Sonntag, 20. Juni 2021

Lügen können töten - Harriet Tyce


Kinder können mitunter grausam sein, ihre Ehrlichkeit und ihre Naivität lassen dies entschuldigen. Auch weil sie gerade dabei sind „Grenzen“ zu erforschen – ihre eigenen, die ihrer Eltern und Angehörigen und natürlich auch ihren Freunden. Diese „Grenzerfahrungen“ verletzen alle – und die Kinder können deren Konsequenzen nur bedingt berechnen. Ganz anders verhält es sich mit den „Eltern“ – als erwachsene, schon von der Zeit und deren Erfahrungen geformte, intelligente Menschen – können sie die Konsequenzen ihrer Handlung gewissermaßen berechnen – doch Ur-Instinkte – das Beschützen ihrer Kinder, kann eine solche Dynamik entwickeln, dass diese einen emotionalen Tsunami auslöst.

Liebe ist leidenschaftlich – und die Liebe hat auch ihre tödlichen Seiten. Im vorliegenden Roman : „Lügen können töten“ von Harriet Tyce befasst sich die britische Autorin mit grausamen, aber mitunter realistischen Liebesbeziehungen, die manipulativ, grausam und mörderisch sein können. Es handelt sich nicht um die klassische Variante einer Liebesbeziehung einer Mann und einer Frau – sondern um eine sehr destruktive Liebesform.

Sadie ist kürzlich in das alte, efeubewachsene Haus ihrer verstorbenen Mutter in London gezogen. Ihre Tochter soll in der Stadt eine exklusive Schule besuchen. Diese Eliteeinrichtung ist extrem begehrt, unter den Schülern – und deren Eltern – herrscht Konkurrenz. Während Sadie versucht, ihrer Tochter die Eingewöhnung möglichst leicht zu machen, will sie gleichzeitig ihre Stelle als Anwältin in ihrer alten Kanzlei zurückbekommen. Tatsächlich hat sie die Möglichkeit, den Angeklagten in einem skandalösen, lügendurchzogenen Fall zu vertreten. Sie setzt sich für ihren Mandanten ein – fast schon zu sehr – und läuft Gefahr, ihre professionelle Distanz zu verlieren. Und auch in ihrem Privatleben durchschaut Sadie kaum noch, was Lüge und was Wahrheit ist. Doch diese Erkenntnis kommt zu spät …(Verlagsinfo)

„Lügen können töten“ von Harriet Tyce ist zwar sehr authentisch entworfen, doch eine wirklich kontinuierliche Handlung besitzt dieser nicht. Die Handlung, bzw. die Botschaft, die die Autorin hier für die Leser bereithält, ist völlig überladen von überflüssigen Szenen und Dialogen. Erst im letzten Drittel des Romans steigt nicht nur die Unterhaltung, sondern man findet auch einen Weg durch das Intellektes Dickicht der Autorin. Auf diesen schwerfälligen Weg verpasst Harriet Tyce so manche Ausfahrt um die Handlung aufleben zu lassen.

Eindimensional ist leider auch die Perspektive der erzählenden Person „Sadie“ – die autark die Handlung beschreibt. Andere Personen und deren Motive – nicht mal die der Tochter von Sadie, werden gar nicht behandelt. Das ist mit einer der entschiedensten Kritikpunkte. Spannend wird es, wenn die Konflikte der Mütter untereinander an die Oberfläche gelangen – diese Atmosphäre ist nicht nur authentisch, sie ist geradezu erschreckend aufgesetzt. Neben dieser Haupthandlung ist der Fall vor Gericht, den sie als Nebenanwältin betreut spiegelbildlich überflüssig, nahezu ersichtlich.

Befasst man sich mit den Protagonisten, so sind diese überwiegend überzeichnet. Es dreht sich alles um die Konfrontationen dieser Helikopter-Mütter, deren Liebe so überaus krass beschrieben wird. Die Erwartungshaltung der Mütter gegenüber ihren Töchtern ist krankhaft, auch aggressiv und vernichtend für alle die nicht in ihr einfältiges Weltbild passen.

„Lügen können töten“ empfindet man, als ein Buch das orientierungslos entworfen wurde. Insgesamt unterhaltsam – doch entsteht der Eindruck das Harriet Tyce selbst nicht wusste, wohin sie will und was sie mit dem Roman ausdrücken wollte.

Als Schriftstellerin hat sie durchaus Talent, wenn auch hier die Struktur absolut vermisst wird.

