Dienstag, 6. September 2022

Im Bann des Adlers - Daniel Wolf


Die Friesen-Saga um die Familie Osinga geht endlich weiter. „Im Bann des Adlers“ von Daniel Wolf geraten die leidenschaftlichen Schiffsbauer inmitten der Fehden friesischer Häuptlinge. Für die Region, in der überwiegend die Land- und Forstwirtschaft, die Fischerei und das Handwerk lebensnotwendig ist, bringen die Überfälle und territorialen Machtansprüche nur unsagbares Leid mit sich.

Die Ostfriesen waren schon ein kriegerisches Häufchen. Den Gedanken alle Regionen Ostfriesland unter einem Banner zu vereinen, hatten viele Häuptlingsfamilien die sich allerdings immer wieder in Bündnissen vereinten, nur um sich wenig später zu verraten. Die Vitalienbrüder, auch Likedeeler, profitierten zeitweise von den kriegerischen Auseinandersetzungen. Die „Bruderschaft“ der Piraten, deren Stammsitz auch auf Helgoland war, machten sich neben einigen Freunden, auch mächtige Feinde. Die Hanse jagte die berühmt-berüchtigten Likedeeler und richteten die Seeräuber und die bekannten Hauptleute, Klaus Störtebecker, Gödeke Michels, Hennig Wichmann und Magister Wigbold auf dem Hamburger Grasbrook 1401 hin.

Diese Themen und diese historischen, legendären Charaktere bilden die Grundstory in „Im Bann des Adlers“. Das ostfriesische Adelsgeschlecht der tom Brok, bzw. der eingesetzte Vogt von Marienhafe vereinnahmen den Krisenmittelpunkt im zweiten Band der „Friesen-Saga“.

Friesland 1390: Der 21-jährige Folkmar Janns Osinga ist Schiffszimmermann mit Leib und Seele. Gemeinsam mit seinem Vater Jann baut er begehrte Koggen, das Unternehmen der Familie floriert. Als Folkmar die junge, kluge Almuth kennenlernt, scheint sein Leben perfekt. Doch dann wird er Opfer einer perfiden Intrige: Des Mordes bezichtigt, muss Folkmar fliehen, sowohl Almuth als auch seiner Heimatstadt den Rücken kehren. Verzweifelt versucht er, seine Unschuld zu beweisen. Seine Lage ist hoffnungslos – bis er den Vitalienbrüdern begegnet und sich den berüchtigten Piraten anschließt…(Verlagsinfo)

Wer ein Vielleser im Genre „Historischer Roman“ ist, wird unweigerlich sehr schnell Parallelen zu anderen Autoren erkennen. Rebecca Gable, Ken Follett – die auch „Familiensagen“ hervorbrachten, standen nicht „Pate“ – aber vergleicht man diesen Roman von Daniel Wolf mit diesen erfolgreichen Autoren – erkennt man fix, ein sehr ähnliches Schema. Ein unschuldiger Held, der sich behaupten muss, eine unglückliche Liebe, ein Tyrann, der das Leben der Bevölkerung mehr als schwer macht. Flankiert von Ereignissen wie Mord, Verrat, Eifersucht und Gewalt ist die Handlung spannend. Aufgrund von gewissen fast schon überflüssigen inhaltlichen Längen im Roman verliert die Atmosphäre aber sehr deutlich. Gerade der jahrelange Überlebenskampf des Folkmar Osinga ist ausufernd und auch nicht unbedingt wichtig für die Gestaltung seines Charakters.

Alle Charaktere, bis auf die historischen Piraten-Persönlichkeiten sind eindrucksvoll eindimensional entworfen und damit sind auch deren Handlungen sehr vorhersehbar. Im letzten Drittel des Romans steigert sich die Spannung mit dem Auftauchen der Likedeeler. Endlich zeigen sich mit der Bruderschaft der Freibeuter ambivalente Persönlichkeiten und inhaltlich wird es nicht nur spannender, sondern auch viel informativer und abwechslungsreicher. Insgesamt geht es auch mit der Präsentation der Piraten nicht ungemein blutdürstig zu. Die Gewalt ist zwar ein Thema, aber Daniel Wolf erspart uns inflationäres Abschlachten und detailreiche Beschreibungen vom Töten und Sterben. Der Fluch der Nord-/Ostsee erzählt Daniel Wolf so grandios, dass ich mir fast wünsche, seine nächste Saga könnte wohl gerne eine längere Piratensaga werden.

Die Politik und die Wirkung der Hanse spielt noch eine untergeordnete Rolle, vielmehr liegt die Konzentration wie schon erwähnt auf die Fehden der friesischen Häuptlinge.

Die historische Genauigkeit nimmt Daniel Wolf sehr ernst. Gut recherchiert, mit der einen, oder anderen schriftstellerischen Freiheit referiert er für uns über ein Stück ostfriesischer Geschichte. Etwas freier gestaltet sich seine Interpretation vom Ende eines Klaus Störtebeckers und eines Gödeke Michels. Die historische Quellenlage zeigt uns ein anderes Ende der berüchtigten legendären Personen, die in Hamburg später recht kopflos dastanden.

