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Dienstag, 8. Oktober 2019

Sterbekammer - Romy Fölck



Die Kriminalliteratur in Deutschland entwickelt sich zur zeit recht stabil, geradezu tendenziell positiv ansteigend. Doch gibt es neben der Quantität an „Krimis“, noch immer hohe qualitative Unterschiede bei den veröffentlichten Titeln. Längst schon gibt es eine hohe Konzentration an regionalen Krimis und gerade die Städte und Dörfer an der Nord- und Ostsee sind nicht nur landschaftlich und touristisch interessant. Die Menschen die man gerne auch als Nordlichter bezeichnet, die rund um die Hansestädte Hamburg und Lübeck leben, die Elbmarschen und die kleineren Küstenorte, romantisch, verträumt und so tun, als wäre alles harmlos....! Doch neben viel Licht, gibt es auch Schatten, die uns faszinieren. Geschichten, Storys, Legenden, wahre Begebenheiten in Krimis die uns zu fesseln vermögen und mal flugs den Schlüssel wegschmeißen.

In einer abgelegenen Deichmühle wird die Leiche eines alten Mannes gefunden, der als starrköpfiger Eigenbrötler bekannt war. Als Polizistin Frida Paulsen in der Mühle auf eine verdeckte Bodenklappe stößt, ist sie zutiefst erschüttert, denn die Tür führt zu einer Kammer, die wie ein Gefängnis anmutet. Ihr Kollege Bjarne Haverkorn erinnert sich an eine junge Frau, die vor Jahren spurlos in der Marsch verschwand. Alles deutet darauf hin, dass die Entführte in der Kammer gefangen gehalten wurde ...(Verlagsinfo)

Die Autorin Romy Fölck lebt in den Elbmarschen, nahe Hamburg und hat im Verlag Lübbe, ihren dritten Kriminalroman: „Sterbekammer“ veröffentlicht. Nach den Erfolgen mit ihren beiden Titeln: „Totenweg“ und „Bluthaus“ setzt sie nun die Reihe mit den beiden Ermittlern Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn fort.

Bei dem vorliegenden Titel „Sterbekammer“ merkt man, dass Romy Fölck sich als Autorin positiv weiterentwickelt hat. Dieses Buch besitzt eine spannende Seele, eine Atmosphäre, in der die Region „Elbmarschen“ völlig eingefangen wird und die Figuren, egal ob Haupt- oder Nebencharaktere mit einer erzählerischen Tiefe erzählt werden, die mich völlig überzeugen können.

Romy Fölck baut ihr kleines Elbmarschuniversum weiter aus – und genau, dass ist die große Stärke ihrer Titel. Die Qualität eine Story zu erzählen und schlichtweg immer fokussiert zu bleiben. Immer wieder tauchen Nebenfiguren und Tiere aus den beiden vorhergehenden Titeln auf, nicht überflüssig – sondern vielmehr unterstützend. Viele kleine, feine Nebensächlichkeiten, die so nachhaltig eingebaut sind, dass sie wie eine helle Lichtquelle in diesem dramatischen Todesfall sind. Ein kleines Luftholen, durchatmen und weiter geht´s.

Der Boden der Tatsachen ist mörderisch – die vegetative Region mit Feldern und Apfelbäumen gesäumt, lädt ein um sich zu erden – dort sind die sozialen und beruflichen Wurzeln der beiden Kriminalbeamten Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn. Agilität und Neugier treffen auf Ruhe und Erfahrung.

Die Story ist authentisch, brutal und erschreckend erzählt. Wenn es in die Abgründe dieser „Sterbekammer“ geht, überlässt die Autorin nichts dem Zufall. Sie beherrscht die Klaviatur der Spannung und der Emotionen. Perfekte Konstruktion – dass ein starkes Fundament besitzt, nicht zuletzt durch die erzählerische dichte wenn es um das Privatleben der beiden so unterschiedlichen Figuren geht. Auch das erzählt die Autorin aufbauend, nicht zu schnell, keine logischen Fehler, keine Widersprüche. Ihre Figuren sind „Menschen“ – fehlerhaft - und überraschenderweise keine Antihelden mit einer Vergangenheit der traumatischen Erlebnisse, alkoholischen Altlasten und destruktiven Persönlichkeitsstörungen.
Die Autorin Romy Fölck präsentiert uns aber auch einige neue Figuren, die toll und vielversprechend, hoffentlich auch in den nächsten Bänden vorkommen. Frida Paulsen inzwischen bei der Mordkommission hat einen neuen Vorgesetzten – dieser Part könnte interessant werden – da er genau, dass Gegenteil dieser extrovertierten Kriminalbeamtin ist. Ein Karrierist – ein helles Köpfchen – der „gute“ Geist, oder der „dunkle“ Lord? Es wird in jedem Fall interessant werden.