Fazit

„Lügen können töten“ ist ein solider Thriller, der unterhaltsam, aber wenig spannend ist. Eindimensionale Erzählung, viele Chancen, die nicht genutzt wurden. Trotzdem hat die Autorin noch viel Potenzial – also warten wir noch auf das was kommen mag.

Michael Sterzik

Samstag, 5. Juni 2021

Krieger des Herrn - Tom Melley

Das Mittelalter ist im Genre Historischer Roman, eines der am meisten verwendeten Themen und zeigt oftmals ein idealisiertes und voreingenommenes Bild dieser Epoche. Edle Könige und Kaiser, höfische Gehabe von selbstbestimmten Frauen ihrer Zeit, die zeitlos schön und romantisch wirken sollen, Ritter die für Recht und Gerechtigkeit eintraten, und die Armen und Hilflosen unterstützen sollten.
Nette Vorstellung ,oder?! Es mag diese Menschen gegeben haben, die moralisch und menschlich agierten, die für viel positives eintraten und ihr Leben selbstlos für das von anderen hergaben. Übergeordnet mussten sich allerdings auch alle sozialen Stände – ob nun Adel, Kaufleute, Handwerker oder unfreie Menschen der Kirche unterordnen. Die alten Dogmen, die alten Traditionen und der Glaube daran, dass die Seele in einem herrlichen Himmel überlebt oder dem feurigen Inferno einer Hölle zum Opfer fallen könnte. Schon immer wurde die Religion als manipuliertes Werkzeug eingesetzt und schon immer wurden Verbrechen und Mord von der katholischen Kirche legitimiert – Gott will es!
Tom Melley zeigt uns in seinem historischen Titel: „Der Krieger des Herren“ eine kleine authentische Momentaufnahme des Mittelalters in einer bildgewaltigen Atmosphäre die einen völlig einnimmt.
Sachsen im Jahr 1190. Walter von Westereck, jüngster Spross eines Rittergeschlechtes, bestreitet unfreiwillig sein erstes Turnier beim Erzfeind seiner Familie, Graf Konrad von Lauenau.
Dessen verwirrte Tochter Jolande fleht ihn an, sie aus den Händen ihres sadistischen Bruders Wilfried zu befreien.
Er schenkt ihr keinen Glauben und zieht weiter, während ihr Bruder voller Hass Burg Westereck niederbrennt und seinen Vater kaltblütig hinrichtet.
Walter schwört Rache, verfolgt Wilfried und Jolande, die überraschend wegen Blutschande und Sippenmord verurteilt, eine Bußfahrt ins Heilige Land antreten müssen.
Er schließt sich einem Heer bewaffneter Pilger an, bis er die Stadt Akkon in Palästina erreicht, wo sich Christen und Muslime seit Jahren einen gnadenlosen Kampf liefern.
Dort stößt er auf seinen Todfeind, doch der steht unter dem Schutz des großmächtigen Königs Richard Löwenherz …Verlagsinfo
Tom Melleys zweiter Band übertrifft sein Debüt: „Die Gebote des Templers“. Die Intensität der Charaktere und der Story ist nicht nur authentisch gestaltet, sondern hochspannend und fesselnd. Wir nehmen als Beobachter an einer Geschichte teil und tauchen emotional tief in die Handlung ein. Sehr positiv ist der Ansatz, die Figuren und deren Handlungen so zu zeigen, wie sie ggf. tatsächlich waren. Viel Dreck und Blut, viel Gewalt und Liebe und verdammt wenig Glanz und Gloria – fertig ist ein historischer Roman, der nachhaltig überzeugt.
Besonders gut gelungen ist die Beschreibung einer Turniers. Der ritterliche, sportliche Wettkampf um sich in der Kampfkunst zu messen. Der Einsatz sehr hoch – der Gewinn ggf. auch – oder man verliert alles und findet sich als armer Ritter in einer Bedeutungslosigkeit wieder. Der Verlierer wird gefangengenommen und kommt gegen ein Lösungsgeld frei – oftmals verlieren diese aber ihre Rüstung, ihre Waffen und das Pferd. Auf der anderen Seite winken neben einer finanziellen Spritze, auch viel Ruhm und Ehre. Es bilden sich neue Freundschaften, aber hier entstehen auch viele Fehden zwischen den adeligen Personen und Interessengruppen, deren Auseinandersetzungen einen hohen Blutzoll haben. Wen interessiert schon der arme kleine Bauer, oder das kleine Dorf, oder die Bewohner einer Burg die erobert wird!? Ritterlichkeit findet man hier nicht – nur eine gnadenlose Verwirklichung von willkürlicher, brutaler Macht.
Die Figuren sind großartig, es sind keine klassischen, verzweifelten Antihelden. Es sind Menschen, die Fehlentscheidungen treffen, die Schuld auf sich geladen haben, die von Rache und Ehre getrieben Verbrechen begehen, die aber andererseits Mitgefühl zeigen und „edel“ agieren.
Es gibt auch historische Personen, denen Tom Melley hier eine Bühne gibt – es sind auch nur Nebenfiguren, die aber ganz nebenbei zielführend eingebaut sind. Allen voran Richard Löwenherz – der englische Monarch, der noch immer das hochidealisierte Bild eines Ritters darstellt – allerdings sprechen Historiker eher davon, dass er ein schlechter König und ein schlechter Mensch gewesen sein mag – aber ein großartiger Krieger war.
Dem letzten Drittel widmet sich der Autor den „Kreuzzügen“. Ein Paradeschauplatz, der allerdings überflüssig wirkt und deren Intensität nicht im Fokus liegt. Es wäre gut gewesen, die Handlung nicht auf zwei Schauplatzen zu trennen. Aber das mindert auch nicht im Geringsten die fabelhafte Unterhaltung.
Auch den Part des „bösen“ Gegners hätte man vielschichtiger darstellen können, so wirkt mir dieser manchmal zu übertrieben eindimensional böse.
Den Part der Kämpfe auf dem Turnier, oder auf dem Schlachtfeld erzählt der Autor bildgewaltig und scheut sich auch nicht davor es blutig und brutal zu schildern. Der Ton macht die Musik – und auch hier überspitzt es Tom Melley nicht ins plakativ grausame zu wechseln.
Atmosphärisch interpretiert ist der vorliegende Roman grandios erzählt. Verstand und Gefühl im absoluten synchronisierten Einklang. Stil, Ausdruck und Sprache sind hervorragend verwendet.
Fazit
„Der Krieger des Herrn“ von Tom Melley ist ein ganz, ganz starker historischer Roman, der grandios überzeugt. Wesentlich stärker und intensiver wie der erste Band. Ich würde es dem Autor wünschen, dass sich ein großer Publikumsverlag findet der diese beiden Titel veröffentlicht.
Michael Sterzik


