Sonntag, 4. März 2018

Rotröcke - Bernard Cornwall

Die Handlung von dem vorliegenden Roman „Rotröcke“ von Bernard Cornwell spielt direkt im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg – 1777. Die Briten haben es schwer in ihrer Kolonie, einzelne Regionen rebellieren offen und mit militärischer Gewalt gegen die englische Krone und fordern ihre Unabhängigkeit.

Man nennt sie noch immer Rotröcke – die englische Infanterie, das Rückgrat der britischen Armee. Streng diszipliniert, effektiv, entschlossen und Kaltblütig sind die oftmals jungen Soldaten, die weit entfernt von ihrer Insel für ihren König auf einem anderen Kontinent leben und sterben.

Ihre Uniform war in Weiß und Rot gehalten -  Als Rotröcke wurden sie von den Yankees allgemein bezeichnet. Sicherlich waren diese Soldaten auf dem Schlachtfeld in strenger Formation eindrucksvoll – Ihre todesverachtende Disziplin tat wohl ihr übrigens bei, sie fürchten zu müssen. In Filmen, die diese militärischen Einheiten zeigen, haben sie nicht unbedingt alle Sympathiepunkte auf ihrer Seite.

Im Verlag Rowohlt ist nun der Titel: „Rotröcke“ von Bernard Cornwell veröffentlich worden. Der Autor erzählt von einer dramatischen Entwicklung zweier junger Brüder – die als Rekruten den roten Rock Ihrer Majestät tragen und einer Familie aus Philadelphia, die sich der englischen Krone nicht verpflichtet sehen. Also es gibt in dieser historischen Kulisse genug an dramatischem Potenzial, dass der Autor ausspielen kann. Zwischen einem Eid auf einem fernen König und seinem persönlichen Gewissen und einer „freien“ Entwicklung fernab von England wird Geschichte geschrieben. Wie immer mit viel Blut – viel Krieg, Opfern, mit Verrat und Mut – es entstehen die Vereinigten Staaten von Amerika.

Der Roman „Rotröcke“ ist 1988 das erste Mal veröffentlich worden. Damit ist dieser im Vergleich zu den anderen Titeln des Autors schwer zu vergleichen. Er stellt sich als völlig anders dar. Der erzählerische Stil des Autors war damalig noch lange nicht so packend und atmosphärisch dicht niedergeschrieben, wie man es ggf. nun gewohnt ist. Sollte die Erwartungshaltung also sein, dass man sich inmitten vieler verlustreichen und dramatischen Schlachten wiederfindet – sorry – der wird enttäuscht sein. Es gibt das eine oder andere Scharmützel, und natürlich gibt es auch die klassischen Bösewichter, die den beiden Brüdern als Vorgesetzte, dass Leben mehr wie schwer machen. Auch die Liebe stellt der Autor außerordentlich in dem Fokus, so dass diese an Gewichtung fast schon überhand nimmt. Der Aufbau dieses Romans ist also fast schon identisch zu den aktuellen.

Der erzählerische Stil, und die konkrete Atmosphäre, der Handlung, die 30 Jahre in der Vergangenheit spielt, wirkt sich negativ aus. Die Handlung teilt sich in zwei Perspektiven – der englischen und der amerikanischen und beide sind langatmig und fast zu dialogreich. Hier wird der Leser zweifelsohne schnell feststellen, dass auch der Autor Bernard Cornwell sich den letzten 30 Jahren sehr zum positiven entwickelt hat. Sprache und Stil verändern sich mit der Zeit und müssen der Erwartungshaltung der Leser gerecht werden. Bernard Cornwell hat sich also demzufolge modernisiert.

Fazit


„Rotröcke“ von Bernard Cornwell ist der schwächste, historischer Roman des Autors. Atmosphärisch ungelenk, fast unbequem, packt die Handlung mich zu keinem Zeitpunkt. Langatmig – geradliniges Konstrukt ohne Überraschungen und Wendungen kann man die nächsten Seiten prophetisch vorhersagen. „Rotröcke“ gehört also zu den wenigen Titeln des Autors, auf den man verzichten kann.

