Freitag, 7. Juni 2019

Wolfskrieg - Bernard Cornwell


Der britische Autor Bernard Cornwell ist seit Jahrzehnten ein begnadeter Autor im Genre „Historischer Roman“. Wie kaum ein anderer, besitzt er das Talent, konventionell geführte Schlachten der Vergangenheit literarisch  in seinen Romanen zum Leben zu erwecken.

Kriege wurden schon immer geführt – bei den wesentlichen Gründen ging es Macht, Region, Geld, Frauen, Religion und das über ganz verschiedene Epochen mit unterschiedlichen Waffengattungen und individuellen Strategien. Bernard Cornwell „Schlachtfelder“ befinden sich zu Zeiten des legendären König Arthurs, gehen über in die Wikingerzeit, dann den 100-jährigen Krieg, die Napoleonische Zeit, und auch der Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten wird betrachtet.

Jeder Krieg bringt große Helden und große Opfer mit sich und vergessen wir nicht das immense Leid der Zivilbevölkerung. In Bernard Cornwells historischen Romanen gibt es immer den einen „Helden“, der auch Dreh- und Angelpunkt in einer ganzen Serie sein kann. Der vorliegende Band: „Wolfskrieg“ ist der elfte Band der Uhtred-Saga von Bernard Cornwell. Der Recke der zwischen den Fronten von den späteren Briten und den einfallenden Wikingers gerät, der sich auch kulturell und religiös zwischen Thors Hammer und dem angenagelten Gott bewegt, zählt inzwischen schon satte 60 Jahre. Also alles andere, als ein „junger“ Krieger, aber erfahren und gezeichnet vom Krieg, von Verlust und Schmerz. Noch immer hält er sich an für ihn heiligen Schwüren und lassen ihn nicht zur Ruhe kommen.

Auch im 11. Band dieser Saga muss Uhtred das zusammenwachsende England vor den Wikingern, den Nordmännern retten. Sein Schwiegersohn Sigtryggr ist der letzte Heidenkönig auf der britischen Insel und nun fallen die Norweger mit ihren Wolfskriegern ein. Diese Elitekrieger schrecken vor nichts zurück und Uhtred stellt sich ihnen in den Weg.

„Wolfskrieg“ ist nicht nur ein spannender, historischer Roman, er überzeugt auch über das Duell der Religionen – die Nordischen Götter vs. dem Christentum. Und sowieso beschäftigt sich der Roman mit Mythen und Legenden, und man weiß ja, irgendwo gibt es da immer ein Stückchen Wahrheit. Nebenbei allerdings hat sich Bernard Cornwell durchaus historischer Quellen bedient um historische, politische und kriegerische Ereignisse treffend erzählen zu können.

Der erfolgreiche Autor bemüht sich um Authentizität und wird diesem auch gänzlich gerecht. Auch neben Schlachtgetümmel und Schwerter schwingenden Berserkern kommen die Dialoge nicht zu kurz. Man könnte meinen, dass der alternde Krieger Uhtred nicht nur weiser wird, sondern auch spitzzüngiger und er entwickelt einen trockenen, bissigen Humor. Besonders gefallen haben mir die Rede- und Fluchduelle der verehrten Priester und Zauberern. Das war mitunter auch ein Stück Komödie – allerdings nicht für die Figuren selbst.

„Wolfskrieg“ reiht sich als durchschnittlich spannende Titel in die bestehende Saga ein. Letztlich gibt es dann zum Ende hin viel Tragik, Dramatik und auch Opfer, die Uthred und seine Männer tragen müssen. Der Lohn eines geeinten Königsreichs kann verdammt hoch ausfallen. Ebenfalls kommt hier die lokale Politik immer wieder zum tragen – wie gesagt – Alfreds Traum eines geeinten Englands ist nicht mehr so weit abwesend, aber noch immer gibt es Konflikte, Neid und Doppelspiele. Also auch ein bisschen von einem historischen „Game of Thrones“.