Die ehemaligen Figuren aus dem ersten Band kommen selbstredend auch vor, stehen aber als Nebenfiguren nur in der zweiten Reihe. Etwas mehr erzählerischen Raum nimmt Abbe Osinga ein. Eine tolle Figur, deren Schicksal den Leser emotional mitnimmt.

Fazit

Spannende Reise in eine Küstenregion, die zwar flach ist – aber ungemein spannend erzählt werden kann. Eine „Piratengeschichte“ die Spannung verspricht.

Michael Sterzik

Sonntag, 14. August 2022

Der Aufstieg - in eisiger Höhe wartet der Tod - von Amy McCulloch


Es gibt vierzehn Achttausender und jeder ist auch für einen erfahrenen Bergsteiger eine Herausforderung. Das lebensgefährliche Risiko begleitet den erfahrenen Bergsteiger auf dem Weg zum ersehnten Gipfel mit jedem Meter aus Stein, Eis und Schnee. Die Todeszone gilt als ein Killer – eine für den Menschen fremdenfeindliche Umgebung, die keinen Fehler des Bergsteigers ignoriert. Jegliche Ignoranz der eigenen Sicherheit, jeder auch noch so ein kleiner Fehler oder Fahrlässigkeit an Ausrüstung, Kleidung, mitgeführter Medizin, Sauerstoff oder Flüssigkeiten bringt nicht nur das eigene Leben in Gefahr – sondern kann auch den Tod eines ganzen Teams bedeuten.

Der Bergsteiger muss sich physisch und auch psychisch darauf vorbereiten, diese Expedition zu bestehen. Das Risiko dabei zu sterben ist nicht gering. Auf vieles kann sich der Bergsteiger vorbereiten; das schnell umschlagende Wetter, die Kälte, eine Lawine usw. sind Risikofaktoren, die nicht planbar sind. Die Geschichte ist voll von dramatischen und tragischen Besteigungen, die tödlich endeten. Viele Leichen beispielsweise am K2, am Everest usw. kann man nicht bergen, als stumme und makabre Wegmarken warnen sie die Lebenden vor einem Fehler.

Amy McCulloch, die kanadische Autorin des vorliegenden Romans ist selbst eine erfahrende Bergsteigerin und damit verpasst Sie Ihrem Roman „Der Aufstieg“ eine hoch spannende und einzigartige Atmosphäre. Es ist zugleich Ihr Debüt im Genre „Thriller“.

Diese Story ist die Chance ihres Lebens: Cecily darf als Erste den berühmten Bergsteiger Charles McVeigh interviewen, nachdem dieser innerhalb eines Jahres alle vierzehn Achttausender bestiegen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Cecily bekommt das Interview erst, wenn sie mit ihm den letzten Gipfel, den Manaslu, erklommen hat. Die kleine Gruppe macht sich auf den Weg, da kommt es im Basislager zu einem tragischen Unfall. Und Cecily erhält eine Nachricht: »Ein Mörder ist am Berg, bring dich in Sicherheit!« Mit jedem Höhenmeter steigt die Gefahr, nicht ohne Grund nennt man diese Höhen die Todeszone. Doch dieser Aufstieg ist besonders tödlich, denn einer von ihnen ist ein Mörder. Und irgendwann ist die Luft selbst zum Schreien zu dünn …(Verlagsinfo)

Das Setting des Romans – Der Berg Manaslu in Nepal, ist für einen Thriller fast schon exotisch. Ein Tatort in über 8000 Meter Höhe – innerhalb der Todeszone – könnte der perfekte Ort für einen perfekten Mord sein. Ein Unfall, Selbstmord, eine Selbstüberschätzung – es kann mehrere Ursachen haben, um auf den Weg hoch hinaus, zu scheitern und zu sterben. „Der Aufstieg“ wird von Höhenmeter zu Höhenmeter spannender, mit jedem Schritt zum Gipfel hin steigert sich die atmosphärische Spannung und je dünner die Luft wird, desto größer die Gefahr. Doch nicht nur über die Spannung überzeugt der Roman, sondern auch über die vielen internen Informationen, die Amy McCulloch als Bergsteigern selbstverständlich einbaut. Und genau diese vielen kleinen Details vermitteln dem Leser, die Strapazen, die unmittelbare Lebensgefahr, die Angst am Berg zu versagen, zu scheitern, zu sterben, die den Figuren begegnen. Die Hauptrollen sind gut verteilt – Der Berg selbst ist die Hauptfigur, und er kann zum eiskalten Killer werden – die menschlichen Protagonisten sind hervorragend beschrieben und ihre Vita ist authentisch. Die Story ist im Tempo angemessen und die Mischung zwischen spannenden, informativen und dialogstarken Szenen ist ausgeglichen. Die erzählerische Perspektive nimmt Cecily vollständig ein – das ist zwar einseitig, aber durch die ausgewogenen Dialoge bekommt jeder Charakter seinen eigenen Part auf der Bühne.

„Der Aufstieg“ ist als Thriller absolut gelungen und nicht nur für passionierte Bergsteiger und Abenteurer eine spannende Geschichte. Für diese allerdings ist es ein Titel, den man unbedingt lesen sollte.