Michael Sterzik

Donnerstag, 1. März 2018

Schlüssel 17 - Marc Raabe

Der Schlüssel zum Erfolg eines Romans – ist in erster Linie die Begeisterung der Leser zu wecken und diese nachhaltig in Erinnerung zu behalten. Dann öffnen sich gleich mehrere Türen und der Autor des Buches partizipiert von Empfehlungen, Rezensionen, Buchtipps usw. Klingt einfach oder? Ist es allerdings nicht – der Buchmarkt ist umkämpft – nur wenige nationale Autoren, können sich vom Schreiben einen positiven Deckungsbeitrag erhoffen und somit damit leben.

Es gibt auf dem nationalen und internationalen Buchmarkt unglaublich viele Romane – die zwar gut sind, erfolgreich werden, aber es schwierig wird, später an dem Erfolg des Erstlingswerk anzuknüpfen. Die Erwartungshaltung ist entsprechend hoch, ein Misserfolg – die prognostizierten Verkaufszahlen brechen ein und schon dreht sich das Rad der Fortuna ggf. in eine ganz andere Richtung.

Der vorliegende Roman „Schlüssel 17“ von Marc Raabe ist nicht der erste des Autors – doch der erste einer neuen Reihe – Ein Fall für Tom Babylon, erschienen im Ullstein Verlag.

„Schlüssel 17“ ist der erste Roman des Autors, den ich bisher gelesen habe, es wird nicht mein Letzter sein. Marc Raabe erzählt spannungsgeladen von einem Mord im Berliner Dom – eine bekannt, fast schon Prominiente Dompfarrerin wurde brutal ermordet und inmitten der Kirche wie schwebendes Kreuz aufgehängt, ja zur Schau gestellt. Um ihren Hals trägt sie einen Schlüssel, auf der Oberfläche eingeritzt eine „17“. Ebenfalls finden die Beamten vom LKA eine weitere Leiche, den Organisten des imposanten Doms. Als einer der ersten Beamten am Tatort ist der junge und talentierte Kommissar Tom Babylon. Mit Schrecken erkennt er, dass er nicht nur das Opfer persönlich kannte, sondern auch der Schlüssel eine unerfreuliche Vergangenheit weckt. Seine kleine Schwester Viola verschwand mit ebendiesen vor vielen Jahren....

Es gehört zum Muster eines Thrillers, oder eines Krimis, dass die ermittelnden Beamten zumeist traumatisierte, fast schon psychotische Charaktere und privat gescheiterte Menschen sind. Das mag realistisch sein, ggf. manchmal überzogen – aber es bleibt dem Autor überlassen, in welcher Schattierung dieser seine Figuren leben lässt. Der exzentrische und immer wieder aneckende Beamte, talentiert aber schwierig, ist hier sicherlich keine Ausnahme. Marc Raabe gelingt es außergewöhnlich gut, die Kombination private Traumata vs. berufliche Herausforderung aufs Papier zu bringen. Die Handlung spielt auf der Bühne von zwei Zeitzonen – der Vergangenheit Tom Babylons und der Gegenwart. Der Fokus liegt natürlich in der Aktualität, allerdings liegt der Schlüssel zum Rätsel dieser Mordserie tatsächlich in der Vergangenheit. Hier hat der Autor neben einer großartigen, spannenden Atmosphäre ein kompliziertes, aber nachvollziehbares Spannungsgerüst aufgebaut. Es gibt wie in einem Labyrinth viele Weg, einige Sackkassen und Wendungen, die die Handlung vorantreiben. Ob diese authentisch ist, darüber lässt sich trefflich debattieren  - in jedem Fall ist der Roman ein „Volltreffer“ unter dem derzeitigen, großen Aufgebot im Genre „Thriller“. 