Sehr wichtiger Aspekt noch: Diesen Titel kann man nicht lesen, wenn wann man die vorherigen nicht angefasst hat. Die Protagonisten, die Politik und die Grenzen der einzelnen Königreiche, auch und gerade wegen dem Einfluss der Wikinger auf diese Insel, könnte man überhaupt nicht mehr folgen.

Trotzdem muss ich an dieser Stelle betonen, dass es gut wäre, diese Reihe jetzt einmal zu beenden. Sonst wird aus dieser komplexen, historischen Saga, die wirklich spannend ist, eine abenteuerliche Räuberpistole, die an Tief und Authentizität viel verlieren kann.

Fazit

„Wolfskrieg“ von Bernard Cornwell wirkt überzeugend – durch Spannung, Humor und durch seine Charaktere, die durchaus auch ihre sterbliche Seite zeigen. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem geeinten England. Es wird allerdings höchste Zeit – diese Saga zu beenden.

Michael Sterzik


Samstag, 1. Juni 2019

NSA - Andreas Eschbach


„Was wäre wenn...?“ oder „Was wäre passiert wenn es damals schon, dass .....gegeben hätte? Elementare Fragen – auf die wir keine Erklärung finden können, die Vergangenheit ist passiert, sie ist nicht wieder rückgängig zu machen – Die Würfel sind gefallen – Punkt – Fakt – Geschichte.

Andreas Eschbach muss sich diese Frage allerdings auch gestellt haben. Einfach mal ein Gedankenspiel – das Dritte Reich hätte in den Kriegsjahren und ggf. schon Jahre vorher die Vielzahl von multimedialen und technisierten Kommunikationsmöglichkeiten gehabt. Computer, Email, Internet, mobile Endgeräte...usw. Wäre der Krieg womöglich anders ausgegangen, wenn wir gegenüber den Alliierten diesen wesentlichen Vorteil gehabt hätten!?

In Andreas Eschbach vorliegenden Roman: „NSA“ (Nationales Sicherheits-Amt) ist dieses o.g. Gedankenspiel, die Grundlage für diesen Roman. Vorab sei zu sagen, es gibt beim Lesen dieses Titel ein Merkmal, dass man beachten muss. Wenn sich der Leser schon vorab mit der Thematik des Dritten Reiches, des Nationalsozialismus und dem 2.Weltkrieg befasst hat und sowieso schon weiß, welche technischen Überwachungsmöglichkeiten, die Geheimdienste der führenden Staaten einsetzen kann, für den wird der Roman nicht mehr wie unterhaltsam sein.

Nazis, die sowieso gezielte Propaganda einsetzen, die Medien zensieren, die Menschen überwachen, manipulieren und letztlich vernichten konnten – all das wissen wir schon. Die Eskalationsspirale hätte sich schneller gedreht, wenn diese Nationalisten instrumentalisiert alle Kommunikation in ihrer Monopolstellung eingesetzt hätten!? Ist dem so? Andreas Eschbach erzählt die Story in dem vorliegenden Band sehr eindimensional und nur aus der Perspektive des Deutschen Reiches um 1942. Die Menschen sind zumeist alle ausgestattet mit Handys und können aktiv und passiv von der NSA abgehört werden. Nebenbei natürlich geortet usw. Eine Welle von individuellen Daten der deutschen Bevölkerung, die analysiert werden um innere Feindseligkeiten und Kritiker des Systems auszuschalten.

Verbrecherisch in jedem Fall – aber ist das eine überraschende Botschaft?! Eine globale Überwachung unserer Kommunikationskanäle....oh Gott, welche brisantes Thema. Sorry – dass ist nicht „Neu“.

Die Protagonisten im Roman sind naiv, verbrecherisch, nicht weitsichtig genug und schlichtweg einfach zu dumm. Die Tiefe der Story lässt zu wünschen übrig, da die Perspektive nur sehr eindimensional ist und ganz ehrlich – unrealistisch.
Andreas Eschbach verbindet in seinem Titel viele Themen, Personengruppen und Situationen in einem Netz, die man schon kennt: Anne Frank, die Vernichtung der Juden, Stalingrad, die Weiße Rose u.a. Alle Themen werden mir einfach viel zu oberflächlich erzählt, inkl. den Protagonisten.