Das Setting der Story – die Elbmarschen ist perfekt erzählt. Wer die Region schon kennt, weiß wovon ich spreche. Rau und schön, hell aber bei Regen und Unwetter bedrohlich und immer eine Atmosphäre, als würden die Geheimnisse in Wäldern und Feldern, in verfallenen Höfen, an den Ufern kleinerer Seen nur darauf warten entdeckt zu werden.

Romy Fölck hat sich zu einer der besten Autorinnen im Genre nationaler „Krimi“ entwickelt. Stil, Ausdruck und Sprache haben sich deutlich nach vorne entwickelt.
Der Tempomat „Spannung“ verhält sich im erzählerischen Verkehr unfallfrei und die Autorin erzählt ihre Story konzeptionell so stark, dass sie inzwischen zu einer „Größe“ in diesem Genre werden kann. Psychologisch raffiniert spielt sich mit unseren Urängsten: Verlust, Schmerz, Dunkelheit, Beklemmungen usw. Das Grauen findet also mehr in unseren Köpfen statt. Wir begegnen hier keinen wilden Schießereien, keine physische Folter, keinerlei Art von Verstümmlungen bei denen das Blut mal schnell einen Raum eine völlig neue Farbe geben kann. Muss auch nicht – den Schrecken, den die Autorin hier präsentiert klingt noch lange nach.  

Es ist der dritte „Cold Case-Fall“ und es ist an der Zeit sich vielleicht demnächst mit einem aktuellen Verbrechen zu befassen – einer aktuellen Bedrohung für eine der beiden Figuren. Das wäre für mich der nächste Schritt J

Auch wenn „Sterbekammer“ alleine gelesen werden, kann ohne die vorherigen Bände zu kennen – empfehlen kann ich das aus besagten Gründen nicht. Ich hoffe, dass wir auch die eine oder andere Person im vierten Band der Reihe wiedersehen werden.

Fazit

Die Kammer des Schreckens – die Sterbekammer von Romy Fölck ist weit geöffnet und präsentiert eine tödliche Spannung. In der Dunkelheit der Kammer versteckten sich Angst und Verzweiflung – und nicht zuletzt auch ein Stückchen Hoffnung.

So muss ein Krimi sein – atmosphärisch hochklassig. Einer der stärksten Kriminalromane – und vielleicht noch besser wie ihr erster Band:  „Totenweg“. Ich bin gespannt auf die nächsten Werke von Romy Fölck

Romy Fölck – Meisterlich – Bitte weitere Titel und das schnell.

Michael Sterzik 





Sonntag, 17. März 2019

Der talentierte Mörder - Jeffery Deaver


Die Thriller von Jeffery Deaver überzeugen über eine intelligente Spannung. Ebenfalls bedient sich der Autor fast schon traditionell an einer originellen Idee, die mitunter der realistisch ist. Das dann genau diese Idee beängstigend sein kann, gerade weil man darüber nachdenkt, ob dies technisch überhaupt möglich ist, ist nachhaltig verdammt gut positioniert.

In unserer digitalen Welt sind wir „fremdgesteuert“ – machen wir uns mal nix vor. Schon längst gibt es intelligente Systeme mit der wir in unserem Haus, oder auch Grundstück verschiedene elektrische, digitale Systemeinheiten steuern können. Strom, Licht, Wärme und überhaupt Kommunikation. Unsere Autos sind inzwischen voller Elektronik – der Mechaniker repariert unsere Fahrzeuge nicht mehr nur mit dem Schraubenschlüssel, sondern greift selbstverständlich auf einen Computer zu. Ohne Software funktioniert hier gar nichts mehr – selbst das Öffnen der Türen erfolgt über ein übermitteltes, elektronisches Signal.

Unsere Welt ist digital – unsere Welt ist kompromisslos und konsequent darauf ausgerichtet, dass wir aus Bequemlichkeit auf die innovativsten Ideen kommen. Ersparnis von Zeit, kostenreduzierter Aufwand, Abbau – bzw. Umbau von menschlichen Ressourcen.  
Man muss mit der Zeit gehen – genau das Denken und verstehen kriminelle Köpfe schon seit langem. Cyberkrieg – Cyberkriminalität – willkommen in einer alltäglichen Welt, in der man vieles auf „Knopfdruck“ manipulieren kann. Der nächste Krieg könnte also eine abwechslungsreiche Folge von Fehlfunktionen werden – Atomkraft-und Wasserkraftwerke, Fluglinien, infrastrukturelle Verkehrsnetze….denken wir darüber nach, fällt uns das eine oder andere bestimmt noch ein.