Amy McCulloch nimmt auch viele Themen auf; z.B. die mediale Aufmerksamkeit, die neben dem individuellen Erfolg – Ruhm und Geld verspricht, die Riten und Segnungen der Sherpas – dem besonderen Bergvolk, die sich in Lebensgefahr begeben, um Ihre Familien ernähren zu können. Ebenso gelingt es der Autorin grandios die nepalesische Bergwelt intensiv vor Augen zu führen.

Etwas schade empfand ich es, dass die erzählerische Perspektive halt nur die der Hauptperson ist. Ein weiterer Erzähler hätte die Story noch viel dramatischer und tragischer gestaltet. Diese tragische Dramatik trägt neben den Charakteren das gesamte Buch.

„Der Aufstieg“ ist als Einzelband konzipiert – eine Fortsetzung schließe ich aus. Dennoch würde ich mich sehr freuen, wenn Amy McCulloch weitere Romane veröffentlicht mit ähnlichen Settings. Damit hebt sich auch „Der Aufstieg“ von den gegenwärtigen Titeln im Genre „Thriller“ ab.

Fazit

„Der Aufstieg“ ist ein kleiner Gipfel im Genre „Thriller“. Auch wenn die Luft am Ende der Geschichte dünn wird, erschließt sich eine grandiose Atmosphäre und ein toller Abschluss. Die Autorin will hoch hinaus – mit ihrem Talent wird sie das auch schaffen. Sehr empfehlenswert.

Michael Sterzik

Samstag, 6. August 2022

Lionheart - Im Dienste des Löwen - Ben Kane


Im Genre „Historischer Roman“ und hier in der Personengruppe der englischen Könige kommt man an der legendären, überzeichneten Figur des Königs Richard Löwenherz nicht vorbei. Zwischen Fakten und Fiktion bewegt sich ein stilisiertes Idealbild eines Ritters, einer heroischen Figur, ein Leitbild für das „Gute“. Genau dieses Bild faktisch ein sehr verklärtes. Wahr ist, dass er mutig war, ein großer Krieger und Anführer, allerdings während der Kreuzzüge und danach ein brutaler Kriegsherr, ein eiskalter, gewissenloser Mörder.

Sein Leben bestand aus absoluten Konflikten um und mit ihm. Familiär bekriegte er sich mit seinen Brüdern und seinen eigenen Vater, um seinen Machtanspruch in Frankreich durchzusetzen. Diese Thematik ist das Zentrum des vorliegenden Titels: „Lionheart – im Dienste des Löwen“. In den Folgebänden wird sich der Autor Ben Kane mit den Kreuzzügen befassen, in der Richard ein würdiger Gegner von Saladin wurde. Die letzten Jahre „Löwenherz“ wurden dann nach seiner Gefangennahme und Freilassung die traditionellen Auseinandersetzungen mit dem Königreich Frankreich. Insgesamt ein bewegtes Leben – das zu einer übertriebenen Legende wurde.

Ben Kane – dessen literarische Konzentration sich auf die Geschichte Roms bezog, unternimmt mit seiner neuen Reihe um Löwenherz einen Ausflug ins Mittelalter.

1179: Heinrich II. Plantagenet herrscht über England und Teile Frankreichs. In seinem Haus aber herrscht Unruhe, sogar zur Rebellion kommt es. Ausgerechnet Ferdia, ein irischer Adliger, der als Geisel an den Hof kam, rettet seinem Sohn Richard das Leben. Zum Dank wird er Richards Knappe und darf ihn fortan begleiten. Sie ziehen in den Krieg, kämpfen hart und siegen, und Richard macht sich als Löwenherz einen Namen. Doch bald erkennt Ferdia: Sein Herr schwebt erneut in Gefahr, denn der Ruhm sorgt für Neider, auch in Richards eigener Familie ...(Verlagsinfo)

Eine Lebensgeschichte aus der Perspektive einer fiktiven Figur zu erzählen ist geschickt und gibt dem Autor neben den historischen Fakten, auch die Gelegenheit zu künstlerischen Freiheiten. Dass dieser Abschnitt sich dann anhört wie von vielen anderen Figuren, fällt dann gerade den Leser auf, der sich sowieso gerne in diesem Genre aufhält. Die selbstlose Opferbereitschaft, der treue und fast blinde Idealismus, eine dramatische Liebe und natürlich auch einen Erzfeind, den es zu besiegen gibt – und fertig ist die charakterliche Grundausstattung.

Der Roman „Lionheart – im Dienste des Löwen“ ist unterhaltsam, allerdings wenig spannend und Ferdia wird auch nicht zum Löwenbändiger, wenn Richard seine Zähne zeigt. Das Tragische an dieser Geschichte ist nicht „Löwenherz“ selbst – es ist sein treuer Knappe Ferdia, der es nicht schafft sich selbst „Treu“ zu bleiben. Es ist schon klar, dass er seinen Herren überleben wird, aber der Preis ist sein eigenes Leben.

