dessen Verwirklichung nicht nur die Fundamente des »unzuverlässigen Verbündeten« China, sondern auch den gesamten Westen aus den Angeln heben könnte. Jack Ryan muss sich den neuen Dimensionen der Cyberkriegführung stellen. (Verlagsinfo)

Mit einem Cyberkrieg hat das ganz allerdings wenig zu tun. Nennen wir es doch eher Wirtschaftsspionage – der mehr wie amateurhaft durchgeführt wird. Sicherlich spielen hier das Dechiffrieren und hacken von Rechnersystemen, die größte Rolle. Allerdings – ist auch ein Rechner nur so schlau, wie der Mensch, der diese Prozesse einsetzt und steuert.

In „Letzte Entscheidung“ werden politische und militärische Themen eher ausweichend behandelt. Schade – denn genau das erwartet man einfach und von den tatsächlichen Motiven ist man dann doch etwas enttäuscht.

So ganz kann ich auch einfach nicht verstehen – dass man der früheren Hauptfigur Jack Ryan Senior inhaltlich nicht viel mehr Raum gibt. Traut man sich nicht – dessen Figur weiterzuentwickeln? Hier ist keine Entwicklung zu sehen – charakterlicher Stillstand einer großartigen Person. Schade.

Fazit

„Letzte Entscheidung“ von Tom Clancy und Mike Maden ist ein solider Thriller, der inhaltlich die Reihe nicht nach vorne bringt. Kleine Nebengeschichte – die eigentlich überflüssig ist. Seichte Spannung und Unterhaltung – aber atmosphärisch eher auf kleiner Flamme geköchelt. Abschalten – Lesen – Vergessen.

Michael Sterzik

Sonntag, 14. Juni 2020

The Expanse - Nemesis- Spiele - James Corey


Der vorliegende Band – „Nemesis-Spiele“ in der Reihe „The Expanse“  von dem Autorenduro James Corey verfasst, ist der fünfte Band und ein Ende dieses hervorragenden Epos ist noch nicht abzusehen.

Die Spannung und die Charaktere über fünf Bände hinweg, geradezu konstant interessant und vielseitig aufzustellen, ist sicherlich eine der größten Herausforderungen für jeden Autoren. Die beiden Schriftsteller, die sich hinter dem Pseudonym „James Corey“ verbergen – haben dies meisterlich geschafft. Ihre Schöpfung einer Science Fiction überzeugt durch eine Authentizität, bei der man wirklich meint – ja- so in etwa könnte die Zukunft der Menschheit in wenigen Jahrhunderten aussehen. Doch diese ist auch in dieser Buchreihe weniger hoffnungsvoll und optimistisch als man es vielleicht erwartet. 

Die Erde – unter UN-Resolution ist weniger ein blauer Planet – eine Kugel im All, auf der die Bevölkerung schon längst das Limit erreicht hat, die Meere verschmutzt und alle anderen Probleme, die sich jetzt in unserem wirklichen Realismus begegnen, scheinen nicht abschließend gelöst worden zu sein. Ja – die Menschheit hat den Weltall „erobert“ – der Mars ist unabhängig und bildet auch mit seiner militärischen Macht eine politische Größe und einen Einfluss, den mal als „Patt“ gleichzusetzen vermag. Und die dritte Fraktion – dass wären  dann die Gürtler – die Menschen, die auf Raumstationen leben, auf Asteroiden beheimatet sind und sich keiner wirklichen Nation unterordnen. Fassen wir es zusammen – Die Menschheit ist nicht geeint und ist auch nicht „schlauer“ geworden im Umgang miteinander.

Dutzende interstellare Portale haben sich geöffnet, und in Strömen machen sich Glücksritter auf, um neue Sonnensysteme zu entdecken und zu bevölkern. Gleichzeitig steht das alte Sonnensystem kurz vor dem Zusammenbruch: Schiffe verschwinden spurlos, im Geheimen schließen sich Armeeverbünde zusammen, und Terroranschläge zwingen die inneren Planeten des Sonnensystems in die Knie. Für Kapitän James Holden und seine Crew beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, wenn sie das, was von unserem Sonnensystem noch übrig geblieben ist, retten wollen ...(Verlagsinfo)