Doch nicht nur Tom Babylons Vergangenheit wird näher beleuchtet. Auch andere involvierte Charaktere haben Dreck am Stecken und einiges zu verbergen. Diese Nebengeschichten sind in ihrer Komplexität nicht unwichtig und lassen die eine oder andere Motivation der Person etwas gerader rücken. Da die Nebenpersonen immer unter einer besonderen Beobachtung meinerseits sind, kann ich hier sagen, es gibt mehr wie genug an interessanten Nebenhandlungen, persönlichen Entwicklungen für die nächsten Romane.
Stilistisch gesehen und auch inhaltlich merkt man die Freude des Autors am Schreiben von Kriminalromane/Thrillern. Konzentriert im Aufbau, schlüssig spannend und noch ein paar offene Fragen am Ende, lassen es zu, dass man den Namen Marc Raabe auf dem Zettel haben sollte, wenn man über deutsche Autoren und Thriller nachdenkt.

Es gibt nicht viel zu bemängeln – manchmal wirkt die Story allzu konstruiert und ggf. an den Haaren herbeigezogen, aber nun gut – der Roman soll unterhalten und  begeistern. Das Ziel erreicht der Autor mit Siebenmeilenstiefeln und die Spuren, die er dabei hinterlässt, sollte man folgen.

Fazit

„Schlüssel 17“ von Marc Raabe ist hochklassige Spannung. Tolle Figuren, mit denen man mitfiebert und meisterhaft atmosphärisch erzählt. Volltreffer.


Michael Sterzik

Dienstag, 20. Februar 2018

Die Tränen der Kinder - Alex Thomas


Bevor die treuen Leser des in Bremen lebenden Schriftstellerehepaares einen neuen Band aus der Catherine Bell – Reihe lesen können, gibt es den Auftakt zu einer neuen Reihe, der ebenfalls sehr empfehlenswert ist.

Hauptcharakter und absoluter Mittelpunkt des vorliegenden Romans: „Die Tränen der Kinder“ von Alex Thomas, ist Paula Tennant. Eine Ermittlerin, die sehr eigensinnig und begabt ist, sich in tödliche Schwierigkeiten zu schleudern. Ihre Ermittlungserfolge sprechen allerdings bei all ihrer Kritik für sie. Weiterhin besitzt sie so feinfühlige, mentale und emotionale Antennen, dass sie das eigentliche Wesen eines Menschen deuten kann.

Die Haupthandlung spielt in dem sogenannten bei Rom liegenden: „Monsterwald“. Er liegt nördlich von Rom und wird auch als „Sacro Bosco“, der Heilige Wald bezeichnet. Schon bei Tag ist dieser „Park“ eindrucksvoll und wirkt ggf. auch auf so manchen Besucher beängstigend. Des Nachts dürften dann die von einem adeligen angelegten, überdimensionierten Steinfiguren, die Besucher beeindrucken.

Die Handlung von „Die Tränen der Kinder“ ist Spannung pur. Konsequent und vor allem nachhaltig baut das Autorenduo die Story auf. Bizarr, skurril, mystisch wird hier von einer Mordserie erzählt, die sich natürlich als Ritualmorde herstellen. Einer ganzen Reihe von schwangeren Frauen, wurde der Kopf abgeschlagen – doch warum und welche Bedeutung hat diese Brutalität? Der Vatikan ist durch einen ihrer Kirchenfürsten alarmiert und schaltet sich in die Ermittlungen ein. Eine ihrer vermissten Ordensschwestern, schwer verletzt und traumatisiert, wird aufgefunden. Eine schwangere Überlebende, die zum Risiko eines Serienmörders wird.

Bekannt sind die beiden Autoren durch ihre klerikale Reihe um die egozentrische und mental begabte Catherine Bell. Der Stil dieser neuen Reihe ist absolut identisch, sodass der Leser wie gewohnt atmosphärisch stimmig aufgefangen wird. Der Grundtenor der Spannung ist jederzeit vorhanden, mit ein paar Höhen und Tiefen versehen, wobei eine mystische Schwingung inkludiert ist.