Ben Kane hat gut recherchiert und schildert den Bruderkrieg sehr detailreich, aber das Temo ist eher schleppend und man könnte fast verzweifeln an den ober flächigen Machtansprüchen der verfeindeten Brüder und ihres Vaters. Politisch nicht uninteressant – aber wirklich schlau und über den britischen Tellerrand hinausblickend waren die Prinzen nicht. Zusammen hätten sie „Großes“ erreichen können.

Sehr interessant und vielleicht die beste Figur ist die des William Marshals. Vielleicht der beste Ritter seiner Zeit, ein begnadeter Turnierkämpfer der viele Erfolge erzielen konnte, ein passionierter und gefährliches Schwertkämpfer und ein talentierter Politiker. Ein Stratege – der es schaffte vieles in sich zu vereinen und sich dabei nicht selbst vergaß.

Die Figur des Ferdias, ist nicht gut konzipiert. Oberflächlich, überzeichnet, und so richtig in Fahrt kommt er nicht. Immer zwischen Angst und Mut treibend wird sein Charakter nicht wirklich gut ausgebildet in diesem Roman.

Man merkt dem Roman auch an, dass sein Autor Ben Kane sich dieser Epoche erst orientieren muss. Die erzählerische Atmosphäre, die man von ihm kennt, vermisst man hier ganz stark. Ich hoffe, dass sich diese noch einstellt. Entweder ist es, oder aber das Lektorat und die Übersetzung haben etwas geschludert. Es passt nicht zusammen, es wirkt als hätte man einen Bausatz mit Gewalt zusammengeschraubt.

Die Figur des Löwenherz ist ganz gut in Szene gesetzt. Dieser und William Marshal retten den Unterhaltungswert des Romans. Spannung kommt leider nicht auf – denn die Längen ersticken diese im Grunde. Bruderkrieg hin oder her – einen ganzen Roman damit inhaltlich zu füllen war falsch.

Fazit

Ein Löwe mit etwas weniger Biss als gedacht. Ein Roman, der zwar unterhält, aber den Leser nicht nachhaltig einfängt. Zu schnell – zu oberflächlich. Der Verlag sollte ggf. darüber nachdenken, der Figur des William Marshals einen Roman zu geben – sein Leben bietet so viel Potenzial, dass man bitte erzählen sollte.

Michael Sterzik

Samstag, 23. Juli 2022

1979 - Jägerin und Gejagte - Val McDermid


Der Journalismus hat sich verändert im Laufe der letzten Jahrzehnte. Alleine schon wegen des Internets stehen dem Journalisten extrem viele Möglichkeiten weltweit zu recherchieren und sich aus vielen Quellen Informationen zu verschaffen. Doch das ist nur die eine Seite einer objektiven Berichterstattung. Die Qualität der Reportagen und Berichte ist aktueller geworden, direkter und ein Stück auch von einer intensiveren und klareren Wahrheit geprägt. Viele Themen, die noch in den 70er, oder frühen 80er Jahren als brisant galten, oder die man als Schlagzeile auf Seite 1 lesen konnte, wären jetzt nur eine bedeutungslose Information.

Auch der Beruf des Journalisten hat sich natürlich verändert. Für einen Investigativ Reporter kann es schon mal sehr gefährlich werden, wenn man sich mit heißen, aktuellen Themen beschäftigt, die Firmeninteressen oder Personen bedrohen könnten. Die Rolle der Frau bei vielen Nachrichtenmagazinen, oder Zeitungsredaktionen hat sich zum Glück auch stark emanzipiert. Weiterhin tragen sich Zeitungen, Zeitschriften, usw. nicht nur durch die verkauften Exemplare, sondern werden finanziert durch Werbeeinnahmen. Je brisanter, aktueller das Magazin ist, desto mehr steigert sich also der Erfolg.

Die schottische Bestsellerautorin, die ebenfalls für ihre schriftstellerischen Tätigkeit Journalistin war, berichtet nun in einer geplanten Zeitreise, die 1979 beginnt, von einer aufstrebenden Journalistin, die in Schottland tätig ist.

Schneestürme, Stromausfälle, Streiks und ungeklärte Todesfälle: Der Winter 1979 beschert Schottland ein Debakel nach dem anderen. Für die junge Journalistin Allie Burns sind schlechte Nachrichten jedoch die einzige Chance, über etwas anderes als Familiendramen und Babywunder zu berichten und vom »Boys' Club« der Zeitung endlich ernst genommen zu werden.
Mit ihrem Kollegen Danny Sullivan kommt Allie tatsächlich einer potenziellen terroristischen Bedrohung auf die Spur – und sie schmieden einen Plan, bei dem jeder Schritt ihr letzter sein könnte …(Verlagsinfo)

Der erste Band dieser Reihe verfügt über einen feinen, typischen britischen Humor, oder sagen wir besser schottischen. Als Kriminalroman gesetzt, überzeugt die Story nicht unbedingt. Die detektivischen, investigativen Ermittlungen einer Allie Burns sind klassisch erzählt. Primär geht es hier um eine nationale Verschwörung, um sich gegen die aktuelle Politik zu rebellieren – eine Möglichkeit, die sich für die junge Frau bietet, um sich in einer von Männern dominierenden Redaktion einer Zeitung durchzusetzen. Alleine diese Thematik ist ein großes Stück dieses manchmal schwerfälligen Romans. Damit greift Val McDermid auch den Zeitgeist auf – und das sehr detailliert. Die Atmosphäre des Romans „1979“ ist insgesamt sehr still und überschaubar. An dem Stil der Autorin kann man gut erkennen, dass sie als ehemalige Frau vom Fach weiß, wovon sie schreibt.

