Samstag, 25. März 2023

The Violence - Deliah Dawson


Gewalt in der Familie – psychischer und physischer Missbrauch gegen Frauen und Kinder. Es sind leider Verbrechen, die hinter der Haustür geschehen. Täter und Opfer könnte jeder von uns sein – Gewalt und Missbrauch war und ist ein Tabu-Thema, etwas, was in der Familie bleibt, hinter geschlossenen Türen. Letztlich sind es schwere Verbrechen – und die Spuren und Narben auf der Seele der Opfer bleiben unauflöslich bestehen.

Die Dunkelziffer an nicht registrierten Fällen dürften die untere Größe eines Eisberges darstellen. Dass die Opfer sich irgendwann wehren ist möglich, dass sie vorher an den Folgen sterben, oder sich selbst für einen erlösenden Suizid entscheiden, bedauerlicherweise auch. Dass der Täter dabei von seinem vorherigen Opfer „getötet“ wird, stellt vielleicht die Gleichung von Gut und Böse in ein Gleichgewicht, aber schief bleibt es trotzdem und es macht das Böse nicht ungeschehen.

Dass auch Opfer, ihre traumatischen Erlebnisse reflektieren und durch einen Bericht, Tagebucheintragungen oder anderes ihre Verletzungen kanalisieren, befreit deren Seele. Wird es öffentlich gemacht, so gibt es ebenfalls anderen Opfern den Mut und die Hoffnung sich zu wehren.

Die amerikanische Autorin Deliah S. Dawson verarbeitet in ihrem vorliegenden Buch ihre Erfahrungen als Opfer von gewalttätigem Missbrauch. 

Amerika in der nahen Zukunft. Nach außen hin führt die Familie Martin ein perfektes Leben, doch Investmentbanker David verprügelt seine Frau Chelsea regelmäßig bis zur Bewusstlosigkeit. Als sich ein mysteriöses Virus ausbreitet, das alle, die es infiziert, in einen exzessiven Gewaltrausch stürzt, sieht Chelsea ihre große Chance, sich und ihren beiden Töchtern ein neues Leben zu ermöglichen. Ein Leben in einer Welt, die sich am Ende radikal von unserer unterscheiden wird …(Verlagsinfo)

Ich habe Mitleid mit der Autorin wegen ihren traumatischen Erlebnissen und ich zolle Ihr großen Respekt für ihren Mut sich damit auseinanderzusetzen. Das sie dabei ihre Erlebnisse in einem Buch kanalisiert, einem Thriller – ist sicherlich bewundernswert – das Ergebnis allerdings ist völlig eindimensional und absolut polarisierend.

Das Buch inkludiert viele Themen wie eine ausgebrochene Pandemie und nimmt sich natürlich auch gesellschaftliche Motive an. Allerdings ist der Fokus klar darauf ausgerichtet, dass Frauen sich gegen Missbrauch zur Wehr setzen, sich freikämpfen und selbstbewusst ihren eigenen Weg gehen.

Drei Frauen – drei Schicksale – drei Wege – Großmutter, Mutter, Töchter – dazwischen viele Männer, die alle als narzisstische und gewalttätige Monster dargestellt werden. Schön, dass uns die Autorin davor warnt, dass hier exzessive psychologische und physische Gewalt geschildert wird. Will Sie damit ihren Roman interessanter machen?  

„The Violence“ ist fürchterlich eindimensional, oberflächlich, polarisierend und wenig Spannend. Eine Aneinanderreihung von Darbietungen frauenfeindlicher Männer. Erzählerische Perspektive ausschließlich aus der Sicht des Opfers, also der Frau. Gewalt und Missbrauch bagatellisiere ich an dieser Stelle nicht – aber diese Art und Weise dem Leser zu demonstrieren, dass „Männer“ als systematische, gewaltbereite Täter auftreten, ist weder spannend noch sensibel. So einfach und eindimensional erzählt, wie ich es selten erlebt habe. Ein feministischer, idealistischer Brandbeschleuniger ist dieser Roman. Mit keiner, wirklich keiner Silbe wird erwähnt, dass Frauen ebenfalls zu „Tätern“ werden können, zwar überwiegend nicht physisch gewalttätig, aber dass sie ebenfalls massive psychische Gewalt ausüben können, wird unter dem Teppich gekehrt.

Es ist das persönlichste Buch, dass die Autorin bisher verfasst hat. Ihre Kindheit wurde von einem alkoholisierten, gewalttätigen Vater zur persönlichen Vorhölle.

Das Thema einer Pandemie wird so gut wie nicht ausgespielt. Der Roman spielt in einer wirklich nahen Zukunft, nur wenige Jahre später – und schildert eine Post-Covid Atmosphäre. Das Virus, von dem die Autorin spricht, ist nicht Covid, sondern nennen wir es mal ein „Wut-Virus“ das den infizieren Menschen in eine gewalttätige Mordmaschine in einer kurzen Momentaufnahme verwandelt. Der Fokus bleibt allerdings die generationsübergreifende Gewalt gegen Frauen, die sich als das einzig wahre Übel zeigt.