Der amerikanische Autor Jeffery Deaver greift die Idee vom Cyberkrieg auf und transportiert diese bürgernah in die moderne Zivilisation. Der Plot alleine zeigt schon, welche originelle Szenen es geben wird: Eine mörderische Rolltreppe – ein zufälliger Unfall, ein Systemausfall, oder liegt hier eine Manipulation vor?! Sprichwörtlich muss man diesen Unfall/Mord im Detail sehen.

Die Gesichter des Todes können Dir im Alltag das Leben leichter machen, oder Dich digital und maschinell ins Jenseits befördern. Primitive Maschinen mit großartig, tödlichen Effekten und jetzt spricht man bitte nicht von „Haushaltsunfällen“.

Jeffery Deaver bedient sich in seinem Roman „Der talentierte Mörder“ einer solchen Szenerie. Technik ist Technik – bestehend, aus Schaltkreisen, Platinen, Widerständen, Halbleitern, Controllern..usw. Wenn baugleiche Komponenten in Alltagsgegenständen ein digitales, empfangenes Signal aufnehmen und etwas ein-oder ausschalten, wird es gefährlich. Der Mörder hat mehrere Talente – eines davon ist dies.

„Der talentierte Mörder“ von Jeffery Deaver ist strukturell gut konzipiert. Die Hauptstory steht allerdings vollkommen in zweiter Reihe. Die zwischenmenschlichen Beziehungen – diese Nebengeschichten sind die literarische Seele des Romans. Der rote Faden einer digitalen Bedrohung lässt sich schwer übersehen, aber diese ist untergeordnet.

Die Beziehung zwischen Amelia Sachs und Lincoln Rhyme ist sowieso schwierig. Körperlich und Geistig nahezu konträr – wird ihre berufliche und private Beziehungsebene auf die Probe gestellt. Der kranke und behinderte, aber genialer Rhyme bekommt eine neue Assistentin – ebenfalls im Rollstuhl sitzend, ebenfalls ein sehr kluger Kopf, der seinen Mentor manchmal übertrifft und überrascht.

Amelia Sachs Ex-Partner wird aus dem Gefängnis entlassen. Der ehemalige, nun kriminelle Cop, will seine Unschuld beweisen und sucht privat die Aufmerksamkeit seiner Exfreundin. Als dritte Herausforderung gibt es dann für Amelia Sachs ihre Mutter, die gesundheitlich alles andere auf Höhe ist.

Auch der 12.Band dieser Reihe überzeugt über mal mehr sein als schein, und umgekehrt. Dunkle Wasser sind tief und so trägt jede „neue“ Figur diverse Überraschungen und Geheimnisse mit sich. Genau das sind die Nebengeschichten, die dem talentierten Mörder die Show stehen. Jeffery Deaver ist „Tricky“.

Jeffery Deavers „addons“ sind brillant in die 600 seitenstarke Fassung eingearbeitet. Die Story verfügt manchmal über erzählerische Längen, aber umschiffen diese Klippen souverän, sodass man als Leser überzeugt ist, gleich das nächste Kapitel zu beginnen.
Man darf gespannt sein, wie es weitergehen mag. Neue Personen – nicht zuletzt die neue Assistentin von Rhyme werden bestimmt sehr innovativ in den nächsten Bänden eingesetzt. Geschickt von dem Autor seiner Figur Lincoln Rhyme einen Duellanten an die Seite zu stellen. Die Konflikte begeben sich also in Startposition.

Die Story ist authentisch aufgestellt – die Szenen – deren Ablauf und Konsequenz absolut plausibel. Jeffery Deavers Stil ist und bleibt ein sehr planerischer. Sein erzählerischer Stil ist souverän darauf ausgerichtet Spannung zu erzeugen. Sehen wir es ihm also nach, dass Tiefsinn mal etwas tiefer angesiedelt ist, aber dabei die Qualität eines Spannungsromans solide bleibt.

Fazit

„Der talentierte Mörder“ ist ein solider Spannungsroman, die uns unsere „Lebensgefährdung“ im Alltag etwas näher bringt. Nicht der stärkste Band aus diese Reiher – aber vielleicht die Vorgeschichte zu etwas größerem.

Michael Sterzik

Samstag, 1. Dezember 2018

Muttertag - Nele Neuhaus

Wenn aus Opfern Täter werden – was ist in der Vergangenheit passiert, oder gibt es für das „Böse“ keine plausible Erklärung? Können wir Verbrechen: Morde, Folter, psychische Misshandlungen damit entschuldigen, dass in der Kindheit des Täters irreparable, psychische Traumata stattgefunden haben müssen!? 

