Montag, 14. Februar 2022

Future - Die Zukunft gehört Dir - von Dan Frey


Was bringt uns die Zukunft? Was wird morgen sein, oder übermorgen, nächste Woche, oder in den nächsten Monaten!? Das sind alle Fragen, die wir uns eher mehr, wie weniger ständig fragen, oder! Die Antworten kennen wir nicht – zum Glück, oder würden wir versuchen, die Zukunft zu unseren Gunsten verändern zu wollen? Der Blick in die Zukunft aus technischer, philosophischer, oder moralischen Perspektive ist (noch) nicht möglich. Physikalische Gesetze – das Wissen um das Raum-Zeit-Gefüge, die Ansätze der Quantenmechanik – all das schränkt uns ein, die Landkarten der Zeit zu entdecken und zu bereisen  !?

Das unentdeckte Land – Die Zukunft ist sicherlich komplexer als wir es uns mit unserem Verständnis und unserer Intelligenz vorstellen können. Jede Handlung, oder auch das Verweigern, entwickelt Wellen, die wir weder aufhalten noch manipulieren können. Ist damit unser Schicksal schon festgeschrieben und wir haben nicht die Möglichkeit auszubrechen und gemäß einem freien Willen zu handeln? Nun betreten wir die Landkarte der Philosophie und würden uns durch Jahrhundertealte Diskussionen, ohne ein plausibles und zufriedenstellendes Ende bewegen.

Und technisch gesehen? Die Quantenmechanik steckt noch in den Kindergartenschuhen und unser Verständnis für dieses Thema gleich mit. Ist unser Geist reif, das Universum mit Raum und Zeit gänzlich zu verstehen!?

Der amerikanische Drehbuchautor Dan Frey vermengt wissenschaftliche,  technische und philosophische Ansatzpunkte in seinen neuesten Roman: „Future – Die Zukunft gehört Dir“.

Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen könnten, würden Sie es tun? Für Ben Boyce und Adhi Chaudry lautet die Antwort auf diese Frage eindeutig Ja. Sie gründen ein Start-up, um ihren Quantencomputer zu vermarkten, der auf das Internet, wie es in einem Jahr sein wird, zugreifen kann. Das ist super, wenn man wissen will, wen man daten wird, und lukrativ, wenn man sein Geld in Aktien anlegen will. Schnell finden sie Kunden, die große Summen in diese digitale Kristallkugel investieren. Ben und Adhi glauben sich auf dem Gipfel des Erfolges, doch dann bemerken sie, dass die Zukunft nicht ganz so rosig ist, wie es scheint. Etwas wird passieren, das das Internet – und möglicherweise die Menschheit selbst – vernichtet. Und nur Ben und Adhi sind in der Lage, die Katastrophe zu verhindern (Verlagsinfo)


Der Stil des Romans ist origineller und sicherlich schneller dargestellt, als wir es ggf. erwarten. Die Dialoge sind eine Aneinanderreihung von Email- und Textnachrichten, von Blogeinträgen, Kommentaren und Mitschnitten einer Kongressanhörung. Diese Art der Kommunikation entwickelt ein hohes Tempo und lässt keine Nebengeschichten zu. Der Roman ist auch nicht der klassischen Science-Fiction zuzuordnen. Vielmehr befasst sich die Story mit philosophischen Fragestellungen, die uns nachdenken lassen, aber schlussendlich wenig aussagefähig sind. Die Gefahr, dass wir die Zukunft beeinflussen wollen, aber es ggf. nicht können – ist für mich der Dreh- und Angelpunkt – und weckt die alles umfassende Frage: „Haben wir einen eigenen Willen? Und wenn nicht – welch größere Macht lenkt und steuert und beeinflusst uns? Hängen wir alle an den unsichtbaren Ketten eines, oder mehrere Universen und sind Marionetten in einem kosmischen Drama? 

Was ebenfalls vom Autor beschrieben wird, ist die Beziehung der beiden Hauptfiguren. Ist es eine Freundschaft, oder eine gewagte Koexistenz, die nur ein Mittel zum Zweck ist? Daraus wird man nicht ganz schlau. Vielleicht ist es und gehört es ggf. auch zur Strategie des Autors uns in heftigen: Was wäre wenn? – Spekulationen zu treiben!?  Neben der Freundschaft gibt es dann auch die treibende Kraft des Ruhms, des Geldes und des Profits – die natürlich auch Klippen darstellen, an der eine Freundschaft, oder was auch immer man es bezeichnen möchte – zerschellen kann.