Der schriftstellerische Stil, ihr Ausdruck und das Talent eine spannende Geschichte zu erzählend, ist ausreichend bis mangelhaft. Alice Schwarzer würde den Titel vielleicht als ein neues Evangelium anpreisen wollen – ein feministischer Thriller, der mich aufgrund seiner Dimensionalität wirklich verärgert.

Fazit

„The Violence“ – ein polarisierender Titel, der wenig Spannung, aber dafür inflationär mit Vorurteilen glänzt. Für mich gesehen eines der schlechtesten Bücher, dass ich jemals gelesen habe.

Michael Sterzik 



Mittwoch, 22. März 2023

Die Nibelungen - Roman Wolf


Deutsche Sagen – „Die Nibelungen“ gehört zweifelsfrei zu einer der bekanntesten Überlieferungen. Die Ursprünge dieser Sage reichen bis zur Völkerwanderung zurück. Das alte „Rom“ gibt es nicht mehr – die militärische Macht im mittelalterlichen Europa ist aufgeteilt unter vielen Herrschern und Regionen. Die Hunnen, die Burgunder, die Sachsen und die Ostgoten und auch die skandinavischen Länder spielen eine Rolle in diesem mörderischen Spiel um Macht.

Wer die Sage kennt, weiß um die Ortschaften wie Worms und der Rhein – diese Schauplätze sind historisch gesehen allerdings wenig haltbar. Weiterhin weicht die Sage stark von bekannten, historischen Ereignissen ab. Analysiert man die Sage, zeigt sich hier ein Drama in mehreren Akten. Siegfried und sein Sieg über den Drachen und seine Unverwundbarkeit, dass Königreich Burgund, Kriemild, der Schatz des Drachen, der Mord an Siegfried durch Hagen, die alles versengende Rache von Kriemhild….alles Steps in einem Drama, einer Tragödie, die fast alle beteiligten Charaktere vernichtete.

Es gibt unzählige Verfilmungen, noch mehr Überlieferungen und Interpretationen und sicherlich auch viele Bücher, die vieles anders, aber nicht neu erzählen.

Roman Wolf hat den alten Sagenstoff neu verpackt und in seinem neuesten Roman: „Die Nibelungen“ verarbeitet.

Siegfried von Xanten hat nur ein Ziel: Er möchte der mächtigste Krieger in seinen Landen sein. Deshalb kämpft er gegen einen Drachen und erbeutet dabei einen fluchbeladenen Goldschatz. Dann zieht er in den Suavawald, um sich bei einem sagenumwobenen Schmied ein Schwert anfertigen zu lassen. Doch zu seiner Überraschung ist der Schmied eine schöne Frau – die Königin Brunhild selbst. Die beiden verlieben sich. Brunhilds Seherin aber prophezeit, dass Siegfried die Königin einst verraten wird. Als Siegfried wenig später dem Königreich Burgund gegen die Sachsen zu Hilfe eilt, verliebt sich die Königstochter Kriemhild in ihn – und das Schicksal, das ganze Völker ins Unglück reißen wird, nimmt seinen Lauf. (Verlagsinfo)

„Die Nibelungen“ orientiert sich sehr gut an die Grundzüge der Überlieferung. Diese würde ja hervorragend für eine Trilogie eignen, aber in dem vorliegenden Roman überschlagen sich die Ereignisse in einem hohen Tempo.

Mythos und Legende – und ein paar Fakten, z.B. der Völkerwanderung und dadurch resultierende Bedrohung des Machtbereichs Roms. Dass hier die Legionen und Befehlshaber Roms eine kleine Rolle spielen, ist ungewöhnlich, aber gut platziert. Die vielen erzählerischen Perspektiven der Protagonisten vertiefen die Handlung sehr, bzw. vereinfachen die eigentliche Komplexität. Sehr oberflächlich sind leider auch die Figuren geschildert. Jeder, aber auch wirklich jeder Charakter handelt überhastet, ist emotional viel zu tief involviert und denkt einfach nicht über seine Taten nach. Jeder formt sich sein eigenes Ego und eskaliert damit durch die Sage von vorn bis hinten ohne Rücksicht auf Verluste.

Eine Sage hat nicht den Anspruch authentisch zu sein, doch darf wie hier die Dramatik auch nicht überzogen geschildert sein. Ich vermisse in der Handlung einen Zwerg, einen Tarnmantel und noch einiges mehr – damit bleibt die Magie gänzlich verborgen. Schade – denn gerade solche Mythen haben sich schon immer einer alten Magie bedient.

Ein bisschen Politik darf auch nicht fehlen. Einfallende Sachsen und Dänen, die Völkerwanderung die Rom bedroht, die verschiedenen kleineren Königreiche mit seinen Verbündeten usw. dass wird natürlich mehr ausgespielt, als wenn man sich nur auf den Kern der Saga bezieht.