Profiler der Landes- und Bundeskriminalämter, sowie Psychologen bestätigen, dass hier der Grundstein für spätere Verbrechen gelegt wird, dass Fundament könnte dann eine ganze Reihe von Serienmorden bilden. Leider bestätigt es sich, dass Gewalttäter, die in Serie morden, in ihrer frühen Kindheit und Jugend selbst Opfer gewesen sind. Nicht die Ausnahme – vielmehr leider eine traurig bestätigte Regel. Tierquälerei, Mobbing usw. eine gewisse Aggressivität die latent, vielleicht auch erste Jahre später bei einem gewissen Ereignis ausbricht. Schon in Kindheitstagen werden wir geprägt – durch unsere Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde ...usw. wir können dies nicht abstreiten. Gewisse Rituale und selbst Eigenschaften scheinen in unserem Betriebssystem – unserer DNA fest installiert zu sein. Ganz einfache Erklärung, oder eine Entschuldigung, den Toten ist es egal?! Die Überlebenden, selbst die Angehörigen, oder die Polizeibeamten, die Ärzte und Psychologen berühren diese Schicksale – es gibt keinen psychologischen Panzer der das alles aushalten, kann. Egal ob es sich um einen Haarriss handelt, oder einen Krater in diesem Panzer – das Grauen, dass Böse findet seinen Weg. Nur wir entscheiden dann selbst – ob wir uns helfen lassen. 

Der neueste Krimi der erfolgreichen Bestsellerautorin Nele Neuhaus – Muttertag – erschienen im Ullstein Verlag, behandelt diese Thematik. Der neunte Band um die Ermittler Bodenstein/Sander ist vorab gesagt, ein hochklassiger Pageturner. 

Das besondere an diesem Titel ist, dass es faktisch keine Nebengeschichten gibt. „Muttertag“ besteht aus einer primären Haupthandlung. Selbst im Ensemble der Figuren, gibt es auch hier keine wirklich gesetzten Nebenfiguren. Die Bühne ist bereit, der Vorhang geht auf – dramatische Musik und schon geht es los mit einer ganzen Reihe von Opfern, die zufällig gefunden werden!? 

Nele Neuhaus überlässt hier nichts dem Zufall?! Ja, dass Leben schreibt bekanntlich die besten Geschichten, auch wenn man sie eigentlich gar nicht begreifen kann, oder kopfschüttelnd denkt, dass das nicht wahr sein kann!? Eine Leiche, die aufgefunden wird, ein halbverhungerter, dehydrierter Hund, in einem abgeschlossen Zwinger, und neben ihm menschliche Knochen. Bis dahin – alles gut – aber das Grundstück und die Gebäude waren einst ein Waisenhaus, die Frau des Toten verschwunden, man vermutet Selbstmord und die ehemaligen Kinder dieser Einrichtung – nur mehr oder minder Erfolgreich als Erwachsene, bedürfen einer ganzen Armee von psychologische Behandlungen, Taschentüchern und einer gemütlichen Sitzgelegenheit, ggf. auch mal die Sicherheitsverwahrung. Alles Opfer? Alles Täter?  Alle Unschuldig? 

Muttertag ist hochklassig spannend – eine Atmosphäre, die einen einschließt und den Schlüssel wegwirft. Stil, Ausdruck und Sprache – Dialoge, Szenen, Charakterisierung vom allerfeinsten. Ach ja – Faktor realistische Handlung – Ein sattes „NEIN“ – Die erfahrenen Kommissare haben Verstärkung erhalten: Kommissar Zufall ist Mitglied dieser Sonderkommission. Und es wird noch besser: Kommissar Zufall ist zufällig mit den ermittelnden Kriminalbeamten verwandt – Erklärung: Nein, nicht eine Person, sondern gleich mehrere sind involviert!? Natürlich ist das alles nur ein Zufall...


Abgesehen von dieser absurden, nicht authentischen Handlung, ist diese absolut spannend. Ein Blockbusterkrimi – einer der besten Werke der Autorin.

Gehen wir mal zurück zum Realismus: Meisterlich erzählt, sind die Ermittlungsfortschritte der Kriminalbeamten und die Perspektive einer Berühmtheit im Fachbereich: Verhaltensweisen eines Serienmörders – die den Beamten das Universum eines psychopathischen Serienmörders nahebringen will, außerordentlich spannend. Das sind dann wieder diese großartigen Momente in „Muttertag“ die überzeugen. 

