Samstag, 8. Januar 2022

Bloodles - Grab des Verderbens - Douglas Preston und Lincoln Child


Die Thriller des amerikanischen Autorenduos Preston & Child überzeugen durch eine spannende Storyline, seinen sehr bizarren Charakteren und den wissenschaftlichen Themen, die sich die beiden talentierten Autoren bedienen.

Apropos Wissenschaft – reden wir einmal über die zeitlichen Perspektiven der Wissenschaft. Gehen wir in 100 Jahren Schritten epochal in der Geschichte zurück. Was wir heute im Bereich der Technik – der Physik, der Chemie, der Naturwissenschaft für Erkenntnisse und Wissen erlangt haben, wäre noch vor 200 Jahren im Bereich des Paranormalen, des Unmöglichen angesiedelt gewesen. Unsere wissenschaftlichen Grenzen verschieben sich immer wieder, und viele Forschungen auf ganz verschiedenen Gebieten können wir noch nicht vollumfänglich erklären. Entweder sind wir dazu intellektuell noch nicht bereit, sind zu vorsichtig, oder haben noch Vorbehalte moralische und ethische Grenzen außer Kraft zu setzen.

Der vorliegende Roman „Bloodless – Grab des Verderbens“ ist der 20. Band der Aloysius Pendergast – Reihe. Diese Figur ist inzwischen zu einer Kultfigur geworden. Hochintelligent, charismatisch, unabhängig – dazu noch extrem distanziert und exzentrisch – und immer umgibt ihn eine geheimnisvolle Aura. Das Besondere an diesem Charakter ist auch seine menschliche Fehlbarkeit, seine Verletzlichkeit, die bei all seiner Überlegenheit – seine Achillesferse ist. Flankiert und unterstützt wurde dieser Spezialagent des FBI von ganz unterschiedlichen Partnern. Im vorliegenden Band ist es der indianisch stämmige Agent Coldmoon, der auch in den letzten Romanen eine Nebenrolle spielte.

In den Straßen von Savannah im Süden der USA tauchen Leichen auf, die vollkommen blutleer sind. Kein Wunder, dass eine alte Legende der Stadt plötzlich nicht nur wohligen Grusel verursacht: Geht etwa tatsächlich der »Vampir von Savannah« um? Special Agent Pendergast und sein Partner Agent Coldmoon werden mit dem bizarren Fall betraut und erkennen bald, dass es einen Zusammenhang mit einer nie aufgeklärten Flugzeug-Entführung aus dem Jahr 1971 gibt. Doch weder Pendergast noch Coldmoon ahnen, dass hinter beiden Fällen etwas steckt, das unfassbar viel böser ist als ein Vampir. Und längst ist nicht mehr sicher, ob die FBI-Agents Jäger oder Gejagte sind. (Verlagsinfo)

„Bloodless – Grab des Verderbens“ ist spannend, aber nicht der stärkste Band diese sonst hervorragenden Reihe. Die Wissenschaft spielt ja immer eine wesentliche Verwendung, allerdings ist sie hier etwas sehr bizarr. Man könnte fast meinen Aloysius Pendergast ist im Marvel-Universum angekommen. So zwischen Fakten und Fiktion ist die Story wirklich am stark am Rande der Authentischen. Zwischen S.F. und Fantasy – Thriller und Krimi ist es arg überzeichnet, fast schon abstrus.

Neben Pendergast treffen wir auch auf Agent Coldmoon und Constance Green. Ihre Rolle als hilfreiche Assistenten ist etwas deplatziert. Agent Coldmoon ist überflüssig und Constance Greens Rolle ist zu klein geraten. Gerade ihr Charakter, so alt und tiefgründig beschrieben, beinhaltet so viel Potenzial, dass die Autoren noch lange nicht ausgeschöpft haben. Schade – ist das vielleicht ein Indiz, sie in einer eigenständigen Reihe zu implementieren. Es wäre interessant zu sehen, wie sie sich durch eine Story ohne Pendergast bewegt. 

Ich finde es ja immer ansprechend, wenn sich Autoren mit wissenschaftlichen Themen beschäftigen, über die man nachdenkt, und die vielversprechend auf einen wirken, sodass man ggf. mehr darüber erfahren möchte. An dieser Stelle muss ich jedoch sagen, wird es mir zu fremd und passt nicht in das Gesamtbild dieser Reihe.

Die Spannung ist solide – nicht mehr, und weniger und erfüllt den Unterhaltungswert. Wobei zu sagen ist, dass der Ausblick auf den nächsten Band interessanter und spannender ist, wie die eigentlich Storyline des vorliegenden Romans.