Die Autorin konzipiert ihre Figuren sehr gut. Wenn auch mit den klassischen Eigenarten versehen. Ein Chefredakteur, die cholerisch wirkt und Reporter, die sich gerne über andere profilieren, die als Nachwuchs die eigentlichen Reportagen schreiben. Allie Burns ist eine interessante Figur. Ein “hässliches“ Entlein, dass sich gerade aufmacht, sich selbst zu finden. Ihren eigenen Stil in Puncto Kleidung und Aussehen, die ersten Versuche sich durch qualitative Arbeit in die erste Reihe zu drängen.

Ihr Kollege Danny, der nicht in ihren unmittelbaren Schatten steht, ist eine Haupt- und Nebenfigur in einem. Sein Privatleben und seine persönlichen Einstellungen zu seiner Familie und zu sich selbst bilden eine eigene Nebengeschichte, die durchaus unterhaltsam und gut erzählt ist.

Der Kriminalfall geht fast schon unter. Die Ermittlungsmethoden ohne die Hilfe des Internets, oder Smartphones, usw. sind wie gesagt der Zeit geschuldet. Kein Computer, sondern Schreibmaschinen, Papier, Durchschläge etc. unterstützen den Journalisten in seiner Tätigkeit.

Die Unterhaltung ist vorhanden, aber eine Spannung vermisst man schon sehr. 1979 ist träge und vielleicht auch nicht so schnelllebig wie wir es aus dem Jahre 2022 kennen. Doch der Roman weckt eine Neugierde für nachfolgende Titel dieser Reihe.

Fazit

1979 fängt den Zeitgeist genau dieser Epoche ein. Ein munterer Humor, der den Unterhaltungswert hochhebt. Ein souveräner Roman – aber die nachfolgenden Titel müssen um einiges spannender erzählt werden.

Michael Sterzik

 

Donnerstag, 14. Juli 2022

Verdunkelung - Simon Scarrow


Im dritten Reich durfte es keine Verbrechen geben, und wenn, dann waren die Täter der jüdischen Bevölkerung zuzuordnen. Extreme Gewaltverbrechen wie Mord, Vergewaltigung, schwerer Raub usw. kamen zwar vor, wurden aber von der staatlichen Propaganda instrumentalisiert. Straftäter wurden zum Tode verurteilt und wenn der Täter ein parteitreues Mitglied der NSDAP war, wurde dies unter den Teppich gekehrt. Der Schein einer perfekten Gesellschaft musste gewahrt werden und bleiben. Der Verwaltungsapparat der Nationalsozialisten funktionierte unter Zuwendung von Drohungen und Gewalt. Auch hier zeigte sich das totalitäre System.

Kritik an den Führer, oder negative Äußerungen zur Politik und sowieso zur Partei konnten schnell zu einem Todesfall führen. Wer nicht für „Deutschland“ war – war automatisch ein Staatsfeind. Die Nazis regierten mit einer unerbittlichen Atmosphäre der Angst und Einschüchterungen, der Manipulation und setzte regimetreue Figuren an Schlüsselpositionen, um jeglicher Kritik im Keim zu ersticken – mit allen Mitteln. Sie nahmen es mit der Staatsgewalt sehr genau.

Ab wann der einzelne Mensch ein „einfacher“ Mitläufer, oder wann und wie wurde er zum Mitwisser, und dann ggf. zu einem Täter?! Die Geschichtsbücher und Chroniken sind voll von diesen Beispielen. Nach dem Krieg verdrängten die Menschen ihre Taten, ignorierten Fragen zu ihrer Vergangenheit, gaben vor nichts von alledem gewusst zu haben.

Der britische Autor Simon Scarrow, der auch als Dozent für Geschichte tätig war, hat einen historischen Kriminalroman verfasst: „Verdunklung“ – erschienen im Verlag Piper.

Berlin im Winter 1939. Der Zweite Weltkrieg hat begonnen. Immer weiter schränkt das Nazi-Regime die Freiheit der Bevölkerung ein. Doch in der Hauptstadt wird der sich ankündigende Schrecken der Kriegsjahre von einer tiefgreifenden Angst überschattet. In den kalten Stunden der Verdunkelung, die die diktatorische Regierung zum Schutz gegen Fliegerangriffe ausspricht, zieht ein brutaler Mörder durch die Metropole. Als die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, gerät Kriminalinspektor Horst Schenke unter erbarmungslosen Druck. Seine Weigerung, in die Nazipartei einzutreten, bringt ihn in große Gefahr – und als eine zweite Frau ermordet wird, entdeckt Schenke eine Spur, die bis ins Zentrum der Macht führt. Seine Stunden scheinen gezählt ...(Verlagsinfo)