„Future – Die Zukunft gehört Dir – ist mit Sicherheit auch ein provokanter Roman, der uns dazu animiert über den Rand unseres eigenen, persönlichen Universums zu blicken. Die Verantwortung trägt man also nicht nur für sich selbst – denn jede Entscheidung eröffnet eine Gleichung mit einer Schnittmenge von vielen unbekannten Faktoren, die die Grenzen unserer Mathematik und unser Wissen von Raum und Zeit auf die Probe stellen.

Unterhaltsam ist der vorliegende Roman allemal. Das Wort „Spannung“ verwende ich nicht, da es sich hier um keine klassische Story handelt.

Fazit

Ein Zukunftsroman, der uns mit einer gegenwärtigen Botschaft daran erinnert, darüber nachzudenken – dass wir die Vergangenheit nicht mehr verändern können, aber die Gegenwart zu beeinflussen, um die Zukunft zu gestalten.

Kein Roman für zwischendurch – dafür geht er, wenn man es denn zulässt, philosophisch zu tief.

Michael Sterzik

 

Samstag, 12. Februar 2022

Natrium Chlorid von Jussi Adler Olsen


Das Sonderdezernat Q mit Carl Mørck und Assad bewegt sich nun in seinen neunten, spannenden Kriminalfall. Die Reihe des dänischen Bestsellerautors Jussi Adler Olsen ist ein Spannungsgarant in dem Genre Krimi. Schon längst hat die erfolgreiche Reihe, die sich mit alten Cold Case Fällen beschäftigt, einen gewissen Kultstatus erarbeitet. Selbst die filmische Umsetzung ist bestens gelungen, was nicht selbstverständlich ist. Literatur und Film überzeugen absolut über ihre vielseitigen, und geheimnisvollen und manchmal schrulligen Protagonisten. Das nordische Ensemble ist mit den letzten Titeln gewachsen, und die Figuren reihen sich mühelos in Story und Beziehungsebenen ein.

Der Begriff „Natrium Chlorid“ steht schlicht und ergreifend für „Kochsalz“. In der Story begegnen den Ermittlern auch an vergangenen und gegenwärtigen Tatorten diese Substanzen und schnell wird es klar, dass hier eine gewisse Symbolik eine wegweisende Bedeutung spielt. Das „Salz“ in dieser Tatortsuppe führt das Team zu einem Serienmörder, der schon seit Jahrzehnten effektiv mordet.

An ihrem 60. Geburtstag begeht eine Frau Selbstmord. Ihr Tod führt zur Wiederaufnahme eines ungeklärten Falls aus dem Jahr 1988, der Marcus Jacobsen mit seinem besten Ermittler Carl Mørck zusammengeführt hat. Carl, Assad, Rose und Gordon ahnen nicht, dass der Fall das Sonderdezernat Q an die Grenzen bringt: Seit drei Jahrzehnten fallen Menschen einem gerissenen Killer zum Opfer, der tötet, ohne dass ihm ein Mord nachgewiesen werden kann. Er wählt Opfer und Todeszeitpunkt mit Bedacht und Präzision. Dreißig Jahre lang konnte niemand ihn stoppen. Und während die Corona-Maßnahmen die Ermittlungsarbeiten zusätzlich erschweren, bewegt der alte Fall sich auf Carl zu wie eine Giftschlange, die Witterung mit ihrer Beute aufgenommen hat …(Verlagsinfo)

Der Mörder präsentiert sich recht schnell in dem vorliegenden Band. Und seine Erzählperspektive ist im Vergleich zu den weiteren erzählenden Personen recht stark ausgeprägt. Die Handlung orientiert sich an einer gewissen Aktualität und damit ist „Corona“ auch hier in dieser Story angekommen. Und das auch nicht gerade wenig. Das Corona auch Polizeibeamten in ihren Dienst, ihn ihren Ermittlungen bremst, ist logisch, doch ich empfand diese Erklärungen und Anspielungen als zu präsent. Es nervte denn letztlich doch sehr und brachte inhaltlich die Story auch überhaupt nicht weiter.

Auch vergangene Situationen und Erlebnisse holen die Beamten des Sonderdezernats Q ein. Assad, der jetzt seine traumatisierte Familie in Dänemark hat, kämpft mit den Mühlsteinen der Bürokratie. Gegen Carl Mørck wird intern ermittelt. Damit sind die Nebengeschichten gesetzt und führen das Team am Ende an einen gewissen Scheideweg, der zwar nicht überrascht, von dem aber die Zukunft dieser Ermittlungseinheit und seinen Personen abhängen wird.

„Natrium Chlorid“ von Jussi Adler Olsen ist ein spannender Roman und vielleicht auch der einzige ohne wirkliches Tempolimit, denn die Ereignisse überschlagen sich.

