Freitag, 21. Mai 2021

Tödliche See - Sabine Weiß

 


Der vorliegende Titel aus der Reihe um die Kommissarin Liv Lammers ist der fünfte Band einer insgesamt hervorragenden Kriminalreihe.

Sabine Weiß verarbeitet immer mal wieder in ihren gegenwärtigen Kriminalromanen aktuelle Themen. In ihrem neuesten Werk wird das Thema „saubere“ Energiegewinnung thematisiert. Damit schlägt sie natürlich den Bogen zu dem übergeordneten Thema „Klimaschutz“ etc. Als alternative Möglichkeit wird hier von einer sauberen Stromgewinnung durch Windkrafträder gesprochen. Das sich die sympathischen Autorin mit dieser Herausforderung intensiv befasst und genau recherchiert hat, stellt man bereits frühzeitig fest.

Die Nordsee, fast achtzig Kilometer vor Sylt. Im Gerüst unter einer Versorgungsplattform wird die Leiche eines Tauchers gefunden. Unfall oder Selbstmord sind ausgeschlossen. Liv Lammers und ihre Kollegen von der Mordkommission fliegen mit dem Hubschrauber ein. Sie stoßen auf eine eingeschworene Gemeinschaft von Arbeitern. Bald aber zeigt sich: Hinter den Kulissen brodelt es. Als auch die Firmeninhaberin auf Sylt bedroht wird, nimmt der Fall eine neue Wendung, denn vielen Einheimischen ist die Offshore-Anlage...(Verlagsinfo)

Die Story fokussiert sich auf einen sehr, sehr kleinen möglichen Täterkreis – alleine schon die Regionalität eines Windparks als Tatort engt alles ein – die Spuren, die möglichen Täter, die Zeugen, dass Motiv. Es mutet ein wenig an, wie „Mord im Orient Express“. Der Vergleich ist aber nur minimalistisch zu sehen.

„Tödliche See“ von Sabine Weiß ist der schwächste der gesamten Reihe. Sicherlich ist der Tatort auf der Nordsee – auf einer Versorgungsplattform sehr originell gewählt, aber es schränkt zugleich alles wie oben beschrieben ein und damit wird für mich auch die Atmosphäre konzentriert bescheiden eingezwängt. Eine Spannung erkenne ich hier nicht – eher wird alles haarklein und zeitlich ausufernd beschrieben, erklärt und besprochen.

Die Nebengeschichten funktionieren aber immerhin – gerade Liv Lammers Charakter erklärt sich mit einer angenehm sympathischen Note, die ansprechend ist. Private Herausforderungen und auch liebevolle Beziehungskisten ergänzen die Figur. Und ganz ehrlich – es wirkt immer realistisch, immer sehr bildhaft dargestellt bilden Liv Lammers und alle Hauptfiguren aus den früheren Romanen die Basis dieser Kriminalfälle.

Vergleichen wir „Tödliche See“ mit den übrigen Bänden so sieht der aktuelle Punktestand wie folgt aus: Spannend und Unterhaltsam vs. Langweilig und inhaltlos 4:1. Das Sabine Weiß es versteht, spannende Geschichten zu erzählen, die packend und nachhaltig fesseln – hat sie hinlänglich bewiesen. Ich freue mich also auf den sechsten Band der Liv Lammers Reihe – der hoffentlich nicht lange auf sich warten lässt.

Fazit

„Tödliche See“ Sabine Weiß ist wenig unterhaltsam und plätschert inhaltlich leise vor sich hin. Wenig spannend – weniger unterhaltsam – hat mich dieser Band überhaupt nicht überzeugt.

Michael Sterzik

 

 

 

Mittwoch, 19. Mai 2021

Der Polizist - John Grisham

 


„Die Jury“ von John Grisham gehörte zu den absolut stärksten Romanen von John Grisham. Der amerikanischer Anwalt  der im belletristischen Genre Thriller dem Thema „Justiz“ eine völlig neue Gewichtung gegeben hat – geht in seinen neuesten Roman „Der Polizist“ zurück in die Zukunft seiner schriftstellerischen Karriere.