Großartig in Szene gesetzt wurden auch gleich die Verdächtigten, die sich dann in einer A- und B-Mannschaft aufteilen, nebst einer alten Liga von Menschen, denen das Schicksal anderer Menschen kalt lässt, und die teilnahmslos danebenstehen, in dem Wissen: Hey, dass geht eigentlich gar nicht – aber die Profilneurose setzt sich dann leider doch durch. 

Die Hauptprotagonisten, die wie gewohnt auf dem Siegertreppchen stehen, sind Oliver von Bodenstein und seine Kollegin Pia Sander. Sehr gefallen und außerordentlich stark ist die Figur der Frau Dr. Nicola Engel – Kriminaldirektion. Eine Figur, deren Präsenz stark und interessant ist und hoffentlich in den nächsten Bänden mehr Raum einnehmen müsste. 

Fazit

„Muttertag“ ist einer der persönlichen, literarischen Oscar-Anwärter der Autorin Nele Neuhaus. Brillante Spannung – die einen darüber nachdenken lässt, das anberaumte Familienfest ausfallen zu lassen. Ein Pageturner – der auch nachhaltig ist – Schuld und Unschuld – eine Grauzone die einen Parkstrich gleicht. Regt an, einmal nachzudenken, dass wegschauen, oder das Ignorieren eine Straftat ist. Diese kann auch einen lebenslang begleiten.

Michael Sterzik 



Freitag, 12. Oktober 2018

Die Opfer, die man bringt (Ein Fall für Sebastian Bergman) von Hjorth & Rosenfeldt

Die Reihe um den Kriminalpsychologen Sebastian Bergmann wird nun bei Rowohlt mit dem sechsten Band: „Die Opfer, die man bringt“ fortgesetzt. Es gibt wenige Kriminalpsychologen in der Belletristik – Genre „Thriller/Krimi“ die solch ein soziopathisches Auftreten besitzen. 
Sebastian Bergman ist hochintelligent, er manipuliert seine Mitmenschen um an seine persönlichen Ziele zu gelangen, dass ggf. andere Personen dadurch Probleme bekommen, interessiert ihn erst einmal nicht. Später kommt dann die Reue in Form eines Hammerschlages, aber dann ist es meistens zu spät. Die Figur dieses Psychologen ist faszinierend. Sympathisch nicht unbedingt, niemand möchte eine soziale Atombombe in seinem Umfeld hochgehen lassen. Der Charakter ist ambivalent und polarisiert – aber er ist genial konzipiert. 
Wir erinnern uns an den letzten Band. Sebastian Bergman gehört nicht mehr zum Team der Reichsmordkommission. Sein Leben und damit auch sein soziales Umfeld gibt es faktisch nicht. Ein Buchprojekt hält seinen intellektuellen Geist wach und manchmal hält er Vorträge, dass alles füllt ihn allerdings nicht aus. Seine Gedanken kreisen ums seine Tochter Vanja, die allerdings verständlicherweise keinerlei Kontakt zu ihrem leiblichen Vater haben möchte. Als eine Vergewaltigungsserie in Uppsala eskaliert und die erste Tote gefunden wird, wird Sebastian Bergman durch die regionale Kriminalbehörde reaktiviert und die Reichsmordkommission wird ebenfalls eingeschaltet. Das „alte“ Team kommt damit wieder zusammen und ebenfalls werden alte Konflikte eingeschaltet und eskalieren...
Es ist unbedingt notwendig, dass man die vorherigen Bände chronologisch liest. Den vorliegenden Band: „Die Opfer, die man bringt“, ohne das Vorwissen zu lesen, ist absolut sinnlos. Das Beziehungsnetz der Personen ist zu komplex, und die Anspielungen, bzw. die Charakterlichen Veränderungen, kann man sonst keinesfalls begreifen. 
Der aktuelle Titel ist ein Pageturner, eine vielschichtige Spannung, die sich präsentiert. Allerdings geht die Spannung weniger von dem Kriminalfall aus, die persönlichen Nebengeschichten der Teammitglieder formen die Story und geben dem Roman die inhaltliche Seele. Die Vergewaltigungsserie ist ein erzählerisches und notwendiges Nebenprodukt. Klar ist diese auch spannend, aber ich vermute, dass diese primären Nebengeschichten, die Vorbereitung für den siebten Band sind und dieser könnte dramatisch ausfallen. Gerade die Story um Billy, aber auch die Beziehung von Sebastian zu seiner Tochter Vanja, bilden die Grundlage für den nächsten Fall. 
„Die Opfer, die man bringt“ von Hjorth & Rosenfeldt ist anders, aber nicht schlechter als die letzten Bände. Es ist der Anfang, der Prolog, für den siebten Band, die ggf. das Team der Reichsmordkommission auf immer verändern wird. 
Analysiert man die eigentliche Haupthandlung – die Vergewaltigungsserie, so werden hier aktuelle, gesellschaftliche Themen aufgegriffen, über die man manchmal laut und leise diskutieren mag. 
Fazit 
Storytelling hin oder her – „Die Opfer, die man bringt“ von Hjorth & Rosenfelt ist ein Pageturner. Brillantes Spiel der Akteure – ein Feuerwerk an persönlichen Befindlichkeiten und Eskalationen. 
Die beiden schwedischen Autoren kommen übrigens zu dem 12. Krimifestival in Hamburg, das vom 6. bis 10. November 2018 stattfindet. 
Dienstag, 6. November 2018
Kriminelle Eröffnung
In den dunklen Straßen von Stockholm
Michael Hjorth & Hans Rosenfeldt
Musik: Sebastian Knauer
19.30 Uhr | K6
Kampnagel
Ich freue mich auf den nächsten Band mit Sebastian Bergman – die Reihe ist einer der besten Kriminalreihen in den letzten 15 Jahren. Prädikat: Muss man einfach lesen.
Michael Sterzik