„Die Nibelungen“ ist ein leichter, aber auch spannender Roman mit einem gehörigen Anteil an Kämpfen, Blut und Schwert schwingenden Helden. In jede Richtung aber auch sehr oberflächlich und umreist damit nur viel Potenzial. Ich hätte mir an dieser Stelle eine Trilogie gewünscht, von mir aus auch mit vielen fantastischen Elementen, sowie noch mehr perspektivischer Themen.

Fazit

„Die Nibelungen“ in einem überholenden Tempo erzählt. Viel Action – solide Spannung, aber viel zu oberflächlich.

Michael Sterzik

Samstag, 18. März 2023

Jack Bannister - Herr der Karibik - Mac P. Lorne


Eine Seefahrt, die ist lustig…nun ja, kommt darauf an, ob man in der Zeit von ungefähr 200 Jahren, auf Seiten der Bruderschaft stand, oder auf einem Handelsschiff seinen Dienst versah, oder gar ein Soldat war. Die Piraterie hatte seine Blütezeit von ca. 1600 bis 1800 in der Karibik. Es entstanden Legenden um die Frauen und Männer, die auf See Handelsschiffe mehr oder minder brutal aufbrachten, und sogar „Piratenstädte“ gründeten. Das Charakteristische für diese Epoche waren überschaubaren Nationen, die sich einen hartnäckigen Krieg lieferten. England, Frankreich, die Niederlande und die Spanier kämpften in der Karibik um Einfluss, um die Macht in dieser Region mit vielen Bodenschätzen und den exotischen Gütern.

Wer waren diese „Freibeuter“, die manchmal über ausgestellte Kaperbriefe verfügten und so legal die Piraterie betrieben? Die Antworten auf diese Frage ist faszinierend, denn vielen von Ihnen wurde Unrecht getan und hatten wenig Alternativen um ihren Leben noch einen Sinn zu geben. Verzweiflung und Rache in Kombination waren oftmals eine hervorragende Motivation, sich der „Bruderschaft“ anzuschließen.

Das Leben auf See, als einfacher Matrose, selbst als Offizier war nicht leicht, der Lohn karg, der physische und psychischer Druck stark. Die See ist tückisch – ein schwerer Sturm, eine Naturkatastrophe usw. und das Leben konnte sehr schnell vorbei sein. Warum also das Leben, wenn auch ein ggf. ein kurzes nicht genießen, als „freier“ Mann, mit der Aussicht auf Gold, Alkohol und Frauen und dem Fünkchen Hoffnung zu überleben, um sich ggf. wieder ein Leben innerhalb der Gesellschaft zu verdienen.

Viele dieser Männer wechselten auch die Seite – von einem Soldaten zu einem Piraten und wieder zurück, oder, oder, oder – die Karriere war nicht planbar und hatte oftmals eine Dynamik, die man selbst nicht kontrollieren konnte.

Mac P. Lorne erzählt in seinem vorliegenden Roman: „Jack Bannister – Herr der Karibik“ von einem Piraten, von dem die meisten noch nichts gehört haben dürften. Doch die Vita dieses „Herrn der Karibik“ ist spannend erzählt und es lohnt sich, sich mit diesem „Abenteuer in der karibischen See“ zu beschäftigen.

In höchster Not übernimmt der Erste Offizier Jack Bannister das Kommando, als sein Handelsschiff auf der Heimreise aus der Karibik von Piraten angegriffen wird. Im buchstäblich letzten Moment gelingt es ihm, die Freibeuter abzuwehren.

Zurück in London, ernennt ihn die Royal African Company zum Kapitän der Golden Fleece, einer neuen, schwer bewaffneten Galeone. Jack ahnt nicht, dass er die Beförderung vor allem den Affären seiner jungen Frau verdankt. Als er auf einem frivolen Maskenball Zeuge ihres Verrats wird, sagt Jack nicht nur der mächtigen Company den Kampf an, sondern auch dem Königshaus der Stuarts und der als unbesiegbar geltenden Royal Navy. (Verlagsinfo)

Mit diesem Roman hat Mac P. Lorne seinen bisherigen spannendsten und stärksten veröffentlicht. Die Story wirkt und ist authentisch und sicherlich musste der Autor neben der Recherche vieles interpretieren, denn die vorhandenen Quellen geben nicht die gesamte Vita und timeline vor. Als Leser nimmt man viel Wissen auf, nautische Begriffe, Segelmanöver, Waffentechnik usw. – aber man nimmt auch als „Dritte“ Person die Dekadenz des Adels, die Geschäftspolitik der Schifffahrtsgesellschaften und die gesellschaftliche Rolle der Frau mit.

Die atmosphärische Dichte des Romans entsteht, wenn der Autor von der karibischen See spricht, von den paradiesischen, aber auch gefährlichen Küsten. Damit wird das „Kopfkino“ mit Bildern beschossen, die uns begreifen lassen, wie das Leben ggf. auf See gewesen sein muss.