Donnerstag, 27. Mai 2021

Katakomben - Alexander Schuller


Deutschland ist ein Sozialstaat. Wir haben ein soziales Netz – viele staatliche und private Organisationen, wir haben Hilfswerke, wir haben Verbände und können demnach viele Menschen auffangen, die durch unterschiedliche, persönliche Schicksalsschläge am Rande der Gesellschaft gedrängt wurden.

In New York und anderen amerikanischen Großstädten gibt es die „Maulwurfmenschen“ – die verlorenen, die unter den Hochhäusern der Millionenmetropole leben. Sie zapfen Strom- und  Telefonleitungen an, sie bauen sich Unterkünfte in alten U-Bahntunneln, oder Versorgungsräumen – es entsteht so eine kleine Gemeinde unter der Stadt. Für Außenstehende, oder „Touristen“ keine ungefährliche Region. Nicht nur wegen der Bewohner, die nicht gefunden werden wollen, sondern viel mehr sind die Gänge, Räume und Schächte um ein vielfaches größer – sie können sich über mehrere hunderte Kilometer ziehen. Eine gefährliche Dunkelheit – deren Gefahren man unterschätzt.

Das Thema ist kein Mythos, keine Legende – es ist die traurige Realität. In Büchern und Filmen wird dieses Thema relativ oft verwendet – mal gut  - mal weniger gut.

Der vorliegende Thriller von Alexander Schuller greift dieses Thema auf und verarbeitet es nicht einmal weniger gut – sondern setzt es desaströs um.

Die Münchner „Rich Kids“ Nellie, Max und Janosch wollen mal nicht in einem angesagten Szene-Club feiern, sondern auf einem illegalen Luxus-Rave in den geheimen Gängen unter dem Hauptbahnhof. Sie ahnen nicht, dass im Untergrund Menschen leben, die in der normalen Welt keinen Platz mehr finden: die Unsichtbaren. Plötzlich eskaliert die Party nach einem Feuer in den Tunneln, und Massenpanik bricht aus. Die verheerenden Auswirkungen der Partynacht werden erst am nächsten Morgen klar: Dutzende Verletzte und drei Vermisste – darunter auch Max. Weshalb bietet ausgerechnet Tyler aus dem Untergrund bei der Suche nach den Vermissten ihre Hilfe an? Und wer profitiert tatsächlich von den Verschwundenen? (Verlagsinfo)