Eine Tradition setzt sich souverän fort – die Running Gags von Assads „Versprechern“ lassen einen schmunzeln. Was leider etwas untergeht, ist die erzählerische Perspektive von Carl Mørck, auch seine Gedankenmodelle waren immer in den letzten Bänden dieser großartigen Reihe originell.

Originell verwendet Jussi Adler Olsen allerdings aktuelle medialen Themen. Ethik, Moral, Verantwortung, die Schnelllebigkeit und Brisanz von Einschaltquoten, Auflagen usw. Die Popularität hat Ihre Grenzen und tobt sich auch gerne an schwächeren Personen unserer demokratischen Gesellschaft aus. Hier entstehen irreparable Schäden, aber lesen sie am besten selbst.

Die Brücke zur Vergangenheit – zu dem ersten Band ist ausschlaggebend und nicht undramatisch. Aber die Quadratur des Kreises ist noch abgeschlossen und Carl Mørck wird im nächsten Band wohl seinen persönlichsten Cold Case-Fall erleben.

Assad, Rose und Gordon tendieren zwischen Neben- und Hauptfiguren, aber die beiden erstgenannten bekommen nicht ihre alte, bekannte Bühne zurück. Schade.

Fazit

Schnelle Story, dramatische Entwicklungen und ein Ende, dass einen zwingt, den nächsten Roman dieser hervorragenden Reihe lesen zu müssen. Es fehlt ein wenig die Ausgewogenheit – aber noch ist alles im positiven Rahmen.Damit empfehle ich diesen Roman „Natrium Chlorid“ gerne weiter.

Michael Sterzik

 

Dienstag, 1. Februar 2022

Das Chalet - Ruth Ware


Mord im Orient-Express“ von Agatha Christie dürfte von allen Freunden der Literatur vertraut sein. Und wenn man diesen nicht gelesen hat, dann hat man ihn mit einer hohen Wahrscheinlichkeit im Fernsehen, oder im Kino gesehen. Das Setting eines Mordes auf einem „begrenzten“ regionalen Gebiet und eine lockere, zahlenmäßig überschaubare Anhäufung von denkbaren Tätern – dürfe auch schon vertraut sein.

Jeder kann der Mörder sein, oder womöglich ein enger Komplize. Jedenfalls ist die Atmosphäre sowieso schon angespannt, denn wer ist ggf. das nächste Opfer. Die Frage nach einem vermeintlichen Motiv ist erstmal ganz nach hinten gestellt. Die Angst geht um und schleicht sich in die Köpfe der „Überlebenden“. Wen kann man vertrauen? Wer hat etwas zu verbergen? Diese Spannungsmomente reihen sich dann auf wie auf einer unstabilen Kette. Die Spannung und eine gewisse Verängstigung dürften fast schon greifbar sein – sind sie aber nicht. Das „Böse“ treibt ein morbides, psychologisches Versteckspiel.

Die britische Autorin Ruth Ware verwendet genau diese Storyline für ihren neuesten Roman: „Das Chalet“. Wie ihre begnadete Autorenkollegin Agatha Christie orientiert sie sich an eben genau diesem Setting. Es ist allerdings kein fahrender Orient Express, sondern ein Hotel in den französischen Alpen, dass aufgrund einer vernichtenden Lawine, von der Außenwelt förmlich abgeschnitten und nun eingeschneit ist. 10 junge Menschen eines IT-StartUp Unternehmens wollen hier über die Vergangenheit und eine vielversprechende Zukunft diskutierten. Angestellte und Firmeninhaber mit entsprechenden Anteilen bilden allerdings auch unterschiedliche Interessengruppen, schließlich gibt es lukratives Übernahmeangebot, das millionenschwer ist.

Ein Luxus-Chalet in den französischen Alpen mitten im tiefsten Winter. Die Mitarbeiter eines erfolgreichen Social-Media-Start-ups haben sich hier eingemietet, um über das Übernahmeangebot eines großen Unternehmens zu diskutieren. Die Stimmung ist angespannt. Alle hier haben etwas zu verlieren. Und manche viel zu gewinnen. Dann beginnt das Grauen: Ein Mitglied der Gruppe nach dem anderen wird ermordet oder verschwindet. Nach einem Lawinenabgang ist das Chalet von der Außenwelt abgeschnitten, es gibt keinen Handyempfang. Der Killer muss einer der Gäste sein…(Verlagsinfo)

Der Thriller ist wenig originell, schließlich dürfte man etwas Ähnliches schon gelesen, oder gesehen haben. Spannend ist „Das Chalet“ – aber auch nur ausreichend, denn wer der Mörder ist, stellt sich recht schnell heraus. Selbst die psychologische Anspannung, eine Atmosphäre der unfassbaren Angst unter den Figuren stellt sich nicht ein. Zu ruhig, manchmal fast schon teilnahmslos, in einer Erwartungshaltung verharrend und paralysiert, passiert hier zu wenig. Die Beziehungsebenen sind auch nicht umfassend aufgeklärt und letztlich überschlagen sich die Ereignisse und fokussieren sich auf zwei Teilnehmer. Ein psychologisches Duell auf Augenhöhe, dessen Verlauf und Ende leider nicht überrascht. Die Dialoge sind auch nicht ausführlich und der Story angemessen und tiefer gehender erzählt.