John Grisham verwendet gerne Themen – die sich polarisierend auf einem schmalen Grat bewegen. Im vorliegenden Roman geht es wieder vors Gericht und auch hier liegt das Schicksal des Angeklagten bei der unparteiischen Jury. Jake Brigance – der idealistische Jurist der schon in „Die Jury“ und „Die Erbin“ nicht nur die Jury überzeugen konnte, träumt noch immer davon ein berühmter Prozessanwalt zu werden, der sich überregional einen Namen macht um der kleinen Provinz zu entkommen.

John Grishams Talent eine Straftat hochspannend aus vielen Perspektiven nachhaltig auszumalen ist sprichwörtlich großes Kino. Die Palette von emotionalen Werkzeugen, die er verwendet, sind vielfältig, aber wirkungsvoll. Eingeklammert von einigen Klischees die er auch in „Der Polizist“ verwendet, gehört dieser Roman zu einem seiner stärksten.

Jake Brigance, Held der Bestseller »Die Jury« und »Die Erbin«, ist zurück. Diesmal steht er als Pflichtverteidiger im Zentrum eines aufsehenerregenden Mordprozesses in Clanton, Mississippi. Sein Mandant Drew Gamble hat einen örtlichen Deputy umgebracht – doch war es Notwehr oder Mord? Die Mehrheit von Clanton fordert lautstark einen kurzen Prozess und die Todesstrafe. Dabei ist Drew Gamble gerade einmal 16 Jahre alt. Jake Brigance arbeitet sich in den Fall ein und versteht schnell, dass er alles tun muss, um den Jungen zu retten. Auch wenn er in seinem Kampf für die Wahrheit nicht nur seine Karriere, sondern auch das Leben seiner Familie riskiert. (Verlagsinfo)

Notwehr aus Todesangst, oder ein gezielter Mord um sich um seine Familie zu schützen – ist das entschuldbar, ist es legitim das Gesetz in Selbstjustiz zu gebrauchen, oder zu missbrauchen?

„Ich wurde von der Polizei vergewaltigt“ die Aussage einer Zeugin – die so dramatisch ist, so unter die Haut geht, dass diese Wellen sich wie ein emotionaler Tsunami durch den Gerichtssaal fortbewegen. Das Justizwesen unterscheidet sich sehr von dem unsrigen. Auch in „Der Polizist“ sind die Auftritte der Rechts- und Staatsanwälte immer theatralisch, sie sind strategisch aufgestellt, sie tricksen mit einer rhetorischen Bewaffnung, die hochspannend und manipulativ ist.

Die Figurenzeichnung ist ausgesprochen brillant – und das betrifft alle Personen in diesem Roman. Einige sind ja „Wiederholungstäter“ und uns bestens bekannt. Die Nebenfiguren und Nebengeschichten sind teilweise überflüssig, da die Haupthandlung eine solche Fokussierung innehat, wie ich sie selten erlebt habe.

Der sehr, sehr hohe Unterhaltungswert ist nicht nur das Ergebnis einer exponentiellen Spannung, sondern überzeugt durch einen sehr hohen Anteil von Emotionen – inkl. einiger verwandtschaftlichen Todsünden.

Die Story spielt ca. 5 Jahre nach den Ereignissen von „Die Jury“ und damit greift John Grisham geschickt in die Schublade von alten Vorurteilen, von längst schon aufgegebenen Dogmen, und traditionellen Idealen – meinen wir wirklich, dass diese an Aktualität verloren haben? Haben sie nicht – noch lange nicht und lädt uns nebensächlich dazu ein, darüber nachzudenken – wo Recht und Unrecht anfangen, oder enden können. Machen Sie sich ein eigenes Bild – es ist ihr gutes Recht.

„Der Polizist“ von John Grisham  ist zwar als Einzelband konzipiert – aber der Schriftsteller lässt sich einen Korridor voller weiterer Möglichkeit offen. Ein zweiter Teil ist nicht ausgeschlossen, und wenn man schon thematisch die Story nicht fortführen möchte, so haben die Charaktere ein so großes Potenzial, dass wir hoffentlich „Jake Brigance“ wiedersehen.

Fazit

„Der Polizist“ ist gnadenlos spannend. Eine Verurteilung dazu diesen Roman unbedingt zu lesen. Strafmaß: Sie werden diesen Roman lesen müssen – zu Recht ein Justizthriller, der menschlich überzeugt und einer der stärksten des Autors ist.