Wo hat der Autor die anderen Nationen ins Bild gerückt? So gut wie gar nicht – Das Deutsche Reich ist führend in der Welt – die anderen Staaten sind uns nicht gewachsen.....! Interessant wäre es gewesen, wenn wir schon über Globale Verhältnisse lesen und reden wollen – was hätten die anderen Nationen in dieser Situation gemacht!? Deutschland als großer, Global Player und die Alliierten laufen uns hinterher?!

„NSA“ von Anderas Eschbach ist wenn man die Zielgruppe erreichen möchte, ganz klar als „Jugendbuchroman“ anzusehen. Für den einen, oder anderen jungen Leser, der zwar auch ein Handy hat und damit kommuniziert, aber noch lange nicht weiß, was er da eigentlich in den Händen hält, vom Datenschutz einmal ganz abgesehen, mag der Roman interessant sein – für ältere Leser nur durchschnittlich gute Unterhaltung ohne wirklichen, nachhaltigen Mehrwert.

Interessanter wäre es vom Autor zu lesen, welche Einsatzmöglichkeiten, inklusiver hoch motivierte Krimineller Energie auf Staatsebene, vielleicht in einem totalitären System, gibt es denn nun wirklich. Was setzen Geheimdienste derzeit ein, welche Risikobereiche haben wir in einem Cyberkrieg? Was bedeutet das für die Menschen und ihre Infrastruktur? Unzählige Fragen die ich für mich selbst beantworten kann – aber über die eine Vielzahl von Leser gar nicht nachdenken möchte, oder will.

In dem Titel : „NSA“ gab es unglaublich viele Variationen die Geschichte wirklich interessant und spannend zu gestalten, stattdessen fokussiert man sich auf blasse Protagonisten deren Schicksal nicht nahegeht. Auch hier pure Eindimensionalität.

Fazit

„NSA“ von Andreas Eschbach ist ein netter Unterhaltungsroman für eine nette naive Zielgruppe von Lesern, die es noch nicht verstehen, dass die Welt an den Ränderns des Displays ihrer Handys etwas größer ausfällt als gedacht.

Spannung nicht wirklich – Nachhaltige Botschaften ? Nichts neues....
Chancen verpasst – ein Titel der mich persönlich enttäuscht hat und den ich nicht empfehlen kann.

Michael Sterzik





Samstag, 25. Mai 2019

1793 - von Niklas Natt och Dag


2017 veröffentlichte der schwedische Journalist Niklas Natt och Dag seinen historischen Kriminalroman – „1793“ , der die Abgründe der Bellmann-Epoche aufzeigt. Der Spross einer Adelsfamilie konnte seinen Debütroman in über 30 Länder verkaufen.

In Deutschland wurde der Titel: „1793“ – im Verlag Piper in diesem Frühling veröffentlicht. Der Plot ist im Grunde aus der Schublade entnommen. In Stockholm wurde im Jahr 1793 in der Kloake eine brutal verstümmelte Leiche gefunden. Das Opfer muss schwer gefoltert worden sein – Arme, Beine, sind amputiert, die Leiche weist ebenfalls schwere Verstümmlungen im Gesicht auf: Zunge und Augen wurden herausgeschnitten. Die Ermittlungen werden von dem tuberkulösen Juristen Cecil Winge und dem im Kriege verstümmelten Veteranen Jean Michael Cardell aufgenommen. Wer tötete diesen jungen Mann – und entfernter mit chirurgischer Präzision seine Glieder in einer Reihenfolge...?

Niklas Natt och Dag zeigt Stockholm im Jahre 1793 in einer verstörenden Atmosphäre. Eine verzweifelte Düsternis, die man förmlich schmecken kann. Die sozialen Strukturen sind eindringlich erzählt: Schmutzige Gassen, Spelunken die Verbrecher und Verzweifelte Menschen aufsogen und ausspucken. Brutale Schlägereien , Betrügereien – das dunkle Stockholm zeigt wie Menschen ähnlich wie Ratten in heruntergekommenen Absteigen hausen.