Diese hätte ich manchmal gerne etwas mehr im Vordergrund gesehen. Erst im letzten Drittel offenbart sich diese mit einer interessanten Theorie, mit historisch angelehnten Personen, die Angst und Schrecken verteilt haben wie bunten Bonbons.
Wie schon in den anderen Romanen der Autoren auch, wird hier ein feiner Teppich aus Wissenschaft und Religion gewebt. Wer sich also zwischen Himmel und Hölle – mehr vorstellen kann, wird hier bestens unterhalten.

In die „Tränen der Kinder“ gibt es fast keine alten Bekannten aus der älteren Reihe. Auch hier hätte ich mir gewünscht, dass gewisse „Gastauftritte“ vielleicht die Story noch hätten interessanter machen können.

Das Ende ist ein begnadeter Cliffhanger, der natürlich einige Fragen offen lässt. Im Sommer diesen Jahres geht es hier wohl weiter. Der Erfolg des zweiten Buches ist also fast schon eine Garantie.

Fazit

„Die Tränen der Kinder „ist ein spannender Pakt, den man mit den Autoren eingeht. Verfluchte Spannung – dunkle Mystik – Blut spritzt über die Epochen – Fabelhaft.
Das Konklave des klerikalen Thrillers hat neue Fürsten – Alex Thomas.

Michael Sterzik

Sonntag, 11. Februar 2018

Kerkerkind - Katja Bohnet

Der zweite Band  „Kerkerkind“ der zwischen Köln und Frankfurt lebende Autorin Katja Bohnet wurde vor Kurzem im Verlag Knaur veröffentlicht.

Der Thriller spielt in der Metropole Berlin. Ein heißer Sommer, in der in einem Waldstück, eine verbrannte, schwangere Frau gefunden wird. Es bleibt nicht bei einem Todesfall – ein Verdächtiger verliert seinen Kopf. Die beiden sehr unterschiedlichen Ermittler des LKA Rosa Lopez und Viktor Saizew, werden mit diesem brisanten Fall betraut. Viktor leidet noch an den Folgen eines inzwischen entfernten Gehirntumors und entlässt sich selbst aus dem Charité. Seine Kollegin Rosa Lopez steht kurz vor ihrer dritten Entbindung und ist emotional stark belastet, da ihr todgeglaubter Sohn, nach acht Jahren wieder aufgetaucht ist, nur eben nicht in Berlin.

Es ist der zweite Roman von Katja Bohnet. „Messertanz“ habe ich noch nicht gelesen, sodass mir einige Passagen aus dem vorliegenden Buch natürlich völlig fremd sind, da diese sich auf den Erlebnissen aus dem ersten Band beziehen.
Der Einstieg in den Roman ist nicht leicht. Kurze, knappe Sätze, viele unnötige Umschreibungen verunsichern und man hofft, dass es nicht so weitergeht. Im Laufe der nächsten Kapitel, lernt der Leser die beiden sehr eigenwilligen Ermittler kennen. Ebenfalls lässt die Autorin das persönliche, private Umfeld der beiden Kriminalbeamten in einem sehr, sehr ausführlichen Fokus rücken. Dies ist einerseits hervorragend, andererseits verliert sich die Handlung und konzentriert sich auf das Privatleben, also den sehr reichhaltigen informativen Nebengeschichten.

Die Spannung ist nicht immer präsent. Sie taucht immer mal wieder sehr glänzend formvollendet auf, um dann in den vielen großen und kleinen privaten Herausforderungen, der Protagonisten unterzugehen. Die Handlung fächert sich auf, geht mal in diese, mal in eine andere Richtung. Viel Ermittlungsarbeit findet nicht statt, das verliert sich leider aus den gerade besagten Gründen.