Es ist keine klassische Piratengeschichte – aber der Roman ist ein Schatz auf einer Insel voller verfluchter Piraten. Die Figuren, allen voran „Jack Bannister“ sind gut geschildert, wenn auch ab und an zu eindimensional. Hier hätte ich mir fast gewünscht, dass man die Geschichte auf zwei Bände aufgeteilt hätte. Auch wenn Jack Bannister sich als „Held“ hier darstellen lässt, muss ich sagen, hat er sein persönliches Leid dutzende Male multipliziert und selbst oftmals den Tod gebracht. Keine heroische Leistung, die man schätzen sollte – seine Lösung Rache auszuüben verdient selbst den Tod durch das Schwert, oder dem Galgen.

Der Unterhaltungswert ist absolut hoch gesetzt. Das Tempo der Geschichte schnell manchmal überschlagend – deswegen wäre Band zwei gut gewesen. Auch hätte ich es mir gewünscht, dass man viele Perspektiven der Protagonisten erlebt hätte.

Es gibt faktisch auch keine Nebengeschichten – die Rache ist der Fokus der gesamten Handlung. Sehr lobenswert allerdings, wie schon erwähnt, wenn uns der Autor die Karibik, oder die anderen Orte sehr bildhaft vor Augen führt.

Damit ist „Jack Bannister – Herr der Karibik“ ein sehr, sehr guter Abenteuerroman, wobei Jack weniger Herr, sondern ein „Fluch der Karibik“ wurde.

Größter Kritikpunkt ist, und das verstehe ich nicht, warum die Geschichte nicht zu Ende erzählt worden ist – ja im Nachwort geht der Autor darauf ein, aber wenn ich schon so biografisch erzähle, dann bitte zukünftig bis zum Ende.

Fazit

Hier der wahre „Fluch der Karibik“ zu lesen. Spannende Unterhaltung die alle Erwartungen mehr als nur erfüllt. Starke „Räuberpistole“ – dessen geschichtliche Spuren man noch immer finden kann.

Michael Sterzik

Dienstag, 14. März 2023

Brennender Zorn - Line Holm und Stine Bolther


Das ist schon nicht ganz einfach mit der Vergangenheit, vieles kann man verdrängen, ignorieren, ausblenden, und sich doch in Sicherheit wiegen, dass es niemals an die Öffentlichkeit kommt, oder sowieso einen einholt. Doch die Realität beweist, dass es oftmals ganz anders ist. Und Jahre, womöglich Jahrzehnte später geht diese stille Zeitkapsel dann mit einem Knalleffekt hoch, und es ist laut, unangenehm, unfreundlich und verdammt unpassend.

Schicksal – oder ist diese eine Methode des Universums uns daran zu erinnern, dass es universelle Gesetzmäßigkeiten gibt und uns die lange Nase zeigt?

Es passiert immer wieder, dass ein alter „Cold Case Fall“ gelöst, oder der Täter durch Zufall überführt wird. Ja, sicherlich wird nicht alles aufgeklärt, aber die Schatten der Vergangenheit werden immer mal wieder ausgeleuchtet.

In dem vorliegenden Band „Brennender Zorn“ geht es um ein Verbrechen, das über 70 Jahre zurückliegt, also faktisch im Zweiten Weltkrieg geschehen sein musste. Ein Kriegsverbrechen, oder nur ein Mord und kann man das Opfer und den Tathergang noch rekonstruieren? Der erste Handlungsstrang verspricht also eine mysteriöse Spannung. Zurück in unsere Zeit, mit aktuellen Themen, die auch in Dänemark mit einer gewissen Brisanz zu sehen sind. Die Kritik am Staat, seinem Rechtssystem, seinen polizeilichen Behörden, inmitten einer sowie politischen unruhigen Zeitenwende. Die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung ist ansteigend, die personelle Besetzung bei der Polizei fällt immer schwächer aus. Die Behörden sind nicht planlos, nur manchmal bis an die Grenzen unterbesetzt. Die Willkür der Bürger wird geweckt, viele nehmen sich das Recht heraus: Staatsanwalt und Richter spielen zu können und zu wollen und bewegen sich mitunter jenseits aller Gesetze und reden wir doch erst gar nicht von einem moralischen Kompass.

In Jütland wird das Skelett einer jungen Frau gefunden. Sie starb durch einen Schuss in den Nacken. Die Tat liegt über siebzig Jahre zurück, Polizeihistorikerin Maria Just übernimmt die Ermittlungen. Währenddessen wird der Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen in Kopenhagen überfahren und beinahe getötet. Die Polizei steckt in einer tiefen Krise, und in diesem aufgeheizten Klima soll Kommissar Mikael Dirk herausfinden, wer den Anschlag auf seinen Chef verübt hat und das Land destabilisieren will. Als es zu einem weiteren Attentat kommt, erhält Mikael unerwartete Hilfe von Maria. Wer profitiert davon, wenn die Polizei ihr Gewaltmonopol verliert, und was verbindet die tote junge Frau mit den Tätern von heute? (Verlagsinfo)

Vergangenheit und Gegenwart im Staate Dänemark. Vor 70 Jahren war Europa vom Krieg überschattet und eine gewisse grausame Eigendynamik entwickelte sich. Rache, Vergeltung, alte Rechnungen und totale Willkürlichkeit einzelner militärischer und paramilitärischer Gruppen und aus Opfern konnten so auch Täter werden.