Diese verzweifelten Nebengeschichten und Schauplätze gehen unter die Haut. Faszinierender Ekel – ein Effekt, den man beim lesen nicht aus dem Weg gehen kann. Eine menschenverachtende Brutalität und Details von Opfern, Folterungen, Kämpfen und sowieso Verbrechen, die mit dem Lachen der Täter erzählt werden, das nur schwer zu begreifen ist. Gesetz und Recht – hier regiert die Korruption, der Einfluss der Mächtigen, dass Geld und der Adel – konsequent und bedingungslos.

„1793“ ist kein Roman, den man in einem Stück entspannt ohne viele Pausen durchlesen kann. Im Gegenteil, die schroffe und kompromisslose Schilderung von Leben und Tod lassen es zu, dass man das Buch immer mal wieder weglegen muss, um kurz durchzuatmen.

Spannung ist dieser historische Kriminalroman allemal. Die beiden Charaktere Cecil Winge und Jean Michael Cardell sind gut eingebaut – auch sie sind versehrte Menschen in dieser Gesellschaft, die rücksichtlos ihre Ellenbogen einsetzen. Typische Antihelden – die sich ergänzen und nur zusammen einen Erfolg erzielen können. Eine Sympathische und freundliche Grundlange bieten die beiden nur sehr bedingt.

Der Roman ist in vier Perspektiven aufgebaut. Im ersten Teil von „1793“ konzentriert sich die Handlung, auf die Einführung der beiden Ermittler und dem Leichenfund.
Die beiden weiteren Teile behandeln den Hintergrund des Opfers und stellen auch den manipulierten Folterer in den Vordergrund. Diese beiden Episoden sind hoch dramatisch erzählt – Mitleid und Verständnis finden sich beim Lesen ein, oder auch nicht. Was bleibt? Viele Szenen die sich nachhaltig einbrennen – abstoßend faszinierend.

Auch der dritte Teil handelt von dem Schicksal einer jungen Frau, die wegen Hurerei zu einer Strafe in einer Spinnerei verurteilt wird. Ein Sittengemälde das verlogen ist – eine Erzählung von Wächtern und Pastoren, die ihren Hass instrumentalisiert ausleben.

Der vierte Teil verbindet alle Anfänge und losen Enden und ergeben mit dem Motiv des Täters einige Überraschungen, mit der man nicht gerechnet hat.
„1793“ ist eine dunkle Geschichtsstunde aus Schweden. Ich empfehle dringend, dass Nachwort des Autors zu lesen. Der Roman ist eine „Höllenfahrt“ – die leider sehr auf sehr realistischen Fakten beruht.
Als Debütwerk absolut faszinierend. Ob ein zweiter Teil das Grauen und die Verzweiflung noch zu steigern vermag, ist zweifelhaft. Niklas Natt och Dag (Nacht und Tag) könnte vielleicht zukünftig mit etwas mehr Tageslicht arbeiten. Stockholm hat bestimmt auch seine historischen, schöne Seiten – die es erzählen gibt. Nein – kein Glanz, Gloria und Glimmer – dass würde aktuell zu dem Stil des Autors absolut nicht passen.
Fazit
„1793“ ist ein historische „Sin City“. Ein verzweifeltes Stockholm mit verzweifelten Ermittlern lässt keine weitern Zweifel zu. „1793“ ist anders – aber ein hochspannender Pageturner der beeindruckt und fasziniert. Absolute Leseempfehlung.
Michael Sterzik


Sonntag, 19. Mai 2019

Drosselbrut - Andreas Gößling


True Crime“ hat sich in kurzer Zeit im Genre Thriller fest etabliert. Der Blick in menschliche Abgründe fasziniert die Leser, die das Grauen aus ihrer Komfortzone mit einem Schaudern verfolgen.