Michael Sterzik

Donnerstag, 13. Mai 2021

Ich will dir nah sein - Sarah Nisi


Die Wege der „Liebe“ können mitunter auch extrem dunkel sein. Wir haben alle schon Abweisung erlebt, eine gescheiterte Beziehung, dazu Liebeskummer, Selbstzweifel, ein unsägliches Gefühl völlig verloren sein. Doch wir überleben diesen Verlust und hier spielt auch die Zeit eine elementare Rolle. Doch mitunter hat der eine oder andere es auch schon erlebt, dass sich der Ex-Partner nicht so schnell abschütteln lassen will. Hartnäckig sucht dieser Kontakt, fordert Erklärungen, bittet nach einem Zeichen der Hoffnung – und manchmal wird daraus eine kriminelle Handlung wenn einem die aufgezwungene  „Nähe“ faktisch zu nah. Wir reden hier dann von „Stalking“. Psychologisch gesehen schwierig zu einzuordnen – ob dies schon krankhafte Züge hat, muss man individuell interpretieren. Die Beweggründe sind vielfältig – eine Antriebsfeder ist das Suchen nach Aufmerksamkeit, oder Kontrolle, aber auch das Streben nach Macht oder Rache können die Gründe für derartige Belästigungen sein.

Die Deutsch-Britin Sarah Nisi, in Hildesheim geboren, die aber in der Metropole London lebt, hat ihren ersten Roman im Verlag btb veröffentlicht: „Ich will Dir nah sein“.

Der Psychothriller gehört zu einem der besten Romane, die ich bisher in diesem Jahr gelesen habe. Als Debütroman außerordentlich brillant gelungen und sehr zu empfehlen.

London, Fundbüro des öffentlichen Nahverkehrs. Lester Sharp kümmert sich um herrenlose Fundsachen: Handys, Schlüssel, Portemonnaies – besonders gern um Kleidungsstücke und medizinische Gerätschaften. Er ist auch privat ein Sammler und Sonderling, der sich schwertut mit Frauen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Als er der jungen Erin begegnet, weiß er zunächst nicht, wie er sich verhalten soll – findet aber schon bald eine Möglichkeit, ihr nah zu sein. Näher, als es ihr lieb sein kann...(Verlagsinfo)

„Ich will Dir nah sein“ überzeugt aus vielerlei Gründen. Die tiefe Interpretierung der Charaktere ist perfekt im Einklang mit der Story absolut gelungen. Die Perspektive wird aus drei Perspektiven der Figuren erzählt. Der konzentrierte Fokus orientiert sich auf den Sonderling „Lester Sharp“ – der krankhafte Züge zeigt. Seine Motivation und sein Verständnis für den Begriff Liebe, das Interesse für eine Person und Zuneigung ist gleichbedeutend mit einer desillusionierten, zwanghaften Kontrolle.

Sarah Nisi erzählt die Besessenheit von Lester Sharp mit einer nachhaltigen Wucht, die erschreckt und morbide faszinierend ist. Der Realismus dieser Szenen, die das innerste Selbst von Lester und Erin zeigen ist unsagbar spannend – und zu keinem Zeitpunkt überzogen, oder nicht authentisch genug. Die Atmosphäre des Buches ist Sarah Nisi so intensiv gut gelungen, dass die Story den Leser völlig einfängt.

Die Story baut sich in einer Eskalationsspirale auf, die zwar nicht am Durchdrehen ist, aber zu einem Ende führt, dass man so nicht erwartet hätte. Auch wenn abschließend ein paar Fragen unbeantwortet bleiben, ist „Ich will Dir nah“ sein extrem faszinierend.

Psychologisch gesehen weiß die junge Autorin welche Knöpfe sie in den Köpfen der Leser drücken muss –aber vielen Dank für diese unterhaltsame, literarische Unterweisung.

Sarah Nisi wird sich mit diesem Roman ein gewisses Standing erarbeitet haben. Die Story ist originell, die Figuren brillant mit ihrem Zusammenspiel und den Dialogen lassen eine Geschichte entstehen, die erschreckend gut erzählt ist.

Sarah Nisis Debüt ist mehr wie gelungen und wir dürfen gespannt sein, aber auf die nächsten Romane der Autorin. Dieser vorliegende Roman gilt als inhaltlich abgeschlossen.