„Brennender Zorn“ ist der zweite Band um die Polizeihistorikerin Maria Just und dem Kriminalbeamten Mikael Dirk. Der erste Band „Gefrorenes Herz“ war als Debütroman schon sehr gelungen, doch der vorliegende ist vielseitiger, die Charakter intensiver dargestellt, die Kombination von historischer Gegenwart und aktuellen Herausforderungen ausgewogener.

Beide Handlungen sind auf ihre Art brillant erzählt. Das die gegenwärtige die Innenpolitik aufgreift und auch die Machtkämpfe der Politiker thematisiert werden, ist ebenfalls hoch spannend. Die beiden Autorinnen schildern ihre Story sehr authentisch und ziehen keine Grenze zwischen Gut und Böse – oder Opfer und Täter. Diese „Neutralität“ verspricht eine spannende Realität und katapultiert allerlei Themen aufs Podium. Rechtspopulismus, die Wut und Anspannung innerhalb der Gesellschaft, die verzweifelte Hilflosigkeit der Ermittlungsbehörden und letztlich die verschiedenen Interessen einzelner Politiker.

Die beiden Hauptfiguren Maria Just und Mikael Dirk sind „erwachsener“ geworden und agieren einzeln wie auch vereint sehr nachvollziehbar. Das beider Privatleben immer mal wieder in kleinen Szenen aufgeweckt wird unterstreicht nur die sowieso allgegenwärtige Spannung. Es gibt wenig Nebenpersonen – eine tragende ist die des Kollegen von Mikael, der im ersten Teil in Notwehr einen Menschen töten musste, um beider leben zu retten. Die Spannungen zwischen diesen beiden schaukeln sich hoch und sind auch nach Band 2 noch lange nicht am Ende. Dies ist auch für mich einer der wenigen Kritikpunkte, denn diese nun platzierte Nebenfigur hätte man mehr einbeziehen müssen.

Mikael steht im absoluten Fokus der Handlung und immens unter Druck. Als inzwischen Leiter für das Dezernat für Gewaltverbrechen muss er nun „Zähne“ zeigen, koordinieren, leiten und Entscheidungen treffen. Spannung also innerhalb von diversen Spannungen. Auch zwischenmenschlich geschieht also auf verschiedenen Ebenen, mehr als vergleichbar in Band 1 es der Fall war.

Am Ende und es ist nicht das Ende dieser Reihe – gibt es eine ganze Reihe von etwaigen Wahrscheinlichkeiten und Alternativen, die ggf. den zu erwartenden dritten Band noch spannender gestalten könnte.

Sehr lobenswert auch, dass der Leser einen Blick in die Vergangenheit Dänemarks werfen kann, die allerdings ähnliche Herausforderungen hatten, wie andere europäische Länder, die unter deutscher Besatzung waren.

Fazit

Par exellence - einer der spannendsten Kriminalromane in diesem Jahr und eine Reihe, die man nicht verpassen sollte. Alles richtig gemacht.

 

Michael Sterzik

Dienstag, 7. März 2023

Wahnspiel - Kilian Eisfeld


Im Genre „Krimi/Thriller“ gibt es da noch etwas an Ereignissen, an Tatorten, Ermittlungsmethoden usw., was den passionierten Vielleser überraschen könnte? Haben wir Seite an Seite mit Ermittlern, Tätern und Opfern nicht schon alles erlebt? Jedes Genre hat seine Besonderheiten und seine Trends, die man als Autor, auch wenn man sich dagegen ausspricht, irgendwie doch mitgeht. Originalität ist schwierig geworden, nicht unmöglich, aber dennoch ambitioniert.

Spannende Unterhaltung bietet in jedem Fall der vorliegende Band von Kilian Eisfeld – aka Daniel Wolf, oder bürgerlich Christoph Lode. Dass er den umkämpften Tatort der Kriminalliteratur betritt, und damit unentdecktes Land erschließt, überraschte mich. Kennt man den Autor doch eher aus dem Bereich „Fantasy“ und „Historischer Roman“  - wo er sein Talent schon längst bewiesen hat.

Doch die Beweisführung ist noch nicht ganz abgeschlossen und als „Kilian Eisfeld“ lässt er uns an einem perfiden „Wahnspiel“ teilnehmen. So ganz konnte er als historischer Autor dann doch nicht abschalten und flüchtete sich in die alte Stadt Heidelberg, die sowieso viel zu erzählen hat. Diesen Tatort kennt der Autor als ehemaliger Bewohner der historischen Stadt, die am Neckar liegt, sehr gut.

Dass Kilian Eisfeld den Tatbestand des literarischen Raubes erlaubt, sei ihm verziehen, schließlich kombiniert er Mythen, Legenden und historische „Kriminalgeschichten“ brillant. Also die Indizien sind vorhanden und kommen wir nun zur Beweisführung des Autors.