Auseinandersetzungen, zu wenig Perspektivwechsel. Denn genau das wäre für die Story mehr wie dienlich gewesen. Eine anschauliche und in die Tiefe gehende Interpretation der Figuren gibt es auch nicht. Interessant allerdings ist die Technologie, die Idee dieses jungen Unternehmens. Das ist auch der einzige bleibende und nachhaltige Gedanke, wenn man das „Das Chalet“ beendet hat.

Das Motiv ist etwas wild konstruiert – das Ende durchaus vorhersehbar und in sich auch nicht befriedigend, da man als Leser nicht weiß, was wird aus diesen Charakteren denn nun werden. Fassen wir also zusammen, das Tempo ist zu hoch, die Beziehungsebenen nicht ausgearbeitet, die Story vorhersehbar, die Figuren damit oberflächlich.

Fazit

„Das Chalet“ konnte mich nicht beeindrucken, oder überzeugen. Die Spannung wurde wie von einer Lawine begraben, die Figuren sind dabei wohl erstickt. Wenig unterhaltsam und man auch nicht nichts verpasst, wenn man diesen Thriller nicht gelesen hat.

Michael Sterzik

 

 

Samstag, 29. Januar 2022

Never - Die letzte Entscheidung - von Ken Follett


Die atomare Bedrohung und Abschreckung funktioniert (noch). Die Großmächte, allen voran die USA, Russland und China verfügen über ein Arsenal von Atomwaffen, die unsere Welt, gleich mehrfach in die Apokalypse bomben kann.

Wir haben dieses Damoklesschwert einer atomaren Vernichtung in den letzten Jahren verdrängt. Zu viele kleinere und größere Kriege, Terroranschläge, Naturkatastrophen usw. haben uns fast schon vergessen lassen, dass wir per „Knopfdruck“ unseren blauen Planeten in eine nuklear verseuchte Wüstenlandschaft verwandeln könnten. Müssen wir uns, wenn wir die aktuellen politischen und militärischen Entwicklungen beobachten, Sorgen machen? Die Antwort ist ein schnelles, konkretes und kompromissloses Ja. Eine Abrüstung dieser Vernichtungswaffen ist zurzeit indiskutabel. Die Militäretats jeglicher Länder wurden aufgestockt. Es ist noch keine Mobilmachung, aber wir stehen kurz davor.

Ken Folletts neuer Titel – „Never – Die letzte Entscheidung“ ist ein Gegenwartsroman mit einem großen Schreckenspotenzial. Es ist auch definitiv keine Panikmache oder eine überspitzte fiktive Story. Der Roman ist faktisch, authentisch, schlüssig, eine Aneinanderreihung von menschlichen Fehlentscheidungen, und des Versagens. Ein „Wargames“ um Macht und Einfluss. Ken Follett zeigt uns, dass die Staatsoberhäupter der Großmächte in diesem Fall die USA und China in eine Eskalationsspirale getrieben werden, die gleich dem Motto Angriff ist die beste Verteidigung reagieren.

In der Sahara folgen westliche Geheimdienstagenten der Spur mächtiger Drogenschmuggler. Die Amerikanerin Tamara und ihr französischer Kollege Tab gehören zu ihnen. Für ihre Liebe riskieren sie ihre Karriere – und im Einsatz für ihr Land ihr Leben. Nicht weit entfernt macht sich die junge Witwe Kiah mit Hilfe von Schleusern auf den Weg nach Europa. Als sie sich gegen Übergriffe verteidigen muss, hilft ihr ein Mitreisender. Doch er scheint nicht zu sein, was er vorgibt.

In China kämpft der hohe Regierungsbeamte Chang Kai gegen die kommunistischen Hardliner. Er hat ehrgeizige Pläne, und er befürchtet, dass die Kriegstreiberei seiner Widersacher das Land und dessen Verbündeten Nordkorea auf einen Weg leitet, der keine Umkehr zulässt.