Fazit

„Ich will Dir nah sein“ von Sarah Nisi ist ein Pageturner, der unserer Psyche unheimlich nahkommt. Ganz starker Roman – der abgrundtiefe Ängste aufs Papier bringt und über eine hoch spannende Wucht verfügt. Prädikat: Einer der Thriller, die man in diesem Jahr lesen sollte.

Michael Sterzik


Freitag, 7. Mai 2021

Das Windsor-Komplott - S. J. Bennett


Es gibt ja sehr originelle Ermittlerinnen im Genre „Thriller/Krimi“ – verschiedene Berufe, oder Berufungen, verschiedene Motive um sich auf den Spuren von „Miss Marple“ zu bewegen. Im vorliegen Roman „Das Windsor-Komplott“ ermittelt Eure „Königliche Hoheit“ – die Queen Elisabeth persönlich. Der Auftakt zu dieser herrlichen amüsanten Reihe, ist äußerst gut gelungen.

„Das Windsor-Komplott“ ist eine nette und herzliche Krimi-Komödie, die allerdings auch eine gewisse, erzählerische Tiefe hat.

Wer hätte das geahnt: Queen Elizabeth hat eine heimliche Passion – sie löst für ihr Leben gern Kriminalfälle! Unerkannt, versteht sich, den Ruhm müssen andere ernten. Als während einer Feier auf Schloss Windsor ein russischer Pianist unter ausgesprochen peinlichen Umständen ums Leben kommt, wittert der MI5 sofort ein Komplott Wladimir Putins. Die Queen ist not amused über so viel politisch brisanten Übereifer. Da muss eingegriffen werden, aber diskret, versteht sich.
Queen Elizabeth zieht ihre neue nigerianische Privatsekretärin Rozie ins Vertrauen, die bald ebenso diskret wie beherzt ihre Kompetenzen überschreiten muss. Wird es den beiden Frauen gemeinsam gelingen, dem wahren Mörder auf die Spur zu kommen, bevor der MI5 größere diplomatische Verwicklungen auslöst? (Verlagsinfo)

Der gute, englische Krimi halt – passt wohl, wenn auch weniger Spannung vorhanden ist, dafür umso mehr, einen hohen amüsanten Unterhaltungswert aufweist.

Wenn die Autorin über Wladimir Putin referiert und seine strategische Sympathie für große Hunde betont, kommt schon ins schmunzeln. Und ist nun halt auch keine Fiktion, sondern leider eine historische Anekdote, und es gibt da noch ein paar mehr von. Es gibt aber noch diverse andere Unterhaltsame „Dialoge“ – z.B. wenn sich Queen Lilibet mit Ehemann Prinz Philipp unterhalten, bewegen sich die Mundwinkel lächelnd nach oben.

Die Queen bricht sich auch keine Zacken aus der Krone – selbstbewusst und intelligent zieht sie ihre Schlüsse und zieht natürlich ihre neue Sekretärin Rozi, als eine enge Beraterin hinzu. Dieser Nebencharakter ist allerdings völlig inhaltslos und überflüssig. Die „alte“ Dame sollte besser zukünftig auf ihrer Insel selbst ermitteln.

Alter – bringt Weisheit mit und die Autorin S.J. Bennett bastelt dies hervorragend in ihre Story ein. Auch hier findet eine gewisse erzählerische Tiefe statt, wenn die Politik & Geschichte aus der Perspektive eines Staatsoberhauptes erzählt wird. Ihre repräsentative Figur ist herrlich gut in Szene gesetzt.

Die Mischung macht es aus – und in dem vorliegenden Roman ist diese gut ausgewogen, sodass hier auch kaum erzählerische Längen sind. Größtes und einziges Kritikmerkmal ist die Person von Rozie.

Fazit

„Das Windsor-Komplott“ ist zwar nicht Queen of Crime – aber königlich gelungen. Man könnte sagen der Leser wird „amused“ sein. Witzige Unterhaltung – viel Wissen und sagenhaft gute Dialoge und fertig ist eine große Krimiüberraschung.