„Verdunklung“ ist extrem gut erzählt. Der Autor konzentriert sich nicht ausschließlich auf den Kriminalfall, sondern spaltet seine spannende Story in einzelne Fragmente, die sich spannungsreich die Hand geben. Ein Handlungsstrang ist der Ermittler Horst Schenke selbst – der nicht der NSDAP angehört und sich nicht der SS angeschlossen hat. In der Kritik und unter Beobachtung seiner Vorgesetzten weiß er, dass er sich entscheiden muss, um nicht unter die Räder des verbrecherischen Systems zu kommen. Trotzdem wäre er gerne als Offizier im Fronteinsatz. Also eine ambivalente Figur, die nicht eindimensional daherkommt.

Ein weiterer Hauptbestandteil ist die Politik selbst. Der Krieg gegen Polen, die ersten Verluste an Soldaten, die ersten Witwen, die sich ggf. prostituieren müssen, das Handelsembargo, das ausländische Waren aus England und Frankreich nicht mehr über die Grenzen lässt. Die einfachen Menschen erleben noch lange nicht den totalen Krieg – aber sie ahnen ggf. schon was die nächsten Jahre an Opfer verlangen. Auch die feindselige Haltung gegenüber der jüdischen Bevölkerung wird in diesem Thema angerissen.

Unterhaltung hin oder her – hier gibt es viel mehr als nur eine spannende Story zu lesen, sondern uns wird ein sehr detaillierter Blick auf die Startphase des Zweiten Weltkrieges gegeben. Die gesellschaftliche und soziale Politik des dritten Reiches wird ebenso viel Raum gegeben wie den Blick in die Verwaltung, des Militärs und der Spionage. Die Botschaft ist allerdings sehr deutlich, die der Autor übermittelt – er gibt uns einen Einblick in einen Verbrecherstaat. Ein Blick hinter der Fassade, die Demaskierung eines Staates.

Die Geschichte wird ebenfalls aus der Perspektive des Täters erzählt, ohne dass erstmal Namen genannt werden. Das steigert die Spannung, auch wenn man bereits ahnen kann, wie sich die Geschichte weiterentwickelt. Trotzdem gibt es eine ganze Reihe von Überraschungen und Wendungen und wieder spielt das verbrecherische System hier tragende Rolle.

Apropos Rollen – die Rolle der Frau, wird hier auch in verschiedenen Szenen erzählt. Eine gefallene Schauspielerin, eine Jüdin, usw. auch diese Einzelschicksale sind grandios erzählt.

„Verdunklung“ ist hoffentlich der erste Band einer Reihe, denn die Figuren sind vielversprechend und tiefgründig aufgestellt. Und unsere Vergangenheit gehört noch immer zu unserer Gegenwart.

Fazit

„Verdunklung“ ist ein helles Licht im Genre historischer Kriminalroman. Tiefgründige Spannung, ambivalente Figuren und sowieso verzichtet man hier auf eine Schwarz/Weiß Interpretation. Ein wichtiger Roman, den ich sehr empfehle.

 

Michael Sterzik

 

Samstag, 9. Juli 2022

Der Schnitter und der Löwe - Toni Garber

 


Von 1618 bis 1648 verwüstete der Dreißigjährige Krieg weite Teil Deutschlands. Der Konflikt begann als Religionskrieg in Europa und endete schließlich als Krieg um verschiedene Territorien. Protestanten und die Katholische Liga kämpften verbissen um die Vorherrschaft auf dem Kontinent Europa. Das Heilige Römische Reich, wie auch die protestantische Union führten einen erbarmungslosen Vernichtungskrieg. Ganze Städte und Dörfer wurden ausgelöscht, die Brutalität der marodierenden Söldner, die auch immer wieder die Seiten wechselten, kannte keine Grenzen.

Ein Menschenleben war in dieser Epoche nichts wert. Viele Menschen wurden in den Anfängen des Krieges geboren und starben inmitten dieser Zeit. Einen „Frieden“ kannten diese nicht. Das Sterben, die Angst, das Töten, der Verlust der Familie und Freunde wurden fester Bestandteil manchen kurzen Lebens. Der Dreißigjährige Krieg ist das Urtrauma der deutschen. Doch auch „ausländische“ Herrscher trachteten nach Macht und Einfluss: Schweden, Spanien, Österreich, Niederlande und Dänemark – verwandelten Europa in eine blutgetränkte Trümmerlandschaft.

Im vorliegenden historischen Roman „Der Schnitter und der Löwe“ kommt auch eine historische Figur vor: die des schwedischen Königs - Gustav ll. Adolf, auch genannt, der Löwe aus Mitternacht. Eine charismatische Figur – ein Anführer, der selbst auf dem Schlachtfeld unter seinen Soldaten kämpft. „Der Schnitter“ ist ein junger Mann, der einen „Dämon“ in sich trägt und vortrefflich mit seinem Sarazenenschwert auf dem Schlachtfeld einen Tanz des Todes aufführt. Respektiert und gefürchtet – vergisst er auf dem Schlachtfeld seine Menschlichkeit und verstümmelt und tötet schnell und effektiv. Erst nach der Schlacht – gelingt es seiner eigenen Persönlichkeit – wieder die Oberhand zu gewinnen. Zurückbleibt ein schwer traumatisierter junger Mann – der sich seiner Taten schämt, aber als Kind des Krieges nichts anderes kennt als die Gewalt.