Als der Mörder Lukas Schneider vorzeitig aus dem Gefängnis kommt, verwandelt sich das beschauliche Heidelberg in einen Hexenkessel. Ein Online-Mob ruft zur Lynchjustiz auf. Schneider verschwindet. Seine abgetrennte Hand wird mitten in der Stadt gefunden. Der bizarre Fall zwingt Sofija Marković, die kompetente, aber menschlich unterkühlte Chefin des Dezernats für Kapitaldelikte, den unkonventionellen Alex Schwerdt zu sich ins Team zu holen. Obwohl Markovic, die von ihren Mitarbeitern »die Kaltfront« genannt wird und der »Nerd« Alex verschiedener nicht sein könnten, können sie bald erste Erfolge vorweisen.

Doch je mehr sie über die Hintergründe der Tat herausfinden, desto rätselhafter wird der Fall – und sie ahnen, dass sie einem alten und grausigen Geheimnis auf der Spur sind …(Verlagsinfo)

„Wahnspiel“ kann man mitnichten als einen ruhigen Roman bezeichnen. In jedem Kapitel tummeln sich vielseitige, aktuelle Themen. Die mediale Gewalt, die Personen öffentlich an den Pranger stellt, die Bürokratie innerhalb der Ermittlungsbehörden, der Rechtsradikalismus, die Rolle der „Frau“ in der Gesellschaft u.a. Viele Themen also, die jongliert werden müssen – doch Kilian Eisfeld gelingt, das mit einer sagen wir mal selbstbewussten Kaltschnäuzigkeit. Das Tempo überholt sich immer gerne mal selbst und hält auch nicht kurz an wenn es darum geht noch mehr Personen, Schauplätze, und private Nebengeschichten mitzunehmen. Das ist auch gut so und wirkt nicht künstlich bemüht, den Leser auf den Spannungsbogen mitreiten zu lassen.

Die absolute Stärke von „Wahnspiel“ sind die Figuren des Romans. Damit meine ich alle – ob nun Haupt-/Nebenrolle – jeder ist hier wichtig, jede Person bringt etwas mit in die Handlung. Man schmunzelt über gewisse Eigenarten der Kriminalbeamten, man fühlt mit den Opfern und Tätern ohne diese gleich als „Monster“ oder Unmenschen in aufgeräumte Schubladen zu stecken.

Das Ermittlerduo Sofija Marković und Alex Schwerdt ergänzt sich ganz gut. Aber auch am Ende des Romans, befinden sich beide noch in der Findungsphase. Sie sind grundverschieden – die personifizierte Kaltfront wie sie hinter dem Rücken genannt wird, und der wundersame, chaosveranlagte Nerd. Wobei der Fokus sich auf Alex Schwerdt richtet. Kilian Eisfeld transportiert keine „Leichen“ in den Kellern dieser beiden Hauptpersonen, sondern nimmt sich die Zeit viel Details aus den Leben dieser Ermittler zu präsentieren. Gegensätze ziehen sich, oder ergänzen sich – die Einhaltung bei den Ermittlern sich Regeln zu halten, kollidiert dann mit unkonventionellen Methoden, diese Mischung vertiefen nicht nur die Story, sondern auch gleich die Figuren.

Ob sich die Interessen von Alex Schwerdt und seine persönlichen Eigenarten, mit denen des Autors decken, ist noch nicht ermittelt. Es sind genau, diese kleinen Feinheiten, die wichtig sind – es sind diese kleinen Erzählkunstknöpfe die bei dem Leser gedrückt werden. Perfekt.

Es gibt viele verschiedene Perspektiven, die sich der Autor bedient und so wird die Story, die sich anfangs als vorhersehbar zeigt, dann doch nicht. Im Gegenteil – sehr intelligent und raffiniert verbindet der Autor historische Mythen und abergläubische Ideen, um sie dann mithilfe von „neuen“ Medien aufzuklären und nebenbei dem Täter nahezukommen.

Fazit

Ein wahnsinnig guter Kriminalroman, der verspielt und leicht eine spannende Atmosphäre erzeugt. Bitte mehr von der Kaltfront und dem Nerd.

Michael Sterzik





Samstag, 4. März 2023

Tödliche Allianz - Tom Clancy/Marc Cameron


Die Reihe um „Jack Ryan“ geht mit Band 25 – Tödliche Allianz weiter und dessen Story ist aktueller denn je. Die Reihe ist sowieso dafür bekannt – jedenfalls zu Lebzeiten eines Tom Clancys, dass die erdachten Geschichten, sagen wir, sich fast prophetisch erfüllt haben. Natürlich leicht abgewandelt, aber dennoch konnte man gewisse Parallelen feststellen.