Der Autor Andreas Gößling, der schon mit „Wolfswut“ und in Zusammenarbeit mit dem Rechtsmediziner Prof. Michael Tsokos eine erfolgreiche Trilogie verfasste, setzt nur mit „Drosselbrut“ einen weiteren Meilenstein im Genre „True Crime“.
„Drosselbrut“ basiert auf der Kriminalgeschichte und der Person des belgischen Mörders und Sexualstraftäter Marc Dutroux. In den 90er Jahren war Marc Dutroux ein mörderischer Straftäter, der zusammen mit Komplizen und seiner Ehefrau beispiellos grausame Verbrechen an Kindern verübte. Psychologen stuften den Täter nicht als Pädophilen ein, sondern als geltungssüchtigen, geldgierigen und gewalttätigen Psychopathen. Auch wenn Marc Dutroux in mehreren Fällen überführt wurde, es war noch lange nicht zu Ende. Es gab eine ganze Reihe von Ermittlungspannen, dass zur Folge hatte, dass einige hochrangige Politiker und Kriminalbeamte von ihren Ämtern zurücktraten. Der Prozess der 2004 begann entwickelte sich zu einer Farce.

Marc Dutroux bekräftige vor Gericht immer wieder, dass er die Entführungen von Kindern auf Befehl eines Netzwerkes von hochrangigen Persönlichkeiten durchgeführt hätte. War Marc Dutroux nur ein „Bauernopfer“? Interessant allerdings und diese Fakten gehören leider nicht ins Land der Fabeln und Legenden, dass 27 Personen – Zeugen, Journalisten, Kriminalbeamten, Staatsanwälte während des Prozesses ums Leben gekommen sind. Unfälle, Selbstmorde, plötzliche Tode….alles nur Zufall – oder gibt es wirklich eine Schattengesellschaft in Europa, die Menschenhandel betreibt und zu ihren Vergnügen Kinder und Jugendliche entführen, foltern und töten lässt? Belgien taumelt unter diesem dramatischen und für die Hinterbliebenen Eltern und Angehörigen Ereignissen. Pannen, Vertuschungen – es gab niemals Lösegeldforderungen der Entführer. Alles nur ein Zufall? Wenn es einflussreiche Hintermänner gab, oder noch gibt, wer sind diese?

Andreas Gößling adaptiert die wahre Geschichte des Mörders Marc Dutroux und lässt seine Handlung in „Drosselbrut“ im jetzigen Berlin spielen. Wie in den ersten Band „Wolfswut“ spielen die beiden Kommissare Kira Hallstein und Max Lohmeyer die Hauptrolle in diesem wuchtigen Thriller.

Der Autor lässt das Grauen sehr konsequent und kompromisslos wirken. Weniger durch brutal geschilderte Szenen, sondern das Grauen offenbart sich, durch die Erkenntnis – dass es diese „Fürsten der Finsternis“ wirklich gibt. Diese Erkenntnis löst in Kira Hallstein panikartige Attacken aus. Sie sieht überall ein Netzwerk der Bruderschaft. Sie vermutet, dass selbst ihre Chefs kompromittiert sind, ggf. Mitglieder dieses menschenverachtendes Netzwerkes sind. Ihr Kollege Max Lohmeyer, übernimmt den besonnenen, analytischen Part der Ermittlungen. Allerdings keinesfalls handelt dieser Emotionslos.

Andreas Gößling erzählt diese emotionsreichen Ermittlungen nicht nur hochspannend, sondern auch nachhaltig informativ. „Drosselbrut“ entwickelt sich zu einer Eskalationsspirale, die alles mit sich reißt – auch die Ermittler kommen an ihre physischen und psychischen Grenzen.

Interessant ist es, wenn der Leser nach dem Buch selbst beginnt zu recherchieren. Die Handlungen, bzw. der Grundgedanke des Autors, dass es eine Schattengesellschaft geben muss – sind erschreckend und ganz und gar nicht als abwegig anzusehen. Befasst man sich mit dem Kriminalfall „Marc Dutroux“ kommt man schnell zu der Erkenntnis, in welche menschlichen Abgründe sich Andreas Gößling als Autor dieser Reihe bewegen musste. Eine höllische Perspektive, etwas von Dantes Inferno….das Böse unter der Sonne, im Schatten der Mächtigen, die alles und jeden töten, oder manipulieren, der sich ihnen gefährlich nähert!?