Meine Kritik bezieht sich auf das Buch – und nicht dessen Verfilmung, die man auf „Joyn“ gerade streamen kann. Was hätte der Titel „Katakomben“ doch gut sein können!? Welche spannenden, kritischen soziale Themen und Schicksale von Figuren hätte man hier im Detail darstellen können? Welche Dramatik hätte sich mitunter zeigen können? Welche Verzweiflung? Welche Ängste? Welche Hoffnungen? Soziale Brennpunkte – das Versagen des Staates – die Ignoranz der Politik und der Wirtschaft?

Was ist das Ergebnis? Alexander Schuller hat einen minderwertigen Schulaufsatz verfasst. Eine oberflächige Geschichte erzählt – die weder originell ist, noch tiefgründig wirkt. Ein „lauter“ Roman voller seelenloser Klischees. Ein bunter, schriller Roman – der versucht hat, die Grenzen zwischen Reichtum und Armut anhand von personalisierten Schicksalen von einzelnen Figuren aufzuzeigen. Das ist denkbar schlecht gelungen. Politisch und Kulturell – Menschlich und Sozial – all das hätte man thematisch aufarbeiten können.

Spannung? Es gibt sie nicht – es gibt keinen Spannungsbogen, es gibt keine Überraschungen, keine Wendungen – so viel Text – aber inhaltlich ein erzählerisches Vakuum.

Figuren: Wie kann man nur so blasse Charaktere kreieren? Keinen Tiefgang, keine Identifikation – weder Sympathie oder Antipathie. Ein gehetztes Auftreten von Figuren – die nicht viel von sich zu erzählen haben.

„Katakomben“ ist sprachlich, stilistisch und im Ausdruck mit das schlechteste, dass ich jemals in einem halben Jahrhundert gelesen habe. Ein versuchter „Jugendroman“ der genau das nicht schafft- eine Geschichte zu erzählen, die den Leser packt und sich kritisch mit Themen auseinandersetzt.

Fazit

„Katakomben“ von Alexander Schuller ist absolut nicht zu empfehlen. Eine Verschwendung von wertvoller Zeit. Ein mangelhafter, bisweilen ungenügender Schulaufsatz.

Michael Sterzik

Montag, 24. Mai 2021

Die Gebote des Templers - Tom Melley

 

Der Kampf um das Heilige Grab, die Kreuzzüge von denen sich die Ritter und Soldaten ein abenteuerliches und erträgliches Geschäft versprachen. „Gott will es“ und das Versprechen sich damit allen Sünden zu entledigen – all das waren Motive um legitimiert zu morden, zu plündern, zu vergewaltigen und vielleicht auch der Gerichtsbarkeit und anderen heimischen Herausforderungen hinter sich zu lassen. Alles in Namen „Gottes“.

Es gibt eine Menge an historischen Quellen, die uns ein gutes und authentisches Bild überliefern. Dazu gibt es noch eine Menge „Legenden“, eine ganze Reihe von erzählerischen Übertreibungen die etwas viel Glanz und Gloria über die Epoche verteilen. Im Genre Historischer Roman – gibt es unzählige Romane, die diese extreme, kriegerische Religionspolitik unterhaltsam erzählen. Viele haben mit einer auch nur annähernden Realität entfernt wenig bis gar nichts zu tun.

Kommen wir zurück ins Land der Märchen, Fabeln und Legenden und konzentrieren uns kurz auf die Tempelritter. Ein Orden mit festen Verhaltensregeln, Gesetzen, Richtlinien und einem unerschütterlichen Kodex der sich an die ritterlichen und menschlichen Wert orientiert. Humanitärer Kompass hin oder her – auch hier gibt es neben einer Vielzahl von historischen Quellen, auch viele Legenden um die Ritter in den weißen Waffenröcken, die das Symbol des Kreuzes trugen.

Im vorliegenden Roman „Die Gebote des Templers“ von Tom Melley thematisiert dieser, die „Tempelritter“ im Heiligen Land.