Stil und Sprache sind hervorragend gestaltet. Emotional, sensibel, aber auch konsequent hart und kompromisslos, wenn es die Situation verlangt. Die Charakterfindung ist allerdings perfekt gelungen. Gerade die Person Viktor Saizew hat ungemein viel Potenzial und wirkt bei all seiner realistischen Vita und seiner harten Sensibilität und Hilfsbereitschaft sehr sympathisch. In „Kerkerkind“ spielt seine berufliche Partnerin Rose Lopez eine eher untergeordnete Rolle, die allerdings im letzten Drittel dichter wird.

Auffällig im Aufbau, sind die allzu vielen Beschreibungen und Vergleiche von Gefühlen, Situationen, Gegenständen etc. Klar, interessant und auch nötig – aber für meinen Begriff zu viel des Guten.

Fazit

„Kerkerkind“ von Katja Bohnet ist ein dichter Thriller mit herausragenden Charakteren, die die Handlung passgenau ergänzen. Ich hoffe, auf einen dritten Teil und diesen bitte hochkonzentriert auf die Haupthandlung auslegen. Den Namen der Autorin „Katja Bohnet“ muss man sich merken. Absolut empfehlenswert.

Katja Bohnert öffnet einen Kerker – und ans Tageslicht kommen Rache und Vergeltung in perfekter, faszinierender Form. Absolut zu empfehlen.

Michael Sterzik






Montag, 5. Februar 2018

Wolfswut - Andreas Gößling

Wir Menschen tragen die Gewalt wie ein Gepäckstück durch die Jahrhunderte. Nicht alltäglich, aber selbst in unserer hoch technisierten und fortschrittlichen Zivilisation gibt es sie in den Nachrichten, in Filmen, Büchern, natürlich im Internet und manchmal auch bei uns zu Hause selbst. Auch eine Seele kann mich brutal misshandeln und verkrüppeln. 

Das „Böse“, mit all seinen Schattierungen wirkt faszinierend auf uns – sie sollte uns abschrecken, aber unser morbides Interesse verhindert es. Es ist ein Teil unserer Persönlichkeit, ein dunkler Zwilling, den wir beherrschen können und bei den meisten von uns, ist diese unter Kontrolle und wir können uns beherrschen, dieses Gebot: Du sollst nicht töten“ zu erfüllen.

„True Crime“ ein Sub Genre des Thrillers. Sind die spannenden, blutigen Geschichten, die Autoren sich ausdenken nur Fiktion und wenn ja – ist diese grausamer als die Wirklichkeit, die Wahrheit? Einfach zu beantworten – die Realität ist um ein Vielfaches grausamer.

Im vorliegenden Roman: „Wolfswut“ von Andreas Gößling orientiert sich der Autor an den authentischen Kriminalfall des Manfred Seel. Im September 2014 fand die Tochter des Kleinunternehmers Manfred Seel in der Garage mehrere Behälter mit Leichenteilen. Ihr Vater ist kurz zuvor an einer Krebserkrankung verstorben. Die Tochter sichtete den Nachlass um den elterlichen Haushalt und das Entrümplungsunternehmen ihres Vaters. Der Fund löste eine ganze Reihe von polizei- und staatsanwaltlichen Ermittlungen aus, die auch noch immer nicht völlig abgeschlossen sind. Die Akte Manfred Seel ist noch nicht bereit geschlossen zu werden. Das hessische LKA ist immer noch dabei Serienmorde aufzuklären.

Die Opfer waren Straßenprostituierte, drogenabhängig ohne soziale, feste Bindungen. Unter den bisherigen zehn Morden gab es auch einen männlichen Teenager und zwei Altenpflegerinnen. Die Grausamkeit des Täters ist schockierend – man kann davon ausgehen, dass die Opfer gefoltert wurden, die Amputationen und Organentnahmen bei vollem Bewusstsein erlebten. Spuren weisen daraufhin, dass Manfred Seel diese nicht alleine begangen haben konnte, doch wer war der Mittäter und mordet dieser noch immer. Einige der gefundenen Organe lassen darauf schließen, dass Kannibalismus ebenfalls stattfand.