„Drosselbrut“ ist brisant – eine Thematik die uns vor Augen führt, dass es „Fürsten der Finsternis“ wirklich gibt. „Drosselbrut“ ist ein Stück weit ernüchternd – gerade weil man diesen Roman nicht einfach weglegen und sich sagen kann: „Tolle Unterhaltung“. „True Crime“ – ist ein Genre, bei dem man sich bewusst auf eine dunkle Reise begibt.
Die Charakterzeichnung ist insgesamt gut – die Person der Kira Hallstein allerdings etwas überzeichnet. Sie ist zwar ein Ermittlungstalent, aber eine wirkliche Nervensäge und selbst kompromittiert – sodass sie als Ermittlerin eigentlich völlig fehl am Platze ist.
Die Storyline teilt sich in verschiedenen Ebenen, bzw. in Kriminalfällen auf. Primär allerdings geht es um die Adaption des Kriminalfalls „Dutroux“.

Fazit

„Drosselbrut“ von Andreas Gößling ist ein dramatischer Blich in die Abgründe der Finsternis. Harte Handlungen, die nachhaltige Emotionen hervorrufen, und es ermöglichen eine Perspektive einzunehmen, die man eigentlich gar nicht wahrhaben möchte.
Hochspannender Thriller – Hart – konsequent – nachhaltig und brillant.

Michael Sterzik

Sonntag, 12. Mai 2019

Die Perlenfischerin - Sabine Weiß


Die einfachen Menschen, die Bauern, die in kleinen Dörfern und Städten im Mittelalter lebten, waren grundsätzlich der Willkür und der Gewalt der Grafen, Barone und Herzöge ausgeliefert. Nicht weil sie auf Konfrontationskurs aus waren, sondern ihr Land und ihre Region durch interne Machtkämpfe des Adels oftmals nicht nur einmal vernichtet wurden. Menschenleben waren nicht viel wert in dieser Epoche. Manchmal wurden ganze Landstriche entvölkert, ein Genozid der mit Akzeptanz des Adels, und sogar manchmal der Kirche durchgeführt wurde.

Im Ostseeraum – Lübeck, Lüneburg, Hamburg usw. lebten nicht nur Christen, sondern auch viele Slawen und andere Volksstämme, die den angenagelten Gott, wenn nur unter Zwang akzeptierten.

Die Autorin Sabine Weiß, die gerade mit den beiden Titeln: „Die Hansetochter“ und „Die Feinde der Hansetochter“ im historischen Genre auf höchstem Niveau begeistern konnte, hat nun im Verlag Lübbe einen neuen historischen Roman veröffentlicht – „Die Perlenfischerin“.

Schauplatz dieses Romans, ist das anfänglich bescheidene Bardowick, einem kleinen Dorf in der Nähe von Lüneburg. Heinrich der Löwe vernichtet diese Stadt, da ihre Einwohner sich gegen ihn auflehnten. Der Löwe zeigte seine grausamen Krallen und nach dem Angriff flüchteten viele Bewohner nach Lübeck, oder Lüneburg.

Norddeutschland, an der Wende zum 13. Jh.: Bei der Zerstörung der alten Handelsstadt Bardowick wird die kleine Ida vom Rest ihrer Familie getrennt. Fortan wächst sie bei einer Einsiedlerin am Ufer des Flusses Ilmenau auf. In der Natur findet Ida Trost, und sie entwickelt ein Talent dafür, kostbare Perlmuscheln zu finden. Als sie Jahre später mehr über ihre wahre Herkunft erfährt, macht Ida sich gemeinsam mit ihrer Jugendliebe, dem Slawen Esko, auf die gefahrvolle Suche nach ihrer Familie. Ihr erstes Ziel: das noch junge Lübeck ...(Verlagsinfo)

Noch immer gibt es im historischen Genre eine fast inflationäre Dichte von Frauenschicksalen – so gesehen, in vielerlei Branchen, oder Berufsbezeichnungen, Huren, Apothekerin, Bogenschützin, Schmiedin, Ärztin, usw. es geht hier noch viel weiter. Dem Buchmarkt verlangt es nach unrealistischen Frauenschicksalen in der sich die Leserin, oder der Leser zu flüchten versuchen. Starke Frauen, die ihren Mann stehen – andere Berufe, gleiche Schicksale, gleiche Liebesgeschichten, gleiche Handlung. Ein Klischee, dass sich leider immer wieder selbst neu klont.