Das Heilige Land im Jahr 1193.
Guillaume de Born, ein skrupelloser Tempelritter, ist der fleischlichen Sünde überführt. Als Buße wird er mit einem selbstmörderischen Auftrag in das von Sultan Saladin besetzte Jerusalem gesandt. Dort stößt er auf einen Teil der verschollen geglaubten Bundeslade. Er verfolgt deren Spur bis zu einem jüdischen Goldschmied und stiehlt das vermeintliche Heiligtum.
Guillaumes Tod ist jedoch vom Großmeister der Templer längst beschlossen. Auf dem Rückweg in die Hafenstadt Akkon wird er plötzlich von seinen Tempelbrüdern überfallen. Sie nehmen den kostbaren Schatz an sich und er bleibt schwer verletzt in den Bergen Galiläas zurück. Durch die Hilfe einer Jüdin und eines Arabers überlebt er und schwört Rache. Doch das wertvolle Artefakt befindet sich jetzt in einer uneinnehmbaren Templerfestung, bewacht von einem erbarmungslosen Feind. (Verlagsinfo)

„Die Gebote des Templers“ von Tom Melley überzeugt durch eine absolut authentische, historische Perspektive. Der Autor hält sich nicht auf mit überflüssigen Beschreibungen, oder ziellos geführten Dialogen. Es gibt keine romantisierte Interpretation und Darstellung der Tempelritter. Tom Melley zeigt sie diese mitunter gewesen sei könnten, als Menschen, die sich im Orden versteckte, die Korrupt waren, die Verbrechen begingen, die jegliche selbstauferlegten Ideale verriet. Diese ritterliche Eliteeinheit, die die beiden Stände Ritter- und Mönchstum vereinte, waren sehr mächtig. Sie hatten einen unmittelbaren politischen Einfluss, den sie mithilfe ihrer finanzkräftigen Infrastruktur so lenkten, wie sie es selbst für richtig hielten. Sie waren ein Syndikat – eine legalisierte, teils verbrecherische Institution. Als „Kinder“ ihrer Zeit waren sie berühmt, berüchtigt, hoch beachtet und gefürchtet. Aber es gab auch eine Menge sehr positive Eigenschaften.

„Die Gebote des Templers“ überzeugt nicht über einen Spannungsbogen der aus der Story resultiert. Die Geschichte wird hauptsächlich von den Charakteren getragen und diese sind perfekt und mehrdimensional gestaltet. Das Storytelling ist sekundär – die erzählerische Perspektive wechselt und damit auch die verschiedenen  Motive die gespiegelt werden, sodass die Spannung personenbezogen wird.

Grundstein dieser personenbezogenen Story ist die Suche nach Teilen der Bundeslade. Dieses religiöse Artefakt animiert noch immer viele Autoren, oder Produzenten es für eine Geschichte zu verwenden. „Der Zorn Gottes“ – die 10 Gebote die Moses von Gott empfangen hat – viele Verwendungsmöglichkeiten. Für die Geschichte ein Platzhalter – es hätte auch der „Heilige Gral“ sein können, oder die Kinder von Jesus und Maria Magdalena usw. – die Auswahl an Legenden ist vielseitig.

Tom Melley erzählt in Rückblenden immer wieder von tatsächlich historischen Ereignissen und bezieht hier eine neutrale Stellung. Es gibt kaum Nebengeschichten, was im Grunde sehr schade ist, denn es hätte dem Roman noch mehr an Tiefe gegeben. Ebenso verhält es sich mit den Nebenfiguren – und es ist interessant, dass die beiden „Ritter“ – dem Hauptcharakter in die zweite Reihe stellen. Diese beiden Charakter spielen übrigens im zweiten Band: „Der Krieger des Herren“ die Hauptrolle. Die Geschichte spielt allerdings vor den Ereignissen von „Die Gebote des Templers“.

Der Roman „Die Gebote des Templers“ ist großartig für ein Debüt. Tom Melleys Stil ist für einen Debütroman außerordentlich gut. Ausbaufähig – aber sein Talent inhaltlich kein Blatt vor dem Mund zu nehmen, und sich auf das wesentliche zu konzentrieren, wirkt packend und überzeugend.

Ein historischer Roman, muss letztlich auch über die Interpretation und Verwendung von Fakten überzeugen. Auch hier hat Tom Melley alles richtig gemacht. Im Nachwort erklärt er, welche Fakten und historischer Ereignisse er verwendet, oder schriftstellerisch frei interpretiert hat.

Fazit

„Die Gebote des Templers“ von Tom Melley sehr zu empfehlen. Authentisch überzeugend und die Figurenzeichnung ist brillant gelungen. „Geschichte in einer unterhaltsamen „Geschichte“ verwandelt. Ziel erreicht.