Michael Sterzik

 

Freitag, 30. April 2021

Ostseefalle - Eva Almstädt


Cold Case“ ist inzwischen im Genre Krimi/Thriller vielleicht etwas Hype-orientiert und es funktioniert ausgesprochen  gut. Dunkle Geheimnisse, die in der Vergangenheit liegen, alte Beziehungen,  die noch nicht abgeschlossen sind und Ermittler, die sich Jahre oder Jahrzehnte später immer noch fragen, ob sie etwas übersehen haben, an etwas nicht gedacht hatten….eine alte „Schuld“ ist fast unsterblich und ernährt sich von menschlichen Fehlern, oder vielleicht auch von der Raffinesse der Täter.

Eva Almstädts Reihe um die Lübecker Kriminalbeamtin Pia Korittki ist einer der besten im Genre Krimi. Regionale Krimis liegen ja eh im Fokus – bekanntlich kann man sich also auch an Tatorten ganz wie zu Hause fühlen. Die Bühne zeigt die „Ostsee“ – mit Lübeck als frühere Königin der Hanse - als Stadt, ein hervorragendes Ambiente. Nicht nur als Urlaubsland, oder als kulturelle Reise bietet Schleswig-Holstein viele Möglichkeiten und die verschiedenen Städte, Gemeinden und Regionen, die in dieser Reihe vorkommen,  sind auch ein unterhaltsamer Reiseführer.

Die Reihe überzeugt aber nicht nur durch die charmante Ostsee, sondern vielmehr durch die starke Figurenzeichnung. Pia Korittkis berufliche Laufbahn, auch ihre Liebesgeschichten, die eine gewisse dramatische Komponente aufweisen, lassen die Figur uns realistisch nahekommen. Als erfolgreiche Beamtin, als selbstständige Frau, und auch als eine phasenweise, alleinerziehende Mutter. Geschickt – Glaubwürdig und auch spannend in Szene gesetzt.

Bei der Sanierung eines Bauernhauses entdecken die Bewohner im Keller einen skelettierten Schädel. Kommissarin Pia Korittki leitet die Ermittlungen. Sie stößt auf den Fall einer vor neun Jahren verschwundenen jungen Frau. Der damals Hauptverdächtige lebt noch immer in dem kleinen Ort. Doch all das wird nebensächlich, als Pia die Nachricht erhält, dass ihr Sohn Felix einen schweren Unfall hatte. Zu spät erkennt sie, dass es eine Falle war – und dass der Cold Case, in dem sie ermittelt, alles andere als "kalt" ist ...Ein Fall, der Pia Korittki in tödliche Gefahr bringt…(Verlagsinfo)

Alte Liebe rostet nicht – alte Feindschaften aber ebenso wenig. „Ostseefalle“ ist als Mehrteiler konzipiert. Leser, die die Reihe kennen werden alten Bekannten begegnen – aus „alt“ wird „neu“ und es wirkt auch gar nicht künstlich aufgesetzt. „Ostseefalle“ von Eva Almstädt verfügt bis zur Mitte etwa über eine sich langsam, aufbauende Spannung, explodiert aber dann in einem sehr persönlichen Duell.

Authentisch wirkt das Storytelling allemal, wenn man auch manchmal darüber nachdenkt, ob es etwas überstrapaziert ist. Die Autorin überlässt hier wenig, bis gar nichts dem Kollegen Kommissar Zufall. Sehr schlau und mitunter sehr gut konstruiert macht „Ostseefalle“ einfach eine Menge Spaß und überzeugt ebenfalls durch ein gesundes Tempo.

Eva Allstädt baut hier einen kleinen Cliffhanger ein – und motiviert, nein zwingt den Leser dazu den nächsten Teil kaum erwarten zu können. Rache kann auch zweischneidig sein – und aus einer Hoffnung heraus – kann man auch zurückschlagen um wiederrum später eine Rückkehr zu feiern.

Es gibt nicht viel auszusetzen. „Ostseefalle“ ist und wird zu einer persönlichen Vendetta. Für alle zukünftigen Bände sollte man den Punkt: „Persönliche Fehde“ ein für alle Mal abhaken. Alles andere wäre kontraproduktiv.

Fazit

Fallen Sie auf den Titel „Ostseefalle“ bitte rein. Gehen Sie alten Feind- und Freundschaften ruhig auf dem Leim. Sie werden begeistert sein, wie manipulativ Eva Almstädt mit Ängsten und Hoffnungen spielt.