Doch es gibt qualitative Unterschiede bei den Autorinnen. Sabine Weiß hat schon längst bewiesen, dass Sie die Ausnahme der Regel ist – eine sehr, sehr gute.
Zwar ist der Grundtenor in „Die Perlenfischerin“ gleich – aber Sabine Weiß entwirft eine authentische Atmosphäre und realistische Szenarien, die überzeugen. Als Kritikpunkt muss man allerdings sagen, dass sich die Autorin im Segment der Liebeleien einreiht. Die Laufbahn in Liebesdingen, in Abhängigkeiten, Schicksalsschlägen, Beziehungen der Hauptperson Ida, unterscheidet sich nicht von anderen Storys.

Das Gleichgewicht stimmt allerdings. Sabine Weiß lässt es nicht zu, dass sich ihre Geschichte formvollendet einreiht – zwischen Dramatik und Liebe, gibt es noch politische Strömungen und Interessen, die hier ebenfalls einen großen Platz einnehmen und zeigen, dass beide Welten miteinander in Kombination überleben können – die dramatische Liebe und die historischen Momente.

„Die Perlenfischerin“ ist ein spannender und atmosphärisch konsequenter Roman. Lassen wir mal den Realismus außen vor – die „Geschichte“ passt. Viel Bezug nimmt die Autorin auf die Rolle und Stand der Frau im Mittelalter. Die Rolle der Frau gleicht einem Drehbuch – egal ob sie nun als einfache Frau in der Landwirtschaft, oder im Handwerk lebt, oder als Frau im Adelsstand – die Grenzen sind abgesteckt. Es gab nur wenige, die einen „Ausbruch“ schafften und sich standesgemäß sozial selbst, zu ihrer Zufriedenheit ausgrenzten.

Sabine Weiß erzählt von Perlenfischen, vom Einfluss auf die Natur, vom Geben und Nehmen im Einklang. Eine feine sensible, aber nachhaltige Möglichkeit dieses Thema anzugehen.

„Die Perlenfischerin“ hätte auch, „Die Perlenstickerin“ heißen können? Das Handwerk kommt hier auch nicht zu kurz, wenn wir schon von Berufen sprechen müssen. Etwas schmunzeln muss ich ja beim Lesen, denn der Titel steht auch in dem Licht: „Flüchten“ und „Gerettet werden“ das gleich mehrmals – andere Personen – aber immer flüchtet man um später gerettet werden zu können. Auch eine Möglichkeit der zwischenmenschlichen Beziehung.

Der Roman ist spannend, wenn auch die Liebesgeschichten, manchmal zu viel Raum einnehmen. Es gibt auch kriegerische Auseinandersetzungen, und diese werden sehr bildgewaltig geschildert und sind hoch spannend. Die Autorin erzählt kompromisslos vom Leben und Sterben auf dem Schlachtfeld. Leider viel zu wenig – hier braucht sie sich zukünftig nicht verstecken und könnte damit ihre Zielgruppe erweitern.

Fazit

„Die Perlenfischerin“ ist eine kleine Perle unter den Frauenschicksalen im Genre „Historischer Roman“. Sabine Weiß geht damit ihren individuellen Weg – selbstbewusst und Stilsicher.

Sprache, Ausdruck und Form sind toll. Charaktere sind oftmals pauschalisiert. Das Leben, soziale Strukturen, der Alltag unter einfachen Menschen und des Adels sind brillant in Szene gesetzt.

Bitte schreiben Sie weiter „Historische Romane“ die sich im Zeichen der Hanse zeigen. Das ist ihre ganz, ganz große Stärke.
Prädikat: Das Mittelalter lebt – hervorragend und absolut empfehlungswert.

Michael Sterzik