Man darf gespannt sein, was für Werke hier noch folgen werden. Ich empfehle, die Geschichte vom vorliegenden Band nicht weiter zu führen. Es gibt noch viel zu erzählen. Lesen Sie „Die Gebote des Herren“ – lassen Sie sich überraschen, sie werden begeistert sein. Prädikat: Unbedingt lesen.

Michael Sterzik

Freitag, 21. Mai 2021

Tödliche See - Sabine Weiß

 


Der vorliegende Titel aus der Reihe um die Kommissarin Liv Lammers ist der fünfte Band einer insgesamt hervorragenden Kriminalreihe.

Sabine Weiß verarbeitet immer mal wieder in ihren gegenwärtigen Kriminalromanen aktuelle Themen. In ihrem neuesten Werk wird das Thema „saubere“ Energiegewinnung thematisiert. Damit schlägt sie natürlich den Bogen zu dem übergeordneten Thema „Klimaschutz“ etc. Als alternative Möglichkeit wird hier von einer sauberen Stromgewinnung durch Windkrafträder gesprochen. Das sich die sympathischen Autorin mit dieser Herausforderung intensiv befasst und genau recherchiert hat, stellt man bereits frühzeitig fest.

Die Nordsee, fast achtzig Kilometer vor Sylt. Im Gerüst unter einer Versorgungsplattform wird die Leiche eines Tauchers gefunden. Unfall oder Selbstmord sind ausgeschlossen. Liv Lammers und ihre Kollegen von der Mordkommission fliegen mit dem Hubschrauber ein. Sie stoßen auf eine eingeschworene Gemeinschaft von Arbeitern. Bald aber zeigt sich: Hinter den Kulissen brodelt es. Als auch die Firmeninhaberin auf Sylt bedroht wird, nimmt der Fall eine neue Wendung, denn vielen Einheimischen ist die Offshore-Anlage...(Verlagsinfo)

Die Story fokussiert sich auf einen sehr, sehr kleinen möglichen Täterkreis – alleine schon die Regionalität eines Windparks als Tatort engt alles ein – die Spuren, die möglichen Täter, die Zeugen, dass Motiv. Es mutet ein wenig an, wie „Mord im Orient Express“. Der Vergleich ist aber nur minimalistisch zu sehen.

„Tödliche See“ von Sabine Weiß ist der schwächste der gesamten Reihe. Sicherlich ist der Tatort auf der Nordsee – auf einer Versorgungsplattform sehr originell gewählt, aber es schränkt zugleich alles wie oben beschrieben ein und damit wird für mich auch die Atmosphäre konzentriert bescheiden eingezwängt. Eine Spannung erkenne ich hier nicht – eher wird alles haarklein und zeitlich ausufernd beschrieben, erklärt und besprochen.

Die Nebengeschichten funktionieren aber immerhin – gerade Liv Lammers Charakter erklärt sich mit einer angenehm sympathischen Note, die ansprechend ist. Private Herausforderungen und auch liebevolle Beziehungskisten ergänzen die Figur. Und ganz ehrlich – es wirkt immer realistisch, immer sehr bildhaft dargestellt bilden Liv Lammers und alle Hauptfiguren aus den früheren Romanen die Basis dieser Kriminalfälle.

Vergleichen wir „Tödliche See“ mit den übrigen Bänden so sieht der aktuelle Punktestand wie folgt aus: Spannend und Unterhaltsam vs. Langweilig und inhaltlos 4:1. Das Sabine Weiß es versteht, spannende Geschichten zu erzählen, die packend und nachhaltig fesseln – hat sie hinlänglich bewiesen. Ich freue mich also auf den sechsten Band der Liv Lammers Reihe – der hoffentlich nicht lange auf sich warten lässt.

Fazit

„Tödliche See“ Sabine Weiß ist wenig unterhaltsam und plätschert inhaltlich leise vor sich hin. Wenig spannend – weniger unterhaltsam – hat mich dieser Band überhaupt nicht überzeugt.

Michael Sterzik

 

 

 

Mittwoch, 19. Mai 2021

Der Polizist - John Grisham

 


„Die Jury“ von John Grisham gehörte zu den absolut stärksten Romanen von John Grisham. Der amerikanischer Anwalt  der im belletristischen Genre Thriller dem Thema „Justiz“ eine völlig neue Gewichtung gegeben hat – geht in seinen neuesten Roman „Der Polizist“ zurück in die Zukunft seiner schriftstellerischen Karriere.