Sehr zu empfehlen.

Michael Sterzik

 

 

Samstag, 24. April 2021

Die Kobra von Kreuzberg - Michel Decar

 


Meisterdiebe und Ganoven haben in der belletristischen Literatur immer schon einen besonderen Stellenwert. Diese edle Robin-Hood Ideologie hat neben etwas romantisch-verruchten, auch eine gewisse unabhängige Freiheit in der diese Diebe und Räuber leben. Nicht unbedingt böse – aber halt Individualisten, die sich mit ihrer eigenen Lebenseinstellung über Wasser halten.

Der Schriftsteller Michel Decar greift dieses Thema in seinem neuesten Roman „Die Kobra von Kreuzberg“ auf. Das Buch ist eine trashige Räuberpistole, eine herbe, derbe Sprache, viel Situationskomik und eine völlig überdrehte rhetorische Dialoge, mit netten Anspielungen und Andeutungen. Ein Roman der sich selbst nicht ernst nimmt – eine Geschichte , die durchaus faszinierend unterhaltsame Züge aufweist.

Alleine schon der Storyplot ist abgefahren, wer kommt schon auf die Idee, die Quadriga auf dem Brandenburger Tor zu stehlen!? Es gibt dabei unzählige Argumente genau, dieses nicht zu tun, es nicht zu versuchen und vor allem, wer will das Wahrzeichen überhaupt später kaufen?

Die junge Diebin Beverley Kaczmarek, deren Familie sich traditionell, beruflich interpretiert in Verbrecherkreisen bewegt, und schon eine Menge Unfug angestellt hat, sieht sich  mit ihren Brüdern in einer wirklich ernst zu nehmenden Challenge, höher, schneller, weiter, auffälliger, berühmter…ein aberwitziges Rennen um mediale Beachtung. Michel Decar verwendet in seinem Roman, eine ganze Menge von klassischen Vorurteilen und Klischees, aber bekanntlich sind diese zwar übertrieben, aber im Kern steckt dann doch eine gewisse Wahrheit.

Für Beverly Kaczmarek läuft es überhaupt nicht. Eigentlich ist sie nach Berlin gekommen, um im großen Stil Museen und Juweliere auszuräumen, doch so richtig wollen ihre Pläne nicht zünden. Denn während ihre Brüder Fabergé-Eier aus der St. Petersburger Eremitage entwenden und es damit in die internationale Presse schaffen, ärgert sich über ihre mittelmäßige Ausbeute. Also beschließt sie einen Coup zu landen, der an Logistik und Tollkühnheit neue Standards setzen wird, und etwas wirklich Großes zu stehlen: die Quadriga auf dem Brandenburger Tor.(Verlagsinfo)

Ein Roman in einer Pop- und Gesellschaftskultur angesiedelt – völlig überzeichnet, ironisch und sarkastisch geprägt. „Die Kobra von Kreuzberg“ wirkt polarisierend und ist schwer einzuordnen. Je nachdem über welchen Humor der Leser sich angesprochen fühlt, wird er viel lachen und schmunzeln können, aber es wird auch Stimmen geben, die mit diesem vorliegenden Roman überhaupt nichts anfangen können.

Michel Decar schreibt mit einer gewissen Leichtigkeit, die einen anspricht. Originell in jedem Fall – frech und spritzig.

Fazit

„Die Kobra von Kreuzberg“ schlängelt sich mit aberwitzigen Ideen, überspitzten Dialogen und schafft es dennoch, eine gewisse ernsthafte Note zu geben, über die man nicht nur lachen, sondern auch nachdenken kann.

Ein Roman, wie ein schöner Strandtag mit verschiedenen Wetterkrisen – gut zu empfehlen.