„Nemesis-Spiele“ ist ein Break in der Handlung, die wir ggf. aus den letzten vier Bänden kennengelernt haben. Die Story setzt sich zwar fort – aber es offenbaren sich durch die Ereignisse in diesem Roman eine ganze Reihe von neuen, teils überraschenden Wendungen und Entwicklungen für die nächsten Bände. Die Crew um James Holden ist noch immer präsent – ein Team, dass darauf wartet, dass ihr Schiff, die Rosinante die langfristigen Reparaturarbeiten endlich abschließt. Damit geht das Autorenduo auch einen neuen Weg – das Quartett teil sich in den persönlichen, erzählerischen Perspektiven auf und der Leser erfährt endlich mehr von Naomis, Alex und Amos Vergangenheit. Nach vier Bänden wird es dann ja auch endlich mal an der Zeit. Gerade Amos Charakter ist wohl der geheimnisvollste und interessanteste und mitunter auch der humorvollste. Aber auch die beiden anderen – haben eine Vergangenheit, die überrascht – besonders Naomi könnte sich zu einer emotionalen Schlüsselfigur für den kommenden Band erklären. Das Trio – ohne Holden reflektiert sich einmal selbst und zementiert sich dabei als unauslöschliche Figuren in diesem Universum. Überraschend – aber auch willkommen wird man beobachten können, dass die „Mannschaft“ der Rosinante sich verstärken wird. Neue – alte – Freund/Feinde-Kompositionen stellen sich ein – damit sind die zwischenmenschlichen Freundschaften dieses Quartetts auf dem Prüfstand – es wird interessant werden und dieser Einfall der beiden Autoren Abraham und Franck bringt dann ganze neue Chancen mit sich.

Die Ereignisse – die sich nun später entwickeln, sind dem brutalen und dramatischen Terroranschlag geschuldet. Es ist nun alles anders – nicht nur durch die Schäden, sondern auch das „Machtgefüge“ des Sonnensystems verlagert sich. Eine neue Fraktion eröffnet eine völlige Handlungsebene und nein, es sind keine Aliens. Die gute, alte Menschheit spaltet sich mal wieder in weitere Interessengruppen auf. Der Schrei nach Freiheit – den die „Gürtler“ ins Universum brüllen, wird als militärisches Echo zurückkehren.

Die Weichen sind gestellt für eine völlig neuen Handlungsverlauf – die Menschheit ist vereint und auch nicht vereint – kann eine „neue“ Macht, vielleicht „Aliens“ eine Zusammenführung alle Interessengruppen herbeiführen!? Logisch wäre es – aber inzwischen ist das „Universum“ von „The Expanse“ so offen und vielseitig, dass mal alles in Frage stellen kann, oder auch nicht.

Der muntere Humor in den Dialogen ist übrigens toll – Vergleiche, Anspielungen, alte Marotten der Charaktere und spitzzüngige Wortgefechte bieten perfekte Unterhaltung.

Fazit

„The Expanse – Nemesis Spiele“ ist ein bisschen „Zurück in die Zukunft“ für die Charaktere. Unterhaltsam – spannende und eine neue Handlung, die Buchstäblich alles über den Haufen wirft. Intelligente Unterhaltung mit viel Humor, tollen Figuren. Eine neue Offensive! Lesen.

Michael Sterzik

Samstag, 6. Juni 2020

Vespasian - Das zerrissene Reich - Robert Fabbri


Der siebte Band dieser außerordentlich sehr guten historischen Reihe um den späteren, ersten Kaiser der flavischen Linie – Vespasian – überzeugt ebenfalls.

Im vorliegenden Band vergegenwärtigt sich der Konsul Vespasian, dass er höhere Ämter erreichen kann. Nero – der letzte Kaiser aus der Linie der julisch-claudischen Dynastie hat keine Nachkommen. In Rom, der Ewigen Stadt ist Nero beim Volk nicht beliebt – er ist berüchtigt für seine willkürlichen Gewalttaten, seine obsessiven  Orgien und seiner Politik der Einschüchterung und Angst. Sein Machthunger lässt ihn aber an anderer Stelle blind werden. Durch ebenfalls gierige Politiker und nicht zuletzt durch seinen Berater dem Politiker und Philosophen Seneca, lässt er sich manipulieren. Vespasian – inzwischen 52 Jahre alt – weiß um die politische und militärische Macht Roms. Die Politik ist mörderisch und Vespasian involviert und positioniert sich auf der blutigen Messerspitze römischer Intrigen und Machtspielchen.