John Grisham verwendet gerne Themen – die sich polarisierend auf einem schmalen Grat bewegen. Im vorliegenden Roman geht es wieder vors Gericht und auch hier liegt das Schicksal des Angeklagten bei der unparteiischen Jury. Jake Brigance – der idealistische Jurist der schon in „Die Jury“ und „Die Erbin“ nicht nur die Jury überzeugen konnte, träumt noch immer davon ein berühmter Prozessanwalt zu werden, der sich überregional einen Namen macht um der kleinen Provinz zu entkommen.

John Grishams Talent eine Straftat hochspannend aus vielen Perspektiven nachhaltig auszumalen ist sprichwörtlich großes Kino. Die Palette von emotionalen Werkzeugen, die er verwendet, sind vielfältig, aber wirkungsvoll. Eingeklammert von einigen Klischees die er auch in „Der Polizist“ verwendet, gehört dieser Roman zu einem seiner stärksten.

Jake Brigance, Held der Bestseller »Die Jury« und »Die Erbin«, ist zurück. Diesmal steht er als Pflichtverteidiger im Zentrum eines aufsehenerregenden Mordprozesses in Clanton, Mississippi. Sein Mandant Drew Gamble hat einen örtlichen Deputy umgebracht – doch war es Notwehr oder Mord? Die Mehrheit von Clanton fordert lautstark einen kurzen Prozess und die Todesstrafe. Dabei ist Drew Gamble gerade einmal 16 Jahre alt. Jake Brigance arbeitet sich in den Fall ein und versteht schnell, dass er alles tun muss, um den Jungen zu retten. Auch wenn er in seinem Kampf für die Wahrheit nicht nur seine Karriere, sondern auch das Leben seiner Familie riskiert. (Verlagsinfo)

Notwehr aus Todesangst, oder ein gezielter Mord um sich um seine Familie zu schützen – ist das entschuldbar, ist es legitim das Gesetz in Selbstjustiz zu gebrauchen, oder zu missbrauchen?

„Ich wurde von der Polizei vergewaltigt“ die Aussage einer Zeugin – die so dramatisch ist, so unter die Haut geht, dass diese Wellen sich wie ein emotionaler Tsunami durch den Gerichtssaal fortbewegen. Das Justizwesen unterscheidet sich sehr von dem unsrigen. Auch in „Der Polizist“ sind die Auftritte der Rechts- und Staatsanwälte immer theatralisch, sie sind strategisch aufgestellt, sie tricksen mit einer rhetorischen Bewaffnung, die hochspannend und manipulativ ist.

Die Figurenzeichnung ist ausgesprochen brillant – und das betrifft alle Personen in diesem Roman. Einige sind ja „Wiederholungstäter“ und uns bestens bekannt. Die Nebenfiguren und Nebengeschichten sind teilweise überflüssig, da die Haupthandlung eine solche Fokussierung innehat, wie ich sie selten erlebt habe.

Der sehr, sehr hohe Unterhaltungswert ist nicht nur das Ergebnis einer exponentiellen Spannung, sondern überzeugt durch einen sehr hohen Anteil von Emotionen – inkl. einiger verwandtschaftlichen Todsünden.

Die Story spielt ca. 5 Jahre nach den Ereignissen von „Die Jury“ und damit greift John Grisham geschickt in die Schublade von alten Vorurteilen, von längst schon aufgegebenen Dogmen, und traditionellen Idealen – meinen wir wirklich, dass diese an Aktualität verloren haben? Haben sie nicht – noch lange nicht und lädt uns nebensächlich dazu ein, darüber nachzudenken – wo Recht und Unrecht anfangen, oder enden können. Machen Sie sich ein eigenes Bild – es ist ihr gutes Recht.

„Der Polizist“ von John Grisham  ist zwar als Einzelband konzipiert – aber der Schriftsteller lässt sich einen Korridor voller weiterer Möglichkeit offen. Ein zweiter Teil ist nicht ausgeschlossen, und wenn man schon thematisch die Story nicht fortführen möchte, so haben die Charaktere ein so großes Potenzial, dass wir hoffentlich „Jake Brigance“ wiedersehen.

Fazit

„Der Polizist“ ist gnadenlos spannend. Eine Verurteilung dazu diesen Roman unbedingt zu lesen. Strafmaß: Sie werden diesen Roman lesen müssen – zu Recht ein Justizthriller, der menschlich überzeugt und einer der stärksten des Autors ist.