Sonntag, 31. Januar 2016

Die Henkerstochter und das Spiel des Todes - Oliver Pötzsch

Die Henkerstochter und das Spiel des Todes

Der Münchner Autor Oliver Pötzsch veröffentlicht mit seinem neuesten historischen Roman: „Die Henkerstochter und das Spiel des Todes“ seinen sechsten Roman der Reihe um den bärbeißigen Henker Jakob Kuisl und seiner Familie.

Der vorliegende Band spielt wie die letzten Geschichten, wieder in Bayern, diesmal in Oberammergau, einem kleinen beschaulichen Bergdorf, mit vielen verschrobenen Bewohnern und dunklen Geheimnissen. Im Jahre 1670 zum Zeitpunkt der Geschichte, also im späten Mittelalter, auch 22 Jahre nach dem großen 30-jährigen Krieg, herrschen noch immer der Adel und der Klerus über die einfachen Menschen. Doch die ersten Städte gehen die ersten Schritte in ein neues Zeitalter. Kaufmänner und Handwerke bilden eine starke Gesellschaft mit ihrem Zusammenschluss zu Zünften und Kammern. Es gibt Schulen, Universitäten die entsprechende Bildung und Talent fördern und ausbilden.

Doch jenseits dieser wachsenden Metropolen, in kleinen Dörfern und Gemeinden bilden die Religion und die Tradition den Grundstein für ein zumeist friedliches Zusammenleben. Hinzu noch Aberglauben, Mythen und Legenden, die das Leben unmittelbar beeinflussen. Oliver Pötzsch lässt auch hier durch perfekte Recherche den Lesern großen Anteil nehmen, die Lebensweise der Menschen in dieser Epoche nachzuempfinden. Das Passionsspiel in Oberammergau, dass alle 10 Jahre und noch bis heute aufgeführt wird, bilden den Pfeiler dieser Geschichte. Blutige Ritualmorde verängstigen die Menschen und Oliver Pötzsch lässt seinen Henker Jakob Kuisl und seinen Schwiegersohn Simon ermitteln.

Die Handlung ist durchweg spannend und verwebt sich gekonnt mit einigen Nebengeschichten und Schauplätzen, die Überraschungen bereithalten. Interessant auch, dass der sturschädelige Jakob Kuisl durchaus unter Druck gesetzt werden kann und ja, auch die noch stureren Bewohner des Gebirgsdorfes verlangen viel Geduld. Natürlich spielt auch die Henkerstochter Magdalena eine tragende Rolle, doch die befasst sich weniger mit den Morden, als mit den naiven Aktionen ihrer jüngeren Schwester.

Die Story, die auch auf knappen 640 Seiten erzählt wird, garantiert großartige Unterhaltung. Nicht nur durch die anhaltende Spannung, sondern auch durch informative historische Elemente, überzeugt der Roman.

Oliver Pötzsch lässt seine Figuren in seiner Henkersreihe einige Abenteuer (über)leben, und ich finde es fantastisch, dass der Autor seine Charaktere weiter entwickelt. Sie werden älter, verändern ihre familiäre und soziale Position, bekommen Kinder, erleiden persönliche Verluste – hier herrscht kein Stilstand. Das Leben ist Veränderung und diese Entwicklungen sind lobenswert. Die Helden sind keine unrealistischen, überzeichneten Figuren,  sondern sie menscheln vortrefflich.

Als historischer Roman erfüllt er alles an Erwartungshaltung, was man sich ggf. erwünscht. Oliver Pötzsch, selbst ein direkter Nachfahre dieser Henkersdynastie legt viel Wert auf Detailreichtum und recherchiert nicht nur vom heimischen Schreibtisch aus. Im Nachwort lädt der Autor den Leser zu einer Schauplatztour ein. Für den regionalen Leser sicherlich eine Option mit Entdeckungsfaktor.