Dem Autor Robert Fabbri gelingt es sehr gut, die römische Politik realistisch nachzuerzählen. Dabei stützt er sich ausschließlich auf die historischen Quellen zeitgenössischer Personen wie Sueton und Tacitus. Robert Fabbri rezeptiert Nero als ausgesprochen negativ – diese Darstellung mag bei Wissenschaftlern und Chronisten umstritten sein, aber die letzten Jahre unter der Herrschaft Neros waren durchsetzt von Verbrechen, brutalen Hinrichtungen und Ausschweifungen die Menschenleben kosteten. Auch in der Außenpolitik brillierte der von seinen eigenen Künsten überzeugte Nero nicht. Er überließ die Außenpolitik vorwiegend den amtierenden Statthaltern und Befehlshabern.
Das Buch ist in zwei Teilen aufgebaut. Der erste spielt überwiegend in Rom und befasst sich mit der Person Neros und dessen Politik und dem Charakter, der eindeutig psychisch mehr wie instabil ist. Der zweite Teil dieses Romans spielt in Britannien und befasst  mit der Niederschlagung des Aufstands unter der Führung der britischen Königin Boudicca. Diese Kapitel sind spannender in Szene gefasst – Robert Fabbris Fähigkeit eine Schlacht mit Worten zu beschreiben ist hervorragend und gewaltig.

A.D. 58: Das Römische Reich wird von innen erschüttert: Kaiser Nero hat einen Tross von Speichelleckern um sich versammelt, und zusammen wüten sie des Nachts in Roms ungeschützten Straßen. Neros Ausgaben steigen ins Unermessliche, zugleich ist die Kontrolle über Britannien kaum noch zu bezahlen. Kann Nero sich aus der Provinz zurückziehen, ohne als Verlierer dazustehen?

Panisch versuchen die römischen Investoren, ihren Reichtum aus Britannien abzuziehen. Vespasian muss noch einmal auf die Insel. Dort wird er in eine tödliche Rebellion verwickelt, angeführt von der unerbittlichen und furchtlosen Königin und Heerführerin Boudicca. Während der Aufstand um sich greift, muss Vespasian seinen Auftrag erfüllen – bevor ganz Britannien in Flammen aufgeht. (Verlagsinfo)

Doch Robert Fabbri befasst sich nicht nur mit der Charakterisierung Neros, sondern natürlich mit der eigentlichen Hauptperson Vespasian. Er wirkt dem Alter angemessen, deutlich reifer, vorsichtiger zum Teil, aber auch bereit sich und seine Familie an die Spitze des Imperiums zu bringen. Bei beiden Personen geht es neben den politischen Ambitionen, auch um die internen familiären Verhältnisse. Gerade Nero – der man kann schon sagen traditionell dazu veranlagt ist, seine eigene Familie zu meucheln – wird thematisiert.
Die qualitative Atmosphäre des Romans ist wie bei den letzten Bänden vorher auch schon, absolut hochklassig. Robert Fabbri schriftstellerisches Talent festigt und baut sich dabei immer weiter aus. Dem Autor gelingt aus einer Selbstverständlichkeit heraus, alle Szenen spannend darzustellen – egal ob es um die Politik, oder den Krieg, um interne Familienprobleme geht. Die Konzeption der Dialoge sind neben dem Informationsgehalt sehr unterhaltsam erzählt und mitunter mit einem netten Humor versehen.

Die Reihe „Vespasian“ ist mit einer der besten historischen Reihen, die ich jemals gelesen habe. Historisch professionell recherchiert – die Kriege und Schlachten wortgewaltig und wuchtig erzählt. Die Haupt-und Nebenpersonen perfekt in Kombination zueinander aufgestellt. Das ist Unterhaltung auf den allerhöchsten Niveau. Der siebte Band reiht sich mühelos ein und es wird nicht langweiliger – Vespasian ist noch „kein“ Kaiser – aber seine Stunde wird kommen.

In den letzten Kapiteln zeichnet es sich ab, dass Rom unter der Herrschaft Nero „brennen“ wird. Die „christliche“ Religion findet ebenfalls ihren Platz und wird bestimmt in den nächsten Titeln dieser Reihe weiter ausgebaut.

Fazit

„Vespasian – Das zerrissene Reich“ von Robert Fabri ist ein historischer Pageturner, der hochklassig ist. Robert Fabbri ist einer der besten Autoren im historischen Genre – der sich mit seiner Figur des Vespasian – einen ewigen Meilenstein gesetzt hat. Großartig.

Michael Sterzik