In den USA führt Pauline Green, die erste Präsidentin des Landes, ihre Amtsgeschäfte souverän und bedacht. Sie wird alles tun, was in ihrer Macht steht, um zu verhindern, dass die USA in einen unnötigen Krieg eintreten müssen. Doch wenn ein aggressiver Akt zum nächsten führt, wenn alle diplomatischen Mittel ausgereizt sind, die letzte Entscheidung gefallen ist – wer kann dann noch das Unvermeidliche verhindern? (Verlagsinfo)

Alles oder nichts !? Das Tempo des Romans ist gedrosselt, die kleineren und größeres Krisenherde in Nord- und Südkorea, im Tschad in Afrika deuten zwar darauf hin, dass die Zündschnur brennt, aber noch kann man das Schreckgespenst eines dritten Weltkrieges, eines Atomkrieges bannen. Wenn wir diese Entwicklung später betrachten, verstehen wir auch besser, warum sich der Autor vom Ersten Weltkrieg inspirieren hat lassen. Die Parallelen sind deutlich – niemand will einen Weltkrieg, aber Schritt für Schritt und Stück für Stück rutschen wir in eine Katastrophe.

„Never – Die letzte Entscheidung“ ist geschickt konstruiert und orientiert sich tatsächlich an der Gegenwart. Eine Präsidentin der USA, die innenpolitisch unter enormen Druck steht. Das kommunistische China - der politische Kampf zwischen älteren, erzkonservativen Nationalisten und Modernisierern, die mit Vernunft und Verantwortung sich alten Dogmen und Fahrgefühlen entgegenstellen. Terrorzellen im Tschad, die von Spionen ausfindig gemacht werden und dabei immerwährend in Todesgefahr sind. Jede Geschichte ist für sich spannend und außerordentlich komplex.

Der Roman ist für Ken Follett kein typischer. Jede Figur ist nicht nur realistisch interpretiert, ist weder besonders heroisch, oder handelt aus edlen Gründen. Es sind Menschen, die in Tragödien geschubst werden, die zu Entscheidungen gedrängt werden, dass unter einen auffallenden Zeitdruck.

Das Buch ist mit knapp 880 Seiten ein großes Werk. Bei aller spannenden Brisanz der Haupthandlungen sind die Nebengeschichten allerdings recht fehl am Platze. Das Privatleben einzelner Personen, die pubertäre Entwicklung der Präsidententochter, die Eheprobleme, oder dem Erfolgsdruck einer charmanten chinesischen Schauspielerin spielen auf dieser Bühne – in der die Vernichtung der Menschheit auf dem Spiel steht, keine Rolle. Ja klar, diese Nebengeschichten dienen dazu, den Leser nach spannenden Ereignissen wieder etwas zu „erden“ – aber letztlich sind diese deplatziert.

Die klassische Rollenverteilung gibt es in diesem Roman auch nicht. Eine Präsidentin der USA, eine CIA-Agentin, die erfolgreich ist, eine junge Afrikanerin, die von einem Leben in Europa träumt – allesamt starke Figuren, auch die der männlichen in nichts nachstehen.

Besonders gut gelungen ist das politische Katz-und-Maus-Spiel. Das Abwägen von politischen Entscheidungen, von Verantwortungen, von Reaktionen auf tägliche neue Entwicklungen sind nicht nur spannend, sondern auch spektakulär erschreckend dargestellt.

Am Ende schließt man das Buch und hält den Atem an. Der Tanz auf dem Vulkan, das Ende der Menschheit – rückt gedanklich viel näher als man lieb ist. Das Schreckgespenst ist nun weniger ein Albtraum – es ist ein vorherrschendes Thema.

Fazit

Never – Die letzte Entscheidung – ist zweifellos eines der wichtigsten Bücher in diesem Jahr. Eine Botschaft – eine Mahnung und eine Atmosphäre, die unsere Emotionen erschreckend gut explodieren lassen.

Bitte lesen Sie diesem Roman. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Weltuntergangsuhr wenige Sekunden vor 12 Uhr steht.

Michael Sterzik

 

Samstag, 22. Januar 2022

Die Bosheit - Mattias Edvardsson


Die lieben Nachbarn – diese können bestenfalls Freunde sein, schlimmstenfalls ein hartnäckiger, boshafter Feind, der das Leben mitunter zu einer ganz privaten Hölle umgestalten kann. Dem Grad der Feindschaft sind hier keine Grenzen gesetzt.