Die literarischen Erben, die diese Reihe weiterführen, sind darauf bedacht, sich wie Tom Clancy selbst mit aktuellen politischen und militärischen Krisenherden zu beschäftigen. Die Zeit der „Terroristischen Anschläge“ in der Welt sind scheinbar erstmal ausgesetzt. Die Taliban in Afghanistan – der Nahe Osten – zwar noch immer ein schwellender Unruheherd, aber es gibt wohl brisanter Themen, die die Weltbevölkerung in Atem halten. Das atomare Schreckgespenst ist wieder da und rasselt inzwischen sehr laut mit unzähligen Drohungen.

Die „Weltpolizei“ Amerika zeigt sich inzwischen wieder als der große Bruder eines mehr oder minder starken Verbündeten Europa. Können wir es uns so einfach machen vor dem Hintergrund, dass die nuklearen Großmächte mit einem Feuer spielen, dass die ganze Welt verbrennen könnte. Provokation – Aggression – Beschwichtigungen – Bündnisse und viele Lügen, Halbwahrheiten und manipulative Propaganda. Der „kalte Krieg“ mit seinen Agenten und Spionen ist zurück, nur dass die Temperatur weniger abgekühlt sein mag.

Im vorliegenden Roman spricht der Autor Marc Cameron von einem Russland, das im Begriff ist, die Ukraine anzugreifen. Ebenfalls befasst sich ein Teil der Story mit dem Iran und seiner politischen Auffassung von Meinungsfreiheit.

Präsident Jack Ryan kämpft an allen Fronten: Während es innenpolitisch in den USA hoch hergeht, rückt in Osteuropa Russland in die Ukraine vor. Dann gelangen zwei russische Atomraketen in den Iran. Hängt beides miteinander zusammen? Und was hat die neue iranische Rebellenbewegung damit zu tun? Die gibt sich zwar zunächst als Verbündeter aus, macht sich jedoch schnell höchst verdächtig. Langsam entwirren sich die Fäden eines perfiden Komplotts: Die globale digitale Kommunikation soll durch einen massiven Anschlag zerstört werden. Mit vereinten Kräften versuchen der Campus und Präsident Ryan die ultimative Katastrophe abzuwenden. Und die Uhr tickt ...(Verlagsinfo)

„Tödliche Allianz“ besinnt sich etwas und kommt der spannenden Unterhaltung, dem „Geist“ eines Tom Clancys sehr nahe. Die „alten“ Feinde der Welt – Russland werden wieder zum aktuellen Kontrahenten der USA. Ebenfalls spielen wie gesagt der Iran die inaktive Rolle eines Verbündeten Russlands und diese lassen sich traditionell instrumentalisieren. Die „Spannung“ teilt sich in zwei Lager auf – bzw. zwischen zwei Jack-Ryans. Der amerikanische Präsident wehrt sich innenpolitisch gegen eine Senatorin und außenpolitisch begegnen ihn eine „Geiselnahme“ in Kamerun und einer atomaren Bedrohung durch den Iran, dem Russland zwei Atomraketen verkauft/geschenkt hat. Sein Sohn „Jack Ryan jr. übernimmt wie immer den actionreichen Part des Romans. Seine „Lizenz“ zum Töten ist immer noch in Kraft und er geht eine Allianz mit einem russischen Spion und einer Agentin des Irans ein. Ein sehr unterschiedliches Trio – mehr oder minder auf der Flucht und immer wieder der Griff zur Waffe. Die Diplomatie überlässt er seinem Vater – und dieser Part ist der intensivste und interessanteste. Die Actionsequenzen sind zwar unterhaltsam, aber wenig spannend. Dafür wurden sie in den letzten Bänden fast schon inflationär verwendet und haben den Romanen die letzte erzählerische Tiefe genommen.

Phasenweise gelingt es dem Roman erstklassig zu sein. Aber auch, nur wenn Jack Ryan Senior im Weißen Haus „War Games“ spielt und mitunter sich stark rhetorisch bewaffnet mit Präsidenten anderer Länder unterhält. Diese Szenen sind absolut stark erzählt und geben uns auch inhaltlich einen Einblick in das Machtzentrum der USA.

Der schwächste Part ist, wenn sein geheimdienstlicher Sohnemann „James Bond“ spielt. Hier fehlt es an jeder Stelle an Originalität und Abwechslung. Da hilft es auch nicht, sich in technischen Waffendetails zu verrennen, die für die Story überflüssig sind.

Also bitte in Zukunft weniger Action, sondern vielmehr sollte eine Spannung erzeugt werden durch politische Themen – und auch hier egal, ob es um innenpolitische Schwierigkeiten handelt, oder die USA mal wieder die „Freie Welt“ retten müssen. Jack Ryan Senior verstand es in seiner Zeit als Feldagent und Analyst der CIA beides zu kombinieren. Diese Ausgewogenheit würde ich mir wieder wünschen.

Fazit

Ein starker Teil der Reihe. Weniger Action – mehr politische Spannung. In Zukunft würde es reichen, Jack Ryan Senior die Hauptrolle spielen zu lassen. Sein Sohn könnte sich bitte eine literarische Auszeit nehmen.