Michael Sterzik

Donnerstag, 13. Mai 2021

Ich will dir nah sein - Sarah Nisi


Die Wege der „Liebe“ können mitunter auch extrem dunkel sein. Wir haben alle schon Abweisung erlebt, eine gescheiterte Beziehung, dazu Liebeskummer, Selbstzweifel, ein unsägliches Gefühl völlig verloren sein. Doch wir überleben diesen Verlust und hier spielt auch die Zeit eine elementare Rolle. Doch mitunter hat der eine oder andere es auch schon erlebt, dass sich der Ex-Partner nicht so schnell abschütteln lassen will. Hartnäckig sucht dieser Kontakt, fordert Erklärungen, bittet nach einem Zeichen der Hoffnung – und manchmal wird daraus eine kriminelle Handlung wenn einem die aufgezwungene  „Nähe“ faktisch zu nah. Wir reden hier dann von „Stalking“. Psychologisch gesehen schwierig zu einzuordnen – ob dies schon krankhafte Züge hat, muss man individuell interpretieren. Die Beweggründe sind vielfältig – eine Antriebsfeder ist das Suchen nach Aufmerksamkeit, oder Kontrolle, aber auch das Streben nach Macht oder Rache können die Gründe für derartige Belästigungen sein.

Die Deutsch-Britin Sarah Nisi, in Hildesheim geboren, die aber in der Metropole London lebt, hat ihren ersten Roman im Verlag btb veröffentlicht: „Ich will Dir nah sein“.

Der Psychothriller gehört zu einem der besten Romane, die ich bisher in diesem Jahr gelesen habe. Als Debütroman außerordentlich brillant gelungen und sehr zu empfehlen.

London, Fundbüro des öffentlichen Nahverkehrs. Lester Sharp kümmert sich um herrenlose Fundsachen: Handys, Schlüssel, Portemonnaies – besonders gern um Kleidungsstücke und medizinische Gerätschaften. Er ist auch privat ein Sammler und Sonderling, der sich schwertut mit Frauen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Als er der jungen Erin begegnet, weiß er zunächst nicht, wie er sich verhalten soll – findet aber schon bald eine Möglichkeit, ihr nah zu sein. Näher, als es ihr lieb sein kann...(Verlagsinfo)

„Ich will Dir nah sein“ überzeugt aus vielerlei Gründen. Die tiefe Interpretierung der Charaktere ist perfekt im Einklang mit der Story absolut gelungen. Die Perspektive wird aus drei Perspektiven der Figuren erzählt. Der konzentrierte Fokus orientiert sich auf den Sonderling „Lester Sharp“ – der krankhafte Züge zeigt. Seine Motivation und sein Verständnis für den Begriff Liebe, das Interesse für eine Person und Zuneigung ist gleichbedeutend mit einer desillusionierten, zwanghaften Kontrolle.

Sarah Nisi erzählt die Besessenheit von Lester Sharp mit einer nachhaltigen Wucht, die erschreckt und morbide faszinierend ist. Der Realismus dieser Szenen, die das innerste Selbst von Lester und Erin zeigen ist unsagbar spannend – und zu keinem Zeitpunkt überzogen, oder nicht authentisch genug. Die Atmosphäre des Buches ist Sarah Nisi so intensiv gut gelungen, dass die Story den Leser völlig einfängt.

Die Story baut sich in einer Eskalationsspirale auf, die zwar nicht am Durchdrehen ist, aber zu einem Ende führt, dass man so nicht erwartet hätte. Auch wenn abschließend ein paar Fragen unbeantwortet bleiben, ist „Ich will Dir nah“ sein extrem faszinierend.

Psychologisch gesehen weiß die junge Autorin welche Knöpfe sie in den Köpfen der Leser drücken muss –aber vielen Dank für diese unterhaltsame, literarische Unterweisung.

Sarah Nisi wird sich mit diesem Roman ein gewisses Standing erarbeitet haben. Die Story ist originell, die Figuren brillant mit ihrem Zusammenspiel und den Dialogen lassen eine Geschichte entstehen, die erschreckend gut erzählt ist.

Sarah Nisis Debüt ist mehr wie gelungen und wir dürfen gespannt sein, aber auf die nächsten Romane der Autorin. Dieser vorliegende Roman gilt als inhaltlich abgeschlossen.

Fazit

„Ich will Dir nah sein“ von Sarah Nisi ist ein Pageturner, der unserer Psyche unheimlich nahkommt. Ganz starker Roman – der abgrundtiefe Ängste aufs Papier bringt und über eine hoch spannende Wucht verfügt. Prädikat: Einer der Thriller, die man in diesem Jahr lesen sollte.

Michael Sterzik