Nebenschauplätze und Nebenfiguren gibt es zu wenig und Agent Coldmoon würde ich empfehlen sprichwörtlich zu versetzen und nicht mehr in nachfolgende Titel einzubauen.

Fazit

„Bloodless – Grab der Verderbens“ ist leider etwas blutleer und die Spannung ist abwechslungsreich wie ein stillgelegtes Grab. Es ist Zeit – neue Wege zu gehen. Es wäre zu schade, dass eine Kultfigur sich selbst in Pension schickt.

Michael Sterzik




 

Donnerstag, 23. Dezember 2021

In ewiger Freundschaft - Nele Neuhaus


Freundschaft – neben der Liebe ist diese für uns überlebenswichtig, denn sie bindet uns auf sehr positiv an Menschen, denen wir vertrauen, für die wir (fast) alles tun würden. Loyalität und eine vertrauliche Atmosphäre fordern wir ein und wird natürlich auch von uns selbst eingefordert. Unerschütterlich geben wir uns, und können doch auch brutal enttäuscht werden, wenn wir merken, dass die Grundfesten der Freundschaft instabil sind. Verrat – die andere Seite, die dunkle der Medaille Freundschaft.

Um eine Freundschaft – genau darum handelt der 10 Band der Krimi-Reihe „Bodenstein-Kirchhoff. Seit 2006 und 2007 die ersten beiden Bände erschienen sind, ist viel geschehen. Nele Neuhaus lässt ihre Protagonisten wie eine Familie wirken. Auch hier entstehen „Freundschaften“ – allerdings auf einer anderen, eher beruflichen Basis. Gerade wegen dieser Beziehungsebenen gelingt es der Reihe eine authentische Atmosphäre zu schaffen. Die beiden Kommissare Oliver von Bodenstein und Pia Sander sind überaus fein aufeinander abgestimmt. Ihr Revier ist der Taunus – eine bildgewaltige Wohlfühloase im Rhein-Main-Gebiet. Kontrastreiche Landschaftsformen, eine kulturelle Vielfalt, die dazu einlädt, die vielen Städte und Dörfer zu besuchen. Schon die alten Römer waren begeistert von den Thermal-und Mineralquellen, die man ebenfalls vorfindet.

Neben diesem malerischen Ambiente sind die Romane allesamt spannend erzählt und beinhalten immer wieder aktuelle zeitgenössische Themen. Selbst das Privatleben der beiden Ermittler ist auf einem spannenden Niveau und lässt auch zu, dass beide Fehler machen, überreagieren und so hin und her menscheln, dass man sie gleich sympathisch findet.

In dem vorliegenden Band lässt Nele Neuhaus uns einen Blick in die komplexe Verlagswelt werfen. Dass damit natürlich Nele Neuhaus einen entsprechenden Heimvorteil hat, liegt auf der Hand – schließlich ist das ja genau ihr eigener Tatort.

Eine Frau wird vermisst. Im Obergeschoss ihres Hauses in Bad Soden findet die Polizei den dementen Vater, verwirrt und dehydriert. Und in der Küche Spuren eines Blutbads. Die Ermittlungen führen Pia Sander und Oliver von Bodenstein zum renommierten Frankfurter Literaturverlag Winterscheid, wo die Vermisste Programmleiterin war. Ihr wurde nach über dreißig Jahren gekündigt, woraufhin sie einen ihrer Autoren wegen Plagiats ans Messer lieferte – ein Skandal und vielleicht ein Mordmotiv? Als die Leiche der Frau gefunden wird und ein weiterer Mord geschieht, stoßen Pia und Bodenstein auf ein gut gehütetes Geheimnis. Beide Opfer kannten es. Das war ihr Todesurteil. Wer muss als nächstes sterben?  Pia und Bodenstein jagen einen Täter, der ihnen immer einen Schritt voraus zu sein scheint ...(Verlagsinfo)

„In ewiger Freundschaft“ ist mit Sicherheit einer der stärksten Bände der Reihe. Was anfänglich wie eine Flucht, oder ein Vermisstenfall wirkt, wird im schnellen Tempo eine rotierende Eskalationsspirale. Die Dynastie dieses Verlagshauses tragen eine dunkle Vergangenheit huckepack. Das ist auch nicht überraschend – vielmehr werden dem Leser im weiteren Verlauf der Geschichte viele Ereignisse, Situationen und Verbindungen über den Weg laufen, die eine perfekte Dramaturgie bilden.

Sehr fein und detailliert beschrieben ist auch die Ermittlungsarbeit, obwohl ich hier die zwischenmenschlichen Spannungen, die sich ergeben, wenn man eben nicht immer eine Meinung ist, kritisiere. Mir ging das alles viel zu leicht – eingespieltes Team, hin oder her.