Sieht man das diese Situationen nun mit einer positiven, oder negativen Perspektive, so ist das soziale Gefüge, eine schmale Spur in einem emotionalen Minenfeld. Wörter können zu Waffen werden, Zäune zu Grenzen, Grundstücke mutieren zu Befestigungsanlagen. Aber es muss ja auch nicht immer zu einer negativen Krise werden. Oberflächlichkeit hin und her – dass private Leben des anderen ist nur eine Momentaufnahme, die man so, oder so interpretieren kann.

Der schwedische Autor Matthias Edvardsson hat schon den Grusel, oder das „Böse“ in seinen vorherigen Romanen Alltags-getreu verarbeitet. Die Banalität des abgrundtiefen Bösen versteckt sich gerne hinter einer lockeren Maskerade, die man zwar wahrnimmt, aber nicht wahrnehmen möchte, oder sie einfach übersieht.

Mikael ist mit seiner Familie in ein kleines Nest in Südschweden gezogen, wo er einen Neuanfang wagen will. Die Nachbarn sind ausgesprochen reizend, doch die heile Vorstadtidylle trügt: Jeder verbirgt dunkle Geheimnisse, heimliche Sehnsüchte und sogar kriminelle Schandtaten. Dann ereignet sich ein schrecklicher Unfall. Mikaels Frau wird von einem Auto angefahren und ringt mit dem Tod. Sein Verdacht erhärtet sich: Es war kein Unglück, sondern eine vorsätzliche Tat. Doch welcher Nachbar will Mikaels Frau tot sehen – und welches Geheimnis hütet er selbst? (Verlagsinfo)

Der Autor versteht sein schriftstellerisches Handwerk und verarbeitet diese Themen souverän. Der vorliegende Roman „Die Bosheit“ spielt in einer eng strukturierten Nachbarschaft statt. Die Bühne also klein und überschaubar, das Ensemble gut ausgewählt und ebenfalls im kleineren Rahmen.

Der Roman unterhält durch seine Charaktere. Die Story ist hier so schmal und irgendwie auch nur nebensächlich. Für einen Thriller reicht es nicht, ein Krimi ist „Die Bosheit“ auch nicht. Was dann? Eher ein überzeichnetes Drama in mehreren Akten. Eine Spannung entsteht nicht unbedingt – dass besondere ist bei der Einordnung der Figuren, dass niemand wirklich „unschuldig“ ist. Jeder Protagonist hat so die eine oder andere Fehlfunktion seines moralischen Kompasses. Gerechtigkeit und der eigene Blickwinkel, den der Autor hier beschreibt, sind allerdings sehr schleppend. Viele Nebengeschichten von jeder einzelnen Figur sollen dem Charakter eine gewisse Tiefe verleihen – aber zielführend sind diese zu keinem Zeitpunkt. Die Beziehungsebenen sind authentisch und realistisch und hier wird auch jedes klassische Klischee bedient, dass einem einfällt, wenn man eine „Nachbarschaft“ beschreiben möchte. D

Manchmal wirkt die Story unstrukturiert, überladen und übertrieben. Eine besondere Sympathie, oder überhaupt Mitgefühle entwickelt man hier auch nicht. Ich sprach vorhin von Drama – auch das ist misslungen und ist nur oberflächlich. Es ist insgesamt nicht spannend genug. Die Story fängt einen nicht ein, und selbst die Lösung ist am Ende doch allzu offensichtlich, denn viele Alternativen gibt es schlussendlich auch nicht.

Dabei ist der Stil des Autors sehr gut. Ausdrucksstark, wortgewandt, doch atmosphärisch muss hier noch viel passieren.

 

Fazit

Phasenweise unterhaltsam. Viele inhaltlichen Schwächen. Wenig Struktur im Aufbau. Eine Kurzgeschichte des Themas wäre einprägsamer gewesen

Michael Sterzik 

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Montag, 17. Januar 2022

Gefrorenes Herz - Line Holm und Stine Bolter


Spendenskandale – Missbrauchsskandale – Finanzskandale – und ja diese gibt es auch auf der „Guten“ Seite der Hilfsorganisationen. Malteser, Johanniter, Rotes Kreuz – auf nationaler, wie auch internationaler gibt es hier einiges an Unstimmigkeiten, die ggf. auch verbrecherisch zu nennen sind.

Auch in Dänemark gab es verschiedene Skandale um diese Hilfsorganisation, deren humanitäre Botschaften man ggf. arg bezweifeln könnte. Der vorliegende Kriminalroman – „Gefrorenes Herz“ nimmt sich u.a. diesem Thema an und verarbeitet es sehr spannend.

Die beiden Autorinnen kombinieren also historische Themen mit einem aktuellen Mordfall. Das bringt dann auch „alt“ und „jung“ auf der personellen Seite zusammen. Die Polizeihistorikerin, die von Colt-Case-Fällen absolut fasziniert ist und ein neues Ermittlerduo, dass sich erst noch finden muss. Die Figuren sind damit aufgestellt und das sogar ganz originell.