Der Autor Andreas Gößling, der auch schon zusammen mit Prof. Dr. Michael Tsokos eine ganze Reihe von erfolgreichen true crime Thrillern geschrieben hat, schreibt nun solo weiter. Wenngleich die Story natürlich authentisch ist, so sind es die Ermittler natürlich nicht. Die beiden Kriminalbeamten Kira Hallstein und Max Lohmeyer ergänzen sich und weisen die typischen Merkmale auf. Eigenständig, rebellisch, querdenkend, innovativ und doch professionell. Schauplatz ist nicht Hessen, sondern die Megametropole Berlin.

Auch wenn hier die Fakten mit Elementen der Fiktion kombiniert werden, so ist die Story fast gänzlich realistisch. Sie ist aber nicht das klare Spiegelbild, der ermittelten Erkenntnisse, die von den realen Kriminalbeamten des LKA gefunden wurden. Es gibt noch eine Vielzahl von ungelösten Fragen, eine Menge von Antworten, sind noch ausstehend, vielleicht werden diese niemals abschließend geklärt werden.

„Wolfswut“ ist ein wirklich wütender Thriller. Spannung und Brutalität sind die zweieiigen erzählerischen Grundelemente. Das einige Morde durch die Augen, bzw. die Dokumentation, der oder des Täters geschildert wird, vertieft das Grauen. Die erzählerische Perspektive aus der Wahrnehmung Kira Hallsteins sind temporeich, fast gehetzt wirken sie auf uns und verstärken dadurch nur die düstere Atmosphäre.

Brutalität hin, oder her, sie ist nicht überdimensioniert, zwar nahe dran, aber das Grauen hat noch andere Facetten. Der Autor nimmt sich die Zeit, den Leser unsere Schattenwelt zu präsentieren. Wir wissen von dieser, wir wissen von diesen Menschen, die jegliche Hoffnung fast aufgegeben haben, die aus fernen Ländern gekommen sind mit den Träumen von Frieden, Wohlstand, Familie im Gepäck.

Doch diese Träume werden. Zerbrochen - Zersetzt - Zerschunden. Die Prostitution, der Drogenmissbrauch katapultiert diese jungen Frauen und Männer in Vorhöllen unserer Gesellschaft. Ausgenutzt verkaufen Sie sich als Ware an Männer, die ihre Gewaltbereitschaft an ihren Körper und Seelen ausleben, ihren Hass kanalisieren und mit Gewalt fokussieren. Straßenstrich, Bordelle, Privatwohnungen und das Darknet, - all diese Schauplätze finden sich in „Wolfswut“ wieder.

Der Leser wird also grauenhaft mit einer Realität konfrontiert, vor die er gerne die Augen schließt, wenn er diese Straßen und Häuser in der Gegenwart sieht. Vielleicht war es nicht vom Autor beabsichtigt, aber vielleicht sehen wir diese Menschen, dann mit einer anderen Wahrnehmung. Vielleicht helfen wir auch ein wenig vor unserer eigenen Haustür.

Die Protagonisten der Handlung manchmal ziemlich eindimensional gezeichnet. An der einen, oder anderen Stelle gelingt es dem Autor, dass Grauen, dass die Beamten sehen und erleben, nachzuempfinden. Es gibt einige Szenen und Erlebnisse, die wie ein Echo nachklingen beim lesen von „Wolfswut“ – und dieser Korridor ist dunkel, kalt und einsam.

Es gibt nicht viel zu kritisieren. Das Ende des Romans ist zwar in sich schlüssig, aber darstellerisch nicht nachvollziehbar. Aber lesen sie selbst.

Ein weiterer Band ist in Vorbereitung. Ich bin gespannt – welcher Vorlage sich der Autor aneignen wird.

Fazit

„Wolfswut“ ist das Echo unserer Furcht, ein grausamer anhaltender Schrei, der sich breitmacht. Brutale Spannung und doch noch leise genug, um gehört zu werden.

Michael Sterzik