Der Humor kommt auch nicht zu kurz, dafür sorgt der Ex-Mann und Rechtsmediziner, der im besagten Verlag seine Kriminalromane veröffentlicht. Raten Sie mal, welche Personen er sich als Vorbild nimmt? Großartig! Nicht jeder ist mit seiner literarischen Alten-Ego-Biographie zufrieden.

Die privaten Minenfelder von Bodenstein, die an mancher Stelle einfach hochgehen, sind nicht nur authentisch, sondern auch spannend ausgemalt. Man darf gespannt sein, wie sich das Privatleben des bodenständigen Bodensteins entwickelt. Vielleicht „Zurück in die Zukunft“.

Die Auflösung des Kriminalfalls verwundert dann doch am Ende und ist so total genial konzipiert. Der Epilog ist sensibel und fast schon als Familienfeier zu bezeichnen, wenn sich Fakten und Fiktion miteinander vermengen.

Fazit

So muss ein Krimi sein – genauso abwechslungsreich, tiefgründig, überraschend und originell. Ein Buch, das wieder mal zeigt, dass Nele Neuhaus ihre Tatorte literarisch und spannend erzählen kann. Perfekt

Michael Sterzik

 

 

Samstag, 18. Dezember 2021

Abgetrennt - Michael Tsokos


Der vierte Band der True-Crime Serie von Michael Tsokos – „Abgetrennt“ um den Rechtsmediziner Dr. Paul Herzfeld.

Bezeichnet für diese Reihe sind die tatsächlich geschilderten und auf faktenbasierte, realen Tötungsdelikte. Ebenfalls sind die Rechtsmedizinischen Untersuchungen und die Ermittlungsarbeit absolut authentisch erzählt. Alle Bände zeichnet dabei neben dieser informativen Erzählung auch eine unterhaltsame Spannung aus.

In diesem vierten Band, der auch der letzte der Reihe ist, begegnet dem Leser der alte Erzfeind und ehemalige Kollege Prof. Dir. Schneider. Ein hochintelligenter, wenn auch psychisch und ggf. etwas wahnsinnigen Mörder, ist jedes Mittel recht Herzfeld umzubringen. Sieht er doch in Herzfeld, den personifizierten Grund, seiner Demaskierung und der Beendigung seiner Karriere als Rechtsmediziner und Serienmörder.

In einem privaten medizinischen Lehrinstitut werden Leichenteile beschlagnahmt. Es besteht der Verdacht der illegalen Beschaffung.
In der Kieler Rechtsmedizin erkennt Paul Herzfeld auf einem der beschlagnahmten Arme ein auffälliges Nazi-Tattoo wieder: eine schwarze Sonne. Der versierte Rechtsmediziner beweist anhand von DNA-Untersuchung und Blutprobenvergleich, dass er den Mann, zu dem dieser Arm gehört, schon einmal seziert hat.
Verkauft einer seiner Kollegen etwa Leichenteile? Oder stammen die Körperteile von Mord-Opfern? Auf der Suche nach Antworten kommt Herzfeld den Schuldigen so gefährlich nahe - allen voran einem Mann, der buchstäblich über Leichen geht -, dass auf einmal sein Leben nur noch an einem seidenen Faden hängt... (Verlagsinfo)

Das private Umfeld von Paul Herzfeld, ist in diesem vorliegenden Band, anteilmäßig gering ausgefallen. Der Fokus liegt auf diesem „medizinischen Lehrinstitut“ und dem Rachefeldzug von Dr. Schneider. Beide Handlungsstränge verlaufen parallel und finden sich im Showdown wieder.

Michael Tsokos Fachwissen ist herausragend und in Kombination mit seinem Talent dieses mit fiktiven Elementen spannend in einer Geschichte zu verpacken ist brillant. Erschreckend dabei ist leider der Umstand, dass man vor Augen geführt bekommt, was Menschen anderen für tödlichen Schaden zuführen können. Egal ob es sich hier um eine Affekthandlung handelt, oder der Mord einen Plan vorausging. Das Leben und der Tod sind immer noch die besten Geschichtsgeber.

„Abgetrennt“ ist der vierte Band und inhaltlich auch der schwächste – der oberflächliche in jedem Fall. Es gibt erzählerische Längen, nicht weiter tragisch, aber sie sind vorhanden. Es ist gut, dass die Reihe auch hier ein gutes Ende findet und ich bin mir sicher, dass wir Dr.Herzfeld in späteren Werken von Michael Tsokos als Nebenfigur sehen werden. Das Tempo überholt trotz der aufzuweisenden Längen die Spannung. Der Unterhaltungswert ist allerdings noch immer überdurchschnittlich hoch angesetzt.