Heiliges Römisches Reich, 1631
Man nennt ihn den Schnitter, weil er von einem Dämon besessen ist. Er ist jung und dennoch bereits eine Legende unter den Handwerkern des Todes. In den Wirren des Krieges ist der junge Söldner auf der Jagd nach einem Serienmörder, um zu beweisen, dass nicht sein Dämon die Schuld daran trägt. Könnte das Mädchen, das er liebt, das nächste Opfer sein? (Verlagsinfo)

Toni Garber, der sich literarisch in vielen Genres bewegt, konzentriert sich nun, mit seinem aktuellen Roman, auf den historischen Sektor. „Der Schnitter und der Löwe“ ist eine höchst temporeiche Geschichte, der die Leser inmitten des Dreißigjährigen Krieges katapultiert. Toni Garber erzeugt wenig Spannung in seinem Roman – primär interpretiert stehen hier die Grausamkeiten des Krieges im Fokus Es wird getötet, verstümmelt und gestorben – erzählerisch sehr detailreich und auch wenn diese Brutalität auf den Leser verstörend wirken sollte – die Realität des Lebens und Sterbens in diesem Vernichtungskrieg, diesen Schrecken kann man mit Worten wahrscheinlich nicht transportieren.

Dabei versteht es Toni Garber vortrefflich nicht nur vom Töten zu erzählen, sondern erzählen die Protagonisten von einem Leben vor dem Krieg, von zerstörten Familien, von Kleinigkeiten in „früheren“ Leben, an die sich die vernarbten Seelen der Mörder verzweifelt klammern. Es zeigt ein wenig die Menschlichkeit, die in diesem Konflikt faktisch nur wenig Raum eingenommen hat.

Unter Mördern einen „Mörder“ zu suchen und zu finden – ist in etwa so wie eine bestimmte Nadel im Nadelhaufen zu ermitteln. Dieser kleine Kriminalfall ist aber nicht der Mittelpunkt des Geschehens – sondern eher alte Rechnungen, Rache und Aufarbeitungen, die letztlich der Tod abschließt.

Der Roman mit einer Seitenstärke von knappen 300 Seiten lässt nicht viel Raum, um die Figuren eine erzählerische Tiefe zu geben. Schade – denn genug Potenzial wäre vorhanden. Die Hauptfiguren haben zwar Gelegenheit sich zu erklären, aber das gelingt nur sehr oberflächlich. Schade -denn Toni Garber hat großartiges Talent seinen Figuren eine „Seele“ zu geben und auch eine Geschichte zu erzählen, die perfekte Unterhaltung bietet. Es ist ein wenig so, als wäre „Der Schnitter und der Löwe“ ein erster Versuch – ein persönlicher Prototyp, um selbst zu ermitteln, ob er das Genre beherrscht. Toni Garber – sollte sich ruhig auf dieses Genre konzentrieren und sich weiter ausprobieren.

„Der Schnitter und der Löwe“ ist leider kurzweilig, aber verdammt gut und sehr, sehr unterhaltsam erzählt. In puncto erzählerische Qualität hält sich Toni Garber nicht mit Nebensächlichkeiten auf. Seine bildhafte, kompromisslose und vor allem konsequente Sprache vom Töten, Sterben und (Über)leben zu schreiben, ist sehr gut.

Neben dem Tod – kommt auch die Liebe und Dramatik nicht zu kurz, wird aber im Schatten von Gewalt und Angst nicht romantisiert. „Der Schnitter und der Löwe“ ist als Einzelband gedacht – schade eigentlich, denn die Figuren würde ich gerne in weiteren Teilen sehen.

Probieren Sie sich bitte weiter aus, Herr Garber. Ihre Art uns inmitten einer Epoche zu werfen, die Europa geprägt hat, in einer Welt der Grausamkeiten, aber auch der Hoffnung, konnte mich gut überzeugen. Lassen Sie also den Schnitter und seine Freunde die Gelegenheit, sich noch mehr als „Mensch“ zu zeigen – mit allen Risiken und Nebenwirkungen.

Fazit

Ein kurzweiliger, aber sehr, sehr guter Roman – der beispiellos konzentriert den Dreißigjährigen Krieg präsentiert. Schnell – brutal – authentisch und hochunterhaltsam. Ein Roman den ich sehr, sehr empfehlen kann. Unbedingt lesen.