Polizeihistorikerin Maria Just bereitet gerade eine Ausstellung zum Thema »100 Jahre ungelöste Mordfälle« im Polizeimuseum von Kopenhagen vor. Da wird mitten in der Stadt der Generalsekretär des Roten Kreuzes auf bestialische Art ermordet. Der Tote hängt gekreuzigt an einem Geländer, auf seinem Körper wurde ein rätselhaftes Zeichen eingeritzt. Die Polizei ermittelt unter hohem Druck von Presse und Politik. Doch es ist Maria, die schließlich eine Verbindung zu einem ungeklärten Doppelmord entdeckt, der über fünfzig Jahre zurückliegt. Ein dunkles Kapitel dänischer Geschichte dringt ans Licht. So dunkel, dass jemand auch nach Jahrzehnten noch Vergeltung sucht. Kann Maria den Rachefeldzug stoppen, bevor es zu spät ist? (Verlagsinfo)

Beide Autorinnen sagen von sich, dass sie viele Erfahrungen in den letzten Jahren sammeln konnten. Auf der investigativen Seite des Journalismus und als Kriminalreporter dürften sie dem „True Crime Genre“ manchmal nähergekommen sein, als sie es ggf. wollten. Sie legen viel Wert auf ein authentisches Setting, einem realistischen Bild der Ermittlungsarbeiten.

Ein Skandal um die Hilfsorganisation ruft selbstverständlich dann auch gleich die politischen Strömungen und Interessen hervor. Also ist damit dann gleichbedeutend der Tatort fast schon öffentlich und die Medien haben ihr ganz eigenes Interesse jemanden verantwortlich medial hinzurichten, wenn es denn nötig ist. Der Ermittlungsdruck dürfte dann für die Beamten und auch den amtierenden Politikern er- und bedrückend hoch sein.

„Gefrorenes Herz“ ist sehr spannend – ungewohnt ruhig für einen Kriminalfall – aber tiefgründig und konstant unterhaltsam. Die schon erwähnte Ermittlungsarbeit steht damit nicht im Vordergrund – atmosphärisch auf hohem Niveau ist die Verknüpfung von historischen Todesfällen und dem aktuellen. Eine gewisse Symbolik spielt hier eine wesentliche Rolle.

Es gibt nicht viel Nebenfiguren und auch die Nebenhandlungen sind überschaubar gruppiert. Sie bilden nicht die „Basis“ für den eigentlichen Plot, oder sind damit über einige Ecken und Kanten verbunden. Sie dienen höchstens, das charakterliche Bild der Figuren zu verstärken.

Überhaupt ist hier jedes Element, jede Handlung und Figur reduziert auf das wesentliche. Das wirkt allerdings manchmal recht starr, da hier wenig Abwechslung ist und wirkliche Überraschungen stellen sich nicht ein.

Man mag gespannt sein auf einen zweiten Teil, denn die Figuren schaffen es dennoch auch mit diesen kleinen Defizienten zu überzeugen. Sehr lobenswert ist die politische Brisanz und die Darstellung der historischen Fehler, die so manches Leben zerstörten. Die Mischung macht es also aus – und die Vernetzung zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist gut geglückt.

Fazit

Ein Roman in einer spannenden Schockstarre. Als Debütwerk absolut solide und man darf gespannt sein auf einen zweiten Band, der aber noch deutlich steigerungsfähig sein sollte.

Michael Sterzik

Dienstag, 11. Januar 2022

Todland von Kim Faber und Janni Pedersen


Nach „Winterland“ hat nun das dänische Autorenpaar den zweiten Titel „Todland“ im Münchner Verlag
  Blanvalet veröffentlicht. Die Storyline knüpft unmittelbar an den ersten Teil an. Der inländische dänische Geheimdienst PET hat der Mordkommission und seinen Beamten einen Maulkorb angelegt und Beweismittel wie Rechner etc. beschlagnahmt. Mit der Gesamtsituation nicht zufrieden, verstricken sich die Ermittler Martin Juncker und Signe Kristiansen dennoch tiefer in den brisanten Terroranschlag.