Die Figuren und viele, fast alle sind dem Leser schon durch die Vorgängerromane bekannt. Auch hier keine originellen Überraschungen, oder neue Entwicklungen. Man merkt als Leser, dass es thematisch und inhaltlich auch alles erzählt ist. Weitere Teile um den fiktiven Rechtsmediziner wären überflüssig, und würden den Anspruch einer erzählerischen Realität nicht genügen.

Der Showdown, bzw. dass Setting lädt zum Schmunzeln ein. Es geht in einer Wild-West-Atmosphäre zu Ende. Das Shootout ist spektakulär und vielleicht augenzwinkernd etwas ambivalent überzogen.

Die erzählerische Perspektive verspricht eine souveräne Abwechslung. Leider auch hier manchmal recht oberflächlich – gerade die des flüchtigen Schneiders findet zu wenig Substanz.

Fazit

Diese Reihe lebt durch das unterhaltsame „leben und sterben“ . Michael Tsokos ist der beste authentische Aufschneider. Seine Bücher sind Spannungsgaranten. Hochklassige Spannungsliteratur. Absolut zu empfehlen.

Michael Sterzik 

Sonntag, 12. Dezember 2021

Bluttat - Thomas Enger und Jorn Lier Horst


Nach dem beiden vorherigen Titeln: „Blutzahl“ und „Blutnebel“ ist dies der dritte Band des erfolgreichen Autorenduos.

Der Verlag sagt, man könne die Bücher der Reihe unabhängig voneinander lesen. Allerdings empfehle ich dies nicht. Die Figuren; die Reporterin Emma Ramm und der Kriminalbeamte Alexander Blix sind zu komplex aufgebaut – als Einzelcharakter und im Zusammenspiel der beiden. Interessant ist dabei zu beobachten, dass diese nicht unbedingt miteinander harmonieren. Ihre gemeinsame Vergangenheit beeinflusst sie beide in ihrem Denken und Handeln und das nicht nur positiv. Auch ihre Charaktere sind eher sehr konträr zueinander. Was beide allerdings gemeinsam haben, ist ihre Hartnäckigkeit und ihr Talent komplexe Zusammenhänge zu analysieren, zu erkennen – wo andere nicht einmal ansatzweise in diesem Tempo mithalten können.

Beide vorherigen Teile waren sehr spannend, sehr originelles Storytelling und eine teils sehr, sehr düstere Atmosphäre. Der Unterhaltungswert in einer Top-Liga, wenn man sich im Genre Thriller orientiert. Neben der Spannung war in den letzten Titel die Emotionalität mächtig stark in die Handlung eingefügt.      

Vorab sei zu sagen, dass die Spannung und die Emotionalität noch viel stärker in dem Titel „Bluttat“ ausgeprägt sind. Ein weiteres Kriterium stellt allerdings alles Bisherige in den beiden Vorgängertitel in den Schatten.                               

Eine rätselhafte Mordserie beschäftigt die Ermittlerin Sofia Kovic. Sie zieht ihren Partner Alexander Blix ins Vertrauen – und nur ihn, denn sie fürchtet, die Osloer Polizei könnte eine Rolle in diesem blutigen Spiel einnehmen. Wenig später wird Kovic Opfer eines Mordanschlags und grausam hingerichtet. Hat sie mit ihren Nachforschungen in ein Wespennest gestochen? Vier Tage danach stehen Blix und die Kriminalreporterin Emma Ramm im Zentrum der Ermittlung, denn Alexander hat einen Mann erschossen, während Emma der blutigen Tat beiwohnte. Wie konnte es dazu kommen? Wem kann Blix vertrauen? Und hat er womöglich den Falschen getötet? (Verlagsinfo)

„Bluttat“ beginnt spannend – geht spannend weiter und diese findet auch kein Ende. Erst am Ende, beim Beenden der letzten Seiten findet man seinem Atem und Puls wieder in einem Normalzustand wieder. Doch die Spannung ist nichts gegen die angespannte Dramatik und die Emotionsexplosionen, bei denen man wahrlich in der ersten Reihe sitzt. Hier begegnen wir spannendem Top-Niveau. Analysiert und interpretiert man alle drei Teile dieser Reihe – so ist der vorliegende mit großem Abstand der Beste. Hochklasse, wie die beiden Autoren es schaffen eine solch tiefgehende Dramaturgie zu entwickeln, und diese mit viel Tragik in einem Feuerwerk von Tränen, Blut, Tod und Schmerz hochgehen zu lassen. Die Reihe ist als Trilogie entworfen, aber es könnte unter Umständen noch weitergehen – denn der Schwachpunkt dieser Reihe ist genau das – ein plötzliches „Ende“.  Damit bilden sich eine ganze Menge an Fragen, deren Antwort man sich als Leser zwar individuell stellen kann, wenn man sich diese selbst beantwortet – aber dieses Vakuum ist etwas unbefriedigend.