Samstag, 17. April 2021

Tief in der Erde - Christa von Bernuth


Der vorliegende Titel: „Tief in der Erde“,  erschienen im Goldmann Verlag, basiert auf einer tatsächlichen Entführung mit anschließendem Tod der zehnjährigen Ursula Herrmann. Das kleine Mädchen konnte nur tot geborgen werden, vergraben in einer Holzkiste, erstickt tief in der Erde – in einem Waldstück zwischen Schondorf und Eching am Ammersee. In einem Indizienprozess wurde fast 30 Jahre später ein Mann aus der Nachbarschaft zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt

1981, ein Dorf in Oberbayern. Die zehnjährige Annika Schön ist mit dem Fahrrad auf dem Heimweg von einer Freundin, doch sie kommt nie zu Hause an. Tage des qualvollen Wartens verstreichen, bis die Polizei einen erschütternden Fund macht – eine Kiste, vergraben im Wald, darin die Leiche des Mädchens, das dort erstickt ist. Eine mögliche Spur in das nahe gelegene Internat wird nur halbherzig verfolgt. Jahre später verurteilt man einen Verdächtigen, doch es bestehen Zweifel an seiner Täterschaft. Basierend auf dieser wahren Geschichte und ihren eigenen Recherchen hat Christa von Bernuth, selbst ehemalige Internatsschülerin, einen Roman geschrieben, der den alten Fall neu aufrollt – auf der Suche nach der Wahrheit, was damals wirklich geschah. (Verlagsinfo)

Die Autorin Christa von Bernuth hat diesen True Crime Thriller, den o.g. Kriminalfall eine Seele gegeben. Die hoch qualitative Spannung wirkt überzeugend, doch es gibt noch mehr was diesen Roman neben einer natürlichen, authentischen Atmosphäre auszeichnet. Man fühlt und spürt die Emotionen der Eltern, die Verzweiflung, die Ängste und auch die Hoffnung, dass die Tochter lebt. Christa von Bernuth schreibt mit einen brillanten, emotionalen Hammer – mit Schwung und einer fulminanten Durchschlagskraft überträgt sie genau diese Emotionen auf die Leser.

Es ist vom Vorteil, wenn man sich ggf. vor dem Leser, mit dem historischen Kriminalfall beschäftigt. Es gibt genug Quellen im Internet, die Dokumente, Berichte und auch Fotos liefern. Es geht nicht nur tief unter die Erde, es geht auch tief unter die Haut.

Auch dort wird man lesen, dass der Verurteilte, auch ein Justizopfer sein könnte. Indizien – sind keine Beweise und folgt man den historischen Fakten stellt sich heraus, dass Pleiten, Pech und Pannen dafür verantwortlich sind – neben dem persönlichen Versagen einzelner Ermittlungsbeamten  - dass man diesen grausamen Kriminalfall nicht eher aufgeklärt hat. Zeugen sind verstorben – Dokumente nicht mehr auffindbar – Erinnerungen ausgelöscht, oder Menschen, die nichts mehr erzählen wollen.

Auch das wird von Christ von Bernuth im Roman verwendet. „Tief in der Erde“ hebt sich ein wenig von den gängigen True Crime Thrillern ab, nicht durch die Spannung sondern über eine sehr gefühlsbetonte erzählerische Qualität. Ihr Stil in diesem Roman ist ganz, ganz stark ausgeprägt.

Doch nicht nur die Eltern, und einer der Brüder finden sich auf der Bühne der Handlung wieder, auch die Beamten lassen sich etwas in die Seele blicken. Im Nachhinein wird sich der Leser erschrecken, dass die Polizei fast schon dilettantisch die Ermittlungen führte. Wurden sie von anderen gedeckt, gesteuert, manipuliert? Man wird diese letztlich nicht mehr aufklären können.  

Die Vergangenheit hat hier deutlich mehr dazu beigetragen eine Spannung zu entwickeln und die Atmosphäre aufzubauen. Die Gegenwart befasst sich mit dem Indizienprozess und ist fast schon nebensächlich zu betrachten.

Doch es gibt auch Schwachpunkte. Die Zeit danach – nach dem Auffinden der Leiche des Mädchens, die Emotionen der Angehörigen wie auch die der Ermittlungsbeamten werden kaum erzählt. Unweigerlich schade.

Das Ende des Romans ist schwach – die Fragen, die Pleiten und Pannen, die hier offenbart wurden -. Schwingen erschöpfend mit.

Fazit

„Tief in der Erde“ von Christa von Bernuth geht „tief unter die Haut. Ein nachhaltiges Echo, dass das noch 30 Jahre später ein Grauen erzeugt. Die Autorin sollte man sich gut merken – Stil, Ausdruck und Sprache hochklassig. Ich hoffe, dass wir weitere True Crime Thriller von ihr lesen können.

Michael Sterzik