Das Autorenehepaar versteht es imposant seine Leser urplötzlich in die Handlung zu schleudern. Das geschieht so schnell und plötzlich – und zack findet man sich wieder in einem Schattenkrieg der Geheimdienste und der politischen Ströme. Die Reihe zeigt sich allerdings nicht als eine klassische Agenten-/Spionagereihe. Das Autorenduo legt viel Wert auf eine authentische und realistische Atmosphäre, die nicht mal ansatzweise fiktional klingt. Damit zeigt sich auch eine gewisse Aktualität und offenbart, dass das Thema „Terrorismus“ auch in den skandinavischen Ländern durchaus eine Bedrohung darstellt – und nicht nur islamischer Terror, sondern auch rechtsextreme Nationalisten, die jedes kriminelle Element und jede Methode dafür verwenden, ihre Interessen zu zeigen.

Der schreckliche Terroranschlag in Kopenhagen wirft immer noch seinen Schatten auf den Ermittler Martin Juncker: Während er im Fall eines toten Anwalts zu ermitteln beginnt, erhält seine Frau Charlotte einen anonymen Hinweis: Der Anschlag sechs Monate zuvor hätte verhindert werden können – und Martin soll in die Vertuschung verwickelt gewesen sein.

Als Journalistin konfrontiert Charlotte ihren Mann, doch der bestreitet alles. Insgeheim fürchtet er um sein eigenes und Charlottes Leben, wenn sie die Story weiterverfolgt. Einzig Martins ehemalige Kollegin Signe will der Reporterin helfen, doch ihr Antrieb ist ein persönlicher … Als Charlottes Informant brutal ermordet wird, beschließt Signe, dass es an der Zeit ist für die Wahrheit. Und so kommt sie einer unglaublichen Verschwörung auf die Spur, die bis in die höchsten Kreise der dänischen Politik reicht und in die auch Martin Junckers Mordopfer verwickelt ist …(Verlagsinfo)

Die Story teilt sich auf zwei Ebenen auf – der Kriminalfall, den Juncker bearbeitet und der ihn ein Stück weit in die kindliche Vergangenheit treibt und Signe, die Junckers Frau Charlotte behilflich ist. Die investigative Journalistin wird von einem Whistleblower kontaktiert, der geheimdienstliche Informationen zu dem Terroranschlag hat.

Man erahnt schon, wohin der Weg der beiden Ermittler geht – in ein lebensgefährliches Labyrinth, bei der an jeder Ecke der berufliche, oder auch der persönliche Tod winkt. Die Story ist insgesamt spannend, doch die Nebengeschichten und damit meine ich das Talent von Juncker und Kristiansen sich über Gebote, Anweisungen, moralische Etikette, und gut gemeinten Ratschlägen einfach hinwegzusetzen, sind faktisch die Schlüsselmomente. Das wirklich unterhaltsame ist bei den beiden, dass die kein emotionales, vergangenes und gegenwärtiges Minenfeld umfahren, sondern mit einer ignoranten Selbstverständlichkeit so mir nichts, dir nichts, mit Anlauf da reinspringen.

Diese Explosionen erzeugen dann wilde, verfahrene Situationen und erzeugen damit eine Spannung, der man sich nicht entziehen kann.

Die charakterliche Tiefe der beiden ist sympathisch, doch sind die beiden auch exemplarisch als typische Einzelgänger und Antihelden zu verstehen. Pragmatischer Egoismus in Kombination mit einer rebellischen Note und fertig sind die laufenden Katastrophengebiete.

Damit ist der Unterhaltungswert hochklassig. Man fragt sich allerdings am Ende des Buches – was die beiden im dritten, ggf. abschließenden Band anstellen werden. Abgesehen von einem Kriminalfall, haben beide noch private Herausforderungen, die es nicht leichter machen werden. Ideen sind also mehr als genug da und analysiert man die Eskalationsspirale, die sich in „Todland“ deutlich schneller bewegt, so könnte Band 3, der im Mai diesen Jahres im Buchhandel erscheint, noch spektakulärer werden.

Die große beschriebene Stärke ist ggf. auch der einzige Kritikpunkt, den ich habe. Die persönlichen Minenfelder der beiden sind zu ausufernd dargestellt. Die tatsächliche Storyline um den Terroranschlag, der Verwickelung des Inlandsgeheimdienstes stehen weit abseits in der zweiten Reihe. Schade.

„Todland“ hat auch kein Alleinstellungsmerkmal und vorher sollte der Leser definitiv zum ersten Band „Winterland“ greifen. Es gibt zu viele Ereignisse, Situationen und charakterliche Merkmale, die der Leser nur dann vollumfänglich begreifen kann, wenn er etwas informiert ist.

Fazit

Juncker und Kristiansen sind Chaos & Anarchie. Hochaktuell und originell unterhaltsame Spannung. Hier ist überhaupt nichts ruhig, selbst der Leser wird emotional eine Achter- oder Geisterbahn machen und wenig später nach „mehr“ schreien. Lesen.

Michael Sterzik