Eine Emotionalität entwickelt sich, da man den Schmerz der Protagonisten nachempfinden kann. Das reiht sich in die Komponente „Tragik“ ein. Die Story ist authentisch und keine überzeichnete „Räuberpistole“. Der Kriminalfall ist der Mantel der Story, ein persönlicher Verlust und viele egoistische Fehler bilden den Kern.

Originell aufgebaut ist die Handlung, mit zeitlichen Rückblenden, die allerdings die gegenwärtige Story noch spannender darstellen. Das Tempo der Handlung befindet sich auf der Überholspur, die Ereignisse überschlagen sich nicht – aber gehen Hand in Hand.

Emma Ramms Rolle in diesem Spiel ist eher untergeordnet, obwohl sie es zum Teil auch ist, die die Eskalationsspirale anstößt. Das Schicksal von Alexander Blix ist der absolute Fokus.

Diese Reihe gehört mit zu den aktuell stärksten, skandinavischen Thrillern. Der dritte Band ist einer der absolute, tragischste und traurigste Thriller den ich je gelesen habe.

Fazit

„Bluttat“ ist ein harter, emotionaler Thriller. Die Spannung ist so präsent, dass das diese einen nachhaltig umzingelt, ohne Chancen auszubrechen. Ein Pageturner – eine Reihe, die so authentisch ist, dass das Ende schmerzt.

Michael Sterzik

Freitag, 10. Dezember 2021

Die Mission des Kreuzritters - Ulf Schiewe


Das Heilige Land – die Kreuzzüge in denen Fürsten, Ritter, Soldaten und einfache Menschen den Aufruf der Kirche „Gott will es so“ folgten und kämpften. Unzählig viele ließen ihr Leben im gelobten Land. Die Operation „Heiliges Grab“ versprach neben dem Sündenerlass, viel Macht und Einfluss und die Gier nach irdischen Reichtümern ließen das Gewissen und Gottes Gebote ignorieren. Juden, Moslems und Christen – drei Religionen, deren Menschen nicht in Frieden leben konnten – eine große Schuld trugen die Kreuzfahrer. Von der katholischen Kirche sanktioniert, wurde der Kampf um Jerusalem erbittert geführt. So entstanden viele kleinere und größere Kreuzfahrerstaaten und damit viele Krisenherde. Die Grenze zwischen einem Kaltem Krieg und immer wieder aufflammenden kriegerischen Auseinandersetzungen war mitunter fließend.

Es entstanden einige geistliche Ritterorden – einer der berühmtesten war der Templerorden. Die „Arme Ritterschaft Christi“ war einflussreich, und „Reich“ im wahrsten Sinne des Wortes. Ihre Kämpfer kamen aus ganz Europa, einfache Ritter, adelige – desillusionierte Menschen, die danach strebten, Gottes Werk auf Erden zu schaffen, indem sie Pilger schützen, sich aber auch sehr aktiv an Kriegen beteiligten. Als großartige und fähige Kämpfer waren sie gefürchtet, aber auch bei Feinden respektiert. Doch sie waren nicht nur im Outremer ansässig, sondern auch in vielen Städten, die militärisch, politisch und wirtschaftlich von beträchtlicher Bedeutung waren.

Der Münchner Autor Ulf Schiewe hat in seinen mittelalterlichen Romanen  - „Der Bastard von Tolosa“, „Die Hure Babylon“ u.a. diese Thematik höchst spannend und absolut unterhaltsam aufleben lassen. Diese Titel gehören mit zu den besten, historischen Romanen in diesem Genre.

Nun schlägt der erfolgreiche Autor mit seinem neuesten Roman „Die Mission des Kreuzritters“ eine Brücke zu seinen früheren Romanen.

Jerusalem, 1129. Als älteste Tochter des Königs soll Melisende einst die Krone erben und über das Heilige Land herrschen. Den von ihrem Vater ausgesuchten Bräutigam lehnt die eigenwillige junge Frau jedoch vehement ab. Heimlich verlässt sie mit einer Eskorte die Stadt. Doch sie kommt nicht weit. Ihre Reisegruppe wird überfallen, ihre Wache getötet, sie selbst als Geisel verschleppt. Um sie zu retten, schickt König Baudouin den Tempelritter Raol de Montalban aus. Bald merkt er: Gefahr droht von mehr als einer Seite ...(Verlagsinfo)

Ulf Schiewes schriftstellerisches Talent offenbart sich in genau diesen Romanen, in denen er uns das Mittelalter und das untergeordnete Thema der Kreuzzüge so bildgewaltig, detailreich und spannend erzählt. „Die Mission des Kreuzritters“ unterscheidet sich dennoch von den anderen Titeln dieser Reihe. Er ist weniger actionreich konzipiert – aber verliert zu keinem Zeitpunkt seinen Unterhaltungswert.