Michael Sterzik

Dienstag, 5. Juli 2022

Der Libanese - Clemens Murath


Das organisierte Verbrechen in Deutschland – eine kriminelle Schattenwelt in der auch die Politik, die städtische Verwaltung, wie auch die Wirtschaft involviert sind. Der Kampf der militanten, meist ausländischen Familien um die Vorherrschaft in einem Stadtteil, oder gar der Stadt selbst, wird mit harter und brutaler Intensität geführt. Der kriminellen Energie sind hier keine Grenzen gesetzt. An die Grenzen kommen jedenfalls die Polizeibehörden, die das organisierte Verbrechen als eine Hydra bezeichnen. Bekämpfen um jeden Preis – aufhalten ist unmöglich, aber dieser Maschinerie durchaus brauchbare Schäden zuführen – das kann gelingen. Der Preis für diese kleinen Erfolge ist allerdings viel zu hoch: Kaputte Ehen, Drogenmissbrauch mit Alkohol und sonstigen synthetischen Drogen ist nicht selten und als Staatsbeamter mit geringem Gehalt, aber viel persönlichen Risiko ist man vielleicht auch bereit, sich selbst an Drogen und Geldern zu bereichern. Der schmale Grat zwischen Legalität und Kriminalität ist hauchdünn und der Abgrund auf beiden Seiten tief.

Clemens Murath nimmt sich genau diesen Themen an – und zwar allen. Nicht nur dem Verbrechen, sondern auch die Vernetzung mit der Wirtschaft usw. und auch die Anspannungen und Risiken der Polizei werden mit klaren Worten erklärt.

Ein Stück Gegenwartsliteratur, dass dem Leser schonungslos und absolut radikal vor Augen führt, dass selbst die Polizei versucht unter dem Radar die Kriminalität zu bekämpfen, und zwar mit kriminellen Alternativlösungen. Nicht ungemein originell, aber zweckmäßig

Frank Bosman führt mit seinem Team vom LKA einen ziemlich hoffnungslosen Kampf gegen Arslan Aziz, den Kopf einer libanesischen Großfamilie, die das Drogengeschäft in Berlin weitgehend kontrolliert. Als die albanische Mafia aggressiv auf den Markt drängt und Arslans Bruder Tarik einen Konkurrenten ermordet, sieht Bosman die Chance, den ganzen Clan zur Strecke zu bringen. Doch die Festnahme endet blutig, und Bosman kommt schwer unter die Räder. Nicht nur hat er die internen Ermittlungen wegen der tödlichen Schießerei am Bein, sondern er muss sich einer blutjungen Augenzeugin erwehren, die ihn jederzeit in den Knast bringen kann. Als wäre das noch nicht genug, stellt sich heraus, dass sein Schwager Harry, ein windiger Filmproduzent, in den Fall verwickelt ist. Er schuldet Aziz eine Menge Geld, das er nicht zurückzahlen kann ...(Verlagsinfo)

„Der Libanese“ ein Roman, der sich nicht mit Nebenhandlung aufhält, der schnell und einfach erzählt wird, dass man kaum mehr merkt, ob es gerade spannend war, oder noch ist. Diese schonungslosen Beschreibungen, die sehr detailliert sind, diese Mischung aus Sex & Crime ist nicht für jeden etwas. Vielseitig sind die auch die Charaktere – dass Schema „Good Cop and Bad Cop“ wird man hier nicht finden – es sind alles Bad Cops. Alle sind erpressbar, jeder hat gewisse Leichen im Keller, mancher einen ganzen Friedhof voller Sünden, voller Geheimnisse, und Abhängigkeiten. Fällt also ein Beamter – kann er gerne wie ein Lemming gleich mal viele Mitwisser und Dulder mitreißen.

Doch auch die „Bösen“ sind nicht nur eindimensional schlecht. Die Motivation sich dieser kriminellen Spirale zu entziehen, sich auf die helle Seite der Macht einzureihen ist löblich, aber sich aus diesem Sumpf zu befreien kann ebenfalls ein Kampf gegen eine Hydra werden. Dem Autor Clemens Murath gelingt das fabelhaft überzeugend.

Für Action ist gesorgt – Sex und Gewalt findet man auch und diverse andere Todsünden finden sich auch ein. Wie schon gesagt, findet der Autor, aber auch neben seiner brachialen Rhetorik, auch sanfte Worte, die dem Menschen die Maske der Kriminalität entfernen. Darunter zeigt sich dann der Mensch, der ohne Hilfe seiner Familie und Freunde keinen Ausweg finden wird.

Neben der Spannung kommt auch der Humor nicht zu kurz. Dieser ist aber auch genauso schwer zu verdauen und oftmals tiefschwarz.

Vieles ist sehr gut an diesem Roman. Einiges bedient aber auch jedes klassische Vorurteil, an das man denkt – wenn das Wort „Clan-Kriminalität“ fällt. Viele Klischees werden ebenfalls bedient – trotzdem zeigt „Der Libanese“ schonungslos auf, welche internen Strukturen es gibt, wie schmal der Grat zwischen der höheren Gesellschaft und der Kriminalität ist.

Clemens Ausdruck, sein Stil eine Geschichte zu erzählen ist absolut offensiv. Knallharter Roman, der vielleicht mehr zeigt, als er muss und spannende Unterhaltung bietet. Die Figuren sind skurril, aber herrlich (un)sympathisch, dass man doch sehr neugierig ist, wie es denn mit den „Bad Cops“ so weitergeht.

 

Michael Sterzik