„Die Henkerstochter und das Spiel des Todes“ ist ein perfekter historischer Kriminalroman und Jakob Kuisl und Co. entwickeln sich zu einem aktuellen literarischen Kulturgut.

Lassen Sie sich entführen in die bayrische Bergwelt, mit ihren Legenden und sturen Bewohnern. Sie werden garantiert nicht enttäuscht sein.

Michael Sterzik




Montag, 20. Dezember 2010

Totengrund - Tess Gerritsen

Totengrund (Tess Gerritsen)

Dr. Maura Isles, eine Ärztin und führende Wissenschaftlerin am Pathologischen Institut in Boston ist im Grunde eine einsame Frau. Ihre Ehe wurde geschieden und obwohl sie in ihrem Beruf eine anerkannte und bekannte Persönlichkeit ist, so ist sie im privaten Leben eher zurückgezogen und einsam. Detective Jane Rizzoli ist eine ihrer wenigen, aber vielleicht die engste Freundin die sie hat.

Maura Isles ist unzufrieden mit ihrer Situation, besonders mit ihrem Freund Daniel Brophy, einen Priester der ist noch nicht geschafft, sich nach zwei Jahren für sie zu entscheiden. Sein Berufung scheint die Kirche zu sein, die ihm bis jetzt so viel Schutz und Sicherheit geboten hat. In einem offenen Gespräch wissen beide, dass es so nicht weitergehen kann, doch zu einer finalen Entscheidung, wie immer diese auch auszusehen hat, fehlt anscheinend beiden der Mut.

Auf einer Fachtagung im winterlichen Wyoming kommt Maura auch nicht wirklich innerlich zur Ruhe, doch auf ihrer Konferenz trifft sie auf einem alten Studienkollegen Doug Comley. Ein Sunnyboy und ein fürchterlich idealistischer , überoptimistischer Mann, der Maura einlädt, zusammen mit ihm seiner Tochter und einem befreundeten Pärchen einen Skiausflug zu begleiten. Nach kurzer Überlegungszeit willigt Maura doch noch ein und zu fünft machen sich sie auf den Weg in Berge. Maura fühlt sich indessen wie das letzte Rad am Wagen. Doug Comley ist der unumstrittener Anführer dieser Gruppe.

Doch der Ausflug wird zur Tragödie als der Geländewagen vom Weg abkommt und sich im Schnee festfährt. Besiegt von den Gewalten der Natur führt die kleine Gruppe den Weg zu Fuß fort. In der Hoffnung Hilfe zu finden, folgen sie einen kleinen Weg der sie in ein abgelegenes Dorf führt. In dieser Unwirtlichen Landschaft wirken die Häuser merkwürdig deplaziert und noch mysteriöser wird es, als die Gruppe mit Maura feststellt, dass hier offensichtlich niemand mehr lebt. Doch die Spuren die sie finden weisen daraufhin, dass hier noch vor kurzen Menschen gelebt haben müssen. Die Küchentische sind gedeckt und selbst die Speisen liegen noch auf den Teller, als wären die Bewohner nur kurz oder plötzlich aus dem Haus gegangen. In den benachbarten Häusern sieht es nicht anders aus, aber hier gibt es am Fuße einer Treppe Blutflecken und sie finden auch den Kadaver eines verendeten deutschen Schäferhundes, der keine offensichtliche Wunden aufzeigt.

Wo und vor allem was ist den Einwohnern hier passiert? Als bei einem Versuch das Auto zu bergen, der Freund von Doug schwer verletzt ist und droht zu sterben, versucht Doug ganz alleine, in die dreißig Kilometer entfernte nächste Siedlung zu gelangen. Maura bleibt zusammen mit Dougs Tochter, dem verletzten Arlo und seiner Freundin in dem verlassenen Dorf zurück.

Inzwischen sorgt sich Mauras Freund Daniel um seine Partnerin die nicht wie erwartet nach Boston zurückgekehrt ist. Telefonisch ist Maura ebenfalls nicht zu erreichen und auf die Nachrichten auf ihrer Mailbox reagiert sie nicht. Verzweifelt und voller Sorge, sucht er Hilfe und Rat bei Mauras Kollegin und Freundin Jane Rizzoli und ihrem Mann Gabriel der beim FBI tätig ist. Zusammen finden sie schnell heraus, dass der Mietwagen von Maura nicht zurückgegeben wurde. Als wenig später ein ausgebrannter Wagen in einer Schlucht gefunden wird, deren Insassen nur noch verbrannt geborgen werden können, findet der Bergungstrupp unter den Trümmern auch Teile von Mauras Gepäck und eine der Toten ist eine Frau im Alter von Maura...