Der Konflikt zwischen den Kreuzfahrerstaaten, und zwar in seiner politischen und militärischen Brisanz ist der Fokus. Als Faustpfand fungiert die historisch verbürgte Melisande – die Prinzessin des Königs von Jerusalem. Ein „wahrer“ Schatz – aber ein intelligenter, abenteuerlicher Charakter, der sehr selbstbewusst nach Emanzipation schreit und wenig Interesse hat, sich einen Ehemann unterzuordnen.

Ulf Schiewe geht insgesamt sehr kritisch ins Gericht mit dem (Un)Sinn der Kreuzzüge. Die Dialoge sind großartig wenn Raol de Montalban vom Töten und sterben spricht und sich selbst sehr kritisch dabei reflektiert. Ulf Schiewe bewertet hier aber keine Religion und befindet sich weiterhin diesbezüglich auf einer neutralen Ebene – doch die Botschaft ist unmissverständlich und unüberhörbar.

Die Entführung und Rettung von Melisande hat historisch nicht stattgefunden. Ulf Schiewe nutzt diese fiktiven Situationen, um seine Erzählung zu positionieren. Die Spannung findet man also nicht nur bei Schwertkämpfen wieder, die gibt es auch – doch die Konzentration verlagert sich eindeutig auf tolle, inhaltlich informative Dialoge, die auch sehr sensibel, feinfühlig und tiefgründig sind. Und in der vertrauten Atmosphäre erzählt der Tempelritter auch von zu Hause, der Motivation sich dem Orden anzuschließen, seinen Glauben an Gott und die Sehnsucht nach seiner eigentlichen Familie in Europa.

Die „Liebe“ ist hier neben den beiden Protagonisten auch ein Hauptdarsteller. Aber wie wir alle wissen, offenbart sich die Liebe auch zu einem Vater, zu einer Schwester, seinem Land, seiner Vergangenheit und vieles mehr. Die Liebe ist halt die Antwort auf (viele) alle Fragen. Ein philosophisches Ambiente ist hier allgegenwärtig.

„Die Mission des Kreuzritters“, erzählt vom Suchen und Finden seiner eigenen Bestimmung. Vom Mut auszubrechen, vor Traditionen wegzurennen, sich selbst zu begegnen und um vielleicht sein Schicksal anzuerkennen.

Für alle Action-Junkies ist gesorgt, und auch für die romantisch veranlagte Zielgruppe gibt es Herz-Schmerz-Passagen. Allerdings und das ist wichtig, wirkt nichts davon deplatziert, überzeichnet, oder verfängt sich in Klischees. Historische Personen kommen natürlich auch vor, und Ulf Schiewe geht darauf souverän in seinem Nachwort darauf ein.

Die Charaktere sind besonders stark und zugleich schwach entworfen. Wobei genau das ihre Stärke ist – die menschliche Fehlbarkeit und den Willen sich und ggf. auch andere zu verändern. Nicht zu jedem Preis, aber mit vollem Einsatz.

Fazit

Ein großartiges Buch – dass neben der Spannung auch philosophische und moralische Vorstellungen vermittelt. In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt. Ein (un)kriegerischer Roman, der liebevoll beschreibt, was wichtig ist.

Michael Sterzik

Sonntag, 28. November 2021

Legenden des Krieges - Im Schatten des Falken - David Gilman

 


David Gilman lässt uns in seinem 7. Roman der Thomas Blackstone Reihe, wieder am 100-jährigen Krieg teilnehmen. Der Krieg zwischen den Erzfeinden England und Frankreich verlagert sich ins ferne Spanien.

Der Erbfolgekrieg in Kastilien lässt Thomas Blackstone in diesem Roman, an seine Grenzen kommen. Als „Kriegsherr“ ist er dem König verpflichtet, auch wenn er begreift, dass er in dieser dramatischen Auseinandersetzung in Gefahr gerät, als kleine Schachfigur, in dem Spiel um die Throne vernichtet zu werden.

In diesem Buch geht es dramatisch zu. Fernab der Heimat müssen der erfahrene Kriegsherr und sein Trupp von Rittern und gefürchteten Bogenschützen bluten. David Gilman erzählt sehr plakativ, wie Könige ihre Soldaten opfern, um sich persönlich zu bereichern, oder ihren Einfluss und ihre Macht auszubauen.