Michael Sterzik

Freitag, 24. Februar 2023

Spur 33 - Christa von Bernuth


 „True Crime“ hat sich inzwischen im Genre Krimi/Thriller vollumfänglich etabliert. Das wahre Verbrechen zeigt uns viele Gesichter des Todes. Es führt uns aber auch menschliche Tragödien vor Augen, nicht nur Spuren von Blut oder detailliert beschrieben Leichen. Viele Romane schildern auch die Ermittlungsmethoden, und lassen es zu, dass wir die „Bullen“ (Polizisten) auch als führende, manchmal leidende Menschen sieht. Viele können nicht vergessen, was sie gesehen, oder erlebt haben. Viele opfern sich ggf. auf, um das „Böse in Person“ zu finden, den Eltern eine erlösende Nachricht zu überbringen, oder den Opfern eine Stimme zu geben. Es gibt so vieles, was diese Menschen antreibt.

Lassen Sie uns auch über die Täter sprechen in diesen Romanen. Es sind nicht die klassischen bösartigen Menschen, deren moralischer Kompass nicht mehr einwandfrei funktioniert, nicht Täter, denen jegliche Menschlichkeit fehlt. So einfach sieht das Leben und Sterben nicht aus. Die Täter könnten auch ehemalige Opfer sein, verlorene Seelen, oder Menschen die töten und verletzen um sich zu rechnen. Auge um Auge – Zahn um Zahn – eine biblische Rache – ja auch so etwas kommt vor. Auch das ist „True Crime“.

Die Münchnerin Autorin Christa von Bernuth hat im Verlag Goldmann den Titel: „Spur 33“ veröffentlicht, der auch auf einer wahren Begebenheit fungiert.

Ein grausames Verbrechen erschüttert die Stadt am See: Die angesehene Familie Rheinfeld wird nachts in ihrem Haus regelrecht hingerichtet. Der Verdacht fällt auf den heranwachsenden Sohn Leon, der erst seine Eltern und dann sich selbst getötet haben soll. Er war psychisch krank und – zur Verzweiflung seiner machtlosen Eltern – fasziniert von Waffen. Doch dann stellt sich heraus, dass Leons enger Freund Ben in den Fall verstrickt zu sein scheint: die ermittelnden Polizisten entdecken auf seinem Handy ein Video der drei Leichen. Stimmt seine Aussage, dass er einen Amoklauf verhindern wollte, den Leon geplant hatte? Oder handelt es sich gar um einen Auftragsmord? Je tiefer die Ermittler graben, desto unglaubliche Erkenntnisse bringen sie ans Licht. Bis sie auf Spur 33 stoßen ...(Verlagsinfo)

Interessant an diesem Roman ist nicht nur der Kriminalfall, nicht nur der Mord an einer Familie, sondern die verschiedenen Perspektiven der Figuren zeigen uns Menschen in ihrer ganzen Verzweiflung, in einer tiefen Traurigkeit und Hilflosigkeit. Täter wie Opfer sind keine einfachen, unsympathischen Figuren. Sie suchen nach einem „Leuchtturm“ in ihrem Leben, ein führendes Licht, dass ihnen ihren persönlichen Weg zeigen soll. Die Autorin transportiert absolut perfekt viele Emotionen, die die Figuren sehr tiefgreifend in ihren denken und handeln darstellen. Die Opfer sind ebenfalls Täter – ihr Versagen als Elternteil, das Versagen jeglicher Vernunft um auch schwierige Herausforderungen zu lösen – diese Fehler und Fehleinschätzungen und führen zu einer Explosion vieler Eskalationsspiralen.

Viel Intensität investiert Christa von Bernuth auch, die Kriminalbeamten komplex darzustellen. Auch diese Perspektiven machen aus dem Roman „Spur 33“ viel mehr als nur einen Spannungsroman mit hohem Unterhaltungswert.

Die Autorin zielt auch darauf ab, dass wir uns mit uns selbst beschäftigen. Wie hätten wir uns verhalten als: Opfer, Täter, Mitwisser, als Elternteil, als Polizist, als Freund/in, als Ehepartner usw. Genau diese verschiedenen Perspektiven verstärkt, die sowieso gegenwärtige Spannung, die immer präsent sind.

Es ist eine spielerische Manipulation unserer Emotionen – und das gelingt der Autorin verdammt gut, wenn man als Leser bereit ist, sich nicht nur berieseln zu lassen, sondern auch „mitzuspielen“. Das gelingt nur wenigen Autoren. Glückwunsch also.

Was mich etwas gestört hat, dass bei dieser Komplexität, die Autorin in keinem Nachwort auf diesem Kriminalfall eingeht, oder was sie selbst dazu bewegt hat, so tief in die Geschichte einzutauchen. Das war etwas unvollendet.

Fazit

Intelligente Spannung – Tragische Figuren und der Leser als Voyeur dabei, der angestoßen wird an dieser Handlung teilzuhaben. Prädikat: Ein Titel, den man lesen sollte – wenn man gerne zu „True Crime Büchern“ greifen möchte.

Michael Sterzik