Kritik

Der 8.Fall des Duos Isle/Rizzoli ist ein recht persönlicher und in „Totengrund“ ist eindeutig die Pathologin Dr. Maura Isle die Person um die sich alles dreht und wendet. Auch in ihrem privaten Umfeld kriselt es. Sie hat genug im Schatten der Kirche zu stehen und darauf zu hoffen, dass sich ihr Freund letzten Endes für sie entscheidet.

Tess Gerritsen wählt als Handlungsort, dass verschneite und unwirtliche Wyoming und lässt Maura unter Lebensgefahr ein Abenteuer bestehen, dass in dieser Reihe einzigartig bleiben wird. In der Handlung wird Maura immer wieder vor einer Wahl gestellt und sie muß sich behaupten, gegen die Naturgewalten, gegen ihr alter Ego, all das führt sie an ihre psychischen wie auch physischen Grenzen.

Auch wenn die Spannung sich auf den knapp 415 Seiten von Kapitel zu Kapitel steigert, so ist das Finale leider allzu offensichtlich. Nein, dass ist keine Kritik, denn die Atmosphäre des Romans ist eine besondere, und ganz sicher auch durch das Gespensterdorf mit all seinen Rätseln eine willkommene Abwechslung.

Die Autorin lässt den Leser mit einer beklemmenden Stimmung beim lesen des Buches zurück. Das Maura als Hauptdarstellerin in diesen Drama natürlich Opferschutz hat, versteht sich von selbst, aber das Quartett ihrer Mitreisenden steht ständig unter „Beschuss“ und wie selbst im Mittelpunkt des Geschehen. Das zwischenmenschliche Konflikte innerhalb dieser nicht einfachen Gruppe aufkommen, und sich die Lage immer wieder bühnengerecht präsentiert, ist für die Handlung nicht von Interesse, allerdings werden damit den Figuren ein „Hauch“ von Leben gegeben.

Als wirklich Kritik kann ich nur sagen, dass mir das Schicksal der vier Mitreisenden in „Totengrund“ als nicht wirklich aufgearbeitet darstellt. Diese wirklich monströse Klippe lässt Tess Gerritsen einfach stehen und zwischen Leben und Tod schwebend, ist mir der Übergang dann doch zu schnell erfolgt. Auch Dougs aufopfernder Alleingang endet so plötzlich wie er ihn angefangen hat. Hier wäre es viel vorteilhafter gewesen, wenn man nach dem Splitting dieser Gruppe die jeweiligen Perspektiven besser beschrieben hätte, als sie einfach fallen zu lassen.

Das Jane Rizzoli hier erst im zweiten Teil auftritt, ist nicht weiter verwunderlich oder gar spektakulär, zu sehr wird der Leser von Mauras Gefühls- und Schneewelt eingenommen werden. Das allerdings die eine nicht ohne die andere kann, ist der Reihe geschuldet und vielleicht dreht sich das Universum der beiden starken Frau in den nächsten Band!?

Fazit

„Totengrund“ von Tess Gerritsen ist ein starker Titel mit einer lebendigen und einer sehr abwechslungsreichen Handlung die durch Überraschungen und Wendungen zu überzeugen versteht.

Irgendwas hat man ja immer zu bemängeln, nicht an der Handlung sondern wäre es vielleicht mal außer der Reihe positiv gewesen, wenn der Roman an Volumen deutlich ausgeprägter gewesen wäre. Genug Handlungsspielraum gab es zur Genüge.

Geschickt allerdings von Tess Gerritsen das sie es hier versteht in der Handlung Haken zu schlagen, quasi vom Weg abzugehen und per Abzweigung einen völlig neuen Handlungsstrang komplett mit Lösung zu übergeben!

Der nächste Roman aus der Reihe könnte auf „Totengrund“ aufbauen, doch gewiss nur, wenn sich die Autorin dazu entschließt das Privat- und Liebesleben Maura Isle weiter auszubauen und evtl. mit der Haupthandlung zu kombinieren.

Es wird viele Möglichkeiten geben, einige Alternativen und man darf gespannt sein, wie es weitergeht.

„Totengrund“ von Tess Gerritsen ist ein Garant für den vorbildlichen und plastischen Aufbau einer komplexen Handlung die durch Originalität und Spannung zu überzeugen weiß.

In jedem Fall ist „Totengrund“ eine Steigerung gemessen an den letzten beiden Titeln der Autorin.

Michael Sterzik