Winter 1364. Sir Thomas Blackstone, Kriegsherr König Edwards III., sichert die Bretagne für England. In den Wirren des Erbfolgekriegs rettet er einen kastilischen Jungen, Lázaro – der allein Zeuge eines Mordes wurde. Hat der König von Kastilien und Englands Verbündeter, Don Pedro I., seine Gemahlin Blanche de Bourbon getötet?

Kastilien steht kurz davor, in die Knie zu gehen. Blackstone muss Don Pedro in Sicherheit bringen! Gemeinsam mit seinen Gefährten und einer Gruppe treu ergebener maurischer Kavalleristen reitet Blackstone bis zum weit entfernten Sevilla und nach Santiago de Compostela. Aber der Mörder der Königin Kastiliens hat es auf Blackstone und seinen Schützling Lázaro abgesehen …(Verlagsinfo)

„Im Schatten des Falken“ ist ein teils sehr mystischer Roman, der auch erzählt, dass die damaligen Menschen in dieser Epoche doch sehr an Vorzeichen und Omen glaubten. Hexerei, Zauberei – der ewige Kampf zwischen Gut und Böse – der schmale Grat zwischen Vernunft und einem abwegigen Aberglauben kann Soldaten den Mut und die Zuversicht nehmen.

Die Dramatik hat in dem vorliegenden Roman auch einen hohen Stellenwert. Thomas Blackstone verliert einige seiner ‚Freunde‘ und auch seine kleine Truppe wird erhebliche Verluste erleiden – am Ende stellt sich die Frage: War es das alles wert“? Das macht den siebten Band dieser Reihe zu einem sehr spannenden – gerade weil man als Leser auch begreift, dass Thomas Blackstone verletzlich, sogar sterblich ist, und das der Autor ein bittersüßes Happy End verfassen kann. Dem Tod zu dienen verlangt Opfer – und diese werden eingefordert.

Fiktion und Fakten werden von David Gilman großartig kombiniert, ohne, dass dieses brisante Thema erzählerisch langweilig wird. Der Unterhaltungswert ist hoch, dank einer herausragenden Spannung und einer starken Dramaturgie. Dieser Ausflug nach Spanien war vielleicht nötig, um etwas Abwechslung zu bringen, doch hoffe ich doch, dass der Autor in den nächsten Bänden geografisch sich wieder England und Frankreich zuwendet.

Die Actionszenen sind qualitativ gut und nicht zu grausam geschildert. Vom Krieg zu erzählen, heißt schließlich auch das „sterben“ aufzuzeigen. Doch bei diesen harten Passagen vergisst David Gilman auch nicht, von Ehre, Ethik, Verantwortung zu sprechen und Mitgefühl und Freundschaft bis in den Tod lassen den Roman sehr lebendig und authentisch wirken.  

Fazit

„Legenden des Krieges – Im Schatten des Falken“ ist einer der stärksten Romane aus dieser Reihe. Dramatik – ohne künstliche Theatralik – eine souveräne und steigende Spannung. Und selbst ruhige Momente um Freundschaft und Liebe bei den „harten“ Männern wirken selbstbewusst und authentisch. Sehr zu empfehlen.

Michael Sterzik

Montag, 22. November 2021

Die zerbrochene Feder - Sabine Ebert


Die nun in Dresden lebende Autorin Sabine Ebert hat in den letzten Jahren hochklassige, historische Romane veröffentlicht. Authentisch – menschlich und so spannend hat kaum eine deutsche Autorin uns das Mittelalter in die Wohnzimmer und in unsere Köpfe projizieren können.  Die Barbarossa- Reihe – Schwert und Krone - schleuderte uns in ein deutsches „Game of Thrones“ – Ein Duell des Adels, der Kampf um Macht und Einfluss kostete tausende von Menschenleben. Jahr zuvor, erzählte die sympathische Autorin von der Völkerschlacht bei Leipzig, der Anfang vom Ende des kleinen Korsen, der Europa bis dahin fest im Griff hatte.

Sabine Ebert geht jetzt literarisch ein Stück zurück und erzählt die Geschichte, dass Schicksal der jungen Witwe Henriette weiter, die wir schon aus den beiden Romanen 1813 Kriegsfeuer  und 1815 Blutfrieden kennengelernt haben.

Ende 1815, Zeit der Restauration: Die junge Witwe Henriette wird nachts aus dem Schlaf gerissen und muss laut Polizeierlass binnen einer Stunde Preußen verlassen. Ihre Schilderungen des Kriegsleides und Herrscherversagens vor, während und nach der Völkerschlacht haben in allerhöchsten Kreisen Missfallen geweckt. Der Oheim Friedrich Gerlach, Verleger und Buchhändler im sächsischen Freiberg, nimmt sie auf. Doch rasch merkt sie, dass sich auch hier die Zeiten geändert haben: verschärfte Zensur, die Rückkehr zum Korsett und der gesellschaftliche Druck, sich wieder zu vermählen, setzen ihr zu. Mit der Rückkehr des wie sie traumatisierten Kriegsfreiwilligen Felix Zeidler trifft sie einen Freund und Vertrauten wieder. Doch erst nach einer drohenden Katastrophe wird ihr klar, dass er ihr mehr als nur ein Freund ist. Gemeinsam stellen sich Felix und Henriette gegen den aufziehenden Geist, in dem Bücherverbrennungen und Attentate als Heldentaten gefeiert werden. (Verlagsinfo)

Auch wenn der Roman vor 200 Jahren spielt – ist er dennoch mit seinen brisanten Themen gerade heute hochaktuell. Sabine Ebert verarbeitet hier kulturelle Themen, die Rolle einer selbstbewussten, emanzipierten jungen Frau, sie redet von Zensur, von Bespitzelung und Denunziation. Die Wunden des Krieges bluten noch immer – auch wenn sich das Land von der Kriegsgräuel erholt – doch der Hochadel verschließt Augen und Ohren , und möchte weder an alte Bündnisse, noch an Versprechungen festhalten. Kriegsgeschichten – in denen vom Leid der Soldaten und dem Schicksal der Zivilbevölkerung verdrängt man unter Androhung von Strafen.

Doch es bricht auch eine neue Zeit an, in der, der Schrei nach Freiheit und Meinungsäußerung nicht zu überhören oder zu unterdrücken ist. Es entstehen Debatten um Bildung in denen sich auch die Rolle der Frau drastisch verändert.

„Die zerbrochene Feder“ ist ein politischer Roman, der nicht die Protagonisten in die erste Reihe schiebt – sondern die Themen auf einer attraktiven erzählerischen Bühne disponiert. Diese Restauration wirkt insgesamt stiller als die Romane, die uns die Autorin in den letzten Jahren präsentiert hat.

Das Schicksal von Henriette hat fast ein Alleinstellungsmerkmal und ist nicht der absolute Fokus der Story. Um ihre Charaktere, ihre Vergangenheit zu verstehen empfehle ich es sehr die beiden Romane 1813 Kriegsfeuer  und 1815 Blutfrieden zu lesen. Und zwar am besten unmittelbar – bevor man zu diesem aktuellen Buch greift. Sabine Ebert ist eine raffinierte, eine kluge Autorin, die wenig, vielleicht gar nichts dem Zufall überlässt und so kann man Henriettes Kriegstrauma und Schicksal erst vollumfänglich fassen, wenn man es an ihrer Seite selbst erlebt.

Sabine Ebert meint, dass wäre ihr persönlichster Roman. Dem ist auch so. Aber es ist auch ein stiller Roman, der sich ganz stark von den übrigen unterscheidet. Es ist wie eine „spannende“ Entspannung – für die Autorin absolut, für ihre Leser eine Umgewöhnung, denn diese „Stille“ ist weniger dramatisch als gewohnt.

Henriette spürt den Druck überall – nicht nur über ein Korsett, dass ihr die Luft abschnürt, sondern auch gesellschaftlich möchte man sie gerne wieder unter der Haube sehen, und wenn sie sich schon schriftstellerisch betätigt, dann bitte politisch korrekt. Wer Henriette kennengelernt hat – wird wissen, dass die Themen wie ein rotes Tuch für sie sind.

Natürlich darf die „Liebe“ nicht fehlen, aber wie schon in den Romanen zuvor, hebt sich die Autorin von romantisierten Klischees ab und lässt Henriette authentisch Leiden und Lieben.

Damit gehört „Die zerbrochene Feder“ nicht zu dem stärksten Titel der Autorin. Doch auch das ist überhaupt nicht schlimm. Qualitativ ist der Roman außerordentlich gut. Unterhaltung auch – die Spannung ist ein wenig stiller geworden, aber wer die Autorin kennt, weiß das sie mit Sicherheit ein weiteres Romanprojekt vorbereitet.

Fazit

„Die zerbrochene Feder“ ist ein historischer Roman, dessen Stimme und Stimmung auch heute präsent ist. Unterhaltsam, stiller, souverän und vielseitig. Sabine Eberts Perspektive auf diese historische Epoche ist auch etwas Fingerpointing auf unsere stark mediale geformte Welt.

Michael Sterzik